Auf eine Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V bzw. § 275c Abs. 1 Satz 2 SGB V sind Verzugszinsen nach § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V i.V.m. § 288 Abs. 1 BGB zu zahlen.
I. Die Beklagte wird verurteilt, über die Teilerledigung des Rechtsstreits hinaus an die Klägerin weitere Zinsen aus 300,00 Euro in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz für den Zeitraum 14.03.2020 bis 07.06.2022 zu zahlen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Die Berufung wird zugelassen.
IV. Die Sprungrevision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Die Beteiligten streiten noch darüber, ob auf eine Aufwandspauschale vorprozessuale Verzugszinsen zu zahlen sind.
Die Klägerin betreibt ein zugelassenes Krankenhaus und behandelte dort den bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherten Patienten E. in der Zeit vom 18.07.2019 bis 08.08.2019 stationär. Eine von der Beklagten eingeleitete Prüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) führte nicht zu einer Minderung des Rechnungsbetrages. Das Krankenhaus stellte der Beklagten daraufhin am 11.02.2020 eine Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 Euro in Rechnung.
Die Beklagte weigerte sich zunächst, die Aufwandspauschale zu bezahlen. Daraufhin erhob die Klägerin am 08.06.2022 Klage zum Sozialgericht Regensburg (SG) mit dem Antrag, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 300,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von vier Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.03.2020 zu zahlen.
Mit Schreiben vom 29.08.2022 teilte die Beklagte mit, sie habe aus rein prozessökonomischen Gründen die Klageforderung nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.06.2022 ausgeglichen.
Weiter erklärte die Beklagte, die Zahlung stelle ausdrücklich kein Anerkenntnis dar. Sie berief sich auf das Urteil des BSG vom 17.09.2020 (B 4 AS 13/20 R). Sollte die Klägerin die Erledigung des Rechtsstreits erklären, schließe sich die Beklagte dem an. Die Beklagte erkläre sich für diesen Fall bereit, die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.
Hinsichtlich vorprozessualer Verzugszinsen hat die Klägerin u.a. die Urteile des SG Mainz vom 19.09.2014 (S 3 KR 35/14) und des SG Speyer vom 18.06.2014 (S 19 KR 229/12) angeführt; die Beklagte hat sich auf das Urteil des BSG vom 23.06.2015 (B 1 KR 24/14 R) berufen.
In der mündlichen Verhandlung am 11.01.2024 haben die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache hinsichtlich der Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 Euro und der Prozesszinsen in Höhe von 2,91 Euro übereinstimmend für erledigt erklärt. Die Klägerin hat das Kostengrundanerkenntnis der Beklagten gemäß Schriftsatz vom 29.08.2022 angenommen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, über die Teilerledigung des Rechtsstreits hinaus an die Klägerin weitere Zinsen aus 300,00 Euro in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz für den Zeitraum 14.03.2020 bis 07.06.2022 zu zahlen,
hilfsweise: die Berufung zuzulassen,
äußerst hilfsweise: die Sprungrevision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise: die Berufung zuzulassen,
hilfsweise: die Sprungrevision zuzulassen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die Klage ist als Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) zulässig. Die Änderung des Klageantrags von vier Prozentpunkten über dem Basiszinssatz (Klageschriftsatz) auf fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz (mündliche Verhandlung) stellt keine Klageänderung dar, deren Zulässigkeit gesondert zu prüfen wäre. Es handelt sich dabei vielmehr um eine Erweiterung des Klageantrags in Bezug auf Nebenforderungen im Sinne von § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG (BSG, Urteil vom 12.09.2012, B 3 KR 17/11 R, Rn. 12).
Die Klage ist auch begründet.
Streitgegenstand sind nach Erledigung des Rechtsstreits im Übrigen noch Verzugszinsen für den Zeitraum 14.03.2020 bis 07.06.2022 auf die Aufwandspauschale, die die Klägerin der Beklagten am 11.02.2020 in Rechnung gestellt hatte und die die Beklagte nach Klageerhebung - am 29.08.2022 - bezahlt hat.
