L 6 SB 3119/22

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 SB 271/22
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 3119/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 3. Oktober 2022 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Der Kläger begehrt die höhere Erstfeststellung des Grades der Behinderung (GdB), im Berufungsverfahren noch mit mehr als 30.

Er ist 1965 geboren, hat nach dem Hauptschulabschluss keine Berufsausbildung abgeschlossen und ist als Lagerist tätig. Der Kläger ist verheiratet, hat vier erwachsene Kinder und bewohnt mit seiner Ehefrau ein Eigenheim (vgl. Entlassungsbericht F1).

Am 26. Februar 2021 beantragte er bei dem Landratsamt E1 (LRA) erstmals die Feststellung des GdB. Vorgelegt wurde das Tonaudiogramm der F2 vom 24. Februar 2021.

Das LRA zog den Entlassungsbericht der F1 über die stationäre Rehabilitation vom 7. bis 28. Januar 2021 bei. Danach sei der Kläger wegen eines Arbeitsunfalls mit radialer Seitenbandruptur D1 rechts arbeitsunfähig. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Lagerist gehe zeitweise über das positive Leistungsbild hinaus, jedoch könne die Tätigkeit vollschichtig verrichtet werden.

Bei Aufnahme hätten sich regelmäßige Herztöne und ein regelrechter Pulsstatus gezeigt. Der abdominelle Befund sei normal, psychisch sei der Kläger freundlich zugewandt gewesen. Das Gangbild sei harmonisch, die Wirbelsäule weitgehend lotrecht. Die Beweglichkeit für die Brustwirbelsäule (BWS) und Lendenwirbelsäule (LWS) liege für die Rotation bei 20-0-20° und für die Lateralflexion der LWS bei 20-0-20°. Der Finger-Boden-Abstand (FBA) betrage 20 cm. Im Bereich der oberen Extremitäten seien die Schulter- und Ellenbogengelenke frei beweglich, der Händedruck rechts schwächer als links bei vorhandenem Faustschluss. Das Daumengrundgelenk links sei indolent, der Schürzen- und Nackengriff beidseits komplett. Im Bereich der unteren Extremitäten seien alle Gelenke frei beweglich, ohne Schmerzangabe in der Beweglichkeitsprüfung. Das Zeichen nach Lasèque sei beidseits negativ.

Aufgrund der Testergebnisse zeige sich im Vergleich zu den vom Kläger geschilderten Arbeitsbelastungsanforderungen aus therapeutischer Sicht ein Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden. Eine genaue Aussage sei aufgrund der mangelnden „Job-Matches“ wegen der Sprachbarriere nicht möglich.

Zur Entlassungsuntersuchung sei der Kläger mit sicherem, harmonischen Gangbild ohne Hilfsmittel erschienen. Es zeige sich eine schmerzhafte Funktionseinschränkung des rechten Daumens bei vorhandenem kompletten Faustschluss. Bei geklagten belastungsabhängigen Schmerzen im Bereich der LWS bestünden mäßiggradige Verspannungen der paravertebralen Muskulatur im unteren BWS-/LWS-Bereich. Der Muskelstatus sei unauffällig, das Zeichen nach Lasèque beidseits negativ. Die Therapiemaßnahmen seien gut vertragen worden, die Rehabilitation wäre komplikationslos verlaufen.

B1 sah versorgungsärztlich einen Teil-GdB von 20 für die Schwerhörigkeit beidseits. Die Gebrauchseinschränkung der rechten Hand, die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, der Bluthochdruck und der Diabetes mellitus seien je mit Teil-GdB von 10 zu bewerten.

Mit Bescheid vom 7. April 2021 stellte das LRA einen GdB von 20 seit dem 26. Februar 2021 fest.

Im Widerspruchsverfahren wurde der Durchgangsarztbericht des T1 über die ambulante Behandlung vom 19. Juni 2019 vorgelegt. Danach habe der Kläger im Lager einen Gegenstand an den Finger D1 rechts bekommen, dabei sei der Finger umgeknickt worden. An D1 habe sich eine leichte Schwellung im Grundglied, aber kein Hämatom gezeigt. Die Bewegung sei endgradig eingeschränkt. Im Röntgen zeige sich kein Hinweis auf eine frische Fraktur.

