1. Zur Abgrenzung von Maßnahmen nach § 555b Nr 6 BGB zu solchen nach § 555a BGB im Rahmen der Kostenübernahme der Instandhaltung nach § 22 SGB II durch den Grundsicherungsträger. 2. Auch bei Annahme eines zunächst baurechtswidrigen Zustands eines Daches kann eine übernahmefähige Instandhaltungsmaßnahme vorliegen, wenn lediglich eine Reparatur vorgenommen wird (hier: zu geringe Dachneigung für Pappschindeln, Reparatur mit Sanierungsbahnen).
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die den Klägern entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Kläger begehren die Erstattung der Kosten für eine Sanierung des Daches des von ihnen bewohnten Eigenheims nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitsuchende/Bürgergeld – SGB II).
Die 1965 geborene Klägerin zu 1. bezog zusammen mit ihrem 1969 geborenen Lebensgefährten, dem Kläger zu 2., und ihrem 2005 geborenen Sohn, dem Kläger zu 3., vom Beklagten Leistungen nach dem SGB II. Sie bewohnen ein 1994 erworbenes Reihenhaus auf einem Grundstück mit einer Fläche von 131 qm. Die Wohnfläche beträgt 95 qm.
Bereits unter dem 13. Mai 2013 hatten sie beim Beklagten unter Zusendung der Rechnung die Übernahme der Kosten für die Abdichtung des Schornsteins beantragt. Wegen eindringenden Wassers sei eine schnelle Reparatur erforderlich gewesen, sodass Kostenvoranschläge nicht hätten eingereicht werden können. Der Beklagte hatte mit Bescheid vom 23. Mai 2013 die Kosten i.H.v. 276,09 € übernommen.
Unter dem 28. Juli 2014 hatten die Kläger die Übernahme der Kosten der Reparatur der Verriegelung der Hauseingangstür beantragt. Die Maßnahme sei dringlich gewesen, Kostenvoranschläge hätten daher nicht eingereicht werden können. Der Beklagte hatte mit Bescheid 13. März 2015 die Kosten i.H.v. 347,56 € übernommen.
Am 7. April 2016 erkundigte sich der Kläger zu 2. zu den Möglichkeiten eines Auszugs der Bedarfsgemeinschaft aus dem Eigenheim. Ausweislich des vom Beklagten gefertigten Aktenvermerks habe er über ein marodes Dach und statische Fehler der Dachkonstruktion geklagt. Zudem fehle die Isolation (Lärm). Das Haus sei „abbruchreif“. Die Schäden seien „finanziell nicht stemmbar“.
In einem unter dem 18. April 2016 übersandten Auskunftsbogen hatte der Kläger zu 2. angegeben, 1995/1996 seien das Bad modernisiert, isolierverglaste Fenster eingebaut, das Dach neu gedeckt sowie eine neue Gasheizung eingebaut worden. Das undichte Dach müsse erneuert werden. Die Statik des Daches sei mangelhaft, das feuchte Mauerwerk weise Risse auf und das Haus verfüge über keinen Lärm- und Schallschutz.
Mit Bescheid vom 23. April 2016 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 27. Juni 2016 und 7. Juli 2016 bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 1. Mai bis 31. Oktober 2016. Die Leistungsbewilligung erfolgte zunächst vorläufig. Da sich keine Änderungen zu den bewilligten Leistungen ergeben hatten, wurde diese Bewilligung nach § 41a Abs. 5 S. 1 i.V.m. § 80 Abs. 2 Nr. 2 SGB II endgültig. Beim Bedarf berücksichtigte der Beklagte die den Klägern Aufwendungen für das Eigenheim.
Unter dem 9. Juni 2016 stellten die Kläger einen Antrag auf Übernahme der Kosten einer Dachreparatur i.H.v. 2.133,86 €. Erneut sei an mehreren Stellen Wasser eingedrungen. Um weitere Schäden durch angekündigte heftige Niederschläge abzuwenden, sei die Firma R. mit der Reparatur beauftragt worden. Die Vorlage von Kostenvoranschlägen sei wegen der Dringlichkeit nicht möglich gewesen. Die Rechnung hatten die Kläger am 6. Juni 2016 bezahlt und dem Beklagten vorgelegt.
