L 10 U 961/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10.
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 10 U 266/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 961/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

1. Die MdE-Bewertung bei Handgelenksverletzungen richtet sich maßgeblich nach den Bewegungsmaßen des verunfallten Handgelenks im Vergleich zur unverletzten Hand bzw. ggf. nach der Einschränkung der Unterarmdrehfähigkeit.
2. Als Vergleichsmaßstab zur Bewertung der Einschränkung der Handgelenksbeweglichkeit sind für die Bemessung der MdE keine Bewegungsausmaße über die Normalwerte hinaus zu berücksichtigen.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 04.02.2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Gründe

I.


Die Beteiligten streiten (nur noch) über die Gewährung von Verletztenrente ab 27.05.2018 wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 12.06.2017.

Der 1961 geborene Kläger (Rechtshänder, s. Angabe S. 129 VerwA) arbeitete seit April 2011 versicherungspflichtig als Malergeselle bei der E1 Malerbetrieb in B1 (s. Unfallanzeige des Arbeitsgebers vom 12.06.2017, S. 14 VerwA). Am Mittag des 12.06.2017 stolperte er bei einem Gerüstaufbau auf einer Baustelle und stürzte auf das ausgestreckte linke Handgelenk. Unmittelbar im Anschluss suchte er den D-Arzt S1 auf, der eine Fehlstellung am linken Handgelenk mit Druckschmerz ohne offene Verletzung (periphere Durchblutung, Motorik, Sensibilität intakt) und eine Schürfwunde am linken Kniegelenk befundete sowie nach bildgebender Untersuchung der linken Hand (s. namentlich CT S. 137 VerwA) - neben der Schürfwunde am linken Knie - eine distale Radius-Trümmerfraktur links diagnostizierte (s. D-Arztbericht vom 12.06.2017, S. 1 VerwA).

Vom 14. bis 17.06.2017 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung in der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie des Klinikums M1 (S1), wo am 14.06.2017 eine offene Reposition mit palmarer winkelstabiler Plattenosteosynthese durchgeführt wurde (s. im Einzelnen Entlassungsbericht vom 06.07.2017, S. 36 f. VerwA). Der Kläger war bis 15.10.2017 arbeitsunfähig und nahm seine Tätigkeit - nach Durchführung einer Belastungserprobung - am 16.10.2017 wieder auf (vgl. S. 64, 67, 69 VerwA). S1 ging zu diesem Zeitpunkt von einem Abschluss der Behandlung aus und schätzte die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) auf unter 10 v.H. ein (s. D-Arzt-Mitteilung vom 27.10.2017, S. 69 VerwA). In seinem Nachschaubericht vom 20.03.2018 (S. 78 VerwA) gab der D-Arzt an, dass der Kläger immer noch Beschwerden im Bereich des linken Handgelenks beim Arbeiten bzw. nach dem Arbeiten und beim Aufstützen sowie beim Tragen von Lasten beklage. Klinisch sei die Beweglichkeit im Vergleich zur (rechten) Gegenseite nur noch gering schlechter.

Die Ärzte der Klinik für Hand- und Plastische Chirurgie des Klinikums M1 beschrieben nach Untersuchung am 28.03.2018 (Befundbericht vom 17.04.2018, S. 82 f. VerwA) im Bereich des linken Handgelenks eine reizlose Narbe palmarseitig bei Zustand nach distaler Radiusfraktur-OP links in Juni 2017. Äußerlich ergab sich kein auffälliger Befund und dem Kläger war namentlich der Faustschluss komplett und mit voller Streckung möglich. Ein Druckschmerz über dem TFCC (triangular fibrocartilage complex) lag nicht vor, ebenso wenig Sensibilitätsdefizite oder Impaction-Zeichen. Auch die Klinik-Ärzte befundeten nur noch eine geringe Handbeweglichkeitseinschränkung links (40-0-60°). Eine MdE im rentenberechtigten Maße werde voraussichtlich nicht verbleiben; die Entfernung der Metallplatte werde empfohlen.

In seinem Nachschaubericht vom 17.05.2018 (S. 86 VerwA) nach stattgehabter Metallentfernung am 23.04.2018 gab S1 postoperativ lediglich noch eine kleine Kruste im Narbenbereich des linken Handgelenks volar bei leichter Narbenverdickung/Keloid ohne Schwellung an. Er schätzte die MdE auf 0 v.H. ein und bescheinigte Arbeitsunfähigkeit noch bis zum 25.05.2018. In seinem weiteren Bericht vom 08.06.2018 (S. 92 VerwA) beschrieb der D-Arzt - bei im Wesentlichen unauffälligem Befund im Übrigen - eine um je 10° geringere Handgelenksbeweglichkeit (Streckung/Beugung) links gegenüber rechts (Supination/Pronation o.B.).

Die Beklagte ging von unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit vom 23.04.2018 bis zum 26.05.2018 aus und gewährte dem Kläger (via Generalauftrag über die Krankenkasse) entsprechend Verletztengeld (s. S. 88, 91 VerwA).

Nach Durchführung einer MRT der linken Hand bzw. des linken Handgelenks am 12.06.2018 (s. im Einzelnen Radiologiebericht S. 99 VerwA) beschrieb S1 (D-Arzt-Bericht vom 15.06.2018, S. 94 VerwA) klinisch lediglich noch eine „minimal“ eingeschränkte Handbeweglichkeit links bei uneingeschränkter Fingerbeweglichkeit. Die Behandlung sei abgeschlossen, die MdE betrage 0 v.H.

In ihrem Befundbericht vom 03.07.2018 (S. 101 f. VerwA) gaben die Ärzte der Klinik für Hand- und Plastische Chirurgie des Klinikums M1 nach Untersuchung am 19.06.2018 als Diagnosen eine beginnende posttraumatische Radiokarpalarthrose links nach intraartikulärer distaler Radiusfraktur, eine geringe Instabilität des distalen Radioulnargelenks nach Processus styloideus ulnae-Fraktur mit Teilruptur des TFCC an der ulnaren Aufhängung links bei Zustand nach offener Reposition und palmarer winkelstabiler Plattenosteosynthese sowie Zustand nach Plattenentfernung an. Sie dokumentierten u.a. eine Handgelenksbeweglichkeit links von 60-0-65° Extension/Flexion (rechts: 60-0-90°), von 50-0-20° Ulnar-/Radialduktion (rechts: dito) und von beidseits 85-0-85° Supination/Pronation. Der Kläger äußerte lediglich noch geringe Beschwerden. In ihrem weiteren Befundbericht vom 17.12.2018 (S. 123 f. VerwA) beschrieben die Klinikärzte eine „gute“ Beweglichkeit des linken Handgelenks mit freier Fingerbeweglichkeit und ungestörtem Faustschluss.

Die Beklagte holte sodann bei dem S2 das Erste Rentengutachten vom 17.01.2019 ein (S. 127 ff. VerwA). Dieser nannte nach Untersuchung des Klägers (15.01.2019) als unfallbedingte Gesundheitsstörungen im Bereich des linken Handgelenks einen Zustand nach distaler Radiusfraktur mit belastungs- und bewegungsabhängigen Beschwerden, endgradiger (S. 129 VerwA) Bewegungseinschränkung (handrücken-/hohlhandwärts: links 30-0-40°, rechts 50-0-60°; speichen-/ellenwärts: links 10-0-20°, rechts 20-0-30°, S. 133 VerwA) und Umfangsvermehrung um 2 cm (gegenüber rechts, S. 133 VerwA) bei bildgebend intraarticulärem Spalt mit Stufe radiocarpal und posttraumatischem Impingement scaphoradial mit beginnender Arthrose. Der Gutachter schätzte die MdE für die Zeit ab dem 16.10.2017 bis auf weiteres auf 20 v.H. ein; zur Beendigung des dritten Jahres nach dem Unfall werde die MdE 10 bis 20 v.H. betragen.