Der Bericht über die Kernspintomographie (MRT) der rechten Hand vom 13. September 2019 Radiologie M1 beschrieb einen Reizerguss im Daumengrundgelenk mit Verdacht auf Kapselverletzung. Knöcherne Läsionen seien nicht erkennbar. Die Beuge- und Strecksehne stellten sich unauffällig dar, eine Verletzung sei nicht erkennbar. Die übrigen erfassten Gelenkstrukturen kämen regelrecht zur Darstellung.

Das LRA zog die Unterlagen der Berufsgenossenschaft W1 (BG) bei. Diese hatte mit Bescheid vom 25. Juni 2020 das Ereignis vom 19. Juni 2019 (Gegenstand gegen den rechten Daumen bekommen, der umgeknickt ist) als Arbeitsunfall sowie eine Verstauchung des rechten Daumens als Unfallfolge anerkannt. Keine Unfallfolgen seien die Arthrose am Daumengrund- und endgelenk rechts bei Instabilität und die narbigen Veränderungen am Seitenband des rechten Daumens. Ein Anspruch auf Verletztenrente bestehe nicht.

Im Auftrag der BG erstattete der W2 am 2. Juni 2020 ein handchirurgisches Sachverständigengutachten nach Aktenlage. Danach sei auf den Röntgenaufnahmen eine Arthrose des Endgelenks und eine subluxierte Arthrose mit Höhenminderung des Grundgelenks festzustellen. Die MRT habe kein Knochenödem und keinen Hinweis auf eine frische knöcherne Verletzung gezeigt. Am ehesten sei eine Kapselruptur im Daumengrundgelenk mit vermehrtem Gelenkerguss beugeseitig und medial erkennbar. Hinweise auf ein frisches Trauma bestünden nicht. Hierfür spreche insbesondere das fehlende Knochenödem.

Während des stationären Aufenthalts in der Orthopädischen Klinik M2 vom 22. bis 24. Oktober 2019 sei eine radiale Seitenbandnaht beschrieben worden. Ein Erstschaden könne nicht zweifelsfrei festgestellt werden. Ohne Zweifel bestehe eine Arthrose am Daumengrund- und -endgelenk, aber keine unfallbedingte Funktionseinschränkung.

Z1 hielt versorgungsärztlich an der bisherigen Bewertung fest. Der geltend gemachte Arbeitsunfall mit Distorsion des rechten Daumens sowie Kapsel- und Seitenbandruptur sei akut gewesen. Eine residuelle Gebrauchseinschränkung der Hand sei nicht erkennbar. Eine berufliche Betroffenheit könne nicht berücksichtigt werden.

Den Widerspruch wies das Regierungspräsidium S1 – Landesversorgungsamt – mit Widerspruchsbescheid vom 5. Januar 2022 zurück. Der Arbeitsunfall mit Distorsion des rechten Daumens sei bereits berücksichtigt, eine verbleibende Gebrauchseinschränkung der rechten Hand aus den ärztlichen Unterlagen nicht ableitbar.

Am 31. Januar 2022 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und die Feststellung eines GdB von 40 beantragt.

Zur weiteren Sachaufklärung hat das SG die Akten des parallelen Verfahrens gegen die BG (S 4 U 3224/20) beigezogen, in dem unter anderem das orthopädische Sachverständigengutachten des C1 erhoben worden ist (vgl. unten).

Nach rechtlichem Hinweis und Anhörung der Beteiligten hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 3. Oktober 2022 den Bescheid vom 7. April 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Januar 2022 abgeändert und den Beklagten verpflichtet, einen GdB von 30 seit dem 24. Februar 2021 festzustellen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Nach den einschlägigen Tabellen bestehe ein Hörverlust rechts von 39 % und links von 82 %, woraus in GdB von 30 resultiere. Das Wirbelsäulensyndrom sei mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten, ebenso die Funktionseinschränkung im rechten Daumen. Nach dem Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik sei der Faustschluss komplett und der rechte Daumen schmerzlos. Eine einer Versteifung nahekommende Funktionseinschränkung sei damit nicht belegt. Der Bluthockdruck führe ebenso wie der Diabetes zu keinem höheren Teil-GdB als 10.

