L 1 KR 167/21

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1.
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 3 KR 626/17
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 167/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 25. Februar 2021 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des gesamten Rechtsstreits.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit stehen die Kosten einer stationären Behandlung in Form eines kathetergestützten minmalinvasiven Herzklappenersatzes (auch Transkatheter-Aortenklappen-Implantation – TAVI) und die hierfür erforderliche Ausstattung des klägerischen Krankenhauses.

Die Klägerin betreibt ein in den Landeskrankenhausplan aufgenommenes Krankenhaus in Potsdam. Als Fachabteilungen für dieses Krankenhaus der Schwerpunktversorgung sind in dem im Jahr 2014 gültigen Dritten Landeskrankenhausplan Brandenburg u.a. Fachabteilungen für Chirurgie (incl. Kinderchirurgie) und Innere Medizin aufgeführt. Weder ist eine Fachabteilung für Herzchirurgie als besonders beplanter Bereich im Krankenhausplan aufgeführt noch verfügte das klägerische Krankenhaus im Jahr 2014 über eine solche Abteilung.

Die bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Frau R M wurde vom 27. März 2014 bis 24. April 2014 im Krankenhaus der Klägerin stationär behandelt. Die Aufnahme erfolgte mit den Diagnosen I35.2 und I35.0 (Nichtrheumatische Aortenklappenkrankheiten mit bzw. ohne Insuffizienz) in die Fachabteilung für Innere Medizin (Kardiologie). Am 17. April 2014 erfolgte u.a. eine minimalinvasive Operation an der Herzklappe in Form eines endovaskulären Aortenklappenersatzes (OPS 5-35a.00).

Die Klägerin übermittelte der Beklagten elektronisch die Entlassungsanzeige.

In der Folge rechnete die Klägerin ausweislich der Verwaltungsakte der Beklagten maßgeblich unter Zugrundelegung der DRG F98B einen Gesamtbetrag in Höhe von 33.309,51 Euro ab.  

Mit Schreiben vom 13. November 2017 wies die Klägerin die Beklagte auf die Genehmigung der durch die Schiedsstelle u.a. für den hier streitigen Behandlungszeitraum festgesetzten Entgelte nach § 4 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) durch Bescheid des Ministeriums für Arbeit, Soziales Gesundheit und Frauen des Landes Brandenburg vom 13. Dezember 2016 hin. Damit sei das Entgelt für die noch offenen TAVI-Fälle nunmehr fällig. Für den hier streitigen Fall wurden insgesamt 33.449,51 Euro angemahnt.

Die Beklagte leistete keine Zahlung ausgehend von der Auffassung, die Klägerin sei zur Abrechnung der DRG F98B nicht berechtigt. Eine Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse erfolgte zu keinem Zeitpunkt.

Mit ihrer am 22. Dezember 2017 erhobenen Klage hat die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 33.449,51 Euro begehrt.

Die Beklagte stütze ihre Zahlungsverweigerung ausschließlich auf eine fehlerhafte Bewertung der Rechtslage. Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 3 KHEntgG dürften die Entgelte nur im Rahmen des Versorgungsauftrags berechnet werden. Der Versorgungsauftrag eines Krankenhauses bei einem Plankrankenhaus ergebe sich aus §  8 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 KHEntgG i.V.m. den Bescheiden zu seiner Durchführung. Es sei gerichtsbekannt, dass das klägerische Klinikum durch Feststellungsbescheid mit dem Fachgebiet Innere Medizin, Subspezialisierung Kardiologie, in den Krankenhausplan des Landes Brandenburg aufgenommen sei. Zum Zeitpunkt der Leistungserbringung habe der Krankenhausplan keine Einschränkungen hinsichtlich der Erbringung der streitgegenständlichen Leistungen enthalten. Auch dem Feststellungsbescheid seien keine solchen Einschränkungen zu entnehmen. Der Krankenhausplan verweise zur Bestimmung des Versorgungsauftrags vielmehr auf die Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Brandenburg. Er orientiere sich einzig und allein am Inhalt der Weiterbildungsordnung zum Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie. Bereits im Jahr 2011 sei durch den Ausschuss „Ärztliche Weiterbildung“ der Bundesärztekammer beschlossen worden, dass die endovaskuläre Implantation eines Herzklappenersatzes als gebietskonform für einen Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie angesehen werde. Insoweit hat die Klägerin auf eine Auskunft der Ärztekammer Nordrhein Bezug genommen.

