S 6 SO 83/19-1

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Regensburg (FSB)
Sachgebiet
Sozialhilfe
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 SO 83/19
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid

I. Die Klage vom 02.05.2019 wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.


T a t b e s t a n d :
Der Kläger erhebt Klage "gegen den Bescheid der Regierung der Oberpfalz vom 03.04.2019 - ROP- SG13-6420.1-5-9-128 zur Erfüllung des geltend gemachten Anspruchs."
Der im Jahr 1963 geborene, multimorbide, Kläger ist mehrfach nierentransplantiert und bedarf der regelmäßigen Dialyse sowie nach Aktenlage einer kostenaufwändigen Ernährung. Nach Maßstäben des Schwerbehindertenrechts ist er mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100 und den anerkannten Merkzeichen "B", "G", und "RF" schwerbehindert.
Er wohnt in einem Haus in A-Stadt im Landkreis Regensburg, in dem auch seine Mutter, A., wohnte. A. verstarb im April 2018. Der Kläger hat noch einen Bruder und zwei Schwestern (die im Jahr 1952 geborene C. und die im Jahr 1953 geborene D.).
Eigentümerin des Hauses ist seit 1996 seine Schwester D., der er jedenfalls gegenwärtig 530,00.- € "Miete" überweist. Im Grundbuch ist ein Leibgeding zugunsten des Klägers eingetragen, wobei er sich zu Inhalt und Umfang des Leibgedings nicht äußert. Der Kläger hat ein monatliches Einkommen von ungefähr 1500,00.- € (Anfang 2020: 532,01.- € Erwerbsminderungsrente von der Deutschen Rentenversicherung Bund und 939,64.- € Versorgungsbezüge vom Landesamt für Finanzen). Ob und bejahendenfalls welches Vermögen der Kläger hat, ist unbekannt. Er selbst gibt an, keines zu haben.
Beim Kläger, der bei der DAK gesetzlich kranken- und pflegeversichert ist, lagen nach Mitteilung seiner Pflegekasse auf der Grundlage einer Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen vom 27.01.2017 die Voraussetzungen der Pflegestufe I, nicht dagegen die der Pflegestufe II (a.F.) vor. In der Vergangenheit erhielt er deswegen u.a. Pflegegeld nach der Pflegestufe I, mittlerweile nach dem Pflegegrad II. In der Vergangenheit lies der Kläger seiner Schwester C. für "Hauswirtschaft" ein Entgelt zukommen, später überwies er seiner Schwester D. 316,00.- € "Pflegegeld".
Der Kläger macht(e) gegen den Bezirk Oberpfalz als überörtlichen Sozialhilfeträger bzw. seine Krankenkasse verschiedene Ansprüche (u.a. auf Eingliederungshilfe bzw. Leistungen zur sozialen Teilhabe, Erstattung von Fahrkosten zu ärztlichen und nichtärztlichen Behandlern oder Beratung) geltend, weswegen mehrere Verfahren am Sozialgericht respektive Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) anhängig waren bzw. sind. Auch gegen den Landkreis Regensburg (als örtlicher Sozialhilfeträger) sind eine Vielzahl an sozialgerichtlicher Klage- und einstweiliger Rechtsschutzverfahren u.a. wegen strittiger Akteneinsicht, geltend gemachter Bewilligung von Grundsicherung unter abweichender Festlegung des Regelbedarfs, Untätigkeitsklagen über vermeintlich oder tatsächlich nicht verbeschiedene Anträge oder auf Beratung erst- und zweitinstanzlich anhängig (gewesen). Seit Beginn des Jahres 2018 wurden über 220 allein der 9. Kammer des Sozialgerichts Regensburg zuzuordnende Verfahren eingetragen. Die weitere Vorgeschichte wird insoweit als zwischen den Beteiligten bekannt vorausgesetzt.
Diesem Verfahren vorausgegangen war ein Telefax des Klägers vom 07.07.2018, mit dem er beim Beklagten "Hilfe zur Kompensation der durch § 850k BGB verursachten Zusatzbelastungen" beantragte. "Dies umfasse auch die Belastungen, die aus dem Zusammenwirken mit anderen Gegebenheiten, wie etwa seiner Behinderung resultieren. Er beantrage die Leistung auch als vorläufige Leistung und Vorschuss".

