Gibt ein Bewerber um einen Vertragsarztsitz auch noch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Zulassungsausschuss nur eine Anschrift für Praxisräume an, die von vornherein nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht genutzt werden können, erfüllt dies die Anforderungen des § 18 Abs. 1 Satz 2 Ärzte-ZV an die Angabe des Vertragsarztsitzes im Zulassungsantrag nicht und ist dieser Bewerber im Zulassungsverfahren nicht berücksichtigungsfähig. Eine Nachholung der Angabe des Vertragsarztsitzes durch Benennung einer anderen Anschrift ist in einem solchen Fall nicht mehr möglich.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. Januar 2022 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1.; die übrigen Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt seine Zulassung als Kinderarzt nach Feststellung eines zusätzlichen lokalen Versorgungsbedarfs in B-N.
Der am geborene Kläger ist Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin.
Im Jahr 2013 beantragte der Kläger zunächst eine Sonderbedarfszulassung nach § 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – SGB V – i.V.m. § 36 Bedarfsplanungs-Richtlinie als Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin im Verwaltungsbezirk N. In dem diese Zulassung betreffenden Verfahren reichte der Kläger eine an ihn adressierte „Mietoptionsbestätigung“ der PGmbH vom 27. Februar 2014 für Praxisräume am Standort A S B mit folgendem Inhalt ein:
„hiermit bestätigen wir als Eigentümerin der Liegenschaften A S B, dass wir im Falle Ihrer kassenärztlichen Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit dem Betreiben eines MVZ in vorgenanntem Objekt vorbehaltlich des Abschlusses eines entsprechenden Gewerbemietvertrages zustimmen“.
Der Antrag auf Sonderbedarfszulassung wurde vom Zulassungsausschuss und Berufungsausschuss abgelehnt. In dem sich anschließenden gerichtlichen Verfahren verpflichtete der Senat den Beklagten mit rechtskräftigem Urteil vom 13. November 2019 (L 7 KA 31/17), über den Antrag des Klägers, ihn wegen Sonderbedarfs als Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung zuzulassen, neu zu entscheiden. Der Kläger wurde daraufhin im Rahmen einer Sonderbedarfsfeststellung zum 1. August 2020 zugelassen. Der Kläger verzichtete jedoch mit Schreiben vom 20. Oktober 2020 auf diese Zulassung.
Während des die Sonderbedarfszulassung betreffenden gerichtlichen Verfahrens stellte der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen Berlin mit Beschluss vom 7. Mai 2018 gemäß § 100 Abs. 3 SGB V i.V.m. § 35 Abs. 2 und 3 Bedarfsplanungs-Richtlinie fest, dass im Verwaltungsbezirk N ein zusätzlicher lokaler Versorgungsbedarf in der planungsrechtlichen Arztgruppe der Kinderärzte für drei zusätzliche Zulassungen im Umfang jeweils eines vollen Versorgungsauftrages besteht. Auf die daraufhin von der Beigeladenen zu 2 ausgeschriebenen Zulassungen bewarben sich unter anderem der Beigeladene zu 1 und – mit Zulassungsantrag vom 29. Mai 2018 – der Kläger. Wegen der Einzelheiten der Ausschreibung wird auf Bl. 365 der Gerichtsakte verwiesen.
Der Kläger machte in seinem Zulassungsantrag vom 29. Mai 2018 im Feld „Praxisanschrift“ keine Angaben. Er verwies in seinem Antrag auf das seinerzeit anhängige gerichtliche Verfahren vor dem Senat.
Der Beigeladene zu 1 reichte im Zulassungsverfahren eine Bestätigung des K vom 16. Mai 2018 ein, dass mit dem Beigeladenen zu 1 zum 1. Oktober 2018 ein Mietvertrag über Praxisräume in der Rstraße B abgeschlossen werde.
Die Beigeladene zu 2 forderte den Kläger mit Schreiben vom 6. Juli 2018 auf, bis zum 23. Juli 2018 einen vollständig ausgefüllten Zulassungsantrag und fehlende Unterlagen einzureichen. Dieser antwortete unter dem 12. Juli 2018, der Beklagte habe im Rahmen des Antrags aus dem Jahr 2013 alle notwendigen Bewerbungsunterlagen erhalten. Er bewerbe sich rechtlich gesehen nicht neu und müsse die Unterlagen nicht noch einmal schicken.
Mit Schreiben des Zulassungsausschusses vom 30. Juli 2018 wurde der Kläger zur mündlichen Verhandlung am 15. August 2018 über seinen Antrag vom 29. Mai 2018 geladen. Er wurde auf noch fehlende Unterlagen hingewiesen und zudem darauf, dass spätestens zur Sitzung des Zulassungsausschusses eine Praxisanschrift konkret zu benennen sei. Die Nennung eines Verwaltungsbezirks sei zu diesem Zeitpunkt nicht mehr ausreichend. Der Zulassungsausschuss habe festgelegt, dass für das Auswahlverfahren aktuelle Antragsunterlagen einzureichen seien. Die Auffassung des Klägers, dass Antragsunterlagen aus dem Jahr 2013 für ein Antragsverfahren im Bereich Sonderbedarf zur Vorlage ausreichten, könne von Seiten der Geschäftsstelle nicht beurteilt werden. Es werde angeraten, die Unterlagen aktuell einzureichen.