In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme für die Beklagte vom 10.04.2019 (S. 149 VerwA) führte der T1 aus, dass der beim Kläger dokumentierte Funktionsstand im Bereich der linken Hand lediglich eine MdE von 10 v.H. rechtfertige, zumal radiologisch lediglich eine mäßige Handgelenksarthrose ohne wesentliche Gelenkstufe bei regelrechten Gelenkwinkeln vorliege.

Darauf gestützt anerkannte die Beklagte mit Bescheid vom 24.07.2019 (S. 156 f. VerwA) das Ereignis vom 12.06.2017 als Arbeitsunfall und als Folge dessen eine Einschränkung der Beweglichkeit des linken Handgelenks mit mäßiger Handgelenksarthrose ohne wesentliche Gelenkstufe und regelrechten Gelenkwinkeln bei knöchern fest verheiltem handgelenksnahen Speichentrümmerbruch links. Dies bedinge eine MdE von lediglich 10 v.H., sodass dem Kläger eine Rente nicht zustehe. Nicht Folge des vorliegend angeschuldigten Arbeitsunfalls sei der Zustand nach Bruch des 5. Mittelhandknochens links nach Arbeitsunfall im Jahr 2015, der zu einer MdE von unter 10 v.H. geführt habe.

Mit seinem Widerspruch berief sich der Kläger im Wesentlichen auf die MdE-Einschätzung S2 und machte geltend, dass die im Befundbericht der Ärzte der Klinik für Hand- und Plastische Chirurgie des Klinikums M1 vom 03.07.2018 genannte Instabilität des distalen Radioulnargelenks nach Processus styloideus ulnae-Fraktur (PSU) mit Teilruptur des TFCC an der ulnaren Aufhängung links weitere Unfallfolge sei. Ihm sei mithin eine Rente nach einer MdE von mindestens 20 v.H. zu gewähren.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.12.2019 (S. 185 ff. VerwA) - den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 17.12.2019 zugegangen - wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Die Unfallfolgen seien umfassend berücksichtigt worden und bedingten eine MdE von lediglich 10 v.H.

Hiergegen hat der Kläger am 17.01.2020 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben, mit der er die Anerkennung einer Instabilität des distalen Radioulnargelenks nach Processus styloideus ulnae-Fraktur mit Teilruptur des TFCC an der ulnaren Aufhängung links als weitere Folge des Arbeitsunfalls vom 12.06.2017 sowie die Gewährung von Rente nach einer MdE von mindestens 20 v.H. ab 27.05.2018 begehrt hat. Zur Begründung hat er im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft sowie gemeint, dass seine Beweglichkeitseinschränkung des linken Handgelenks nicht nur geringfügig, sondern stärker sei und eine MdE von mindestens 20 bis 30 v.H. bedinge, zumal eine erhebliche Einschränkung der Seitwärtsbewegung vorliege.

Das SG hat von Amts wegen das Sachverständigengutachten M3 vom 17.07.2020 eingeholt (S. 39 ff. SG-Akte), der nach Untersuchung (09.06.2020) beim Kläger einen folgenlos ausgeheilten Zustand nach Fraktur des 5. Mittelhandknochens links nach früherem Arbeitsunfall (vgl. S. 40 SG-Akte) sowie im Bereich des linken Handgelenks in Folge des Arbeitsunfalls vom 12.06.2017 einen Zustand nach Trümmerfraktur des linken distalen Radiusendes sowie einen Zustand nach Fraktur des Processus styloideus ulnae links mit Teilruptur des TFCC mit verbliebener 8 cm langer reizloser Operationsnarbe, beginnender posttraumatischer Arthrose bei freier Handgelenksbeweglichkeit, Herabsetzung der groben Kraft der linken Hand ohne Muskelatrophie sowie röntgenologischen Veränderungen mit Herabsetzung des Kalksalzgehalts und Verkalkung nahe der Spitze des Griffelfortsatzes der Elle diagnostiziert hat.

Gegenüber dem Sachverständigen hat der Kläger u.a. angegeben (S. 41 f. SG-Akte), dass er noch belastungsabhängige Beschwerden im Bereich des linken Handgelenks v.a. beim Tragen oder beim Zug schwerer Sachen habe und dass er „ab und zu“ eine Schmerztablette einnehme; eine weitere ärztliche Behandlung finde nicht statt.

Als klinischen Befund hat M3 regelrechte Umrisse im Bereich beider Ellbogengelenke ohne Druckempfindlichkeit und ohne Kapselschwellung bei freier Beweglichkeit beider Ellenbogengelenke befundet (S. 43 SG-Akte). Im Bereich des linken Handgelenks (S. 43 f. SG-Akte, auch zum Nachfolgenden) hat eine nicht berührungsempfindliche und gut verschiebliche Narbe ohne Funktionseinschränkung imponiert. Eine Schwellung oder Deformierung im Handgelenksareal links hat nicht vorgelegen. Der Kläger hat einen Druckschmerz radialseitig im Bereich des Radiokarpalgelenks und des Griffelfortsatzes der Speiche respektive einen Schmerz bei der Radialabduktion angegeben. Gleichwohl hat sich bei Bewegen des Handgelenks nur ein leichtes Reiben im radialen Gelenkanteil ohne sog. Klickphänomen und ohne Anhalt für eine Instabilität der Handwurzelknochen gezeigt und die Beweglichkeit des linken Handgelenks ist „genau wie rechts, normal und frei“ (s. auch Messblatt Bl. 51 SG-Akte: handrücken-/hohlhandwärts 60-0-50° links, 60-0-60° rechts; speichen-/ellenwärts 30-0-20° beidseits), die Unterarmumdrehung in beiden Richtungen ebenfalls frei (90-0-90°) gewesen. Im linken distalen Radioulnargelenk hat eine Instabilität nicht vorgelegen und auch kein Druck- oder Stauchungsschmerz im ulnaren Anteil des Handgelenks. Die Hände des Klägers haben einen unauffälligen Befund ohne trophische Störungen bei guter Entwicklung und beidseits kräftigen kurzen Handmuskeln ergeben (im Übrigen: beidseits normale Hautfarbe, Temperatur und Schweißsekretion; sämtliche Gelenke frei beweglich; Faustschluss vollständig; Sensibililtät intakt; Ab- und Anspreizen der Finger nicht beeinträchtigt; grobe Kraft links 0,3 bar, rechts 0,7 bar, indes ohne auffällige Muskelatrophie; Umfangmaße Handgelenk und Mittelhand ohne Daumen seitengleich, s. dazu Bl. 51 SG-Akte). Röntgenologisch (Bl. 44 f., 48 SG-Akte) hat der Sachverständige im Wesentlichen eine „kleinere“ Stufe gegenüber dem Gelenkspalt zwischen Kahnbein und Mondbein im Bereich der linken Radiusgelenkfläche - bei regelrechter Stellung der radialen Gelenkfläche seitlichen Aufnahme - sowie eine „kleinere“ Randausziehung im Bereich der Spitze des Griffelfortsatzes der Speiche mit Verschmälerung des Gelenkspaltes zwischen Kahnbein und Speiche bei regelrechten Handwurzelknochen und Handgelenkwinkel der Speiche ohne sichtbaren Fraktur- oder Pseudarthrosespalt beschrieben. Eine Veränderung im Bereich der Basis des Griffelfortsatzes bestehe nicht.