Hierauf antwortete der Beklagte dem Kläger unter Verweis auf die §§ 60, 66 SGB I, dass nicht klar sei, auf welche Leistung sein Antrag abziele und er deshalb seinen Antrag erläutern solle (Schreiben vom 13.07.2018 und Erinnerung von 27.08.2017).

Nachdem der [Kläger] sich hierzu nicht äußerte, lehnte der [Beklagte] seinen Antrag gemäß § 66 SGB I ab (Bescheid vom 05.10.2018), da er seiner Verpflichtung zur Mitwirkung nicht nachgekommen sei. Die Leistungen würden nach Ausübung vom pflichtgemäßen Ermessen versagt. Eine Hilfegewährung ohne die erbetene Auskunft sei nicht möglich, da überhaupt nicht geklärt werden könne, was er eigentlich begehre. Er sei bereits mehrfach drauf hingewiesen worden, die fehlenden Auskünfte zu erteilen.

Mit Telefax vom 09.10.2018 legte der Kläger Widerspruch ein. Gemeint sei die ZPO. Er wiederhole seinen Antrag mit dieser Änderung.

Mit Schreiben vom 15.10.2018 räumte der Beklagte dem Kläger Gelegenheit zur ergänzenden Stellungnahme bzw. zur weiteren Erläuterung, da er nunmehr klargestellt habe, dass es ihm nicht um Belastungen nach dem BGB, sondern der ZPO gehe, es dennoch nach wie vor völlig unklar sei, auf welche Leistung sein Antrag abziele und nicht erschlossen werden könne, welche Belastungen aus § 850k ZPO er zu tragen habe.

Mit Telefax vom 09.12.2018 legte der Kläger Widerspruch gegen das Schreiben vom 15.10.2018 ein und beantragte Wiedereinsetzung hilfsweise Überprüfung und Neuantrag. Bereits die Schreiben nur überfliegend zu lesen, überforderte ihn. Eine eingehende Befassung sei ihm nicht möglich.

Der Beklagte legte den Vorgang der Regierung der Oberpfalz zur Entscheidung vor. Diese wies den Widerspruch gegen den Bescheid vom 05.10.2018 mit Widerspruchsbescheid vom 03.04.2019 - ROP- SG13-6420.1-5-9-128 zurück, woraufhin der Kläger mit Telefax vom 30.04.2019 die unter dem Gerichts Aktenzeichen S 9 SO 79/19 geführte Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 03.04.2019 erhob. Weiterhin beantragte er eine einstweilige Anordnung "zur Erfüllung des geltend gemachten Anspruchs". Letztere ist mit Beschluss vom 06.06.2019 S 9 SO 78/18 ER abgelehnt worden.
Zudem erließ die Regierung der Oberpfalz einen zweiten Widerspruchsbescheid vom 04.04.2019- ROP- SG13-6420.1-5-9-129 mit dem der Widerspruch vom 09.12.2018 zurückgewiesen wurde. Der Widerspruch sei unzulässig, da es sich bei dem Schreiben des Beklagten vom 15.10.2018 um keinen Verwaltungsakt, sondern lediglich um ein Schreiben handele, um den Sachverhalt aufzuklären. Mit Telefax vom 02.05.2019 erhob der Kläger Klage und beantragte eine einseitige Anordnung "gegen den Bescheid der Regierung der Oberpfalz vom 04.04.2019 ROP- SG3-6420.1-5-9-128 zur Erfüllung des geltend gemachten Anspruchs". Die Klage wird unter dem Gerichtsaktenzeichen S 6 SO 82/19 geführt, der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz wurde mit Beschluss vom 06.06.2019, Az. S 9 SO 80/19 ER abgelehnt.
Mit Telefax vom 02.05.2019, bei Gericht eingegangen am selben Tag, beantragte der Kläger (nochmal) eine einstweilige Anordnung gegen den Bescheid der Regierung der Oberpfalz vom 03.04.2019 - ROP- SG13-6420.1-5-9-129 sowie Prozesskostenhilfe hierfür. Der Antrag wurde mit Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 06.06.2019 - S 9 SO 81/19 ER abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde mit Beschluss des BayLSG vom 29.08.2019 - L 8 SO 202/19 B ER zurückgewiesen. Auf die Gründe der genannten Entscheidungen sowie den Inhalt der beigezogenen gerichtlichen Verfahrensakte wird Bezug genommen.
Weiterhin hat der Kläger, ebenfalls mit genanntem Telefax vom 02.05.2019, erneut Klage gegen den Bescheid der Regierung der Oberpfalz vom 03.04.2019 - ROP- SG13-6420.1-5-9-128 erhoben. Neben der Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines zu bestimmenden Anwalts, hilfsweise eines Notanwalts hat der Kläger in der Sache

