1) Der Anwendungsbereich des § 183 SGG erstreckt sich auch auf Verfahren, die Kostenentscheidungen aus dem ursprünglichen Leistungsverhältnis zwischen Leistungsträger (hier: Jobcenter) und Leistungsempfänger betreffen. So ist auch die auf Abwehr der Vollstreckung einer Kostenentscheidung aus dem ursprünglich zweifelsfrei privilegierten Verfahren kostenfrei.
2) Stützt sich der Kostenschuldner im Verfahren zur Festsetzung der zu erstattenden Kosten allein auf die Anwendbarkeit des GKG und bestimmt die erstattungsfähigen Gebühren allein nach einem (nicht gerichtlich festgesetzten) Streitwert, liegt keine qualifizierte Einwendung gegen die Gebührenbestimmung des Rechtsanwalts vor.
- Auf die Erinnerung vom 23. November 2023 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 8. November 2023 – das sozialgerichtliche Verfahren S 11 AS 896/20 betreffend – dahingehend abgeändert, dass die dem Beklagten vom Kläger zu erstattenden Kosten auf 684,40 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 v.H. über dem Basiszinssatz ab 30. September 2022 festgesetzt werden. Gezahlte Beträge sind anzurechnen.
- Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.
- Der Erinnerungsführer hat dem Erinnerungsgegner die Kosten des Erinnerungsverfahrens zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um die Höhe der von dem Kläger einer Vollstreckungsgegenklage zu tragenden Kosten des Beklagten.
Der Erinnerungsführer war Kläger einer Vollstreckungsabwehrklage (S 11 AS 543/19 bzw. 896/20). Er war als Antragsgegner im Verfahren S 14 AS 1812/07 ER aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs verpflichtet, dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten zur Hälfte zu erstatten. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 13. Mai 2015 setzte die Urkundsbeamtin die vom Antragsgegner zu erstattenden außergerichtlichen Kosten auf 465,53 EUR nebst Verzinsung fest. Das sich daran anschließende Erinnerungsverfahren blieb erfolglos (Beschluss vom 14. Februar 2018, S 13 SF 591/15 E). Am 28. März 2019 erhob der Erinnerungsführer eine Vollstreckungsabwehrklage mit Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus der Kostenfestsetzungsentscheidung vom 13. Mai 2015. Nach Ruhendstellung des Verfahrens wegen parallel laufender Rechtsstreitigkeiten wurde das Verfahren unter dem Az. S 11 AS 896/20 wieder aufgerufen und fortgeführt. Der Erinnerungsführer nahm die Klage zurück und erklärte sich im August 2020 bereit, die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu erstatten.
Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 30. September 2022 beantragte der Erinnerungsgegner, die Kosten für das Klageverfahren wie folgt festzusetzen:
Verfahrensgebühr 300,00 EUR
Terminsgebühr 270,00 EUR
Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
zuzüglich 19 v.H. Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 112,10 EUR
Gesamtsumme: 702,10 EUR
Der Erinnerungsführer vertrat die Auffassung, dass die Gebührenbestimmung im vorliegenden Verfahren auf der Grundlage eines Streitwerts zu erfolgen habe. Die Hauptforderung in Höhe von 465,53 EUR bzw. zzgl. Zinsen 574,29 EUR müsse der Gebührenbestimmung zugrunde gelegt werden. Insgesamt ergäbe sich daraus eine zu erstattende Gebühr in Höhe von 255,20 EUR. Darüber hinaus sei die Umsatzsteuer mit 16 % anzusetzen, da die Fälligkeit der Gebühr im August 2020 eingetreten sei. Der Erinnerungsgegner vertrat demgegenüber die Auffassung, dass Betragsrahmengebühren festzusetzen wären.
Mit Beschluss vom 8. November 2023 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Kosten antragsgemäß fest. Sie vertrat die Auffassung, dass vorliegend Betragsrahmengebühren entstehen würden und der Erinnerungsführer keine inhaltlichen Einwände gegen die Bestimmung der Gebühr durch den Prozessbevollmächtigten erhoben habe.
Am 23. November 2023 hat der Erinnerungsführer gegen den Beschluss Erinnerung eingelegt, und begehrt die Festsetzung der Kosten auf 255,20 EUR zzgl. Verzinsung.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Die nach § 197 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Erinnerung ist nur im Hinblick auf die anzusetzende Umsatzsteuer begründet. Die Kostenfestsetzung des Urkundsbeamten ist insoweit fehlerhaft.