Am 7. November 2022 hat der Kläger Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Dem Gutachten des C1 liege eine körperliche Untersuchung zu Grunde, während W2 nur nach Aktenlage begutachtet hätte. Er stelle fest, dass er einen relevanten Vorschaden am Daumen nicht erkennen könne und es mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bei dem Arbeitsunfall zu einer Ruptur des radialen Seitenbandes gekommen sei. Es werde von einer Behandlungsbedürftigkeit von zwei Monaten ausgegangen, die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit mit 100 vom Hundert (v.H.) bewertet, danach mit 10 v.H.. Das SG habe keine ärztlichen Gutachten oder Befundberichte eingeholt, der Entlassungsbericht stamme aus 2021, das Gutachten des W2 aus 2020.

Zuletzt hat er das Mitgliedschafts- und Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse
A1 vorgelegt und auf die dortigen Einträge verwiesen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 3. Oktober 2022 abzuändern und den Beklagten unter weiterer Abänderung des Bescheides vom7. April 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Januar 2022 zu verpflichten, einen Grad der Behinderung von 40 seit dem 26. Februar 2021 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

            die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Er verweist auf die angefochtene Entscheidung.

Zur weiteren Sachaufklärung hat der Senat sachverständige Zeugenauskünfte der behandelnden Ärzte eingeholt.

Die W3 hat bekundet, den Kläger seit 2014 regelmäßig zu behandeln. Es bestehe eine Verletzung des Daumens, ein Diabetes und eine COPD. Der Blutdruck liege unter Therapie bei 140/90 bzw. 160/80 mmHg. Es bestehe eine mittelgradige Behinderung beim Greifen. Der GdB betrage 50. Aus dem vorgelegten augenärztlichen Untersuchungsbericht (G1) ergibt sich, dass an beiden Augen keine diabetische Retinopathie bestehe. Der K1 hat nach ambulanter Untersuchung vom 5. Dezember 2022 beschrieben, dass der Kläger Schmerzen im Beckenbereich links habe. Radiologisch zeige sich eine leichte Dysplasie in der linken Hüfte mit einer ordentlichen seitengleichen Beweglichkeit von 60-0-30° (Innen- und Außenrotation).

Im Befundbericht des S2 vom 16. März 2023 ist ein nicht primär insulinabhängiger Diabetes beschrieben. Die Therapie erfolge aktuell mit Metformin. Als Risikofaktoren bestünden ein Nikotinabusus, eine arterielle Hypertonie und eine Adipositas. Der Langzeitwert (HbA1c) liege zwischen 6,2 und 7,2 %. Die Einstellung sei nicht zufriedenstellend.

M3, R1 Gesundheit M1, hat mitgeteilt, den Kläger zwischen dem 29. Juni und dem 12. Juli 2022 wegen der Verdachtsdiagnose einer Tendovaginitis an der rechten Hand und dem rechten Daumen behandelt zu haben. Bei der letzten Untersuchung am 12. Juli 2022 sei die Behandlung abgeschlossen, die MdE mit unter 10 v.H. festgelegt worden. Das Daumengrundgelenk habe sich leicht erhaben ohne floriden Defekt gezeigt. Die mitgebrachte MRT lasse nur eine geringe Fingergelenks-, keine Rhizarthrose erkennen. Die Gesundheitsstörungen, wegen derer die Behandlung erfolgt sei, müssten zwischenzeitlich ausgeheilt sein. Der Bericht über die MRT des Handgelenks vom 11. Juli 2022 (Radiologie M1) hat eine komplette Konsolidierung der ehemaligen Fraktur im Os metakarpale beschrieben. Es bestehe eine geringe Arthrose ohne relevante Ergussbildung, die Bandstrukturen seien erhalten.

Zur Senatsakte gelangt ist das sozialmedizinische Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung vom 10. September 2020. Danach bestehe eine schmerzhafte Funktionsstörung des rechten Daumensattelgelenks. Die Erwerbsfähigkeit sei erheblich gefährdet, eine multimodale Rehabilitation aussichtsreich. Aufgrund der aktuellen Minderbelastbarkeit sei eine Arbeitsunfähigkeit bis zur Rehabilitation anzunehmen.