                    keinen bestimmten Antrag gestellt.

Der Beklagte beantragt:

                    die Klage abzuweisen.        

Die Klage sei unzulässig. Ein Rechtsschutzbedürfnis bestehe nicht. Weiterhin sei die Klage unbegründet. Da der Rechtsbehelf keine Aussicht auf Erfolg habe, sei auch der Antrag auf Prozesskostenhilfe abzulehnen.

Zudem hat sich das Gericht mit Schreiben vom 19.09.2019 und vom 16.02.2021, wie bereits im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, erneut an den Kläger gewandt und insbesondere um Konkretisierung des Rechtsschutzziels gebeten. Die gesetzte Frist zur Beantwortung der Schreiben verstrich ohne weitere Mitwirkung des Klägers.

Zur weiteren Ergänzung des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Teilverwaltungsakte Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die Klage vom 02.05.2019 ist als unzulässig abzuweisen.

Es fehlt bereits am notwendigen Rechtsschutzbedürfnis, sodass die Frage der Prozessfähigkeit des Klägers, gemäß § 71 Abs. 1 SGG, bzw. die Frage der Bestellung eines besonderen Vertreters, gemäß § 72 Abs. 1 SGG, für dieses Verfahren offengelassen werden kann (s. hierzu LSG Hamburg, Urteil vom 14.02.2013 - L 4 AS 32/12; LSG Hamburg, Urteil vom 11.04.2013 - L 1 KR 60/12, sowie MKLS/Schmidt, 13. Aufl. 2020, SGG, § 72 Rn. 2c).

Jede (zulässige) Rechtsverfolgung setzt ein Rechtsschutzbedürfnis voraus und es besteht der allgemeine Grundsatz, dass Gerichte nicht unnütz oder unlauter in Anspruch genommen werden sollen. Dies begründet sich aus dem im Prozessrecht geltenden Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB), dem Verbot des Missbrauchs prozessualer Rechte und dem Grundsatz der Effizienz staatlichen Handelns (MKLS/Keller, 13. Aufl. 2020, SGG, vor § 51, Rn. 16, 16a).

Auch im nunmehr vorliegenden Fall kann das Sozialgericht jedoch keine nachvollziehbaren und von der Rechtsordnung anzuerkennenden Gründe für ein sachliches Bedürfnis einer gerichtlichen Entscheidung erkennen (vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom 03.11.1971, Az. IV ZR 26/70, Rn. 11).