Mit E-Mail vom 2. August 2018 teilte der Kläger folgende Niederlassungsadresse mit: A S B N.
Mit Beschluss nach mündlicher Verhandlung vom 15. August 2018 (Kennziffer , schriftliche Ausfertigung vom 27. September 2018) ließ der Zulassungsausschuss den Kläger im Verwaltungsbezirk N als Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin im Umfang eines vollen Versorgungsauftrages am Vertragsarztsitz A S B, mit Wirkung zum 1. Oktober 2018 zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zu. Die Zulassungsanträge der übrigen Bewerber, unter anderem den Antrag des Beigeladenen zu 1, lehnte der Zulassungsausschuss in diesem Beschluss ab. Als Begründung gab er an, dass die Auswahlentscheidung insbesondere auf die entsprechend herangezogenen Kriterien der bestmöglichen Versorgung der Versicherten im Hinblick auf die räumliche Wahl des Vertragsarztsitzes sowie auf Versorgungsgesichtspunkte gemäß § 26 Abs. 4 Nr. 3 Bedarfsplanungs-Richtlinie gestützt worden sei. Die Dauer der Eintragung in die Warteliste gebe den Ausschlag zugunsten des Klägers. Die Voraussetzungen der Zulassung nach § 18 Abs. 1 und 2 Ärzte-ZV seien nachgewiesen.
Mit Schreiben vom 31. August 2018 wies der Beigeladene zu 1 den Zulassungsausschuss darauf hin, dass die vom Kläger angegebene Adresse A S B, nach Auskunft des Vermieters B G e.V. und der Hausverwaltung A für eine Praxis nicht zur Verfügung stehe. Er reichte eine Bestätigung der AGmbH ein, wonach wegen des Vereinszwecks keine Vermietung an eine Arztpraxis geplant sei. Weder sie noch B G e.V. seien diesbezüglich von einem Kinderarzt kontaktiert worden.
Auf Nachfrage des Zulassungsausschusses teilte der Kläger mit E-Mail an den Zulassungsausschuss vom 7. September 2018 mit: Dem Zulassungsausschuss sei aus dem Sonderbedarfszulassungsverfahren bekannt, dass es eine Mietoption für die Adresse A S B, gegeben habe. Jetzt sei das Objekt vermietet, da könne er rechtlich nichts machen. Er habe den Zulassungsausschuss sowieso kontaktieren wollen, sobald er ein neues Objekt gefunden habe. Dies sei sehr schwierig in N. Es sei auch unrealistisch gewesen, zum 1. Oktober 2018 die Praxisarbeit aufzunehmen. Es sei unmöglich, in einem Monat Personal zu finden.
Der Zulassungsausschuss teilte dem Kläger mit Schreiben vom 20. September 2018 mit, dass er auch deshalb ausgewählt worden sei, weil er den Standort A S B, persönlich in der Sitzung bestätigt habe. Er habe Gelegenheit bis zum 15. Oktober 2018, einen Nachweis über neue Praxisräume in N vorzulegen.
Am 24. September 2018 reichte der Kläger einen Mietvertrag vom 24. September 2018 über Räume für eine Kinderarztpraxis in der E Str. B, mit Mietbeginn am 1. Oktober 2018 beim Zulassungsausschuss ein.
Mit Beschluss vom 26. September 2018 (schriftliche Ausfertigung vom 15. Oktober 2018) stimmte der Zulassungsausschuss der Veränderung des Praxisstandorts von A S B, zu E Str. B, zu. Eine erneute Auswahlentscheidung sei nicht erforderlich gewesen.
Der Beigeladene zu 1 erhob am 20. Oktober 2018 Widerspruch gegen den Beschluss vom 15. August 2018. Es habe sich herausgestellt, dass der Kläger dem zuständigen Vermieter des Gebäudes a S Berlin, nicht bekannt gewesen sei. Es bestehe der Anschein, dass bewusst keine zutreffenden Angaben gemacht worden seien.
Dem hielt der Kläger entgegen: Ihm sei im Zusammenhang mit dem Sonderbedarfszulassungsverfahren eine rechtlich gültige Mietoption für das Objekt A S B, ausgestellt worden. Dass sich die Eigentümerverhältnisse geändert hätten, sei ihm erst aufgefallen, als ihm überraschenderweise die Zulassung zugesprochen worden sei. Die Mietoption sei unbefristet ausgestellt worden. Zudem seien weder eine Mietoption noch die Benennung der Adresse des geplanten Sitzes Voraussetzung für die Teilnahme am Zulassungsverfahren. Die große Mehrheit der Mietoptionen sei auf vier bis acht Wochen befristet. Rechtlich entscheidend sei, dass der Bewerber, der die Zulassung bekommen habe, sich an dem vom Zulassungsausschuss definierten Ort niederlasse.