 Die Rechtsauffassung der Klägerin sei zwischenzeitlich durch zwei Entscheidungen der für das Land Brandenburg zuständigen Schiedsstelle nach § 18a des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze - Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) und zwei Genehmigungsbescheide des Landes Brandenburg bestätigt worden. Die von den Krankenkassen gegen die Genehmigungsbescheide des Landes Brandenburg vor dem Verwaltungsgericht erhobenen Klagen seien zurückgenommen worden. Leistungen, die vom Versorgungsauftrag gemäß § 8 KHEntgG umfasst seien, dürften von den Vertragsparteien der Budget- und Entgeltvereinbarungen nicht von der Abrechnung ausgeschlossen werden. Die Budget- und Entgeltvereinbarungen seien von der Genehmigungswirkung des Feststellungsbescheides erfasst worden. Zum Zeitpunkt der Leistungserbringung in Deutschland hätte es einer eigenständigen Fachabteilung für Herzchirurgie nicht bedurft, was sich aus § 9 der Qualitätssicherungsrichtlinie des GBA (Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über Maßnahmen zur Qualitätssicherung bei der Durchführung von minimalinvasiven Herzklappeninterventionen gemäß § 136 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 für nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser - Richtlinie zu minimalinvasiven Herzklappeninterventionen in der Fassung vom 22. Januar 2015, veröffentlicht im Bundesanzeiger BAnz AT 24.07.2015 B6 vom 24. Juli 2015, in Kraft getreten am 25. Juli 2015 – MHI-RL ableiten lasse und im Übrigen den publizierten Stellungnahmen sämtlicher internistisch-kardiologischer Fachverbände in Deutschland zum Zeitpunkt der Leistungserbringung entsprochen habe. Interventionelle kathetergestützte Verfahren seien einzig und allein Inhalt der Weiterbildung zum Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie und nicht zum Facharzt für Herzchirurgie. Die Klägerin hat darauf hingewiesen, dass bis zum 30. Juni 2016 kathetergestützte Aortenklappenimplantationen (TAVI) auch von einem Krankenhaus mit einer Fachabteilung für Innere Medizin und Kardiologie erbracht werden könnten, die keine Fachabteilung für Herzchirurgie aufwiesen. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass es sich bei der Implantation einer TAVI um eine Leistung handele, die nur in Kliniken mit kardiologischen und herzchirurgischen Fachabteilungen durchgeführt werden dürfe. Der Kardiochirurg müsse wegen des Risikos schwerwiegender Komplikationen bei der Operation anwesend sein. In den Fachgesellschaften bestehe überwiegender Konsens bezüglich der Forderung, dass die TAVI nur in Kliniken mit eigener herzchirurgischer Fachabteilung zu erbringen sei (Bezugnahme auf die im Oktober 2012 veröffentlichen gemeinsamen Leitlinien der European Association of Cardio-Thoracic Surgery (EACTS) und European Society of Cardiology (ECS)). Sie hat ferner auf einen Kommentar des Deutschen Konvents der Kardiologischen und Herzchirurgischen Ordinarien zu den Voraussetzungen kathetergestützter Herzklappeninterventionen sowie Urteile des Sozialgerichts Duisburg (4. Dezember 2013 – S 1 KR 464/11) und des Sozialgerichts Wiesbaden (26. Oktober 2016 – S 18 KR 75/14) verwiesen. Die Beklagte hat nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 9. April 2019 (B 1 KR 2/18 R) an ihrer Auffassung festgehalten. Die MHI-RL sei zeitlich auf den streitgegenständlichen Behandlungsfall nicht anwendbar.

Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 25. Februar 2021 hat das Sozialgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass es sich bei der kathetergestützten Aortenklappenintervention um einen kardiologischen Eingriff handele, der unter Berücksichtigung des Dritten Krankenhausplanes des Landes Brandenburg, der Weiterbildungsordnung des Landes Brandenburg (Brandenburgisches Ärzteblatt 10/2005, 15. Jahrgang) und der Entscheidungen der Schiedsstelle nach §18a KHG vom 5. Juni 2012 und 2. März 2016, genehmigt durch das zuständige Ministerium am 13. Dezember 2016, vom Versorgungsauftrag der Klägerin erfasst sei. Die MHI-RL, wonach die TAVI grundsätzlich nur in Krankenhäusern mit einer Fachabteilung für Herzchirurgie und einer Fachabteilung für Innere Medizin und Kardiologie erbracht werden dürfe, habe eine Übergangsregelung bis zum 30. Juni 2016 enthalten. Danach hätten kathetergestützte Aortenklappenimplantationen auch von Krankenhäusern mit einer Fachabteilung für Innere Medizin und Kardiologie erbracht werden dürfen, die keine Fachabteilung für Herzchirurgie aufwiesen, diese Leistungen jedoch im Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis zum 30. Juni 2014 bereits erbracht hatten. Hierfür müssten die Krankenhäuser bezüglich der Leistungen der fehlenden Fachabteilung Kooperationsvereinbarungen mit externen Fachabteilungen schließen. Diese Voraussetzungen hätten zum Zeitpunkt der stationären Behandlung im März 2014 vorgelegen.

Gegen das ihr am 25. März 2021 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer am 26. April 2021, einem Montag, eingegangenen Berufung. Nach ihrer Auffassung beschreibe die von der Klägerin abgerechnete DRG F98Z die kathetergestützte Aortenklappenintervention und somit eine Leistung, die nur in Kliniken mit kardiologischen und herzchirurgischen Fachabteilungen (Herzzentren) durchgeführt werden dürfe. Sie wiederholt und vertieft zunächst ihren erstinstanzlichen Vortrag zum fehlenden Versorgungsauftrag der Klägerin. Nach Vorliegen der Entscheidung des BSG vom 16. August 2021 (B 1 KR 18/20) ist sie der Auffassung, die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage, ob im Jahr 2014 ein wissenschaftlicher Konsens bezüglich der Notwendigkeit eines alleinigen Versorgungsauftrags für Kardiologie zur Erbringung einer TAVI-Leistung bestanden habe, sei nicht erforderlich. Vielmehr seien die Ausführungen des BSG absolut ausreichend. Dieses stütze sich zutreffend auf die Übersicht des GBA zu den wissenschaftlichen Studien aus dem Verfahren zum Erlass der MHI-RL.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 25. Februar 2021 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

           die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung. Das BSG sei bei seiner Entscheidung vom 16. August 2021 an die Feststellungen des Hessischen Landessozialgerichts als Vorinstanz gebunden gewesen. Sie verweist auf die begründete Ansicht der Schiedsstelle nach § 18a KHG sowie die bestätigende Genehmigungsentscheidung. Danach hätte die Leistung in Kooperation einer Kardiologie mit einer Herzchirurgie, wie vorliegend erfolgt, durchgeführt werden dürfen. Eben dieser Qualitätsstandard entspreche dem Qualitätsstandard, den der GBA mit der Übergangsregelung in § 9 Satz 1 MHI-RL bis in das Kalenderjahr 2016 hinein anerkannt habe. Sie erbringe die Leistungen seit 2016 nicht mehr. Das Hessische LSG habe (in dem vom BSG entschiedenen Fall) seine Entscheidung insbesondere auf die tragenden Gründe zum Beschluss des GBA vom 22. Januar 2015 zur MHI-RL gestützt. Dies treffe auf den ersten Blick zu. Auf den zweiten Blick stelle sich jedoch die Frage, ob sich aus den tragenden Gründen zum Beschluss des GBA wissenschaftlich begründet, also evidenzbasiert, ergebe, dass die Leistungserbringung der TAVI den Versorgungsauftrag für eine Herzchirurgie voraussetze. Es habe zum Zeitpunkt der hier streitgegenständlichen Leistungserbringung unter den Fachwissenschaftlern weder ein breiter Konsens bestanden, dass die Erbringung der TAVI zwingend einen Versorgungsauftrag für das Fachgebiet Chirurgie/Herzchirurgie voraussetze, noch habe sich zu diesem Zeitpunkt wissenschaftlichen Studien mit der erforderlichen Evidenz entnehmen lassen, dass dem so wäre. Die Forderung nach einer herzchirurgischen Abteilung am TAVI Implantationsort sei weder klinisch begründbar, noch gebe es dazu unterstützende wissenschaftliche Daten. Aus keiner der seitens des GBA, im Übrigen selektiv, angegebenen Veröffentlichungen ergebe sich wissenschaftlich begründet, also evidenzbasiert und durch Studien belegt, die Notwendigkeit die TAVI zum hier streitgegenständlichen Leistungserbringungszeitpunkt auch nur mit einer „Onside“ (gemeint wohl: „On-site“) Herzchirurgie durchzuführen. Die Klägerin verweist auf das von ihr vorgelegte Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (Kardiologie 2015, Seite 11ff.), ein Schreiben des nordrhein-westfälischen Ministeriums für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter vom 4. November 2013 sowie einen Genehmigungsbescheid der Bezirksregierung Düsseldorf vom 21. Januar 2014.