Nach § 197 Abs. 1 Satz 1 SGG setzt der Urkundsbeamte auf Antrag der Beteiligten oder ihrer Bevollmächtigten den Betrag der zu erstattenden Kosten fest. Nach § 3 Abs. 1 RVG entstehen Betragsrahmengebühren in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist. In sonstigen Verfahren werden die Gebühren nach dem Gegenstandswert berechnet, wenn der Auftraggeber nicht zu den in § 183 des SGG genannten Personen gehört. Nach Auffassung des Gerichts gehört der Erinnerungsgegner zum Kreis der Personen nach § 183 SGG und das GKG ist nicht anwendbar.
Die vom Erinnerungsführer vertretene Auffassung sowie die hierzu zitierte Entscheidung des Thüringer Landessozialgerichts vom 24. Juli 2019 (L 4 AS 655/19) überzeugen das Gericht nicht. Die Vollstreckungsabwehrklage führt einen Streit fort, der seinen Ursprung im Leistungsverhältnis zwischen dem Erinnerungsgegner und den Erinnerungsführer hatte. Das Verfahren S 14 AS 1812/07 ER betraf die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II an den Antragsteller und damit zweifelsfrei ein Verfahren nach § 183 SGG. Der damalige Antragsteller war in seiner Stellung als Leistungsbezieher aufgetreten.
Die daraus folgende Privilegierung des Antragstellers nach § 183 SGG wirkt nach Auffassung des Gerichts über das ursprüngliche Verfahren bis hin zur Kostenerstattung fort. Zwar ist für die Frage, ob iSv § 197a weder der Kläger noch der Beklagte zu den nach § 183 genannten Personen gehören, auf die Beteiligtenrollen des jeweiligen Rechtszugs abzustellen (vgl. BeckOGK/Evers, 1.11.2023, SGG § 197a Rn. 6). So wird – wie auch durch das Thüringer LSG (vgl. Urteil vom 24. Juli 2019 ebenda) – in den Fällen, in denen mit der Klage die Erstattung von Kosten in einem Vorverfahren nach § 63 SGB X geltend gemacht wird, teilweise vertreten, dass dieser Erstattungsanspruch nicht der Verwirklichung sozialer Rechte des Einzelnen diene, es sich daher um keine Sozialleistung handele und der Anspruch außerdem nur auf Verwaltungsverfahrensrecht beruhe. Das BSG hat sich dem jedoch nicht angeschlossen und geht ohne nähere Begründung davon aus, dass Klagen von Leistungsempfängern auf Erstattung isolierter Vorverfahrenskosten stets gerichtskostenfrei gem. § 183 seien (vgl. BeckOGK/Krauß, 1.11.2023, SGG § 183 Rn. 33).
Das vorliegend streitgegenständliche Verfahren der Vollstreckungsabwehrklage knüpft an die Vollstreckung der Kostenentscheidung aus dem zweifelsfrei privilegierten Verfahren an. Sie ist als Annex unter dem gleichen Schutzgedanken zu betrachten. Die Eigenschaft als Leistungsempfänger geht auch nicht deshalb verloren, weil sie sich mit ihrer Klage nur noch gegen die (im Rahmen der Abhilfeentscheidung) getroffene Kostengrundentscheidung nach § 63 Abs. 1 SGB X wenden. Auch dieser Kostenerstattungsanspruch ist als Annex zum Grundanspruch zu sehen. Dementsprechend geht auch die höchstrichterliche Rechtsprechung ohne Weiteres davon aus, dass Versicherte und Leistungsempfänger auch in Rechtsstreitigkeiten gegen einen aufgrund der Kostenentscheidung im Widerspruchsbescheid ergangenen Festsetzungsbescheid kostenprivilegiert sind (vgl. Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 21. Februar 2018 – L 6 AS 278/17 B –, Rn. 17 - 18, juris mwN). Auch das Thüringer Landessozialgericht hat ohne weitergehende Begründung entsprechende Verfahren die dem Anwendungsbereich des § 183 SGG zugeordnet (vgl. Urteil vom 15. Mai 2018 – L 9 AS 361/17). Das BSG hat in dem genannten Verfahren den Anwendungsbereich des § 183 SGG bestätigt (Urteil vom 12. Dezember 2019 – B 14 AS 46/18 R.). Im Anschluss an diese allgemein vorherrschende Auffassung und unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Regelung des § 183 SGG sieht das Gericht auch im vorliegenden Fall den Anwendungsbereich für eröffnet.