Mit Schreiben an den Kläger vom 20. November 2018 teilte die A GmbH als „Verwalter der ehemaligen Eigentümerin P GmbH und der aktuellen Eigentümerin T GmbH“ mit, dass sich der Kläger seit Erhalt der Mietoptionsbestätigung aus dem Jahr 2014 nicht mehr gemeldet habe. Daher sei der Eigentümer am Zustandekommen eines entsprechenden Gewerbemietvertrages nicht mehr interessiert und die Grundlage für die Option entfallen. Die Mietoptionsbestätigung werde der guten Ordnung halber widerrufen.
Mit Beschluss vom 28. November 2018 (schriftliche Ausfertigung vom 17. Dezember 2018) lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers auf Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung ab. Statt des Klägers ließ er den Beigeladenen zu 1 am Standort Rstr. B, mit Wirkung zum 1. Januar 2019 zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zu. Zur Begründung führte der Beklagte aus: Der Widerspruch des Beigeladenen zu 1 sei zulässig und begründet. Der Kläger sei im Auswahlverfahren nicht zu berücksichtigen, weil er sich mit einer tatsächlich nicht bestehenden Mietoption beworben habe. Insoweit komme es nicht darauf an, ob er davon Kenntnis gehabt habe. Bereits nach der allgemeinen Lebenswirklichkeit handele es sich bei einer Mietoption nicht um eine unbefristet und unbegrenzt gültige Option, ein bestimmtes Mietobjekt anmieten zu können. Dem Kläger habe klar sein müssen, dass eine mehr als vier Jahre alte Option im Jahr 2018 keinen Bestand mehr haben könne. Er sei zumindest verpflichtet gewesen, zu überprüfen, ob die Mietoption weiter bestanden habe. Dies habe er unterlassen. Mit der von ihm im Nachgang angegebenen Adresse sei der Kläger nicht zu berücksichtigen. Die Zustimmung des Zulassungsausschusses zur Änderung des Praxisstandorts sei anhand von § 24 Abs. 7 Satz 1 Ärzte-ZV zu beurteilen. Danach sei die Sitzverlegung nicht genehmigungsfähig. Dem stehe auch die Gleichbehandlung der übrigen Bewerber entgegen. Diese hätten im Rahmen der Bewerbung Mietoptionen oder bestehende Mietverträge angegeben und würden benachteiligt, wenn einem Bewerber, der sich mit einer offenkundig nicht mehr bestehenden Mietoption bewerbe, nachträglich eine Änderung des angegebenen Praxisstandorts zugebilligt werde, ohne dass besondere Gründe hierfür vorlägen. Der Kläger habe sich grob fahrlässig mit einer Mietoption beworben, die ungültig gewesen sei. Die Zulassung sei dem Beigeladenen zu 1 zu erteilen. Eine fünfjährige fachärztliche Tätigkeit sei keine Voraussetzung für die Zulassungserteilung. An der beruflichen Eignung des Beigeladenen zu 1 bestünden keine Zweifel.
Mit einem weiteren Beschluss vom 28. November 2018 (schriftliche Ausfertigung vom 17. Dezember 2018) hob der Beklagte den Beschluss des Zulassungsausschusses vom 26. September 2018 über die Änderung des Praxisstandorts des Klägers auf. Zugleich lehnte er die Änderung des Praxisstandorts ab.
Darüber hinaus ordnete der Beklagte mit einem Beschluss vom 12. Dezember 2018 (schriftliche Ausfertigung vom 17. Dezember 2018) die sofortige Vollziehung des Beschlusses vom 28. November 2018 über die Zulassung des Beigeladenen zu 1 an.
