L 6 SB 2885/23

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 22 SB 2075/22
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 2885/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. September 2023 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Der Kläger begehrt die höhere Erstfeststellung des Grades der Behinderung (GdB) mit mehr als 20 sowie die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichen „G“ (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr).

Er ist 1962 geboren, hat nach dem Hauptschulabschluss eine Lehre zum Gas-Wasser-Installateur abgeschlossen und anschließend bei einem Gerüstbau gearbeitet. Seit 20 Jahren ist er als Lagerarbeiter tätig. Er ist kinderlos, lebt in einer festen Partnerschaft und wohnt im vierten Stock eines Mehrfamilienhauses.

Am 29. April 2021 beantragte er bei dem Landratsamt B1 (LRA) erstmals die Feststellung des GdB. Vorgelegt wurde der Entlassungsbericht über die ambulante Rehabilitation vom 23. März bis 21. April 2021 in der N1 Stiftung. Danach hätten sich bei Aufnahme keine spezifischen kardiologischen Symptome im Sinne einer Angina pectoris, einer manifesten Herzinsuffizienz oder symptomatische Herzrhythmusstörungen gezeigt. Die gesamtkörperliche Belastbarkeit sei noch reduziert gewesen.

Die Herzaktion sei regelmäßig mit einem Blutdruck von 110/70 mmHg. Der internistische Untersuchungsbefund und der neurologische Befund seien altersentsprechend. Psychisch sei der Kläger bewusstseinsklar und in allen Qualitäten orientiert. Das Verhalten und die Stimmungslage seien situationsgerecht. Es fänden sich keine Hinweise auf inhaltliche oder formale Denkstörungen. Konzentration, Aufmerksamkeit und Gedächtnis seien unauffällig. Das Kontaktverhalten sei normal. Im EKG habe sich eine regelrechte linksventrikuläre Funktion gezeigt.

Das Belastungs-EKG sei 4 Minuten bei maximal 75 Watt möglich gewesen. Der Abbruch sei bei peripherer Erschöpfung erfolgt, Angina pectoris Beschwerden hätten sich keine gezeigt. Bei Entlassung sei das Belastungs-EKG über 5 Minuten bei 100 Watt möglich gewesen. Der Abbruch sei erneut wegen peripherer Erschöpfung erfolgt, ohne dass sich Angina pectoris oder signifikante Dyspnoe zeigten. Weder während noch nach der Belastung sei es zu ischämietypischen Veränderungen der Repolarisation und zu keinen signifikanten Herzrhythmusstörungen gekommen.

In der psychologischen Beratung habe der Kläger von Schwierigkeiten mit der Anpassung an die Erkrankung und Sorgen um die Zukunft berichtet. Im Verlauf der Rehabilitation habe sich die Stimmung und der Schlaf etwas verbessert.

Im Kardiotraining sei der Kläger mit einem pulsgesteuerten Training belastet worden. Die durchschnittliche Wattzahl habe auf 60 Watt gesteigert werden können. Die Entlassung sei in stabilem Allgemeinzustand, beschwerdefrei und bei gesteigerter kardiopulmonaler Belastbarkeit erfolgt. Therapiebedürftige Rhythmusstörungen bestünden nicht, im Verlauf sei es weder zu spontanen noch zu provozierbaren Ischämien gekommen.

Auf Nachfrage des LRA hinsichtlich orthopädischer Behandlungen legte der Kläger den Befundbericht des J1 aufgrund ambulanter Behandlung vom 15. November 2018 vor. Darin wurden rückläufige Lumboischialgien links bei Bandscheibenvorfall L5/S1 links mit Kompression S1 links beschrieben. Es zeige sich ein mäßiges Lokalsyndrom über der LWS mit Druckschmerzhaftigkeit und Muskelhartspann ohne wesentliche zirkuläre Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule (LWS). Das Zeichen nach Lasèque sei beidseits negativ, es bestünden keine manifesten Paresen in der Einzelmuskelprüfung. Die übrigen Muskeleigenreflexe seien seitengleich, die Sensibilität intakt.