Der Sachverständige hat die MdE für die Zeit vom 16.10.2017 bis 24.07.2019 auf 20 v.H., für die Zeit danach auf 10 v.H. eingeschätzt. Die Beklagte habe ihren Bescheid vom 24.07.2019 korrekt begründet, er stimme ihm vollkommen zu, ebenso wie dem Vorgutachten. Die Ärzte des Klinikums M1 hätten lediglich Diagnosen übernommen, ein dokumentierter Befund zu einem Abriss des Prozessus styloideus ulnae im Bereich der Basis bzw. zu einer Ruptur des TFCC gäbe es nicht (Bl. 48 SG-Akte).

Die Klägerseite hat u.a. darauf hingewiesen (s. S. 53 ff. SG-Akte), dass sehr wohl Vorbefunde vorlägen, aus denen sich eine Absprengung des PSU ergebe. Außerdem bestehe nach beiden vorliegenden Gutachten jedenfalls für den Zeitraum vom 27.05.2018 bis 24.07.2019 ein Anspruch auf Verletztenrente.

Die Beklagte ist dem unter Hinweis auf die dokumentierten Funktionsbefunde und die unfallmedizinische Literatur entgegengetreten. Sie hat dazu die beratungsärztliche Stellungnahme H1 vom 03.09.2020 (S. 64 f. SG-Akte) vorgelegt. Darin hat der Beratungsarzt namentlich unter synoptischer Darstellung der aktenkundig dokumentierten Bewegungsmaße des linken Handgelenks des Klägers und unter Hinweis auf das unfallmedizinische Schrifttum (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 581, 568) im Einzelnen dargelegt, dass zu keinem Zeitpunkt eine MdE von 20 v.H. oder gar mehr begründet werden könne. Der vom Sachverständigen erhobene Befund sei präzise und sachlich-inhaltlich überzeugend, nicht jedoch seine MdE-Einschätzung (bis 24.07.2019).

Mit Urteil vom 04.02.2021 hat das SG die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 24.07.2019 Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.12.2019 verpflichtet, eine PSU-Fraktur mit Teilruptur des TFCC an der ulnaren Aufhängung links als weitere Folge des Arbeitsunfalls vom 12.06.2017 anzuerkennen; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und angeordnet, dass die Beklagte die außergerichtlichen Kosten des Klägers zur Hälfte zu tragen hat. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Arbeitsunfall vom 12.06.2017 beim Kläger auch zu einer PSU-Fraktur mit Teilruptur des TFCC an der ulnaren Aufhängung links geführt habe, was sich bereits aus der CT-Aufnahme des linken Handgelenks vom Unfalltag ergebe. Auf der Grundlage der vom Sachverständigen gefertigten Röntgenaufnahmen sei der PSU-Abriss mit TFCC-Teilfraktur indes zwischenzeitlich vollständig abgeheilt. Eine Instabilität des distalen Radioulnargelenks liege hingegen nicht vor. Derartiges lasse sich weder den D-Arztberichten noch den Berichten der Klinikärzte entnehmen und auch S2 sowie der Sachverständige hätten eine Instabilität nicht festgestellt. Eine Rente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls könne der Kläger nicht beanspruchen, denn die dokumentierten Bewegungsmaße des linken Handgelenks - die das SG im Einzelnen aufgeführt hat - ohne neurologische Auffälligkeiten in diesem Areal und ohne Schwellneigung bedingten lediglich Funktionseinschränkungen, die nach den unfallmedizinischen Erfahrungswerten (Hinweis auf Begutachtungsliteratur und Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O.) keine MdE über 10 v.H. begründeten. Daran ändere auch die Anerkennung der ausgesprochenen Veränderungen als weitere Unfallfolgen nichts. Insoweit könne mith MdE-Einschätzung der Gutachter, soweit diese über eine MdE von 10 v.H. hinausgingen, nicht gefolgt werden. Der hilfsweise vom Kläger beantragten ergänzenden Anhörung des Sachverständigen „zu den Einwendungen der Beklagten“ habe nicht nachgegangen werden müssen.

Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 12.02.2021 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12.03.2021 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren auf Rente nach einer MdE von mindestens 20 v.H. ab dem 27.05.2018 weiterverfolgt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft und auf erhebliche Schmerzen in seinem linken Handgelenk verwiesen. Die Herabsetzung des Kalksalzgehalts sei „immer“ ein Zeichen für eine Inaktivität und Schonung des verunfallten Gelenks. Die MdE-Einschätzung S2 sei zutreffend und es seien ja nunmehr weitere Unfallfolgen hinzugekommen, sodass jedenfalls - auch nach M3 - von einer MdE von 20 v.H. im Zeitraum vom 27.05.2018 bis mindestens zum 24.07.2019 auszugehen sei. Ferner hat die Klägerseite mit ihrer Berufungsschrift eine Verletzung des § 103 SGG gerügt, weil das SG es unterlassen habe, den Sachverständigen ergänzend zu den Einwendungen der Beklagten zu hören.

Der Kläger beantragt (teilweise sachdienlich gefasst, vgl. S. 26 Senats-Akte),

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 04.02.2021 abzuändern und die Beklagte unter weiterer Abänderung ihres Bescheids vom 24.07.2019 Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.12.2019 zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 12.06.2017 ab dem 27.05.2018 eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie hat das Urteil des SG im Umfang der klägerischen Anfechtung verteidigt und namentlich darauf hingewiesen, dass beim Kläger keinerlei Anhaltspunkte für eine schmerzbedingte Inaktivität der linken Hand dokumentiert seien.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat der Senat S3 das Sachverständigengutachten vom 13.07.2022 eingeholt (S. 67 ff. Senats-Akte). S3 hat nach Untersuchung des Klägers (29.06.2022) und Beiziehung des Befundberichts des W1 vom 28.06.2022 (CT und MRT des linken Handgelenks vom selben Tag, S. 110 Senats-Akte) als unfallursächliche Verletzung eine distale Radiusfraktur in Kombination mit einer Fraktur des Processus styloideus ulnae und mit einer Rissbildung des TFCC an der ulnaren Aufhängung beschrieben. Zudem sei es zu einer „Mikroinstabilität in diesem Bereich“ gekommen; außerdem bestehe im Bereich der linken Hand eine unfallunabhängige STT- und Rhizarthrose (S. 100 Senats-Akte). Als Unfallfolgen bestünden aktuell (s. S. 101 f. Senats-Akte, auch zum Folgenden) eine „plausible“ Bewegungseinschränkung des linken Handgelenks, die „im Wesentlichen nicht besser sei“ als im Gutachten S2 (s. Messblatt S. 109 Senats-Akte: Unterarmdrehung auswärts/einwärts 80-0-80° beidseits; Handgelenk handrücken-/hohlhandwärts 30-0-40° links und 75-0-75° rechts, speichen-/ellenwärts 10-0-15° links und 25-0-35° rechts), eine Muskelminderung des linken Ober- und Unterarms (Messblatt a.a.O.: Handgelenk 20,5 cm links zu 19 cm rechts; Mittelhand ohne Daumen 21 cm links zu 22 cm rechts; 10 cm unterhalb des äußeren Oberarmknorrens 26,5 cm links zu 27 cm rechts; Ellenbogengelenk 28 cm links zu 27,5 cm rechts bei beidseits freier Beweglichkeit von 0-0-140° Streckung/Beugung), der Verdacht auf eine Neurombildung im Narbenbereich, eine osteosynthetisch versorgte distale Radiustrümmerfraktur mit knöcherner Konsolidierung, eine posttraumatischer Arthrose radiokarpal mit Verkalkung des Processus styloideus ulnae sowie eine TFCC-Degeneration/Diskus triangularis-Degeneration links. In Übereinstimmung mit den Äußerungen der Klägervertretung bestehe eine MdE von 20 v.H. seit Ende Mai 2018. Die Veränderungen wie die Einschränkungen des Handgelenks seien „ähnlich wie im Gutachten von S2 und in keinem Fall so wie bei M3.“