Darüber hinaus fehlt es an einem Streitwertbeschluss für das zugrundeliegende Verfahren S 11 AS 896/20, sodass auch nicht aus diesem Ansatz heraus der Anwendungsbereich der Betragsrahmengebühren zu verlassen wäre. Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt nach § 14 Abs. 1 Satz 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers nach billigem Ermessen. Diese Vorschrift gilt jedoch lediglich für das Verhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Mandanten; dass die Bestimmung der Billigkeit entspricht, hat der Rechtsanwalt darzulegen und im Streitfall zu beweisen (Bundesgerichtshof -BGH-, Beschluss vom 20. Januar 2011 – V ZB 216/10). Ist die Gebühr aber - wie hier - von einem Dritten zu ersetzen, so ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nach § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Im Unterschied zu der in § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG enthaltenen Regelung ist hier die Billigkeit der Bestimmung kein anspruchsbegründendes Merkmal des anwaltlichen Gebührenanspruchs, sondern die Unbilligkeit ist eine Einwendung des Dritten im Rahmen des Erstattungsverfahrens. Deshalb trägt nicht der Rechtsanwalt, sondern der Dritte die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass es an der Billigkeit fehlt (BGH a.a.O.).
Der Erinnerungsführer hat sich im Rahmen der Kostenfestsetzung nicht ausreichend gegen die Höhe der geltend gemachten Gebühren gewandt. Aus seiner Sicht zutreffend ist er lediglich von einem Streitwert-Bezug ausgegangen. Nachdem jedoch der Erinnerungsgegner eine Darlegung zu den Betragsrahmengebühren vorgenommen hat und auch nach der Stellungnahme des Erinnerungsführers daran festgehalten hat, wäre es im Sinne einer umfassenden Prüfung erforderlich gewesen, inhaltlich zur Gebührenbestimmung weiter vorzutragen. Dem ist der Erinnerungsführer nicht nachgekommen, sodass grundsätzlich von der Gebührenbestimmung des Prozessbevollmächtigten auszugehen war.
Die abschließende rechtliche Prüfung ergab jedoch, dass der weitere Einwand des Erinnerungsführers bezüglich der zu berücksichtigenden Umsatzsteuer zutreffend ist. Für die Höhe des jeweils gültigen Umsatzsteuersatzes ist bei der Soll-Versteuerung gem. § 13 I Nr. 1a UStG ausschließlich der Leistungszeitpunkt, zu dem eine Leistung ausgeführt oder abgeschlossen ist, maßgeblich. Es kommt somit nicht auf den Zeitpunkt der Vereinbarung der Leistung, die Ausstellung der Rechnung oder den Zeitpunkt des Zahlungseingangs an. Bei der Bestimmung des Leistungszeitpunkts, zu dem eine Leistung abgeschlossen oder ausgeführt ist, kann die Fälligkeitsregelung des § 8 RVG helfen. Danach wird die Vergütung fällig, wenn der Auftrag erledigt oder die Angelegenheit beendet ist. Ist der Anwalt in einem gerichtlichen Verfahren tätig, wird die Vergütung auch fällig, wenn eine Kostenentscheidung ergangen oder der Rechtszug beendet ist oder wenn das Verfahren mehr als drei Monate ruht (NJW-Spezial 2006, 525, beck-online).
Zutreffend hat der Erinnerungsführer darauf hingewiesen, dass das zugrundeliegende Verfahren mit der Klagerücknahme am 10. August 2020 geendet hat. Zu diesem Zeitpunkt hatte der abgesenkte Umsatzsteuersatz Geltung. Es kommt daher nicht darauf an, zu welchem Zeitpunkt der Prozessbevollmächtigte tatsächlich die Rechnung gestellt hat.
Die Gebühren sind daher wie folgt festzusetzen:
Verfahrensgebühr 300,00 EUR
Terminsgebühr 270,00 EUR
Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
zuzüglich 16 v.H. Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 94,40 EUR
Gesamtsumme: 684,40 EUR
Der Erinnerung der Beklagten war daher insoweit zu entsprechen.
Hinsichtlich der in entsprechender Anwendung des § 193 SGG getroffenen Kostenentscheidung wird auf Ziffer 3501 VV RVG Bezug genommen. In Anbetracht der begehrten Absenkung der Gebühr um 446,90 EUR fällt die vorgenommene Korrektur nicht ins Gewicht.
Der Beschluss ist unanfechtbar.