Mit Bescheid vom 24. Juni 2016 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Es habe sich um eine erhaltende Reparatur gehandelt. Bereits am 7. April 2016 hätten die Kläger mitgeteilt, dass das Dach marode sei. Vor der Auftragserteilung hätten somit Kostenvoranschläge eingereicht werden können. Eine Prüfung sei nicht mehr möglich, eine Unabweisbarkeit nicht erkennbar.
Den unter dem 19. Juli 2016 dagegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. März 2017 als unbegründet zurück. Grundsätzlich bestünde ein Anspruch auf Übernahme der Reparaturkosten, da die Sicherung der Substanz und Bewohnbarkeit betroffen seien. Die Kosten seien auch insgesamt angemessen. Es sei aber keine Sachverhaltsermittlung mehr möglich gewesen. Der Umfang und die Notwendigkeit der Maßnahme seien nicht mehr prüfbar. Außerdem sei die Dringlichkeit fraglich, da bereits im April 2016 ein marodes Dach beklagt worden sei. Es habe ausreichend Zeit bestanden, Kostenvoranschläge vorzulegen.
Mit der am 22. März 2017 beim Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage haben die Kläger das Ziel der Kostenübernahme durch den Beklagten weiterverfolgt. Im Wesentlichen haben sie zur Begründung vorgetragen, dass das Wohnhaus um 1900 gebaut und 1995/1996 saniert worden sei. So sei auch die Dacheindeckung zum Teil mit roten (Papp-)Schindeln erfolgt. 2013 habe die Blecheinfassung des Schornsteins erneuert werden müssen. Die Kosten hierfür seien vom Beklagten auch ohne Vorlage von Kostenvoranschlägen berücksichtigt worden. Hinweise für zukünftige Bedarfe habe es nicht gegeben. Im Winter 2015/2016 sei Wasser wegen Undichtigkeiten des Daches eingedrungen. Ihnen sei das Aufbringen von Schweißbahnen empfohlen worden.
Die Kläger haben Fotos von den Schäden, dem Dachzustand vor und nach der Reparatur sowie die Angebote der Firma R. aus Oktober 2015 und der Firma N. aus September 2015 vorgelegt, das mehr als doppelt so teure Kosten ausgewiesen hat.
Das Sozialgericht hat den bauausführenden Handwerker R. schriftlich befragt. Dieser hat unter dem 30. Dezember 2018 angegeben, die Kläger hätten eine funktionierende Dachabdichtung gewollt. Die vorhandene Dachneigung sei für eine Pappschindel-Eindeckung zu gering gewesen. Daher rührten auch die Undichtigkeitsprobleme, insbesondere an den Dachanschlüssen. Er habe den Klägern die preisgünstigste Variante zur Problemlösung angeboten: die vorhandenen Schindeln nachzunageln und eine Sanierungsbahn aufzuschweißen, also auf die Pappschindeloptik zu verzichten. Alle anderen Problemlösungen hätten einen Komplettrückbau und eine Änderung der Dachneigung erfordert. Im Oktober 2015 seien bereits Feuchtigkeitsflecken zu sehen gewesen, die Situation habe sich aber über den Winter verschlechtert. Die Dichtigkeit habe umgehend wiederhergestellt werden müssen, um die Dachkonstruktion nicht zu gefährden.
In der mündlichen Verhandlung ist der Handwerker R. als Zeuge zum Umfang der Schäden und der Notwendigkeit der Reparaturarbeiten vernommen worden. Hinsichtlich der Einzelheiten der Aussage wird auf das Protokoll verwiesen.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 12. März 2021 den Bescheid des Beklagten vom 24. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. März 2017 aufgehoben und diesen unter Abänderung der entgegenstehenden Bescheide verurteilt, an die Kläger weitere Leistungen i.H.v. 2.133,86 € zu zahlen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Kosten der Dachreparatur seien als Bedarf nach § 22 Abs. 2 SGB II vom Beklagten zu übernehmen.