Gegen den ihm am 18. Dezember 2018 zugestellten Beschluss vom 28. November 2018 über die Ablehnung seiner Zulassung hat der Kläger am 17. Januar 2019 Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben. Er hat beantragt, den Zulassungsbeschluss vom 28. November 2018 aufzuheben, den Beklagten zu verpflichten, ihn zuzulassen, sowie hilfsweise, den Beklagten zur Neubescheidung seines Zulassungsantrags zu verpflichten. Der Kläger hat vorgetragen: Er habe damit gerechnet, dass die Räumlichkeiten A S weiterhin zur Verfügung stünden. Der Vermieter habe bestätigt, dass ihm vormalig eine Mietoption ausgehändigt worden sei, die nunmehr jedoch nicht mehr bestehe. Die konkrete Praxisadresse müsse und könne erst benannt werden, wenn feststehe, dass er mit seinem Ansinnen durchdringe. Bereits das Ausschreibungsverfahren sei fehlerhaft gewesen. Die Bewerbungsfrist sei weder für eine rechtzeitige Bewerbung noch für eine vollständige Einreichung der Unterlagen angemessen gewesen. Es sei eine Frist von zumindest sechs bis acht Wochen nach Bekanntgabe der Zulassungsmöglichkeit abzuwarten, ehe der Zulassungsausschuss eine Auswahlentscheidung treffe. Die Bewerbungsfrist habe bereits am 18. Mai 2018 geendet. Eine zweite Frist, die der Einreichung von Unterlagen diene, habe in der Ausschreibung gefehlt. Die formellen Bewerbungsvoraussetzungen seien erfüllt worden. Insbesondere sei der Vertragsarztsitz A S benannt worden. Auf das faktische Nichtbestehen der Mietoption komme es nicht an. Formelle Voraussetzung sei allein die Benennung des Vertragsarztsitzes, nicht die Vorlage eines entsprechenden Mietvertrages oder einer entsprechenden Mietoption. Dafür spreche sowohl der Wortlaut des § 18 Ärzte-ZV als auch die Formulierung im zu verwendenden Antragsformular des Zulassungsausschusses, das lediglich unter der Rubrik „Weiterführung an alternativem Standort geplant“ die nicht obligatorische Möglichkeit des Beleges unter Einreichung einer Mietoption biete. Er – der Kläger – habe schnellstmöglich die alternative Adresse EStr. B, eingereicht, nachdem er Kenntnis vom Nichtmehrbestehen der Mietoption genommen habe. Dass die ursprünglich unbefristet erteilte Mietoption tatsächlich nicht mehr bestanden habe, könne nicht zu seinen Lasten gehen. Dieser Umstand habe nicht in seiner Sphäre gelegen. Auch seien Mietoptionen in der Regel zeitlich befristet oder jederzeit widerruflich. Er könne auf die Dauer der Entscheidung des Zulassungsausschusses oder die Vertragstreue des Vermieters keinen Einfluss nehmen. Das Fortbestehen einer Mietoption liege nicht in seiner Sphäre. Ebenso wenig stehe seiner Zulassung § 24 Abs. 7 Ärzte-ZV entgegen, der weder direkt noch analog anwendbar sei. Jedenfalls mit dem zuletzt eingereichten Vertragsarztsitz sei der Kläger aufgrund vollständig eingereichter Unterlagen bei der Auswahlentscheidung zwingend zu berücksichtigen gewesen. Dem Beklagten habe der Mietvertrag in seiner Sitzung vorgelegen. Da der Beklagte den Kläger aus formellen Gründen gar nicht erst in die auch von ihm zu treffende Auswahl einbezogen habe, sei der angefochtene Bescheid rechtswidrig und verletze ihn in seinen Rechten. Zwar könnten nach § 26 Abs. 4 Satz 2 Bedarfsplanungs-Richtlinie beim Auswahlverfahren grundsätzlich nur die nach Bekanntmachung des Beschlusses des Landesausschusses fristgerecht und vollständig abgegebenen Zulassungsanträge berücksichtigt werden. Allerdings dürfe ein Antrag nicht als verspätet behandelt werden, wenn es an einer wirksamen Fristsetzung fehle. Solange der Zulassungsbescheid noch nicht bestandskräftig sei, sei auch der benannte Vertragsarztsitz noch nicht festgeschrieben und sei aus diesem Grund die Bestimmung eines anderen Orts als Vertragsarztsitz zulässig. Eines Verlegungsantrages bedürfe es nicht. Der Vertragsarztsitz könne formlos geändert werden.
Dem hat der Beklagte entgegengehalten: Nicht die Bewerbungsfrist 18. Mai 2018, sondern das Nichterkennen der Relevanz des Praxissitzes habe den Kläger an der rechtzeitigen Mitteilung einer Praxisadresse gehindert. Der Kläger habe erst mit E-Mail vom 7. September 2018, nachdem der Zulassungsausschuss ihn vor dem Hintergrund des Hinweises des Beigeladenen zu 1 auf die nicht mehr bestehende Mietoption hingewiesen habe, mitgeteilt, dass das Objekt vermietet sei. Der Beklagte habe den Kläger daher zu Recht nicht im Auswahlverfahren berücksichtigt. Er habe sich mit Bewerbungsunterlagen aus dem Jahr 2013 beworben und sich trotz Nachfrage des Zulassungsausschusses offensichtlich nicht versichert, dass die Mieträume weiter zur Verfügung stehen. Der Kläger sei auch aus Gleichbehandlungsgrundsätzen mit seiner neuen Praxisadresse am weiteren Verfahren nicht zu beteiligen gewesen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 26. Januar 2022 abgewiesen. Die Zulassung sei nach § 18 