Für die Beklagte hat H1 darauf hingewiesen (beratungsärztliche Stellungnahme vom 18.08.2022, S. 136 f. Senats-Akte), dass sich weiterhin keine rentenberechtigende MdE ergebe, zumal die Drehfähigkeit des linken Unterarms des Klägers weiterhin uneingeschränkt sei, ein wesentlicher Gelenkerguss als Zeichen eines chronischen Reizzustands nicht bestehe und auch keine Zeichen einer Instabilität vorlägen, ebenso wenig wie eine Achsenabknickung und eine Einschränkung der Handgelenkbewegung um insgesamt 80°. Die „propädeutischen Ausführungen“ des S3 zum TFCC-Komplex änderten nichts am Funktionsbefund.

Die Klägerseite hat die Einschätzung des Wahlsachverständigen verteidigt (s. im Einzelnen S. 138 ff. Senats-Akte) und gemeint, dass die Handgelenksbeweglichkeit des Klägers links gegenüber den (von S3 mitgeteilten) Normalwerten sowie gegenüber rechts deutlich eingeschränkt sei. Selbst wenn man aufgrund der „überoptimalen Beweglichkeit“ handrücken-/hohlhandwärts von einer Obergrenze der Normalwerte als Vergleichsmaßstab ausgehe, betrage die Bewegungseinschränkung des linken Handgelenks des Klägers insgesamt 95°. Der 6. Senat des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg habe in seiner Entscheidung vom 25.09.2014 (L 6 U 4877/12) „in einem gleich gelagerten Fall“ bereits bei einer Bewegungseinschränkung des Handgelenks von insgesamt 90°, ohne dass weitere Einschränkungen wie beispielsweise eine erhebliche Achsenabknickung, eine Einschränkung der Unterarmdrehfähigkeit, eine Kraftminderung oder weitere Funktionseinschränkungen hinzugetreten wären, unter Zugrundelegung der unfallmedizinischen Literatur eine rentenberechtigte MdE von 20 v.H. angenommen. Im vorliegenden Fall liege beim Kläger hingegen sogar eine Herabsetzung der groben Kraft der linken Hand und eine posttraumatische Arthrose vor, die erhebliche Schmerzen verursache, was schon M3 bestätigt habe. Die Einwendungen H1 seien dem Wahlsachverständigen zur ergänzenden Stellungnahme vorzulegen.

Der Senat hat verlautbart, dass die Einholung einer ergänzenden Stellungnahme S3 - weder von Amts wegen noch nach § 109 Abs. 1 SGG - nicht erfolgen wird (Verfügung vom 30.09.2022, S. 140 Senats-Akte) und die Beteiligten zur beabsichtigten Zurückweisung der Berufung durch Beschluss ohne Beteiligung der ehrenamtlichen Richter und ohne mündliche Verhandlung angehört (s. Verfügungen vom 25.02.2022, S. 36 Senats-Akte, vom 30.11.2022, S. 142 Senats-Akte, und vom 09.06.2023, S. 150 Senats-Akte).

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Prozessakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

II.


Der Senat entscheidet über die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und nach den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom
24.07.2019 Gestalt (§ 95 SGG) des Widerspruchsbescheids vom 11.12.2019, dies indes nur insoweit, wie die Beklagte damit die Gewährung von Rente wegen der Folgen des von ihr gleichsam anerkannten Arbeitsunfalls vom 12.06.2017 abgelehnt hat und dies auch nur hinsichtlich des Zeitraums ab dem 27.05.2018, nachdem der Kläger sein Rentenbegehren bereits im erstinstanzlichen Verfahren (s. seinen diesbezüglichen mündlichen Verhandlung vor dem SG gestellten Antrag, S. 89 SG-Akte) entsprechend zeitlich eingegrenzt hat. Nicht (mehr) Gegenstand des Rechtsstreits ist die Verpflichtung der Beklagten zur Anerkennung weiterer Unfallfolgen, nachdem das SG den Bescheid vom 24.07.2019 Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.12.2019 entsprechend - zu Gunsten des Klägers - abgeändert und die Beklagte verpflichtet hat, eine PSU-Fraktur mit Teilruptur des TFCC an der ulnaren Aufhängung links als weitere Folge des Arbeitsunfalls vom 12.06.2017 anzuerkennen; insoweit ist das Urteil vom 04.02.2021 rechtskräftig geworden (vgl. § 141 Abs. 1 Nr. 1 SGG), denn nur der Kläger hat Berufung eingelegt und dies - wie schon dargelegt - allein hinsichtlich der klageabweisenden Entscheidung über die Gewährung von Rente ab dem 27.05.2018.

Soweit der Kläger sein prozessuales Begehren auf Gewährung von Rente (der Sache nach auf unbestimmte Zeit, vgl.
§ 62 Abs. 2 Satz 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch - SGB VII -) dahingehend artikuliert hat, bei ihm solle „eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 v.H. festgestellt und ihm eine entsprechende Verletztenrente gewährt“ werden (s. erneut S. 89 SG-Akte und S. 26 Senats-Akte), hat der Senat das Berufungsbegehren entsprechend dem oben aufgeführten Rechtsmittelantrag sachdienlich gefasst (§ 123 SGG), denn neben der begehrten Rentengewährung, im Rahmen dessen bei Vorliegen einer rentenberechtigenden MdE ohnehin eine entsprechende Feststellung der MdE zu erfolgen hat (im Ausspruch dann: „nach einer MdE von…“), ist regelmäßig - so auch vorliegend - kein Raum für eine zusätzliche, isolierte MdE-Feststellung i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG (vgl. dazu Bundessozialgericht - BSG - 22.06.2004, B 2 U 36/03 R, in juris, Rn. 18 ff.; 22.03.1983, 2 RU 37/82, in juris, Rn. 18).