Aufgrund der vollständig rückläufigen radikulären Kompressionszeichen ohne funktionell relevantes Defizit sollten die konservativen Maßnahmen fortgeführt werden, weiter konsequente Krankengymnastik zur weiteren Stabilisierung. Bei erneut auftretender radikulärer Symptomatik werde um Wiedervorstellung gebeten. Im Bericht über die Computertomographie (CT) der LWS vom 10. April 2018 (Radiologe Karänke) wurde ein mediolateraler Bandscheibenvorfall L5/S1 mit S1 Kompression links beschrieben.

Das LRA erhob den Befundschein des F1, der eine letzte Vorstellung am 8. August 2017 beschrieb. Damals habe ein Vorfußkompressionsschmerz bestanden, der radiologisch sichtbare kleine Sporn sei mit Einlagen versorgt worden.

Weiter gelangte der Befundbericht des M2 S1 über die ambulante Behandlung vom 13. Oktober 2016 zu den Akten. Danach hätte sich der intra- und postoperative Verlauf nach der durchgeführten Crossektomie der Vena saphena rechts komplikationslos gestaltet, sodass die Entlassung noch am Operationstag habe erfolgen können.

S2 bewertete versorgungsärztlich den koronaren Bypass mit einem Teil-GdB von 20 und die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit einem Teil-GdB von 10.

Mit Bescheid vom 2. Juli 2021 stellte das LRA einen GdB von 20 seit dem 29. April 2021 fest.

Im Widerspruchsverfahren wurde – neben bereits aktenkundigen Berichten – der Befundbericht des W1 aufgrund ambulanter Untersuchung vom 15. Juni 2021 vorgelegt. Danach hätten sich bei gutem Allgemein- und erheblich adipösem Ernährungszustand keine Zeichen einer Herzinsuffizienz ergeben. Über allen Lungenfeldern habe ein vesikuläres Atemgeräusch bestanden, keine pathologischen Herzgeräusche.
Im Belastungs-EKG sei eine stufenweise Belastung bis 150 Watt und einer Frequenz von 115 Schläge/Minute möglich gewesen. Der Blutdruck sei auf 200/90 mmHg angestiegen, postoperativ hätten sich keine ischämietypischen Veränderungen gezeigt. Pectanginöse Beschwerden seien keine aufgetreten, ebenso keine Herzrhythmusstörungen unter körperlicher Belastung. Der Abbruch der Belastung sei wegen Dyspnoe und muskulärer Erschöpfung erfolgt. Die Sauerstoffsättigung sei unauffällig gewesen.

Die Kontrolle spreche für ein sehr gutes Operationsergebnis. Pektangiöse Beschwerden fehlten, das Belastungs-EKG sei unauffällig. Die linksventrikuläre Globalfunktion sei gut, es finde sich lediglich die übliche postoperative Septumhyokinesie.

Die B2 hielt an der bisherigen Bewertung fest. Es sei eine Belastung bis 150 Watt möglich gewesen, echokardiographisch habe sich eine gute linksventrikuläre Funktion gezeigt. Pektanginöse Beschwerden seien keine aufgetreten. 2018 sei die Lumboischialgie unter konservativer Therapie vollständig rückläufig gewesen, ein relevantes Defizit zeige sich nicht.

Den Widerspruch wies das Regierungspräsidium S1 – Landesversorgungsamt – mit Widerspruchsbescheid vom 24. Mai 2022 zurück. Die Auswertung der ärztlichen Unterlagen habe ergeben, dass die vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen mit der angefochtenen Entscheidung in vollem Umfang erfasst und angemessen bewertet seien.

Am 24. Juni 2022 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben, welches zur weiteren Sachaufklärung sachverständige Zeugenauskünfte der behandelnden Ärzte eingeholt hat.

Der L1 hat ausgeführt, den Kläger nur hausärztlich zu behandeln und keine detaillierten Befunde erhoben zu haben. Die koronare Herzkrankheit sei dauerhaft und könne sich unter Therapie nur stabilisieren, eine Heilung sei nicht möglich. Erkenntnisse über eine dauerhafte psychische Störung lägen nicht vor. Es sei nur eine psychotherapeutische Intervention nach Herzoperation bekannt. Diese dürfte das übliche Maß nicht überstiegen haben. Weiter hat er den Ausdruck seiner elektronischen Karteikartei vorgelegt.