Abs. 1 Satz 2 Ärzte-ZV für einen konkreten Sitz zu beantragen. In aller Regel müsse spätestens zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung des Zulassungsausschusses eine verfügbare konkrete Praxisanschrift angegeben werden. Daran habe es im vorliegenden Fall gefehlt, so dass der Kläger zulässigerweise vom weiteren Auswahlverfahren habe ausgeschlossen werden können. Der vorliegende Fall unterscheide sich von den Fällen, in denen sich eine Mietoption nach der Auswahlentscheidung, aber vor der Bestandskraft der Zulassung infolge Zeitablaufs erledige, und der Vertragsarztsitz bis zur abschließenden Entscheidung geändert werden könne. Denn der Kläger habe sich von vornherein mit einem Sitz beworben, der bei lebensnaher Betrachtung nicht zur Verfügung gestanden habe. Mit dem Einwand, er sei vom Fortbestand der Mietoption ausgegangen, könne der Kläger nicht gehört werden. Es widerspreche jeder Lebenswahrscheinlichkeit, dass eine Mietoption nach mehr als vier Jahren fortbestehe. Der Kläger sei daher verpflichtet gewesen, sich im laufenden Bewerbungsverfahren rückzuversichern, ob ihm tatsächlich noch ein Sitz oder eine Option auf einen solchen im räumlichen Bereich der Ausschreibung zur Verfügung stehe. Darauf sei er in der Ladung zur Sitzung des Zulassungsausschusses ausdrücklich hingewiesen worden. Er habe daraufhin in seiner E-Mail vom 2. August 2018 erneut nur die Adresse benannt, die realistischerweise nicht mehr zur Verfügung gestanden habe. Er habe es damit dem Zufall überlassen, ob er eine vertragsärztliche Tätigkeit im Bereich des maßgeblichen Bezirks realisieren könne. Ebenso wenig könne sich der Kläger im Hinblick darauf auf Vertrauensschutz berufen, dass ihm der Zulassungsausschuss eine Frist zur Nachbenennung eines Sitzes bis zum 15. Oktober 2018 gesetzt habe. Der Beklagte sei nicht an eine Ankündigung des Zulassungsausschusses gebunden. Ob die Voraussetzungen einer Sitzverlegung nach § 24 Abs. 7 Ärzte-ZV vorlägen, bedürfe keiner Entscheidung. Im Übrigen sei keine unzulässige Verkürzung von Verfahrensfristen erkennbar. Der Kläger habe bis zur Sitzung des Zulassungsausschusses über drei Monate Zeit gehabt, eine tatsächlich zur Verfügung stehende Zulassungsadresse zu benennen.
Gegen das ihm am 21. Februar 2022 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22. Februar 2022 Berufung eingelegt. Er macht geltend: Mangels entsprechender Rechtsgrundlage sei keine Antragsfrist im Sinne einer Ausschlussfrist zu beachten. Er habe unstreitig eine konkrete Praxisanschrift benannt. Auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten sei eine konkrete – nunmehr andere – Praxisanschrift benannt gewesen. Streitig sei lediglich, zu welchem Zeitpunkt eine tatsächlich verfügbare Praxisanschrift benannt sein müsse. Für die Wirksamkeit eines Antrags auf Zulassung bedürfe es keiner Angabe einer konkreten Praxisanschrift. Keinesfalls sei es erforderlich, einen Nachweis über einen bereits geschlossenen Mietvertrag beizubringen. Ein Vertragsarzt sei nicht gehindert, die Anschrift des Vertragsarztsitzes bis zum Eintritt der Bestandskraft des angefochtenen Bescheides formlos zu ändern. Dass ein zunächst als Vertragsarztsitz ins Auge gefasstes und im Zulassungsantrag benanntes Objekt tatsächlich nicht mehr zur Verfügung stehe, sei für sich genommen nicht ungewöhnlich, sondern entspreche der Lebenserfahrung. Das Sozialgericht meine fehlerhaft, dass es an einer Konkretisierung der Praxisanschrift fehle, wenn diese – ohne positive Kenntnis des Antragstellers – tatsächlich nicht zur Verfügung stehe. Die Anforderungen an die Konkretisierung würden überspannt, wenn dem jeweiligen Antragsteller die Obliegenheit auferlegt werde, sich (nochmals) kurz vor der Beschlussfassung über die tatsächliche Verfügbarkeit der Praxisräumlichkeiten zu vergewissern. Dies laufe faktisch darauf hinaus, dem Antragsteller die Obliegenheit zum Abschluss eines Mietvertrags aufzuerlegen. Auch der übliche Nachweis der Verfügbarkeit von Räumlichkeiten in Form von Mietoptionen garantiere die tatsächliche Verfügbarkeit nicht. Stünden dem Antragsteller die ursprünglich benannten Räumlichkeiten nicht zur Verfügung, sei es sein Risiko, neue Praxisräumlichkeiten zu finden. Die übrigen unterlegenen Bewerber würden durch die Möglichkeit des Nachschiebens einer neuen Praxisanschrift nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt. Die formlose Änderung einer Praxisanschrift sei ohnehin nur innerhalb des ursprünglich avisierten Verwaltungsbezirks möglich. Es sei belanglos, in welcher konkreten Adresse im dem jeweiligen Verwaltungsbezirk der obsiegende Bewerber seinen Vertragsarztsitz plane. Ihm könne auch keine unlautere Einflussnahme auf die Auswahlentscheidung vorgeworfen werden. Das vom Sozialgericht herangezogene Kriterium der Lebensfremdheit einer Mietoption sei zur Abgrenzung untauglich. Diese könne nicht sinnvoll bestimmt werden. Er habe einen Anspruch auf Zulassung. Das Ermessen des Beklagten sei auf Null reduziert. Er weise einen längeren Wartelisteneintrag auf. Jedenfalls aber ein Neubescheidungsanspruch bestehe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. Januar 2022 aufzuheben,