1.
Im Zeitraum 14.03.2020 bis 07.06.2022 bestand die Hauptforderung in Höhe von 300,00 Euro. Verzugszinsen als akzessorische Nebenforderung sind vom Bestand der Hauptforderung abhängig. Die Hauptforderung ist vorliegend durch Erfüllung erloschen (§ 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V i.V.m. § 362 Abs. 1 BGB), weil die Beklagte sie ohne Vorbehalt beglichen hat. Eine Fortsetzungsfeststellungsklage wurde nicht erhoben. Damit kann der Bestand der Hauptforderung vor ihrem Erlöschen nicht mehr - auch nicht inzident - in Frage gestellt werden.
2.
Der Klägerin steht der streitgegenständliche Anspruch auf Verzugszinsen für den Zeitraum 14.03.2020 bis 07.06.2022 zu.
a)
Anspruchsgrundlage ist § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V i.V.m. § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB. Danach ist eine Geldschuld während des Verzugs zu verzinsen.
Für die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen zu den Krankenhausträgern gelten die Zinsvorschriften des BGB entsprechend, soweit nicht in den nach öffentlichem Recht zu beurteilenden Verträgen im Krankenhausbereich nach § 112 SGB V etwas anderes geregelt ist. Vorschriften des SGB V, des KHG, des KHEntgG und die dazu ergangenen Rechtsvorschriften enthalten insoweit keine dem entgegenstehenden Regelungen im Sinne von § 69 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB V. Die Anwendung der Verzugsvorschriften des BGB ist schließlich auch mit den Vorgaben des § 70 SGB V und den übrigen Aufgaben und Pflichten zwischen Krankenkassen und Krankenhausträgern vereinbar. Demnach gilt grundsätzlich - soweit nicht vertraglich abgeändert -, dass Geldforderungen aus Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen und Krankenhausträgern im Falle des Verzugs nach den allgemeinen Regeln zu verzinsen sind (BSG, Urteil vom 08.09.2009, B 1 KR 8/09 R, Rn. 14 am Ende).
Der Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale nach § 275c Abs. 1 Satz 2 SGB V stellt eine Geldforderung dar, die auf einer gesetzlich begründeten Rechtsbeziehung zwischen Krankenhausträger und Krankenkasse beruht. Da entgegenstehende vertragliche Regelungen nicht ersichtlich sind, sind die Vorschriften des BGB über Verzugszinsen - nicht nur diejenigen über Prozesszinsen - auch im vorliegenden Fall anzuwenden.
b)
Die Beklagte befand sich seit dem 13.03.2020 mit der Zahlung der Aufwandspauschale in Verzug.
Dies ergibt sich aus § 286 Abs. 3 Satz 1 BGB. Danach kommt der Schuldner einer Entgeltforderung spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet.
Die Kammer schließt sich im vorliegenden Einzelfall der Rechtsauffassung der Klägerin an, dass der Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale eine Entgeltforderung im Sinne der Verzugsvorschriften des BGB darstellt (a.A. BSG, Urteil vom 23.06.2015, B 1 KR 24/14 R, Rn. 15; zu Krankenhausvergütungen BSG, Urteil vom 08.09.2009, B 1 KR 8/09 R, Rn. 18 ff.).
Der Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale war am 05.02.2020 fällig. Ein Fälligkeitszeitpunkt für den Anspruch auf Aufwandspauschale ist in § 275c Abs. 1 Satz 2 SGB V und auch sonst im SGB V nicht besonders geregelt. Auch eine vertragliche Regelung besteht nicht. Demzufolge tritt Fälligkeit ein, sobald die gesetzlichen Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt sind (§ 271 Abs. 1 BGB). Die wesentliche Voraussetzung für die Entstehung des Anspruchs auf Aufwandspauschale ist das Unterbleiben einer Minderung des Abrechnungsbetrags in Folge der MDK-Prüfung (SG Mainz, Urteil vom 19.09.2014, S 3 KR 35/14, Rn. 55). Dies stand im vorliegenden Fall fest, als der Klägerin das Gutachten des MDK vom 30.01.2020 zuging, also - nach einer handschriftlichen Notiz - am 05.02.2020.