Der W1 hat bekundet, den Kläger in meist halbjährlichen Kontrollintervallen zu behandeln. Die Diagnose einer bypassbedürftigen und durch Bypass versorgten koronaren Dreigefäßerkrankung mit Hauptstammstenose sei sicherlich schwerwiegend. Infolge der gelungenen Bypassoperation liege gegenwärtig keine bedeutsame Behinderung vor. Der Kläger berichte über eine Freiheit von pektangeniösen Beschwerden. Eine linksventrikuläre Schädigung sei bisher nicht ersichtlich. Notwendig sei allerdings die dauerhafte Einnahme der verordneten Therapie. Aufgrund des guten Operationsergebnisses werde die Einschätzung des versorgungsärztlichen Dienstes geteilt.

Die Belastbarkeit im Ergometer nur bis 100 Watt sei etwas geringer als erwartet. Der Abbruch sei wegen Dyspnoe und muskulärer Erschöpfung erfolgt. Dies könne für eine gewisse Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit sprechen, auch wenn die objektiv erhobenen Befunde unauffällig gewesen seien. Eine mittelschwere körperliche Belastung müsse auch längerfristig möglich sein. Das bis 100 Watt aufgezeichnete Belastungs-EKG sei völlig unauffällig. Einschränkungen in Ruhe halte er für ausgeschlossen.

Bezüglich der arteriellen Hypertonie zeige der Blutdruck in Ruhe wie unter Belastung unauffällige Werte. Hinsichtlich des Herzens sehe er keine hypertensive Herzerkrankung. Es liege eine eigenständige, medikamentös gut eingestellte, komplikationslose arterielle Hypertonie vor. Ergänzend hat er seine Befundberichte vorgelegt.

Die M1 hat angegeben, den Kläger zweimal am 29. September und 11. Oktober 2021 behandelt zu haben. Seitdem sei keine Vorstellung mehr erfolgt, eine Behandlung habe nicht stattgefunden. Es habe sich nur um eine Ersteinschätzung mit der Empfehlung weiterer Schritte gehandelt.

Nach rechtlichem Hinweis und Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 29. September 2023 abgewiesen. Im Funktionssystem „Herz und Kreislauf“ könne kein über einen GdB von 20 hinausgehender GdB festgestellt werden. Die Bypass-Operation sei erfolgreich verlaufen, thorakale Beschwerden hätten nicht bestanden. Postoperativ sei die systolische rechts- wie linksventrikuläre Funktion gut gewesen. Der Blutdruck zeige in Ruhe wie unter Belastung unauffällige Werte. Im Funktionssystem „Rumpf“ sei für die Rückenschmerzen ein GdB von 10 angemessen. Den Befundberichten sei zu entnehmen, dass bei dem Kläger 2018 rückläufige Lumboischialgien bestanden hätten. Eine ärztliche Behandlung finde seitdem nicht statt, eine Verschlechterung sei nicht ersichtlich. Letztlich sei im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ kein GdB festzustellen.

Die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens „G“ könne nicht beansprucht werden. Bei dem Kläger lägen keine der genannten Regelbeispiele vor, eine relevante Gangstörung sei nicht objektiviert. Die behandelnden Ärzte hätten keine Einschränkungen bei der Gehstrecke des Klägers gesehen, dieser sei vielmehr in Lage, ohne erhebliche Schwierigkeiten und ohne Gefahr für sich oder andere die üblichen Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen. Sonstige Funktionsbeeinträchtigungen, die eine Zuerkennung des Merkzeichens „G“ rechtfertigten, lägen nicht vor.