Nach entsprechender richterlicher Anforderung hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 6. September 2022 erklärt, dass bei nicht eingeleitetem MDK-Prüfverfahren die Patientenakte nicht beizuziehen sei. Dementsprechend hat sie diese nicht vorgelegt.

Die Klägerin ist mit Schreiben des Berichterstatters vom 21. Februar 2023 darauf hingewiesen worden, dass das BSG in der Entscheidung vom 16. August 2021 (B 1 KR 18/20 R) die dortigen Feststellungen zu den Anforderungen an die Erbringung einer TAVI auch unter dem Gesichtspunkt gewürdigt habe, dass es sich um generelle Tatsachen handeln könnte, die der Kontrolle durch das Revisionsgericht zugänglich sind. Der zur Entscheidung berufene Senat des BSG habe keinen Zweifel gehabt, dass die im Einklang mit der Einschätzung des GBA stehenden Feststellungen richtig seien. Erforderlich wäre im Übrigen der wissenschaftliche Konsens, dass eine Erbringung (auch) ohne eine herzchirurgische Abteilung möglich sei.

Mit Schreiben vom 12. Dezember 2023 hat der Senat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass das Bundessozialgericht die Beschwerde im Verfahren B 1 KR 43/22 B gegen ein der Berufung stattgebendes Urteil des 9. Senats des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. April 2022 (L 9 KR 392/20) in einem weiteren TAVI-Vergütungsverfahren zwischen den Beteiligten mit Beschluss vom 18. Oktober 2023 verworfen hat.

Die Klägerin hat erklärt, aus dem genannten Beschluss des BSG ergebe sich für den vorliegenden Rechtsstreit nichts Nachteiliges.

Die Beteiligten haben unter dem 17. April 20124 (Klägerin) und 18. April 2024 (Beklagte) jeweils ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind, Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte im schriftlichen Verfahren entscheiden, da die Beteiligten sich mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärt haben (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung des geltend gemachten Vergütungsanspruchs für die Durchführung der bei der Versicherten vorgenommenen kathetergestützten minimalinvasiven Aortenklappenersatzoperation (TAVI).

Die Klägerin verfolgt ihren Zahlungsanspruch zulässigerweise im Wege einer allgemeinen Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG), weil die Beteiligten bei Ansprüchen über die Vergütung stationärer Leistungen zueinander im Gleichordnungsverhältnis stehen. Rechtsgrundlage für die Vergütung der Behandlung der Versicherten der Beklagten im genannten Zeitraum sind § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V, § 17 b Abs. 1 Satz 10 KHG, § 6 Abs. 2, § 7 Abs. 1 Satz 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 KHEntgG und der Brandenburger Vertrag über Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung (§ 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V) vom 8. Oktober 1996 in der Fassung vom 22. September 1997. Das Gesetz regelt zwar einen Zahlungsanspruch nicht ausdrücklich, setzt ihn aber in den Bestimmungen über die Höhe des Entgelts als bestehend voraus (BSG, Urteil vom 26. Mai 2020 – Az.: B 1 KR 26/18 R – Rn. 11 bei Juris). Nach ständiger Rechtsprechung entsteht die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V objektiv erforderlich gewesen ist.