den Beschluss des Beklagten vom 28. November 2018 (schriftliche Ausfertigung vom 17. Dezember 2018) insoweit aufzuheben, als sein Antrag auf Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung im Umfang eines vollen Versorgungsauftrags abgelehnt und der Beigeladene zu 1. zur vertragsärztlichen Versorgung im Umfang eines vollen Versorgungsauftrags zugelassen wurde sowie
den Beklagten zu verpflichten, ihn zum nächstmöglichen Zeitpunkt zur vertragsärztlichen Versorgung im Umfang eines vollen Versorgungsauftrags am Standort EStraße B-N, als Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin zuzulassen und den Antrag des Beigeladenen zu 1. auf Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung abzulehnen,
hilfsweise,
den Beklagten zu verpflichten, seinen Antrag sowie den Antrag des Beigeladenen zu 1. auf Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung im Umfang eines vollen Versorgungsauftrags unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das sozialgerichtliche Urteil für zutreffend. Die Bewerbung des Klägers sei nicht vollständig gewesen, da er einen Praxisstandort angegeben habe, der faktisch nicht mehr habe angemietet werden können. Der Kläger habe nicht davon ausgehen können, dass die fünf Jahre alte Mietoption noch Bestand haben würde. Dies anzunehmen, liege außerhalb jeder Lebenserfahrung, insbesondere auf dem Berliner Immobilienmarkt. Der vorliegende Fall, in dem sich der Kläger von vornherein mit einer nicht mehr umsetzbaren Mietoption aus dem Jahr 2013 beworben habe, könne nicht mit den Fällen verglichen werden, in denen ein Bewerber eine aktuelle Mietoption vorlege und diese dann beispielsweise aufgrund einer längeren Verfahrensdauer nicht mehr zur Verfügung stehe.
Der Beigeladene zu 1 beantragt ebenfalls,
die Berufung zurückzuweisen.
Die übrigen Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte sowie nach § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig.
Gegenstand des Verfahrens sind das erstinstanzliche Urteil des Sozialgerichts vom 26. Januar 2022 sowie der Beschluss des beklagten Berufungsausschusses vom 28. November 2018 (schriftliche Ausfertigung vom 17. Dezember 2018), mit dem der Beklagte die Zulassung des Klägers als Kinderarzt abgelehnt und den Beigeladenen zu 1 zugelassen hat. Der Beschluss des Zulassungsausschusses vom 15. August 2018 (schriftliche Ausfertigung vom 27. September 2018) ist nicht Gegenstand des Verfahrens, weil die materiell-rechtliche Befugnis zur Bescheiderteilung mit der Anrufung des Berufungsausschusses auf diesen übergegangen ist (vgl. BSG, Urteil vom 19. Juli 2023, B 6 KA 5/22 R, zitiert nach juris, Rn. 16 m.w.N.; Urteil des Senats vom 18. Mai 2022, L 7 KA 12/20, zitiert nach juris, Rn. 49).
Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Der Beschluss vom 28. November 2018 (schriftliche Ausfertigung vom 17. Dezember 2018) ist rechtmäßig. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Die Klage ist zulässig. Statthafte Klageart für den vorliegenden Fall einer sogenannten offensiven (verdrängenden) Konkurrentenklage ist die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (vgl. Urteil des Senats vom 23. Oktober 2013 – L 7 KA 40/12 –, zitiert nach juris, Rn. 66).
Die Klage ist jedoch unbegründet. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte den Kläger bei der Auswahlentscheidung unberücksichtigt gelassen hat. Sein Zulassungsantrag war mangels Angabe eines Vertragsarztsitzes unvollständig und daher nicht berücksichtigungsfähig.
Nach § 18 Abs. 1 Satz 2 Ärzte-ZV ist im Zulassungsantrag anzugeben, für welchen Vertragsarztsitz die Zulassung beantragt wird. Gemeint ist die konkrete Praxisanschrift (vgl. BSG, Urteil vom 13. Mai 2015, B 6 KA 25/14 R, zitiert nach juris, Rn. 34). Für eine wirksame Antragstellung ist erforderlich, dass die Praxisanschrift spätestens in der mündlichen Verhandlung vor dem Zulassungsausschuss benannt wird (vgl. § 26 Abs. 4 Nr. 2 Satz 2 Bedarfsplanungsrichtlinie, wonach der Zulassungsausschuss bei dem Auswahlverfahren nur vollständig abgegebene Zulassungsanträge berücksichtigt; vgl. Bäune/Meschke/Rothfuß, Ärzte-ZV, § 18 Rn. 5; Kirchhoff, in: Rolfs/Giesen/Meßling/Udsching, BeckOK Sozialrecht, Ärzte-ZV, § 18 Rn. 6; Ladurner, Ärzte-ZV, § 18 Rn. 17 f.). Dies ergibt sich auch daraus, dass die Zulassung gemäß §§ 95 Abs. 1 Satz 5 SGB V, 24 Abs. 1 Ärzte-ZV für den Vertragsarztsitz erfolgt. Eine Zulassungsentscheidung ohne Praxisanschrift ist daher nicht möglich.