Unter Zugrundelegung dessen hat das SG die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4, § 56 SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Klage auf Gewährung von Verletztenrente ab dem 27.05.2018 wegen der Folgen des von der Beklagten bestandskräftig anerkannten Arbeitsunfalls vom 12.06.2017 zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid vom 24.07.2019 Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.12.2019 ist insoweit - und nur in diesem Umfang unterliegt er der Überprüfung des Senats (s.o.) - rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen der Folgen des Unfalls vom 12.06.2017 für den geltend gemachten Zeitraum ab 27.05.2018, weil eine MdE von wenigstens 20 v.H. nicht gegeben ist und auch kein Stützrententatbestand eingreift.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen seines Urteils vom 04.02.2021
die rechtlichen Grundlagen des geltend gemachten Anspruchs auf Verletztenrente nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB VII sowie die hierzu von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zutreffend dargestellt und überzeugend dargelegt, dass die beim Kläger auf handchirurgischem Gebiet verbliebenen Gesundheitsstörungen im Bereich der linken Hand in Folge des Arbeitsunfalls vom 12.06.2017 auf der Grundlage der namentlich vom M3 und dem Gutachter S2 (dessen Gutachten urkundsbeweislich verwertbar ist) erhobenen klinischen Funktionsbefunde sowie der unfallmedizinischen MdE-Erfahrungswerte, namentlich gemäß dem auch vom Senat in ständiger Rechtsprechung regelmäßig seiner Beurteilung zu Grunde gelegten Standardwerk Schönberger/Mehrtens/Valentin (a.a.O.), lediglich eine - für sich gesehen nicht rentenberechtigende - MdE von allenfalls 10 v.H. begründen. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den diesbezüglichen überzeugenden Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Das Vorbringen im Berufungsverfahren und das Ergebnis der weiteren Ermittlungen führen zu keiner anderen Beurteilung.

In Folge des beim Arbeitsunfall vom
12.06.2017 erlittenen handgelenksnahen Speichentrümmerbruchs links und der - dies steht rechtskräftig fest (s.o.) - PSU-Fraktur mit Teilruptur des TFCC an der ulnaren Aufhängung links ist beim Kläger für den vorliegend streitigen Zeitraum ab dem 27.05.2018 jedenfalls eine Einschränkung der Handgelenksbeweglichkeit links (dazu noch sogleich im Einzelnen) mit beginnender radiologisch sichtbarer posttraumatischer Handgelenksarthrose und Herabsetzung des Kalksalzgehalts bzw. Verkalkung nahe der Spitze des Griffelfortsatzes der Elle, eine röntgenologisch kleinere Stufe gegenüber dem Gelenkspalt zwischen Kahnbein und Mondbein im Bereich der linken Radiusgelenkfläche - bei regelrechter Stellung der radialen Gelenkfläche seitlichen Aufnahme - sowie eine kleinere Randausziehung im Bereich der Spitze des Griffelfortsatzes der Speiche mit Verschmälerung des Gelenkspaltes zwischen Kahnbein und Speiche bei regelrechten Handwurzelknochen und Handgelenkwinkel der Speiche ohne sichtbaren Fraktur- oder Pseudarthrosespalt und eine 8 cm lange reizlose Operationsnarbe im Bereich der linken Hand verblieben. Dies stützt der Senat auf den vom Sachverständigen M3 schlüssig und nachvollziehbar erhobenen klinischen Befund. Nichts Anderes ergibt sich aus dem Gutachten des S2 und insoweit auch nicht aus dem Gutachten des Sachverständigen S3. Alle drei sind im Übrigen übereinstimmend davon ausgegangen, dass die stattgehabte distale Radiustrümmerfraktur knöchern konsolidiert ist.
Die MdE-Bewertung bei Handgelenksverletzungen richtet sich maßgeblich nach den Bewegungsmaßen des verunfallten Handgelenks im Vergleich zur unverletzten Hand bzw. ggf. nach der Einschränkung der Unterarmdrehfähigkeit, wobei rechts- und linksseitige Verletzungen gleich bewertet werden (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 581, 405). Der Funktionsbefund hat damit wegen der Bedeutung der Hand als Greif-, Druck-, Tast- und Ausdrucksorgan überragende Bedeutung (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 572). Deswegen kommt rein bildgebenden Veränderungen für sich gesehen für die Höhe der MdE keine entscheidende Bedeutung zu. Namentlich die Bewertung arthrotischer Veränderungen hängt nicht von deren radiologischer Ausprägung ab, sondern von den daraus folgenden objektivierbaren Funktionseinschränkungen (LSG Berlin-Brandenburg 18.11.2013, L 3 U 285/11, www.sozialgerichtsbarkeit.de, unter Hinweis auf die unfallmedizinische Literatur).

Nach den MdE-Erfahrungswerten (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 581) ist eine MdE von 10 v.H. bei einem Speichenbruch mit Achsenabknickung und Einschränkung der Handgelenksbewegungen um insgesamt 40° anzunehmen, eine MdE von 20 bis 30 v.H. bei einem Speichenbruch mit erheblicher Achsenabknickung und Einschränkung der Handgelenksbewegungen um insgesamt 80° bzw. bei einer isolierten Radius-Pseudarthrose, eine MdE von 25 v.H. bei einer Handgelenksversteifung in Neutralstellung, eine MdE von 40 v.H. bei einer Handgelenksversteifung in Beugung oder Überstreckung von je 45°, eine MdE von 20 v.H. bei einer Versteifung der Unterarmdrehung in Einwärtsdrehstellung, eine MdE von 30 v.H. bei einer Versteifung der Unterarmdrehung in Mittelstellung, sowie eine MdE von 40 v.H. bei einer Versteifung der Unterarmdrehung in Auswärtsdrehstellung. Funktionsstörungen im Bereich der Langfinger und des Daumens bedingen eine MdE von 10 bis 25 v.H. Ferner bedingt eine konzentrische Bewegungseinschränkung des Handgelenks um die Hälfte eine MdE von 15 v.H., eine Versteifung des Handgelenks in Streckung/Beugung 10-10-0°, Ulnarabduktion 0-10°, bei freier Unterarmdrehung eine MdE von 25 v.H., eine Versteifung des Handgelenks in Streckstellung 0-0-0°, bei freier Unterarmdrehung eine MdE von 30 v.H. und eine Unterarmversteifung in Einwärtsdrehstellung 0-20-20° bis
0-40-40° eine MdE von 25 v.H. bzw. - bei Versteifung in Mittelstellung (0-0-0°) - von 30 v.H. sowie - bei Versteifung in Auswärtsdrehstellung (70-0-70°) - von 40 v.H. (s. zu allem Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 568).

Vorliegend hat keiner der gehörten Ärzte - auch der Wahlsachverständige nicht - beim Kläger für den vorliegend streitigen Zeitraum ab Ende Mai 2018 eine isolierte Radius-Pseudarthrose diagnostiziert und auch keine irgendwie geartete Versteifung des linken Handgelenks oder gar des linken Unterarms (im Gegenteil, s. dazu S2, S. 133 VerwA: Ellenbogengelenke Streckung/Beugung beidseits 0-0-140°, Unterarmdrehung auswärts/einwärts beidseits 80-0-80°; M3 S. 51 SG-Akte: Ellenbogengelenke Streckung/Beugung beidseits frei, Unterarmdrehung auswärts/einwärts beidseits 90-0-90°; S3 S. 109 Senats-Akte: Ellenbogengelenke Streckung/Beugung beidseits 0-0-140°, Unterarmdrehung auswärts/einwärts beidseits 80-0-80°; Normalmaße, Hentsch/Pschyrembel Redaktion in Pschyrembel Online, Stichwort „Ellenbogengelenk“, Stand November 2022; Streicher/Pretterklieber in Anderhuber/Pera/Streicher, Waldeyer - Anatomie des Menschen, 19. Aufl. 2012, S. 216: Ellenbogengelenk Streckung/Beugung 0-10/0/150°, Unterarmdrehung auswärts/einwärts 80-90/0/80-90°) beschrieben, sodass eine entsprechende MdE nach den obigen Ausführungen von vornherein nicht in Betracht kommt, worauf zuletzt H1 in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 18.08.2022 (die als qualifiziertes Beteiligtenvorbringen verwertet wird) zutreffend hingewiesen hat.