Die Rechnung über die Aufwandspauschale vom 11.02.2020 ging der Beklagten auf elektronischem Wege am selben Tag zu.
Da die Beklagte die Aufwandspauschale bis 12.03.2020 und damit 30 Tage nach dem 11.02.2020 nicht bezahlt hat, befand sie sich ab 13.03.2020 mit der Zahlung in Verzug. Dies begründet einen Anspruch auf Verzugszinsen ab 14.03.2020.
c)
Für den Zeitraum 17.04.2020 bis 07.06.2022 ergibt sich der Verzug zusätzlich aus § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Danach tritt Verzug ohne Mahnung ein, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert. So liegt es hier. Die Beklagte hat mit einer DTA-Mitteilung vom 17.04.2020 und in einem Telefonat am selben Tag erklärt, sie werde die Aufwandspauschale nicht bezahlen, weil eine fehlerhafte Kodierung ursächlich für die Veranlassung der Prüfung durch den MDK gewesen sei. Zweifel daran, dass diese Erklärungen ernsthaft und endgültig waren, bestehen nicht.
§ 286 Abs. 2 Nr. 3 SGB V gilt - im Gegensatz zu § 286 Abs. 3 Satz 1 BGB - nicht nur für Entgeltforderungen, sondern für sämtliche Forderungen, auf die die Verzugsvorschriften des BGB Anwendung finden. Unschädlich ist auch, dass es sich bei dem Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale um eine gesetzlich begründete Forderung handelt. Weder § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V noch dem Urteil des BSG vom 08.09.2009 (B 1 KR 8/09 R, Rn. 14) ist eine Beschränkung der entsprechenden Anwendbarkeit auf vertraglich begründete Ansprüche zu entnehmen.
Der Verzugseintritt am 17.04.2020 begründet einen Anspruch auf Verzugszinsen ab 18.04.2020, dem auf das verzugsauslösende Ereignis folgenden Tag (§ 187 BGB analog; vgl. BSG, Urteil vom 09.04.2019, B 1 KR 5/19 R, Rn. 39).
d)
Der Verzugszinssatz beträgt - wie von der Klägerin beantragt - für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz (§ 288 Abs. 1 Satz 2 BGB). Den höheren Zinssatz für Entgeltforderungen (§ 288 Abs. 2 BGB) hat die Klägerin nicht beantragt, so dass darüber nicht zu entscheiden war.
e)
Die Kammer verkennt nicht, dass das BSG entschieden hat, auf eine Aufwandspauschale könnten mangels anderweitiger Rechtsgrundlage nur Prozesszinsen nach §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB geltend gemacht werden (Urteil vom 23.06.2015, B 1 KR 24/14 R, Rn. 14; Urteil vom 28.11.2013, B 3 KR 4/13 R, Rn. 27). Gleichwohl sieht die Kammer gegenwärtig keinen zwingenden Grund, von der entsprechenden Anwendung der §§ 288 Abs. 1 Satz 1, 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB abzusehen (ebenso etwa SG Mainz, Urteil vom 19.09.2014, S 3 KR 35/14, Rn. 52 ff. und SG Speyer, Urteil vom 18.06.2014, S 19 KR 229/12, Rn. 43; zweifelnd auch Bockholdt, in: Hauck/Noftz SGB V, Stand 10/2023, § 109 Rn. 208 am Ende).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG, §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, waren die Kosten der Beklagten gemäß dem angenommenen Kostengrundanerkenntnis aufzuerlegen. Im Übrigen hat die Beklagte die Kosten zu tragen, weil sie unterlegen ist.
Die Kammer hat Berufung und Sprungrevision wegen grundsätzlicher Bedeutung und Divergenz zugelassen (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG, §§ 161 Abs. 2 Satz 1, 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).