Letztlich hat der Senat die Verfahrensakte S 4 U 3224/20 – erneut – beigezogen. Aus dieser hat sich das orthopädische Sachverständigengutachten des C1 aufgrund ambulanter Untersuchung vom 14. September 2022 ergeben. Der Kläger habe über Schmerzen im Bereich des rechten Daumens bis zur Speichenbasis berichtet, physiotherapeutische Behandlung finde keine statt. Bei der äußeren Betrachtung habe sich eine seitengleiche Bemuskelung der Ober- und Unterarme gezeigt. Die Hautwärme sei seitengleich, die peripheren Pulse an den typischen Stellen zu tasten. Die grobe Kraft beider Hände, geprüft mit gekreuztem Händedruck, werde rechts herabgesetzt registriert. Der Schürzen- und Nackengriff seien seitengleich frei durchführbar, die Schulter- und Ellenbogengelenke altersentsprechend frei beweglich. Am rechten Daumen zeige sich im Seitenvergleich eine deutliche Schwellung des Daumengrundgelenks. Die Narbe radialseitig am Grundgelenk sei reizlos bei angedeuteter Instabilität des radialen Seitenbandes. Die Fingergelenke D2 bis D4 seien frei beweglich, ebenso das Daumensattelgelenk. An der rechten Hand bestehe eine leichte Schwierigkeit, die Fingerkuppe D5 mit der Daumenkuppe zu erreichen. An die übrigen Fingerkuppen komme er frei an.

Nach mehrfacher Durchsicht der bildgebenden Dokumente könne er auf den Aufnahmen keine Hinweise für einen relevanten Vorschaden am Daumenendgelenk und am Daumengrundgelenk in Form einer Arthrose erkennen. Die MRT vom 13. September 2019 beschreibe einen solchen nicht. Es sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Kläger eine Ruptur des radialen Seitenbandes am Grundgelenk D1 rechts erlitten habe. Als Unfallfolge bestünden eine leichte Bewegungseinschränkung, eine Belastungsminderung und Instabilität im rechten Daumengrundgelenk nach operativer Rekonstruktion einer radialen Seitenbandruptur. Nach der operativen Rekonstruktion des Seitenbandes sei mit einer Behandlungsbedürftigkeit von zwei Monaten zu rechnen. Für diese Zeit der Arbeitsunfähigkeit sei die MdE mit 100 v.H. anzusetzen, danach mit unter 10 v.H..
Die Klage hat das SG mit Urteil vom 18. Oktober 2023, nach angenommenen Teilanerkenntnis hinsichtlich einer weiteren „Behandlungsbedürftigkeit“ bis 4. Juni 2020, abgewiesen. Es habe keine unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit über den 4. Juni 2020 hinaus vorgelegen und eine Verletztenrente könne der Kläger nicht beanspruchen.

Die gegen das Urteil gerichtete Berufung ist beim Senat unter dem Aktenzeichen L 6 U 3580/23 anhängig.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht (§ 151 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet.


Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Gerichtsbescheid des SG vom 3. Oktober 2022, soweit damit die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) auf Feststellung eines höheren GdB unter Abänderung des Bescheides vom 7. April 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides (§ 95 SGG) vom 5. Januar 2022 abgewiesen worden ist. Hinsichtlich der Verpflichtung zur Feststellung eines GdB von 30 hat der Beklagte weder Berufung- noch Anschlussberufung eingelegt, sodass der Gerichtsbescheid insoweit bestandskräftig geworden ist. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei dieser Klageart grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. BSG, Urteil vom 2. September 2009 – B 6 KA 34/08 –, juris, Rz. 26; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, Kommentar zum SGG, 14. Aufl. 2023, § 54 Rz. 34).

Die Unbegründetheit der Berufung folgt aus der Unbegründetheit der Klage im streitgegenständlichen Umfang (vgl. oben). Insoweit ist der Bescheid vom 7. April 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Januar 2022 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG). Auch zur Überzeugung des Senats, wie auch des SG, kann der Kläger die höhere Erstfeststellung des GdB nicht beanspruchen. Die durchgeführte weitere Sachaufklärung hat die Richtigkeit der Entscheidung deutlich bestätigt, sodass das SG die Klage zu Recht abgewiesen hat.