Auch sind für den streitigen Zeitraum nirgends unfallbedingte Funktionsstörungen im Bereich der Finger und des Daumens der linken Hand des Klägers dokumentiert. Im Gegenteil, S1 hat in seinem D-Arztbericht vom 15.06.2018 eine uneingeschränkte Fingerbeweglichkeit festgehalten, ebenso wie die Ärzte des Klinikums M1 in ihrem Befundbericht vom 17.12.2018 (zudem: „ungestörter Faustschluss“) und später der Sachverständige M3 („sämtliche Gelenke frei beweglich, Faustschluss vollständig, Sensibilität intakt, Ab- und Anspreizen der Finger nicht beeinträchtigt“, S. 44 SG-Akte; s. auch Meßblatt S. 51 SG-Akte). Schließlich hat auch der Wahlsachverständige frei bewegliche Finger- und Daumengelenke beschrieben (S. 78 Senats-Akte) und die „habituelle Abduktion des 5. Fingers links von 15°“ nicht dem hier in Rede stehenden Arbeitsunfall zugeordnet; dagegen ist nichts zu erinnern.

Beim Kläger liegt - bezogen auf den streitigen Zeitraum - auch schon keine Achsenabknickung und auch keine Instabilität des linken Handgelenks vor, was sich übereinstimmend aus den Befundberichten des S1 vom 17.05.2018, 08.06.2018 und vom 15.06.2018, aus dem Befundbericht der Klinik für Handchirurgie des Klinikums M1 vom 17.12.2018, dem Gutachten des S2 und aus dem Sachverständigengutachten des M3 ergibt. Soweit die Ärzte des Klinikums M1 noch in ihrem Bericht vom 03.07.2018 eine Instabilität des distalen Radioulnargelenks nannten, haben sie diese lediglich als „gering“ beschrieben und in ihrem zeitlich nachfolgenden Befundbericht ist davon überhaupt nicht mehr die Rede gewesen. Irgendwelche Anzeichen einer auch nur geringen Instabilität haben sodann auch bei den Untersuchungen durch S2 und M3 nicht mehr vorgelegen, ebenso wenig wie abnorme Achsenverhältnisse. Im Gegenteil, bildgebend hat sich bei knöcherner Konsolidierung (s.o.) lediglich eine geringe („kleinere“, so M3) Stufenbildung gezeigt, die auch der Wahlsachverständige als „minimal“ bezeichnet hat (S. 87 Senats-Akte). Eine verbliebene, überdauernde „Mikroinstabilität“ hat im Übrigen auch er nicht angenommen (s. S. 100 Senats-Akte: „Zudem kam es [durch den Unfall] zu einer Mikroinstabilität in diesem Bereich“).

Unter Zugrundlegung all dessen lässt sich beim Kläger nach den dargestellten unfallmedizinischen Erfahrungswerten für den streitigen Zeitraum ab dem 27.05.2018 eine rentenberechtigende MdE nicht ansatzweise begründen, worauf H1 und T1 in ihren beratungsärztlichen Stellungnahmen (als qualifiziertes Beteiligtenvorbringen bzw. - T1 - im Wege des Urkundsbeweises verwertbar) zutreffend hingewiesen haben. Die entgegenstehenden MdE-Einschätzungen der Gutachter ändern daran schon deshalb nichts, weil alle drei diese nicht weiter begründet, geschweige denn die Erfahrungswerte überhaupt nur erwähnt haben. Unabhängig davon hat M3 zusammenfassend - und insoweit auch zutreffend - den angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 24.07.2019 ausdrücklich und befundgestützt als „vollkommen“ richtig angesehen. H1 hat den von M3 dokumentierten klinischen Befund (s. dazu oben im Tatbestand) als präzise und sachlich-inhaltlich überzeugend qualifiziert - auch der Senat sieht dies so -, auf der Grundlage dessen seinerseits überzeugend dargelegt, dass nach den unfallmedizinischen Erfahrungswerten jedenfalls keine höhere MdE als 10 v.H. angenommen werden kann und in jeder Hinsicht schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass und warum sich aus dem Sachverständigengutachten des S3 nichts Abweichendes ergibt. 

Ohnehin gehen die Ausführungen des S3 im Wesentlichen am Streitgegenstand und dem Prüfungskanon des vorliegenden Falles vorbei, worauf H1 zutreffend aufmerksam gemacht hat. Namentlich die Ausführungen des Wahlsachverständigen zur stattgehabten Fraktur des PSU und zur Rissbildung des TFCC an der ulnaren Aufhängung links erschließen sich schon deshalb nicht, weil diese Unfallfolgen rechtskräftig feststehen, weswegen auch die Diskussion der Unfallursächlichkeit am Thema vorbeigeht. Nämliches gilt hinsichtlich seiner Diskussion der bildgebenden Befunde; wie bereits oben dargelegt, kommt vorliegend den radiologischen Veränderungen keine maßgebliche Bedeutung zu. Somit gehen die Ausführungen des S3 insgesamt schlicht ins Leere.

Die beim Kläger im streitigen Zeitraum dokumentierten Bewegungsmaße der Handgelenke bei jeweils unbeeinträchtigter Unterarmdrehfähigkeit (s.o.) sind für sich gesehen auch nicht ansatzweise mit einer rentenberechtigenden Funktionsstörung, wie sie nach den Erfahrungswerten Voraussetzung ist (s. auch dazu bereits oben), vergleichbar.

Für den streitigen Zeitraum sind folgende Handgelenksbewegungsmaße dokumentiert:

 

 

handrücken-/hohlhandwärts

speichen-/ellenwärts

 

links

rechts

links

rechts

Normalmaße
(s.u.)

50-0-60°

50-0-60°

20-0-30°

20-0-30°

S1
(S. 92 VerwA)

10° weniger ggü. rechts

o.B.

o.B.

o.B.

Handchirurgie M4
(S. 102 VerwA)

60-0-65°

60-0-90°

20-0-50°

20-0-50°

S2
(S. 133 VerwA)

30-0-40°

50-0-60°

10-0-20°

20-0-30°

M3
(S. 51 SG-Akte)

60-0-50°

60-0-60°

30-0-20°

30-0-20°

S3
(S. 109 Senats-Akte)


30-0-40°


75-0-75°


10-0-15°


25-0-35°


Die Normalmaße der Handgelenksbeweglichkeit nach der Neutral-Null-Methode betragen nach der aktuellen herrschenden medizinischen Lehrmeinung (s. dazu Hentsch in Pschyrembel Online, Stichwort „Handgelenk“, Stand November 2022; Streicher/Pretterklieber in Anderhuber/Pera/Streicher, a.a.O., S. 221) 50-0-60° (handrücken-/hohlhandwärts) bzw. 20-0-30° (speichen-/ellenwärts), was der Senat regelmäßig seiner Beurteilung auch zu Grunde legt.