Das Wohneigentum entspreche den gesetzlichen Vorgaben des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II. Es handele sich um ein selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe.
Die Reparaturarbeiten seien auch unabweisbar gewesen. Ausweislich der Fotos, des Ablaufs im Verwaltungsverfahren, der Kostenvoranschläge und der Angaben des Zeugen R. seien die Arbeiten unumgänglich gewesen, um die Dichtigkeit des Daches wiederherzustellen und die Dachkonstruktion nicht zu gefährden. Die Situation habe sich seit Oktober 2015 über den Winter weiter verschlechtert.
Es habe sich zudem um Reparaturmaßnahmen gehandelt, die zur Behebung von Schadstellen im Dach erfolgt seien. Die zuvor aufgebrachten Schindeln seien nach den Angaben des Zeugen aufgrund der geringen Dachneigung ungeeignet gewesen. Maßgebend sei die Erhaltung durch Instandsetzung, die auch mit einer gewissen Wertsteigerung verbunden sein dürfe. Ziel sei die Herstellung der Dichtigkeit des Daches gewesen.
Der Zeuge sei Zimmer- und Tischlermeister und damit in der Angelegenheit sachverständig gewesen. Überzeugend habe er schon schriftlich dargelegt, dass das Dach undicht gewesen sei und sich die Situation über den Winter weiter verschlechtert habe. Es sei nach seinen Angaben unumgänglich gewesen, die Dichtigkeit wiederherzustellen, um die Dachkonstruktion nicht zu gefährden. Diese Angaben habe der Zeuge in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Er habe klargestellt, dass es nach den Regeln der Technik nicht ausreichend gewesen wäre, lediglich schadhafte Stellen zu reparieren, da sonst Wasser unter die Schweißbahnen hätte laufen und das Dach wieder beschädigen können. Die Schweißbahnen seien also über das komplette Dach zu ziehen gewesen. Auch im Vergleich zu dem zur Akte gereichten Angebot der Firma N. handele es sich bei der durch Herrn R. ausgeführten Dachreparatur um die kostengünstigste Variante, wie er auch schriftlich bestätigt habe.
Die Vorlage von drei Kostenvoranschlägen, wie sie der Beklagte zur Prüfung von Notwendigkeit und Umfang der Reparaturmaßnahme verlangt habe, sei nicht tatbestandliche Voraussetzung des Anspruchs. Allerdings trügen die Kläger die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen. Den Kläger sei hier gelungen, das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen nachzuweisen.
Das Gericht habe der Beurteilung die Fotos, die Kostenangebote und die schriftliche Auskunft sowie die Zeugenaussage des Herrn R. zugrunde gelegt. Diese Ermittlungsmöglichkeiten hätten dem Beklagten ebenfalls zur Verfügung gestanden, ebenso wie eine Vor-Ort-Begehung.
Die Kosten seien letztlich angemessen. Die Prognose hinsichtlich der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt hat das Sozialgericht anhand der vom Beklagten dargestellten Kosten für das Jahr 2015 getroffen. Demnach sei ein Übersteigen der Angemessenheitsgrenze des Beklagten nicht zu erwarten gewesen. Die Angemessenheit stehe letztlich zwischen den Beteiligten nicht im Streit. Im Übrigen sei die Leistungsberechnung nicht zu beanstanden.
Gegen das ihm am 29. März 2021 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 19. April 2021 Berufung eingelegt. Im Wesentlichen hat er zur Begründung ausgeführt, die Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur umfassen Erhaltungsaufwendungen und Instandhaltungsmaßnahmen, nicht aber wertsteigernde Erneuerungsmaßnahmen.
Fraglich sei, ob die Maßnahme der Erhaltung oder Wiederherstellung der Sache oder aber der Schaffung eines neuen, verbesserten Zustands diene. Hier sei zu beachten, dass mit der Ersetzung eines defekten Daches, welches nicht dem Standard entspreche, zwangsläufig eine gewisse Verbesserung und auch Wertsteigerung verbunden sei.