Am 12. Oktober 2023 hat der Kläger Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Er leide unter den aus der Verwaltungsakte ersichtlichen Funktionsbeeinträchtigungen. M1 habe im Bericht vom 25. August 2023 ausgeführt, dass der Verdacht auf eine beginnende Anpassungsstörung, Angst und Depression gemischt bestehe. Sie führe aus, dass sie keinen Tagesablauf abgefragt habe und sie über das psychische Befinden keine Angaben machen könne, da sich dieses in den letzten zwei Jahren verändert haben könne. Dies könne nur im Rahmen einer Begutachtung geklärt werden. Deshalb habe das SG ein Sachverständigengutachten einholen müssen. Weiter habe er sich bei V1 in orthopädischer Behandlung befunden, der jedoch in den Ruhestand getreten sei. Auskünfte könne der Nachfolger erteilen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. September 2023 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, bei ihm unter Abänderung des Bescheides vom 2. Juli 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2022 einen Grad der Behinderung von 50 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens „G“ seit dem 29. April 2021 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

            die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Er verweist auf die angefochtene Entscheidung.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht (§ 151 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet.


Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Gerichtsbescheid des SG vom 29. September 2023, mit dem die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) auf Feststellung eines höheren GdB sowie der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens „G“ unter Abänderung des Bescheides vom 2. Juli 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides (§ 95 SGG) vom 24. Mai 2022 abgewiesen worden ist. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei dieser Klageart grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. BSG, Urteil vom 2. September 2009 – B 6 KA 34/08 –, juris, Rz. 26; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, Kommentar zum SGG, 14. Aufl. 2023, § 54 Rz. 34).

Die Unbegründetheit der Berufung folgt aus der Unbegründetheit der Klage. Der Bescheid vom 2. Juli 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2022 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG). Auch zur Überzeugung des Senats kann der Kläger weder die höhere Erstfeststellung des GdB mit mehr als 20 noch die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens „G“, letzteres schon aufgrund der fehlenden Schwerbehinderteneigenschaft nicht, beanspruchen. Das SG hat die Klage daher zu Recht abgewiesen, auf dessen zutreffende Ausführungen nimmt der Senat nach eigener Prüfung Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

Der Anspruch richtet sich nach § 152 Abs. 1 und 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) in der aktuellen, seit 1. Januar 2018 geltenden Fassung durch Art. 1 und 26 Abs. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz - BTHG) vom 23. Dezember 2016 (BGBl I S. 3234). Danach stellen auf Antrag des Menschen mit Behinderung die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Auf Antrag kann festgestellt werden, dass ein GdB bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen hat (§ 152 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Menschen mit Behinderungen sind nach § 2 Abs. 1 Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können (Satz 1). Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht (Satz 2). Menschen sind im Sinne des Teils 3 des SGB IX schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 152 Abs. 1 Satz 5 SGB IX). Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des GdB maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind (§ 153 Abs. 2 SGB IX). Nachdem noch keine Verordnung nach § 153 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, gelten die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen, somit die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung – VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412), entsprechend (§ 241 Abs. 5 SGB IX). Die zugleich in Kraft getretene, auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellte und fortentwickelte Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 VersMedV ist an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 heranzuziehenden „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht“ (AHP) getreten. In den VG wird der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben (BSG, Urteil vom 1. September 1999 – B 9 V 25/98 R –, SozR 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.

Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen, unabhängig ihrer Ursache, final bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, also für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, also Gesundheitsstörungen, die nicht regelmäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als „Alterskrankheiten“ (etwa „Altersdiabetes“ oder „Altersstar“) bezeichnet werden (VG, Teil A, Nr. 2 c). Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben. Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2 e). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 152 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Teil-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Teil-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein. Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn Funktionsbeeinträchtigungen paarige Gliedmaßen oder Organe betreffen. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung muss die Auswirkung einer Funktionsbeeinträchtigung aber nicht zwingend verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.

Der Gesamt-GdB ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten, in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 – B 9 SB 1/03 R –, juris, Rz. 17 m. w. N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf der ersten Prüfungsstufe zu ermittelnden nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus abzuleitenden Teilhabebeeinträchtigungen ausschließlich auf der Grundlage ärztlichen Fachwissens festzustellen sind. Bei den auf zweiter und dritter Stufe festzustellenden Teil- und Gesamt-GdB sind über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 – B 9 SB 35/10 B –, juris, Rz. 5).

Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur die Feststellung einer unbenannten Behinderung und des Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzelfall zugrundeliegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (BSGE 82, 176 [177 f.]). Der Teil-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Es ist somit auch nicht entscheidungserheblich, ob von Seiten des Beklagten oder der Vorinstanz Teil-GdB-Werte in anderer Höhe als im Berufungsverfahren vergeben worden sind, wenn der Gesamt-GdB hierdurch nicht beeinflusst wird.

In Anwendung dieser durch den Gesetz- und Verordnungsgeber vorgegebenen Grundsätze sowie unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der GdB mit 20 nicht rechtswidrig zu niedrig festgestellt worden ist.


Die bewertungsrelevanten Funktionseinschränkungen bestehen bei dem Kläger im Funktionssystem „Herz und Kreislauf“, werden durch die koronare Herzerkrankung begründet und sind mit einem Teil-GdB von 20 bereits maximal bewertet.

Nach den VG, Teil B, Nr. 9.1.1 sind Einschränkungen der Herzleistung ohne wesentliche Leistungsbeeinträchtigung und ohne Einschränkung der Sollleistung bei der Ergometerbelastung mit einem GdB von 0 bis 10 zu bewerten. Leistungsbeeinträchtigungen bei mittelschwerer Belastung mit Beschwerden und dem Auftreten pathologischer Messdaten bei einer Ergometerbelastung mit 75 Watt führen zu einem GdB von 20 bis 40.

Ausgehend von diesen Maßstäben sind bei dem Kläger Leistungsbeeinträchtigungen bei mittelschwerer Belastung nicht objektiviert. Vielmehr konnte nach dem Akutereignis durch die ambulante Rehabilitation eine Verbesserung seiner körperlichen Leistungsfähigkeit erreicht werden, sodass er zum Behandlungsende mit 100 Watt belastbar gewesen ist. Dies entnimmt der Senat dem
Rehabilitationsentlassungsbericht der N1 Stiftung, den er im Wege des Urkundsbeweises (§ 118 Abs. 1 SGG i. V. m. §§ 415 ff. Zivilprozessordnung [ZPO]) verwertet. Daraus folgt weiter, dass der Abbruch bei peripherer Erschöpfung erfolgte, sich aber keine Angina pectoris und keine signifikante Dyspnoe zeigten, sodass keine pathologischen Messdaten objektiviert werden konnten.

Diese Befunde haben sich bei den nachfolgenden ambulanten Untersuchungen bestätigt, die eine gesteigerte Leistungsfähigkeit ergaben. So hat W1 eine Belastbarkeit mit 150 Watt befundet und ausgeführt, dass sich postoperativ weder ischämietypische Veränderungen, noch pectanginöse Beschwerden und auch keine Herzrhythmusstörungen zeigten. Die Sauerstoffsättigung beschreibt er als unauffällig und weist darauf hin, dass die Kontrolluntersuchung für ein sehr gutes Operationsergebnis spricht. Soweit er in seiner sachverständigen Zeugenauskunft über ein nur mit 100 Watt mögliches Belastungs-EKG berichtet hat, folgen hieraus ebenfalls keine mittelgradigen Leistungseinschränkungen. In diesem Zusammenhang ist weiter in Rechnung zu stellen, dass W1 selbst darauf hinweist, dass das Ergebnis hinter der Erwartung zurückgeblieben ist und die objektiv zu erhebenden Befunde unauffällig gewesen sind. Einschränkungen in Ruhe hat er ebenfalls für ausgeschlossen erachtet. Eine auf 75 Watt gesunkene Belastbarkeit mit dem Auftreten pathologischer Messdaten ist somit nicht belegt, sodass schon der Teil-GdB von 20 nicht erreicht wird.

Nichts anderes ergibt sich aus dem beschriebenen Bluthochdruck (vgl. VG, Teil B, Nr. 9.3), da W1 mitgeteilt hat, dass sich unter medikamentöser Therapie unauffällige Werte zeigten.

Im Funktionssystem „Rumpf“ sind keine Funktionseinschränkungen objektiviert, die mit einem Teil-GdB von mehr als 10, wie er versorgungsärztlich eingeschätzt wurde, zu bewerten sind.