Der Senat hat bereits mehrmals unter Zugrundelegung unfallmedizinischer Sachverständigengutachten entschieden, dass es sich bei einer Beweglichkeitseinschränkung auf 40-0-20° (handrücken-/hohlhandwärts) bzw. 10-0-15° (speichen-/ellenwärts) lediglich um endgradige Einschränkungen handelt, die eine rentenberechtigende MdE nicht begründen (Senatsurteile vom 29.04.2010, L 10 U 3101/09 und vom 23.10.2008, L 10 U 1416/06, beide www.sozialgerichtsbarkeit.de); demgegenüber ist der Kläger vorliegend auch mit den von S3 mitgeteilten Beweglichkeitsmaßen teilweise noch (etwas) bessergestellt, worauf auch H1 zutreffend hingewiesen hat. Ohnehin hat der Wahlsachverständige seiner Einschätzung „Maximalbeweglichkeitsmaße“ nach Debrunner („Heben/Senken des Handgelenks mit 60-0-70°“) für den unfallmedizinischen Vergleich der unverletzten zur verletzten Hand zu Grunde gelegt. Eine derartige „Maximalbeweglichkeit“ ist indes gerade nicht maßgeblich, ebenso wenig wie die - von S3 erkannte (S. 78 Senats-Akte) - beim Kläger bestehende überoptimale Handbeweglichkeit (handrücken-/hohlhandwärts) rechts, was die Annahme des Wahlsachverständigen einer „deutlichen Einschränkung“ entsprechend relativiert; im Übrigen hat auch er eine (nur) „endgradige“ Beweglichkeitseinschränkung angenommen (S. 78 Senats-Akte) und, in Übereinstimmung mit S2 und M3 eine konzentrische Bewegungseinschränkung des Handgelenks um die Hälfte - was ebenfalls eine rentenberechtigende MdE (noch) nicht begründen würde - nicht einmal auch nur behauptet.

Wie bereits oben dargelegt, kommt es für die MdE-Bewertung - bei einseitigen Verletzungen - maßgeblich auf den Funktionsverlust im Vergleich zur unverletzten Hand an, um den individuellen Unterschieden im Hinblick auf die anlagebedingte Handgelenksbeweglichkeit Rechnung zu tragen. Richtigerweise sind dabei freilich aus den vom 6. Senat des LSG Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 25.09.2014 (L 6 U 4877/12, in juris, Rn. 31) aufgeführten Gründen - denen sich der erkennende Senat anschließt und worauf er hier verweist - als Vergleichsmaßstab zur Bewertung der Einschränkung der Handgelenksbeweglichkeit für die Bemessung der MdE keine Bewegungsausmaße über die Normalwerte (s.o.) hinaus zu berücksichtigen.

Die oben aufgeführten Maße sind indes - wie schon dargelegt - mit den Funktionsdefiziten, für die eine rentenberechtigende MdE nach den Erfahrungswerten regelmäßig vorgesehen ist (namentlich: erhebliche Achsenabknickung und Einschränkung der Handgelenksbewegungen um insgesamt 80°, Handgelenks- und/oder Unterarmversteifung), nicht annährend gleichwertig, worauf H1 Sache überzeugend hingewiesen hat. Daran ändert auch die vom Sachverständigen M3 mitgeteilte Differenz der groben Kraft von 0,4 bar links gegenüber rechts nichts. Ihr hat M3 gerade keine höhergradige Bedeutung beigemessen und auch S2 und S3 haben lediglich unspezifisch die grobe Kraft rechts „ausgeprägter als links“ beschrieben.

Die zuletzt S3 dokumentierte Umfangsveränderung im Bereich des linken Handgelenks gegenüber rechts hat der Wahlsachverständige lediglich als „leicht“ beschrieben (S. 78 Senats-Akte), sodass auch daraus höhergradige, rentenberechtigende Funktionsdefizite in Ansehung der erhaltenen Beweglichkeit nicht abgeleitet werden können. Nämliches gilt hinsichtlich der von S3 angenommenen Umfangsminderung im Bereich des linken Ober- und Unterarms des Klägers zwischen 0,5 und 1,5 cm (S. 79 Senats-Akte), zumal der Wahlsachverständige lediglich eine „etwas“ vermehrte Handbeschwielung rechts gegenüber links bei freier Ellenbogen- und Schultergelenksbeweglichkeit dokumentiert hat (S. 78 Senats-Akte).

Soweit S3 darüber hinaus - bei im Übrigen neurologisch unauffälligem klinischen Befund (S. 77 Senats-Akte) - die Verdachtsdiagnose eines Neurinoms im Narbenbereich bei Druckschmerzhaftigkeit beim Beklopfen der Operationsnarbe genannt hat (S. 84 Senats-Akte), lässt sich daraus jedenfalls schon ein höhergradiges funktionelles Defizit nicht ableiten.

Ohnehin sind
übliche Schmerzen als Begleitsymptome einer körperlichen Schädigung in den Bewertungstabellen für die jeweilige Schädigung bereits berücksichtigt (s. nur Senatsurteile vom 15.12.2022, L 10 U 1783/18 und vom 15.11.2018, L 10 U 1969/17, beide in juris; Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 244). Zwar können außergewöhnliche Schmerzen, beispielsweise CRPS, Stumpf- und Phantomschmerz oder zentrale neuropathische Schmerzsyndrome, bei der MdE neben der Gewebeverletzung gesondert zu bewerten sein, wenn sie zu Funktionsbeeinträchtigungen führen, die die Funktionsbeeinträchtigungen der reinen Gewebeverletzung - mit Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit - deutlich übersteigen. Es sind aber nicht die Schmerzen als solches zu bewerten, sondern deren Auswirkungen in Form von Funktionsdefiziten auf die Erwerbsfähigkeit des Betroffenen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 244).

Vorliegend ist schon das Vorliegen außergewöhnlicher Schmerzen in diesem Sinne als Folge des Arbeitsunfalls zur Überzeugung des Senats nicht nachgewiesen. Daran ändern auch die Fragebogenangaben des Klägers nichts, aus denen S3 einerseits ein Chronifizierungsstadium nach Gerbershagen Grad 1 abzuleiten versucht (S. 83 Senats-Akte), zum anderen dann aber eingeräumt hat (ebenda), dass der Pain-Detect-Schmerzfragebogen gerade „nicht eindeutig“ gewesen ist; demgemäß hat der Wahlsachverständige eine entsprechende Diagnose dann letztlich auch nicht gestellt (s. S. 84, 102 Senats-Akte). Die Angaben des Klägers sind ohnehin nicht plausibel, nachdem er im Rahmen der Untersuchung gegenüber S3 - bei „völlig unauffälligem“ psychischen Befund (S. 77 Senats-Akte) - angegeben hat, nur bei Bedarf Ibuprofen 600 einzunehmen. Außerdem hat er Schmerzen bei „Arbeitsbelastung“ geklagt und die Frage, ob er dadurch bestimmte Tätigkeiten im Alltag/Beruf aufgegeben habe, explizit verneint (S. 74 Senats-Akte). Nichts Abweichendes ergibt sich aus seinen Angaben gegenüber M3 („belastungsabhängige Schmerzen v.a. beim Tragen/Ziehen schwerer Sachen“, „ab und zu“ eine Schmerztablette). Ungeachtet dessen hat der Kläger nicht einmal auch nur behauptet, dass er sich überhaupt in nervenärztlicher und/oder schmerztherapeutischer Behandlung befindet.