Der Anspruch richtet sich nach § 152 Abs. 1 und 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) in der aktuellen, seit 1. Januar 2018 geltenden Fassung durch Art. 1 und 26 Abs. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz - BTHG) vom 23. Dezember 2016 (BGBl I S. 3234). Danach stellen auf Antrag des Menschen mit Behinderung die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Auf Antrag kann festgestellt werden, dass ein GdB bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen hat (§ 152 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Menschen mit Behinderungen sind nach § 2 Abs. 1 Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können (Satz 1). Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht (Satz 2). Menschen sind im Sinne des Teils 3 des SGB IX schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 152 Abs. 1 Satz 5 SGB IX). Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des GdB maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind (§ 153 Abs. 2 SGB IX). Nachdem noch keine Verordnung nach § 153 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, gelten die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen, somit die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung – VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412), entsprechend (§ 241 Abs. 5 SGB IX). Die zugleich in Kraft getretene, auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellte und fortentwickelte Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 VersMedV ist an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 heranzuziehenden „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht“ (AHP) getreten. In den VG wird der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben (BSG, Urteil vom 1. September 1999 – B 9 V 25/98 R –, SozR 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.

Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen, unabhängig ihrer Ursache, final bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, also für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, also Gesundheitsstörungen, die nicht regelmäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als „Alterskrankheiten“ (etwa „Altersdiabetes“ oder „Altersstar“) bezeichnet werden (VG, Teil A, Nr. 2 c). Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben. Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2 e). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 152 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Teil-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Teil-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein. Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn Funktionsbeeinträchtigungen paarige Gliedmaßen oder Organe betreffen. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung muss die Auswirkung einer Funktionsbeeinträchtigung aber nicht zwingend verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.

Der Gesamt-GdB ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten, in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 – B 9 SB 1/03 R –, juris, Rz. 17 m. w. N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf der ersten Prüfungsstufe zu ermittelnden nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus abzuleitenden Teilhabebeeinträchtigungen ausschließlich auf der Grundlage ärztlichen Fachwissens festzustellen sind. Bei den auf zweiter und dritter Stufe festzustellenden Teil- und Gesamt-GdB sind über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 – B 9 SB 35/10 B –, juris, Rz. 5).

Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur die Feststellung einer unbenannten Behinderung und des Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzelfall zugrundeliegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (BSGE 82, 176 [177 f.]). Der Teil-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Es ist somit auch nicht entscheidungserheblich, ob von Seiten des Beklagten oder der Vorinstanz Teil-GdB-Werte in anderer Höhe als im Berufungsverfahren vergeben worden sind, wenn der Gesamt-GdB hierdurch nicht beeinflusst wird.

In Anwendung dieser durch den Gesetz- und Verordnungsgeber vorgegebenen Grundsätze sowie unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der GdB beim Kläger nicht mit mehr als 30 festzustellen ist.

Die vorwiegenden Funktionseinschränkungen liegen im Funktionssystem „Ohren“ und werden durch die beidseitige Schwerhörigkeit bedingt. Wie vom SG bereits dargelegt, errechnet sich aus dem Tonaudiogramm der
F2 ein Hörverlust von rechts 39 % und links 82 %, sodass der Teil-GdB nach der Tabelle VG, Teil B, Nr. 5.2.4 30 beträgt. Dem ist der Beklagte weder auf den Hinweis des SG noch im Berufungsverfahren entgegengetreten.

Im Funktionssystem „Arme“ ist kein Teil-GdB von wenigstens 10 gegeben.

Nach den VG, Teil B, Nr. 18.13 ist der Verlust eines Daumens mit einem GdB von 25, der Verlust eines Daumenendgliedes und des halben Grundgliedes mit einem GdB von 10, die Versteifung eines Daumengelenks in günstiger Stellung mit einem GdB von 0 bis 10 und der Verlust des Daumenendgliedes mit einem GdB von 0 zu bewerten.

Ausgehend hiervon liegt bei dem Kläger durch den erlittenen Arbeitsunfall kein Zustand vor, der dem Verlust des Daumens oder der Versteifung in günstiger Stellung vergleichbar ist. Vielmehr entnimmt der Senat dem Sachverständigengutachten des 
C1 aus dem Parallelverfahren, das im Wege des Urkundsbeweises verwertet wird (§ 118 Abs. 1 SGG i. V. m. §§ 415 ff. Zivilprozessordnung [ZPO]), dass sich bei dem Kläger zwar eine deutliche Schwellung des Daumengrundgelenks zeigte, aber nur eine leichte Schwierigkeit bestand, die Fingerkuppe D5 mit der Daumenkuppe zu erreichen. An die übrigen Fingerkuppen gelange er frei. Die Narbe am Grundgelenk wird als reizlos bei nur angedeuteter Instabilität des radialen Seitenbandes beschrieben, die Hautwärme war seitengleich und die peripheren Pulse an den typischen Stellen zu tasten. Dementsprechend hat der Sachverständige eine seitengleiche Bemuskelung der Ober- und Unterarme befundet, sodass keine Zeichen eines Mindergebrauchs zu objektivieren waren. Der Schürzen- und Nackengriff war seitengleich frei durchführbar und die Schulter- und Ellenbogengelenke frei beweglich, sodass auch keine weiteren bewertungsrelevanten Bewegungseinschränkungen im Funktionssystem bestanden. Somit hat der Sachverständige die Vorbefunde der F1 erneut bestätigt, die bereits einen vollständigen Faustschluss befundet hatte.