Nach den VG, Teil B, Nr. 18.1 wird der GdB für angeborene und erworbene Schäden an den Haltungs- und Bewegungsorganen entscheidend bestimmt durch die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen (Bewegungsbehinderung und Minderbelastbarkeit) sowie die Mitbeteiligung anderer Organsysteme. Die üblicherweise auftretenden Beschwerden sind dabei mitberücksichtigt. Außergewöhnliche Schmerzen sind gegebenenfalls zusätzlich zu werten (vgl. VG, Teil A, Nr. 2 j). Schmerzhafte Bewegungseinschränkungen der Gelenke können schwerwiegender als eine Versteifung sein. Bei Haltungsschäden und/oder degenerativen Veränderungen an Gliedmaßengelenken und an der Wirbelsäule (z. B. Arthrose, Osteochondrose) sind auch Gelenkschwellungen, muskuläre Verspannungen, Kontrakturen oder Atrophien zu berücksichtigen. Mit bildgebenden Verfahren festgestellte Veränderungen (z. B. degenerativer Art) allein rechtfertigen noch nicht die Annahme eines GdB. Ebenso kann die Tatsache, dass eine Operation an einer Gliedmaße oder an der Wirbelsäule (z. B. Meniskusoperation, Bandscheibenoperation, Synovialektomie) durchgeführt wurde, für sich allein nicht die Annahme eines GdB begründen. Bei den entzündlich-rheumatischen Krankheiten sind unter Beachtung der Krankheitsentwicklung neben der strukturellen und funktionellen Einbuße die Aktivität mit ihren Auswirkungen auf den Allgemeinzustand und die Beteiligung weiterer Organe zu berücksichtigen.

Nach den VG, Teil B, Nr. 18.9 ergibt sich der GdB bei angeborenen und erworbenen Wirbelsäulenschäden (einschließlich Bandscheibenschäden, Scheuermann-Krankheit, Spondylolisthesis, Spinalkanalstenose und dem so genannten „Postdiskotomiesyndrom“) primär aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung und -instabilität sowie aus der Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte. Der Begriff Instabilität beinhaltet die abnorme Beweglichkeit zweier Wirbel gegeneinander unter physiologischer Belastung und die daraus resultierenden Weichteilveränderungen und Schmerzen. So genannte „Wirbelsäulensyndrome“ (wie Schulter-Arm-Syndrom, Lumbalsyndrom, Ischialgie sowie andere Nerven- und Muskelreizerscheinungen) können bei Instabilität und bei Einengungen des Spinalkanals oder der Zwischenwirbellöcher auftreten. Für die Bewertung von chronisch-rezidivierenden Bandscheibensyndromen sind aussagekräftige anamnestische Daten und klinische Untersuchungsbefunde über einen ausreichend langen Zeitraum von besonderer Bedeutung. Im beschwerdefreien Intervall können die objektiven Untersuchungsbefunde nur gering ausgeprägt sein.

Wirbelsäulenschäden ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität haben einen GdB von 0 zur Folge. Gehen diese mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz-dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) einher, ist ein GdB von 10 gerechtfertigt. Ein GdB von 20 ist bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) vorgesehen. Liegen schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt vor (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ist ein Teil-GdB von 30 angemessen. Ein GdB-Rahmen von 30 bis 40 ist bei mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorgesehen. Besonders schwere Auswirkungen (etwa Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst [z.B. Milwaukee-Korsett]; schwere Skoliose [ab ca. 70° nach Cobb]) eröffnen einen GdB-Rahmen von 50 bis 70. Schließlich ist bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB-Rahmen zwischen 80 und 100 vorgesehen. Anhaltende Funktionsstörungen infolge Wurzelkompression mit motorischen Ausfallerscheinungen - oder auch die intermittierenden Störungen bei der Spinalkanalstenose - sowie Auswirkungen auf die inneren Organe (etwa Atemfunktionsstörungen) sind zusätzlich zu berücksichtigen. Bei außergewöhnlichen Schmerzsyndromen kann auch ohne nachweisbare neurologische Ausfallerscheinungen (z. B. Postdiskotomiesyndrom) ein GdB über 30 in Betracht kommen.