Soweit die Klägerseite ferner gemeint hat, die Herabsetzung des Kalksalzgehalts sei „immer“ ein Zeichen für eine Schonung bzw. „Inaktivität“ des verunfallten Gelenks, muss der Senat nicht klären, ob diese Aussage in ihrer Allgemeinheit zutrifft. Denn die beim Kläger bestehenden Funktionsdefizite - gerade unter Berücksichtigung der vom SG zusätzlich zur Anerkennung als Unfallfolgen ausgeurteilten Veränderungen im Bereich der linken Hand - rechtfertigen für den streitigen Zeitraum aus den vorstehenden Erwägungen gerade keine rentenberechtigende MdE.

Der Hinweis der Klägerseite auf die Entscheidung des 6. Senats des LSG Baden-Württemberg vom
25.09.2014 (L 6 U 4877/12, a.a.O.) geht schon deshalb ins Leere, weil im vorliegenden Fall des Klägers gerade keine Funktionsdefizite bestehen, die eine Bewertung mit einer rentenberechtigenden oder gar höheren MdE rechtfertigen würden. Ohnehin ist der erkennende Senat nicht an die Rechtsprechung anderer Obergerichte gebunden, zumal es vorliegend um die tatrichterliche Würdigung im Einzelfall ankommt.

Schließlich sieht der Senat auch eine MdE-erhöhende besondere berufliche Betroffenheit (§ 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII) im Hinblick auf die strengen Voraussetzungen, die das BSG (s. dazu im Einzelnen nur Ricke in BeckOGK SGB VII, § 56 Rn. 28 ff. m.w.N. zur Rspr., Stand 01.03.2017) hieran stellt, nicht als gegeben an, zumal der Kläger als Maler schon keinen sog. Spezialberuf mit Schaffung einer außergewöhnlich günstigen Stellung im Erwerbsleben ausgeübt hat. Es handelte sich vielmehr um eine qualifizierte Facharbeitertätigkeit, wie sie auch von unzähligen anderen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ausgeübt wird (vgl. dazu nur BSG 05.09.2006, B 2 U 25/05 R, in juris; Senatsurteil vom 15.12.2022, L 10 U 3651/19, in juris, Rn. 57).

Abschließend stellt der Senat noch fest, dass dem Kläger im Hinblick auf den - ebenfalls bei der Beklagten versicherten - Arbeitsunfall von 2015 kein Stützrententatbestand zur Seite steht. Denn der im Rahmen dieses Unfalls stattgehabte Bruch des 5. Mittelhandknochens links ist folgenlos ausgeheilt und - über den Gesamtvergütungszeitraum hinaus (vgl. S. 148 VerwA) - sind insoweit keine Einschränkungen verblieben, die eine MdE von wenigstens 10 v.H. rechtfertigen würden, worauf die Beklagte bereits im Bescheid vom 24.07.2019 zutreffend hingewiesen hat. M3 hat die folgenlose Ausheilung bestätigt (vgl. S. 40 SG-Akte) und auch S2 sowie der Wahlsachverständige haben diesbezüglich nichts Abweichendes bekundet, zumal der Kläger selbst Gegenteiliges nicht einmal auch nur behauptet hat.
Der entscheidungserhebliche medizinische Sachverhalt ist geklärt.
Die aktenkundigen ärztlichen Unterlagen, namentlich die vom Gutachter S2 und vom Sachverständigen M3 erhobenen klinischen Befunde nebst Funktionsparameter sowie die beratungsärztlichen Stellungnahmen des H1 mit der dortigen Auswertung und Subsumtion unter die MdE-Erfahrungswerte haben dem Senat die erforderlichen Grundlagen für seine Überzeugungsbildung vermittelt.

Soweit die Klägerseite im Rechtsmittelverfahren zunächst noch gemeint und beantragt hatte, es müsse beim Wahlsachverständigen S3 eine ergänzende Stellungnahme zu den Einwänden des H1 eingeholt werden, hat der Kläger daran zuletzt, nachdem verlautbart worden ist, dass nicht beabsichtigt sei, dem nachzukommen (S. 140 Senats-Akte), nicht mehr festgehalten und den Antrag insbesondere nach Erteilung des Hinweises, dass nunmehr die angekündigte Entscheidung des Rechtsstreits im Beschlussweg und ohne mündliche Verhandlung nach § 153 Abs. 4 SGG nach Ablauf eines (weiteren) Monats ergehen werde (vgl. Verfügung vom 30.11.2022, S. 142 Senats-Akte, mit Bekräftigung durch Verfügung vom 09.06.2023, S. 150 Senats-Akte), nicht wiederholt oder sonst zum Ausdruck gebracht, dass daran festgehalten werde (vgl. Anwaltsschriftsätze vom 21.11.2022, S. 141 Senats-Akte, vom 12.04.2023, S. 147 Senats-Akte, vom 24.04.2023, S. 148 Senats-Akte, und vom 06.06.2023, S. 150 Senats-Akte). Daher hatte der Senat darüber nicht (mehr) förmlich zu entscheiden.

Er hätte den Antrag aber auch abgelehnt, denn aus den beratungsärztlichen Stellungnahmen des
 H1 haben sich keine wesentlichen Gesichtspunkte ergeben, zu denen sich der Wahlsachverständige noch nicht hatte äußern können (vgl. dazu statt vieler nur Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 109 Rn. 10b m.w.N.). H1 hat vielmehr die klinischen (Funktions-)Befunde - und zwar zunächst die von M3 und sodann die von S3 erhobenen - eigenständig gewürdigt und einer MdE-Bewertung nach den Erfahrungswerten unterzogen. Es ist ureigene Aufgabe des Tatgerichts, medizinische Sachverständigengutachten und (beratungs-)ärztliche Stellungnahmen inhaltlich zu würdigen und die Höhe einer durch einen Versicherungsfall verursachten MdE zu bestimmen; auch bei Letzterem handelt es sich um eine Tatsachenfrage, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu treffen hat (BSG 20.12.2016, B 2 U 11/15 R, in juris). Einem Wahlsachverständigen muss nicht generell das „letzte Wort“ verbleiben (Keller a.a.O. m.w.N.) und ein besonderer Grund, der eine ergänzende gutachtliche Stellungnahme eines Sachverständigen im Einzelfall erforderlich machen kann, liegt namentlich nicht vor, wenn ein Gutachten Mängel (wissenschaftlichen) Begründung enthält (Keller a.a.O. unter Hinweis auf die Rspr. des BSG). So verhält es sich aber vorliegend, nachdem H1 bereits in seiner Stellungnahme vom 03.09.2020 - zu der sich S3 in seinem Gutachten dezidiert hätte äußern können - im Einzelnen dargelegt und unter Bezugnahme auf die unfallmedizinischen Erfahrungswerte respektive dem unfallmedizinischen Standardwerk von Schönberger/Mehrtens/Valentin (a.a.O.) begründet hat, dass und warum eine rentenberechtigende MdE nicht erreicht wird. Nachdem sich S3 damit indes in seinem Gutachten nicht weiter auseinandergesetzt, seine MdE-Einschätzung überhaupt nicht, geschweige denn mit dem unfallmedizinischen Schrifttum, begründet und auch keine (Funktions-)Befunde mitgeteilt hat, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen (s.o.), hat weder nach § 109 Abs. 1 SGG noch von Amts wegen eine Veranlassung bestanden, den Wahlsachverständigen zu der beratungsärztlichen Stellungnahme des H1 vom 18.08.2022, der Beratungsarzt auf diese Mängel hingewiesen hat, ergänzend zu hören.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.





 

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