Im vorliegenden Fall handele es sich schon nicht um eine Instandhaltungsmaßnahme, sondern um die erstmalige ordnungsgemäße Herstellung eines (bau)rechtmäßigen Zustandes. Dies gehe aus der Zeugenaussage hervor.
Folglich solle der Beklagte die Kosten für eine damalige fehlerhafte Dacheindeckung übernehmen. Hier habe die Dachsanierung der Schaffung eines neuen, verbesserten Zustandes gedient. Kosten, die neben der Wert- bzw. Funktionserhaltung auch eine wesentliche wertsteigernde Verbesserung beinhalteten, seien jedoch nicht als Instandhaltungs-/Instandsetzungsaufwendungen zu berücksichtigen.
Unter Instandsetzung werde allein der Vorgang verstanden, bei dem ein defektes Objekt in den ursprünglichen, funktionsfähigen Zustand zurückversetzt werde. Abgegrenzt werde davon die Modernisierung nach § 559 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Eine Modernisierung sei die Beseitigung von Missständen durch bauliche Maßnahmen, die — unter Fortbestand der bisherigen Nutzung — entsprechend den Sanierungszielen den Gebrauchswert von Gebäuden nachhaltig erhöhten.
Die Abgrenzung zwischen Erhaltungsaufwendungen und Modernisierungsaufwendungen werde nicht nach der Höhe der anfallenden Kosten vorgenommen. Vielmehr gehe es objektiv nach dem Ziel der Maßnahme, ob die Aufwendungen der Erhaltung oder Wiederherstellung der Wohnung in ihrer bisherigen Substanz oder aber der Schaffung eines neuen, verbesserten Zustandes dienten.
Der Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Magdeburg vom 12. März 2021 die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte definiere selbst, dass „unter Instandsetzung der Vorgang verstanden werde, bei dem ein defektes Objekt in den ursprünglichen, funktionsfähigen Zustand zurückversetzt werde“. Genau dies sei vorliegend geschehen. Das Haus habe ursprünglich über ein Dach verfügt, welches das Eindringen von Regenwasser verhindert habe. Durch Alterung und Witterungseinwirkung sei es dazu gekommen, dass Regenwasser in das Wohnhaus habe eindringen können.
Somit habe zu diesem Zeitpunkt kein funktionsfähiger Zustand des Daches mehr vorgelegen. Das Aufbringen von Schweißbahnen, welches die finanziell günstigste Alternative zur Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit des Daches dargestellt habe, sei somit ausschließlich eine Reparatur.
Die zuvor auf dem Dach vorhandenen Pappschindeln seien zudem als höherwertig einzustufen gewesen, da diese bezüglich der Anschaffungskosten und der Herstellungskosten weit über die nunmehr aufgebrachten Schweißbahnen hinausgegangen seien. Eine Reparatur der Schindeln wäre mit weitaus höheren Kosten verbunden gewesen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Beklagten ergänzend verwiesen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten ist auch statthaft. Der Berufungsstreitwert liegt mit 2.133,86 € über dem Wert nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Die Kläger haben einen Anspruch auf Erstattung der aufgewandten Kosten der Dachreparatur i.H.v. 2.133,86 €.
Streitig ist hier der Bescheid des Beklagten vom 24. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. März 2017, mit dem dieser eine Übernahme der Kosten für die Dachsanierung abgelehnt hatte.
Als Bedarf für die Kosten der Unterkunft werden gemäß § 22 Abs. 2 SGB II auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll.
Die Voraussetzungen für die Anerkennung der Dachreparatur als Bedarf für die Unterkunft lagen vor.