Der Kläger hatte im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Zulassungsausschuss am 15. August 2018 keine Praxisanschrift i.S.d. § 18 Abs. 1 Satz 2 Ärzte-ZV angegeben. Sein Hinweis in der E-Mail vom 2. August 2018 auf die Adresse A S B, stellte keine ausreichende Angabe einer Praxisanschrift dar.
Zwar dürfen die Anforderungen an die örtliche Konkretisierung der vertragsärztlichen Tätigkeit im Rahmen der Antragsstellung nicht überspannt werden (vgl. Ladurner, Ärzte-ZV, § 18 Rn. 16). Insbesondere dürfte vom antragstellenden Arzt nicht verlangt werden können, bereits im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Zulassungsausschuss die Möglichkeit der Nutzung von Praxisräumen durch einen geschlossenen Mietvertrag nachzuweisen (vgl. Kirchhoff, in: Rolfs/Giesen/Meßling/Udsching, BeckOK Sozialrecht, Ärzte-ZV, § 18 Rn. 6; Bäune/Meschke/Rothfuß, Ärzte-ZV, § 18 Rn. 8). Ungenügend sind Angaben zum Vertragsarztsitz in einem bestimmten Zulassungsverfahren aber jedenfalls dann, wenn die benannten Praxisräume von vornherein nach allgemeiner Lebenserfahrung (vgl. zu diesem Maßstab LSG Niedersachsen-Bremen, L 3 KA 16/19, zitiert nach juris, Rn. 60; BSG, Urteil vom 2. September 2009, B 6 KA 27/08 R, zitiert nach juris, Rn. 50: „lebensnah“) nicht genutzt werden können. Ließe man auch solche Angaben für einen wirksamen Zulassungsantrag ausreichen, liefe dies auf die Anerkennung bloßer fiktiver Angaben zum Vertragsarztsitz hinaus. Die Vorgabe des Normgebers in § 18 Ärzte-ZV, im Antrag anzugeben, für welchen Vertragsarztsitz die Zulassung beantragt wird, liefe damit leer und die Zulassung für einen bestimmten Vertragsarztsitz ginge von vornherein ins Leere. Zudem spricht für die Unzulässigkeit von Anträgen, mit denen von vornherein nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht nutzbare Praxisräume benannt werden und die somit nicht einmal eine gewisse Gewähr für die spätere Niederlassung an dem benannten Ort bieten, das mit solchen Anträgen einhergehende erhöhte Risiko, dass die Zulassung nicht ernsthaft begehrt und von ihr trotz Zuschlags kein Gebrauch gemacht wird oder werden kann. Dieses Risiko hinzunehmen erscheint auch in Anbetracht der Funktion des Zulassungsverfahrens, eine möglichst zügige Patientenversorgung zu gewährleisten, nicht sachgerecht.
Gemessen daran war der Zulassungsantrag des Klägers nicht berücksichtigungsfähig, weil die von ihm bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Zulassungsausschuss angegebenen Praxisräume A S B, bezogen auf den Zulassungsantrag vom 29. Mai 2018 von vornherein nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht nutzbar waren. Die Angabe dieser Praxisräume beruhte auf einer „Mietoptionsbestätigung“ vom 27. Februar 2014, die somit im Zeitpunkt des Zulassungsantrags vom 29. Mai 2018 bereits über vier Jahre alt war. Aus dem Schreiben der A GmbH folgt zudem, dass seit dieser Bestätigung kein Kontakt mehr zum Vermieter bestanden hatte. Davon auszugehen, die in Berlin gelegenen Räume seien auch noch im Jahr 2018 für den Kläger nutzbar, obwohl seit Jahren kein Kontakt mehr zum Vermieter bestand, widerspricht jeder Lebenserfahrung.
Daran ändert nichts, dass die Mietoptionsbestätigung keine Frist enthielt. Enthält eine Mietoption keine Frist, kommt § 147 Abs. 2 BGB zur Anwendung, d.h. die Option kann nur bis zu dem Zeitpunkt ausgeübt werden, in welchem der Verpflichtete den Eingang der Ausübungserklärung unter regelmäßigen Umständen erwarten durfte (vgl. Häublein, in: MüKoBGB, 9. Auflage 2023, § 535, Rn. 31). Da bereits über vier Jahre seit der Bestätigung vergangen waren, konnte der Vermieter eine Ausübung der Option durch den Kläger nicht mehr erwarten und die Option daher nicht mehr ausgeübt werden. Abgesehen davon war bereits aufgrund der Einschränkung in der Bestätigung vom 27. Februar 2014, dass der Tätigkeit lediglich „vorbehaltlich des Abschlusses eines entsprechenden Gewerbemietvertrages“ zugestimmt werde, offensichtlich, dass die Bestätigung keine (langfristige) Bindungswirkung entfaltet.
Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass er sich im Jahr 2018 „rechtlich gesehen“ nicht neu beworben habe und die Verfahren aus den Jahren 2013 und 2018 einheitlich zu betrachten seien. Bei dem im Jahr 2013 wegen einer Sonderbedarfszulassung eingeleiteten und dem im Jahr 2018 wegen eines zusätzlichen lokalen Versorgungsbedarfs eingeleiteten Zulassungsverfahren handelt es sich jeweils um eigenständige Zulassungsverfahren.
Ebenso wenig kann der Kläger Vertrauensschutz für sich in Anspruch nehmen oder sind andere Gründe ersichtlich, die es ausnahmsweise gebieten, die im Anschluss an die mündliche Verhandlung vor dem Zulassungsausschuss nachgeholte Benennung einer belastbaren Praxisadresse durch den Kläger ausreichen zu lassen. Die Beigeladene zu 2 hat den Kläger mit Schreiben vom 6. Juli 2018 ausdrücklich aufgefordert, einen vollständig ausgefüllten Zulassungsantrag einzureichen. Mit Schreiben vom 30. Juli 2018 wurde er zudem darauf hingewiesen, dass spätestens zur Sitzung des Zulassungsausschusses eine konkrete Praxisanschrift benannt werden müsse und nach den Vorgaben des Zulassungsausschusses aktuelle Antragsunterlagen einzureichen seien. Dennoch hat der Kläger mit E-Mail vom 2. August 2018 nur die – nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht mehr aktuelle – Adresse A S B, mitgeteilt, ohne die Belastbarkeit der offensichtlich veralteten Mietoptionsbestätigung zu hinterfragen. Dieses Vorgehen ist ihm zuzurechnen und betrifft seine Sphäre. Es stellt daher auch keinen übermäßigen Eingriff in die beruflichen Chancen und Planungen des Klägers und also einen unverhältnismäßigen Eingriff in sein Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG dar, dass er vom Beklagten nicht berücksichtigt wurde (vgl. zu den andersgelagerten Fällen, in denen die Nachreichung von Zulassungsnachweisen wegen der nicht in die Sphäre des Bewerbers fallenden Dauer von Verwaltungsverfahren zu gestatten ist, wenn der Bewerber alles in seiner Macht Stehende tut, um fehlende Nachweise zu erhalten, BSG, Urteil vom 5. Mai 2010, B 6 KA 2/09 R, zitiert nach juris, Rn. 20).
Die Unvollständigkeit des Zulassungsantrags des Klägers ist auch nicht wegen einer fehlerhaft zu kurz bemessenen Antragsfrist unbeachtlich. Der Kläger hatte etwa drei Monate bis zur Entscheidung des Zulassungsausschusses Zeit, den Antrag um Angaben zu einem aktuellen Vertragsarztsitz zu ergänzen. Er dürfte auch gar nicht beabsichtigt haben, insoweit vor der Entscheidung des Zulassungsausschusses aktuelle Angaben zu machen, da er trotz des Hinweises des Zulassungsausschusses auf die einzureichenden aktuellen Unterlagen ohne Prüfung nur die Angaben aus dem Jahr 2014 wiederholt hat. Er hat es erst für nötig gehalten, aktuelle Angaben zu Praxisräumen zu machen, als er für ihn überraschend die Zulassung erhielt.
Die vom Kläger zitierten gerichtlichen Entscheidungen rechtfertigen keine andere Beurteilung. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 2. September 2009, B 6 KA 27/08 R, ist eine formlose Änderung des im Zulassungsantrag benannten Vertragsarztsitzes möglich, wenn das als Vertragsarztsitz anvisierte Objekt nicht mehr zur Verfügung steht oder sich beabsichtigte Kooperationen mit Niedergelassenen zerschlagen, namentlich dann, wenn sich das Zulassungsverfahren über einen längeren Zeitraum hinzieht (zitiert nach juris, Rn. 50). Ein solcher Sachverhalt liegt nicht vor. Das zunächst benannte Objekt stand im vorliegenden Fall nicht wegen der Dauer des Zulassungsverfahrens nicht mehr zur Verfügung, sondern seine Nutzung war – ausgehend vom Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens mit Antrag vom 29. Mai 2018 und nach Maßgabe allgemeiner Lebenserfahrung – von vornherein nicht möglich.
Aus dem Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 24. Februar 2021, L 3 KA 16/19, kann der Kläger ebenfalls nichts für sich herleiten. Dem Urteil lag zugrunde, dass der Antragsteller nachvollziehbar vorgetragen hatte, dass die Praxisräume zum Zeitpunkt des Antrags noch frei waren (zitiert nach juris, Rn. 59). Im vorliegenden Fall standen die angegebenen Praxisräume im Zeitpunkt des Antrags vom 29. Mai 2018 gerade nicht mehr zur Verfügung.
Die Berufung war daher, auch hinsichtlich der hilfsweise beantragten Neubescheidung, zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 und 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Der Kläger trägt auch die Kosten des Beigeladenen zu 1, weil dieser sich durch Stellung des Antrags auf Zurückweisung der Berufung am Prozessrisiko beteiligt hat (vgl. Kunze, in: BeckOK VwGO, Stand 1. Januar 2024, § 162 Rn. 62 m.w.N.).
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, § 160 Abs. 2 SGG.