Befunde, die eine wenigstens mittelgradige Funktionseinschränkung in einem Wirbelsäulenabschnitt belegten, sind nicht gegeben. Vielmehr ergibt sich aus dem Bericht des J1 lediglich, dass eine rückläufige Lumboischialgie bei Bandscheibenvorfall L5/S1 bestanden hat. Dieser hat indessen nur eine Druckschmerzhaftigkeit und einen Muskelhartspann beschrieben, weiter ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich keine wesentliche zirkuläre Bewegungseinschränkung zeigte, keine manifesten Paresen bestanden und die Sensibilität intakt gewesen ist. Dessen Annahme einer rückläufigen radikulären Kompression hat sich somit bestätigt, nachdem sich keine neurologischen Ausfallerscheinungen zeigten.

Der F1 hat über Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule schon gar nicht berichtet können, sondern nur eine Behandlung wegen eines Vorfußkompressionsschmerzes angegeben, aus der keine GdB-Relevanz folgt.

Letztlich ergibt sich kein Teil-GdB im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“.

Nach den VG, Teil B, Nr. 3.7 begründen Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen in Form leichterer psychovegetativer oder psychischer Störungen einen GdB von 0 bis 20, stärkere Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) einen GdB von 30 bis 40, schwere Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten einen GdB von 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten einen GdB von 80 bis 100. Die funktionellen Auswirkungen einer psychischen Erkrankung, insbesondere wenn es sich um eine affektive oder neurotische Störung nach F30.- oder F40.- ICD-10 GM handelt, manifestieren sich dabei im psychisch-emotionalen, körperlich-funktionellen und sozial-kommunikativen Bereich (vgl. Philipp, Vorschlag zur diagnoseunabhängigen Ermittlung der MdE bei unfallbedingten psychischen bzw. psychosomatischen Störungen, MedSach 6/2015, S. 255 ff.). Diese drei Leidensebenen hat auch das Bundessozialgericht in seiner Rechtsprechung angesprochen (vgl. BSG, Beschluss vom 10. Juli 2017 – B 9 V 12/17 B –, juris, Rz. 2). Dabei ist für die GdB-Bewertung, da diese die Einbußen in der Teilhabe am Leben in der (allgemeinen) Gesellschaft abbilden soll, vor allem die sozial-kommunikative Ebene maßgeblich (vgl. Senatsurteil vom 12. Januar 2017 – L 6 VH 2746/15 –, juris, Rz. 61). Bei dieser Beurteilung ist auch der Leidensdruck zu würdigen, dem sich der behinderte Mensch ausgesetzt sieht, denn eine „wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit“ meint schon begrifflich eher Einschränkungen in der inneren Gefühlswelt, während Störungen im Umgang mit anderen Menschen eher unter den Begriff der „sozialen Anpassungsschwierigkeiten“ fallen, der ebenfalls in den VG genannt ist. Die Stärke des empfundenen Leidensdrucks äußert sich nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch und maßgeblich in der Behandlung, die der Betroffene in Anspruch nimmt, um das Leiden zu heilen oder seine Auswirkungen zu lindern. Hiernach kann bei fehlender ärztlicher oder der gleichgestellten (§§ 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 28 Abs. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Krankenversicherung) psychotherapeutischen Behandlung durch – bei gesetzlich Versicherten zugelassene – Psychologische Psychotherapeuten in der Regel nicht davon ausgegangen werden, dass ein diagnostiziertes seelisches Leiden über eine leichtere psychische Störung hinausgeht und bereits eine stärker behindernde Störung im Sinne der GdB-Bewertungsgrundsätze darstellt (Senatsurteil vom 22. Februar 2018 – L 6 SB 4718/16 –, juris, Rz. 42; vgl. auch LSG Baden- Württemberg, Urteil vom 17. Dezember 2010 – L 8 SB 1549/10 –, juris, Rz. 31).