Korrespondierend zu den klinischen Befunden hat
C1 die MdE auf unter 10 v.H. eingeschätzt, was deshalb auf die Bewertung des GdB vorliegend zu übertragen ist, da er eine nur leichte Bewegungseinschränkung sowie eine Belastungsminderung und Instabilität des Daumens beschreibt, woraus sich nach den oben dargelegten Maßstäben auch kein GdB von 10 ergibt. Dies wird weiter gestützt durch die sachverständige Zeugenauskunft des M3, der ebenfalls nur ein leicht erhabenes Daumengrundgelenk ohne floriden Defekt befundet hat. Die MRT zeigte eine komplette Konsolidierung der ehemaligen Fraktur im Os metakarpale, aufgrund der sichtbaren Arthrose bestand keine Ergussbildung. Weiterhin werden die Bandstrukturen als erhalten beschrieben. Passend hierzu ist schon dem Durchgangsarztbericht des T1 zu entnehmen, dass lediglich ein Bagatelltrauma vorgelegen hat und sich nur eine leichte Schwellung des Daumens im Grundglied zeigte, aber weder ein Hämatom noch im Röntgen ein Hinweis auf eine frische Fraktur. Letzteres hat sich durch das handchirurgische Gutachten des W2 2020 bestätigt.

Soweit
C1 eine Behandlungsbedürftigkeit von zwei Monaten sieht und für diesen Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit eine MdE von 100 v.H. sehen will, folgt hieraus für den GdB nichts anderes. Deutlich wird daraus nur, dass es sich um eine akute Erkrankung gehandelt hat, die gerade nicht über einen Zeitraum von sechs Monaten andauerte (vgl. auch VG, Teil B, Nr. 2f). Vielmehr ist nur eine kurzzeitige Arbeitsunfähigkeit begründet worden, wie. C1 ebenfalls ausgeführt hat. Es kann deshalb dahinstehen, ob die Einschätzung einer MdE von 100 v. H. für die Dauer von zwei Monaten zu überzeugen vermag oder ob diese schon deshalb nicht relevant ist, da sie den Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit betrifft und damit grundsätzlich in den Zeitraum fällt, in dem Verletztengeld beansprucht werden kann (vgl. auch § 73 Abs. 1 Nr. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VII]). Nichts anderes ergibt sich daraus, dass das zur Akte gelangte MDK-Gutachten eine Arbeitsunfähigkeit bis zum Beginn der Rehabilitation gesehen hat. Inwiefern sich eine Einschränkung bei der beruflichen Tätigkeit als Lagerist ergeben mag (vgl. die Ausführungen der F1), ist für die Einschätzung des GdB nicht von Relevanz, da dieser unabhängig vom Beruf zu beurteilen ist (vgl. VG, Teil A, Nr. 2a – vgl. auch die zutreffenden versorgungsärztlichen Darlegungen des Z1.).

Soweit sich aus der Akte die Verdachtsdiagnose einer Tendovaginitis ergibt, folgt hieraus keine Erhöhung des Teil-GdB. Aus der sachverständigen Zeugenauskunft des
M3 ergibt sich nämlich, dass es sich hierbei ebenfalls nur um eine vorübergehende Gesundheitsstörung gehandelt hat, die folgenlos ausgeheilt ist.

Im Funktionssystem „Stoffwechsel und innere Sekretion“ ist kein Teil-GdB gegeben.

Nach den VG, Teil B, Nr. 15.1 erleiden die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie regelhaft keine Hypoglykämie auslösen kann und die somit in der Lebensführung kaum beeinträchtigt sind, auch durch den Therapieaufwand keine Teilhabebeeinträchtigung, die die Feststellung eines GdB rechtfertigt. Dieser beträgt 0. Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann und die durch Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden durch den Therapieaufwand eine signifikante Teilhabebeeinträchtigung, der GdB beträgt 20.