Instandhaltung bedeutet nach der zivilrechtlichen Rechtsprechung, der sich das Bundessozialgericht (BSG) angeschlossen hat, die Erhaltung des vertrags- und ordnungsgemäßen Zustandes des Wohnobjekts, also die Beseitigung der durch Abnutzung, Alter und Witterungseinwirkungen entstandenen baulichen und sonstigen Mängel. Bei den Instandsetzungskosten handelt es sich in der Regel um Kosten aus Reparatur und Wiederbeschaffung. Instandsetzung und Instandhaltung betreffen deshalb Mängel an der baulichen Substanz der Immobilie oder ihrer Teile. Eine mit diesen Instandhaltungs- und Instandsetzungsaufwendungen verbundene Wertsteigerung der Immobilie ist nur eine Folge der notwendigen Erhaltung und schließt deren Berücksichtigungsfähigkeit nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II nicht aus (vgl. BSG, Urteil vom 18. September 2014 – B 14 AS 48/13 R – [18], Juris).
Abzugrenzen sind Instandhaltungsarbeiten zu den Modernisierungsarbeiten nach § 555b BGB in der vom 11. März 2013 bis 31. November 2021 gültigen Fassung. Diese liegen u.a. vor, wenn durch die Maßnahme der Gebrauchswert der Mietsache nachhaltig erhöht wird (Nr. 4), die allgemeinen Wohnverhältnisse auf Dauer verbessert werden (Nr. 5) oder sie auf Grund von Umständen durchgeführt werden, die der Vermieter nicht zu vertreten hat, und sie keine Erhaltungsmaßnahmen nach § 555a BGB sind (Nr. 6). Eine Modernisierungsmaßnahme zeichnet sich dadurch aus, dass sie über die bloße Erhaltung des bisherigen Zustands hinausgeht (Bundesgerichtshof [BGH], Beschluss vom 21. November 2017 – VIII ZR 28/17 – [15], juris).
Eine wertsteigernde Maßnahme in diesem Sinne kann der Senat in der von den Klägern vorgenommenen Dachsanierung nicht erkennen.
Auch eine Verbesserung der Wohnverhältnisse liegt nicht vor. Das Dach blieb weiterhin als Kaltdach ausgestaltet, eine zusätzliche Dämmung wurde nicht eingebracht.
Auch liegt kein Fall des § 555b Nr. 6 BGB vor. Hierunter fallen auch Maßnahmen, die aufgrund geänderter gesetzlicher Vorschriften notwendig werden. § 555b Nr. 6 HS 2 BGB stellt klar, dass Erhaltungsmaßnahmen im Sinne des § 555a BGB keine Modernisierungsmaßnahmen im Sinne des § 555b BGB sind, selbst wenn sie auf Umständen beruhen, die der Vermieter nicht zu vertreten hat (vgl. Staudinger/J Emmerich (2021) BGB § 555b, Rn. 36). Die Anwendung des § 555b Nr. 6 BGB kommt demnach in erster Linie in Betracht, wenn die Notwendigkeit der Maßnahmen auf vernünftigerweise nicht voraussehbaren, nachträglichen, gesetzlichen oder behördlichen Anordnungen beruht (vgl. Staudinger a.a.O., Rn. 38).
Soweit der Beklagte hier wohl eine Anwendbarkeit des § 555b Nr. 6 BGB sieht, da 1996 das Dach nicht fachgerecht gedeckt worden sei (für Pappschindeln eine zu geringe Dachneigung), folgt der Senat dieser Auffassung nicht. Denn es handelte sich um eine Erhaltungsmaßnahme nach § 555a Abs. 1 BGB.
Unerheblich ist, ob sich die für eine Pappschindeleindeckung zu beachtenden DIN-Normen geändert haben und deswegen das Dach zur Erfüllung baurechtlicher Vorschriften mit Sanierungsbahnen überzogen werden musste. Denn der Beklagte übersieht, dass gerade keine Dachsanierung unter Zugrundelegung der vorhandenen Schindeln stattgefunden hat. Hierfür hätte es der Änderung der Dachneigung bedurft. Eine solche Sanierung wäre wohl nicht mehr unter den Begriff der Instandhaltung zu subsummieren gewesen.