Eine wenigstens leichtgradige psychische Störung, die am oberen Ende des Bewertungsrahmens zu bewerten wäre, ist nicht objektiviert. Vielmehr hat das Hausarzt L1 angegeben, dass ihm keine Erkenntnisse über eine dauerhafte psychische Störung vorliegen und die psychotherapeutische Intervention nach der Herz
operation das übliche Maß nicht überstiegen hat. Dementsprechend hat die M1 nur über zwei Vorstellungen des Klägers berichtet, die keine Behandlung nach sich gezogen haben, wodurch der fehlende Interventionsbedarf unterstrichen wird.

Im Übrigen hat schon die
Rehabilitationsklinik keinen pathologischen psychischen Befund erhoben, sondern den Kläger als bewusstseinsklar und zu allen Qualitäten orientiert beschrieben. Das Verhalten und die Stimmungslage waren situationsgerecht, Hinweise auf inhaltliche oder formale Denkstörungen fanden sich keine. Konzentration, Aufmerksamkeit und Gedächtnis waren unauffällig. Soweit in der psychologischen Beratung von Schwierigkeiten mit der Anpassung an die Erkrankung berichtet worden ist, ist vermerkt, dass im Verlauf der Rehabilitation die Stimmung und der Schlaf gebessert werden konnten.

Weiterer Ermittlungsbedarf hat nicht bestanden. Ein solcher folgt insbesondere nicht aus den Ausführungen der M1, die schlicht deshalb keine Angaben machen konnte, da sich der Kläger nicht mehr zur Behandlung vorgestellt hat. Zu Ermittlungen ins Blaue hinein und zu einer Ausforschung des Sachverhaltes besteht keine Veranlassung, um nichts anderes würde es sich bei fehlenden Anknüpfungsbefunden, wie vorliegend, jedoch handeln. Im Übrigen hat sich aus dem Vorbringen des Klägers keine neue prozessuale Lage ergeben, die die Zustimmung zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung in Frage gestellt hätte.

Der Teil-GdB von maximal 20 im Funktionssystem „Herz und Kreislauf“ entspricht somit dem Gesamt-GdB und wird durch einen Teil-GdB von maximal 10 im Funktionssystem „Rumpf“ nicht erhöht.

Daneben kann der Kläger die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens „G“ nicht beanspruchen.

Die Feststellung von Merkzeichen richtet sich nach § 152 Abs. 1 und 4 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen die zuständigen Behörden die erforderlichen Feststellungen im Verfahren nach Absatz 1 (§ 152 Abs. 4 SGB IX). Auf Antrag kann festgestellt werden, dass gesundheitliche Merkmale bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen haben, wenn dafür ein besonderes Interesse glaubhaft gemacht wird (§ 152 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 SGB IX). Auf Antrag des Menschen mit Behinderung stellen die zuständigen Behörden gemäß § 152 Abs. 5 Satz 1 SGB IX aufgrund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über weitere gesundheitliche Merkmale aus.

Zu diesen Merkmalen gehört die erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr. In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens, auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit, nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden (§ 229 Abs. 1 Satz 1 SGB IX).

Menschen mit Schwerbehinderung, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, werden von Unternehmerinnen oder Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 152 Abs. 5 SGB IX im Nahverkehr im Sinne des § 230 Abs. 1 SGB IX unentgeltlich befördert (§ 228 Abs. 1 Halbsatz 1 SGB IX).

Diese Voraussetzungen sind beim Kläger schon deshalb nicht erfüllt, da er nicht schwerbehindert ist, wie oben im Einzelnen dargelegt. Daneben sind bei ihm keine Gesundheitsstörungen objektiviert, aufgrund deren auf eine Einschränkung des Gehvermögens geschlossen werden könnte. Insbesondere besteht, wie oben dargelegt, keine relevant eingeschränkte Herzleistung. Die orthopädischen Beeinträchtigungen führen weder zu sensiblen noch motorischen Ausfällen (vgl. oben), wirken sich also ebenfalls auf die Gehfähigkeit nicht nachteilig aus.

Die Berufung konnte daher keiner Erfolg haben und war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.


 

Rechtskraft
Aus
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