Der Kläger, der seit Beginn des Jahres 2018 über 220 Verfahren initiierte, erhebt erneut "stereotyp" Klage. Wieder fehlen, trotz eines aus verschiedenen Teilen früherer Anträge zusammengesetzten Schriftsatzes, selbst rudimentäre Ausführungen zu den tatsächlichen Umständen, die eine sachgerechte Prüfung eines Anspruches auf Leistungen der Sozialhilfe ermöglichen würden. Aus welchen Gründen der Kläger nicht von der ihm mit den Gerichtsschreiben eingeräumten Gelegenheit zur Konkretisierung seines Klagebegehrens Gebrauch gemacht hat, bleibt unerschlossen.

Somit erschöpft sich der einzig erkennbare Zweck (auch) dieses Verfahrens darin, den Beklagten und das Gericht zu beschäftigen. Verbindendes Element der Verfahren ist, dass der Kläger einstweilige Rechtsschutzanträge stellt und Klagen erhebt, sich dann aber im Weiteren - regelmäßig unter Verweis auf seinen nicht näher spezifizierten, gesundheitlichen Zustand oder die für sich in Anspruch genommene Überlastung - jeglicher weiteren Mitwirkung enthält (vereinzelt unter Verweis auf die Amtsermittlungspflicht). Der Kläger möchte jedoch weder die Hilfe eines Betreuers, noch auf die Hilfe eines Vertreters für ein Verwaltungsverfahren, gemäß § 15 SGB X, zurückgreifen. Auf wiederholte, letztlich auch seinen Interessen dienende, Gerichtsschreiben reagiert der Kläger regelmäßig nicht. In der Gesamtbewertung wird das Sozialgericht in unlauterer Weise mit einem erneuten Verfahren überzogen und das Gericht unnütz bemüht (vgl. hierzu auch MüKoZPO, Vorbemerkung zu § 253, Rn. 11 und 12).

Weiterhin ist die Klage unzulässig, weil es dem Gericht (wiederum) nicht möglich war, zu bestimmen, was der Kläger genau will und welche konkrete, näher bestimmte Leistung er warum begehrt (vgl. MKLS/Schmidt, 13. Aufl. 2020, SGG, § 92 Rn. 8).

Grundsätzlich entscheidet das Gericht gemäß § 123 SGG über die vom Antragssteller erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung eines Antrags gebunden zu sein. Unklare Anträge sind nach dem sogenannten "Meistbegünstigungsprinzip" unabhängig vom Wortlaut, unter Berücksichtigung des wirklichen Willens, so auszulegen, dass das Begehren möglichst weitgehend zum Tragen kommt. Dabei orientiert sich das Gericht grundsätzlich daran, was nach dem antragstellenden Vorbringen begehrt wird, soweit vernünftige Klagende mutmaßlich ihren Antrag bei entsprechender Beratung anpassen würden und keine Gründe für ein anderes Verhalten vorliegen (vgl. hierzu bspw. BSG, Urteil vom 07.11.2006, Az. B 7b AS 8/06 R, Rn. 11). Zudem ist das Gericht gehalten, bei unklaren Anträgen mit den Beteiligten zu klären, was gewollt ist und darauf hinzuwirken, dass sachdienliche und klare Anträge gestellt werden (§ 106 Abs. 1 SGG).

Auch unter Beachtung dieser Grundsätze war es dem Gericht nicht möglich, ein für die Zulässigkeit der Klage ausreichend bestimmtes Begehren des Klägers herauszuarbeiten. Das Gericht kann ohne die Mitwirkung des Klägers nicht einmal erkennen, ob der Kläger isoliert gegen den Widerspruchsbescheid der Regierung der Oberpfalz vorgehen möchte oder (wie das Gericht eher annimmt) gegen den Landkreis Regensburg. Auf diesen Umstand hat das Gericht auch mehrmals hingewiesen und darum gebeten, das Begehren zu konkretisieren. Eine weitere Erläuterung erfolgte nicht. Was der Kläger demnach mit der nun vorliegenden Klage begehrt, weiß das Gericht ohne Mitwirkung des Klägers schlichtweg nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.

 

Rechtskraft
Aus
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