Ein Teil des Daches des Wohnhauses der Kläger war jedoch unstreitig undicht. Regenwasser konnte in den Dachraum eindringen, die Dachkonstruktion drohte Schaden zu nehmen. Zur Beseitigung dieser Schäden wurden entsprechend der vorhandenen Dachneigung Sanierungsbahnen aufgebracht. Es liegt mithin in jedem Fall eine Erhaltungsmaßnahme vor, die nach § 555b Nr. 6 HS 2 BGB eine Modernisierungsmaßnahme ausschließt.
Der Senat verweist im Übrigen nach eigener Prüfung auf die Ausführungen des Sozialgerichts im angegriffenen Urteil, insbesondere zur Unabweisbarkeit der Reparatur.
Die Kosten waren auch angemessen i.S. § 22 Abs. 2 S. 1 SGB II. Die Kläger hatten in den Monaten Juni 2016 bis Mai 2017 nachfolgende Aufwendungen (ohne Heizkosten) für das Eigenheim:
KdU Juni bis Mai 2016 |
Jun 16 |
Jul 16 |
Aug 16 |
Sep 16 |
Okt 16 |
Nov 16 |
Dez 16 |
Jan 17 |
Feb 17 |
Mrz 17 |
Apr 17 |
Mai 17 |
Abwasser/Niederschlagswasser |
21,00 € |
21,00 € |
21,00 € |
21,00 € |
21,00 € |
21,00 € |
21,00 € |
31,00 € |
37,03 € |
31,00 € |
31,00 € |
31,00 € |
Wasser |
24,00 € |
24,00 € |
24,00 € |
24,00 € |
24,00 € |
24,00 € |
24,00 € |
25,00 € |
32,30 € |
25,00 € |
25,00 € |
25,00 € |
Abfall |
26,19 € |
|
|
26,19 € |
|
|
26,19 € |
|
|
26,19 € |
|
|
Grundsteuer |
|
|
37,55 € |
|
|
37,52 € |
|
|
37,55 € |
|
|
37,55 € |
Schornsteinfeger |
24,04 € |
|
|
|
|
|
|
|
41,65 € |
|
|
|
Wohngebäudeversicherung |
|
169,51 € |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Heizungswartung |
150,29 € |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Summe |
245,52 € |
214,51 € |
82,55 € |
71,19 € |
45,00 € |
82,52 € |
71,19 € |
56,00 € |
148,53 € |
82,19 € |
56,00 € |
93,55 € |
Es ergeben sich Gesamtkosten i.H.v. 1.248,75 €.
Angemessen wären für diesen Zeitraum für die Kläger nach den Unterkunftsrichtlinien des Beklagten KdU i.H.v. 366,10 €/Monat (3 Personen im Vergleichsraum A.) bis 31. Dezember 2016 (Konzept des Beklagten in der Fassung des Berichts vom Juli 2019) sowie i.H.v. 360,50 €/Monat ab 1. Januar 2017 (Konzept des Beklagten in der Fassung des Berichts vom Februar 2022), insgesamt mithin 4.365,20 €. Die Kosten der Dachreparatur sind folglich angemessen.
Auch unter Zugrundelegung einer Jahresnettokaltmiete als Vergleichsmaßstab (vgl. BSG, Urteil vom 18. September 2014, a.a.O. [24], Juris) sind die Kosten angemessen. Die Kläger hatten keine der Nettokaltmiete entsprechenden monatlichen Aufwendungen. Angemessen wäre nach der Unterkunftsrichtlinie des Beklagten eine Nettokaltmiete i.H.v. 4,28 €/qm/Monat bis 31. Dezember 2016 (= 299,60 €/Monat) (Konzept des Beklagten in der Fassung des Berichts vom Juli 2019) und ab 1. Januar 2017 i.H.v. 4,18 €/qm/Monat (= 292 €/Monat) (Konzept des Beklagten in der Fassung des Berichts vom Februar 2022). Für den zu betrachtenden Zeitraum ergibt sich ein Gesamtbetrag i.H.v. 3.517,20 €. Die Reparaturkosten liegen unter diesem Betrag.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.