Letzteres ist bei dem Kläger zur Überzeugung des Senats nicht der Fall, nachdem der Diabetologe.
S2 schlüssig dargelegt hat, dass der Diabetes des Klägers nur mit Metformin behandelt wird und es keiner Insulintherapie bedarf. Somit ist weder eine Therapie etabliert, die Hypoglykämien auslösen kann, noch sind entsprechende Einschnitte in der Lebensführung beschrieben, sodass kein Teil-GdB festzustellen ist.

Im Funktionssystem „Rumpf“ wird kein Teil-GdB von wenigstens 10 erreicht, nachdem die
F1 lediglich mäßiggradige Verspannungen im unteren BWS-/LWS-Bereich, bei unauffälligem Muskelstatus und negativen Zeichen nach Lasèque gesehen hat. Wenigstens mittelgradige Funktionseinschränkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (vgl. VG, Teil B, Nr. 18.9) sind damit nicht objektiviert. Ebenso hat der K1 zwar eine radiologisch sichtbare leichte Dysplasie der linken Hüfte beschrieben, aber klinisch auf eine ordentliche seitengleiche Beweglichkeit verwiesen, sodass auch hieraus keine GdB-Relevanz folgt (vgl. VG, Teil B, Nr. 18.14). Nicht anderes folgt – entgegen der Auffassung des Klägers – aus den Eintragungen aus dem Mitgliedschafts- und Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse, nachdem diesem nur die Behandlung wegen akuten Erkrankungen entnommen werden kann, was schon daran deutlich wird, dass jeweils nur begrenzte Behandlungszeiträume angegeben sind und sich gerade keine fortgesetzten Behandlungen ersehen lassen. Auch wenn es hierauf nach Vorstehendem nicht entscheidungserheblich ankommt, begründen die im Vorerkrankungsverzeichnis genannten Diagnosen allein keinen weiteren Ermittlungsbedarf, da es sich um eine reine Ausforschung des Sachverhaltes handeln würde. Bewertungsrelevant sind nämlich nicht Diagnosen, sondern gesicherte, dauerhafte Funktionseinschränkungen.

Ebenso liegt kein Teil-GdB im Funktionssystem „Herz und Kreislauf“ vor, insbesondere begründet der beschriebene Bluthochdruck einen solchen nicht.

Nach den VG, Teil B, Nr. 9.3 ist eine leichte Form des Bluthochdrucks ohne oder mit geringer Leistungsbeeinträchtigung mit einem GdB von 0 bis 10 zu bewerten. Ein GdB von 20 bis 40 kommt bei einem diastolischen Blutdruck von mehrfach über 100 mmHg trotz Behandlung, je nach Leistungsbeeinträchtigung, in Betracht.

Ein derart ausgeprägter Befund besteht beim Kläger nicht. Vielmehr hat die
W3 in ihrer sachverständigen Zeugenauskunft bekundet, dass der Blutdruck des Klägers unter Therapie bei 140/90 mmHg bzw. bei 160/80 mmHg liegt und damit keine diastolischen Werte mehrfach über 100 mmHg erreicht. Aus dem Entlassungsbericht der F1² ergibt sich nichts anderes, nachdem dort auch nur regelmäßige Herztöne und ein regelrechter Pulsstatus beschrieben sind, also ebenfalls kein pathologischer Befund, der im Funktionssystem zu berücksichtigen wäre.

Letztlich sind in den Funktionssystemen „Atmung“ und „Augen“ keine Teil-GdB begründet. Es sind keinerlei fachärztliche Befunde aktenkundig sind, die eine eingeschränkte Lungenfunktion belegen und die
G1 hat keine pathologischen Befunde mitgeteilt wie eine diabetische Retinopathie ausgeschlossen.

Der Teil-GdB von 30 im Funktionssystem „Ohren“ entspricht somit weiter dem Gesamt-GdB. Daraus, dass die
W3 einen GdB von 50 sehen will, folgt schon deshalb nichts anderes, dass es sich um keine medizinische, sondern rechtliche Bewertung handelt, die dem Senat obliegt. Die Einschätzung überzeugt aber auch in der Sache nicht, da sie von den mitgeteilten Befunden nicht getragen wird, wie oben im Einzelnen dargelegt.

Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben und war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.


 

Rechtskraft
Aus
Saved