Als in den Landeskrankenhausplan aufgenommen ist das von der Klägerin betriebene Krankenhaus zugelassen, ohne dass es eines Versorgungsvertrages bedarf (sog. Plankrankenhaus, vgl. § 108 Nr. 2 SGB V).

Auf den Umfang des Versorgungsauftrages kommt es vorliegend nicht an. Denn zum Zeitpunkt der Behandlung musste die stationäre Behandlung jedenfalls die allgemeinen Anforderungen an die Erforderlichkeit i.S.d. § 39 SGB V einschließlich des Qualitätsgebots erfüllen. Die Erforderlichkeit einer stationären Behandlung setzt die Erfüllung des Qualitätsgebots des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V voraus. Die Erfüllung dieser Anforderungen ist – im hier streitigen Behandlungszeitraum – nach der ständigen Rechtsprechung des BSG Voraussetzung für einen Vergütungsanspruch des Krankenhauses. Das Qualitätsgebot (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V) gilt nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes für alle Leistungsbereiche des SGB V und wird in § 70 Abs. 1 Satz 1 SGB V auch als „allgemeiner Grundsatz“ des Leistungserbringungsrechts im Ersten Abschnitt des Vierten Kapitels des SGB V ausdrücklich hervorgehoben. Danach haben Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

Für den Zeitraum bis zum Inkrafttreten des § 137c Abs. 3 SGB V am 23. Juli 2015 hatten Versicherte nur Anspruch auf Versorgung mit Leistungen, die dem Qualitätsgebot genügten. Ob dies der Fall war, haben die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit selbst festzustellen. Insoweit folgt der Senat der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 12. März 2021 – B 1 KR 25/20 R; ebenso und zur Rechtsentwicklung LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 4. Juni 2021 – L 26 KR 225/19).

Die Erfüllung der Anforderungen des Qualitätsgebots erfordert nach der ständigen Rechtsprechung des BSG, dass die große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler) die Behandlungsmethode befürwortet und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens besteht. Dieses setzt im Regelfall voraus, dass über Qualität und Wirksamkeit der neuen Methode – die in ihrer Gesamtheit und nicht nur in Bezug auf Teilaspekte zu würdigen ist – zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können. Der Erfolg muss sich aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode ablesen lassen. Die Therapie muss in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen erfolgreich gewesen sein. Diese Anforderung darf aber nicht als starrer Rahmen missverstanden werden, der unabhängig von den praktischen Möglichkeiten tatsächlich erzielbarer Evidenz gilt (insgesamt hierzu BSG, Urteil vom 19. Dezember 2017 – B 1 KR 17/17 R m.w.N.). Das Qualitätsgebot stellt dabei Anforderungen auch an die strukturellen und prozeduralen Voraussetzungen der Leistungserbringung (BSG, Urteil vom 16. August 2021 – B 1 KR 18/20 R – Rn. 12 bei Juris). Dies ergibt sich allgemein auch aus § 135a Abs. 1 Satz 2 SGB V. Danach müssen nicht nur die Leistungen als solche dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprechen, sondern sie müssen auch in der fachlich gebotenen Qualität erbracht werden. Das dem Schutz des Versicherten dienende Qualitätsgebot erstreckt sich daher auch auf strukturelle Anforderungen, etwa an die fachliche Qualifikation der die Behandlung durchführenden Personen oder die für die Durchführung erforderliche sachliche Ausstattung (BSG aaO.). Auch wenn eine Konkretisierung dieser Anforderungen durch den hierzu primär berufenen GBA nicht erfolgt ist, hat dies nicht zur Folge, dass solche Mindeststandards nicht zu beachten sind. Der Senat folgt insoweit der Rechtsprechung des BSG, dass insbesondere bei der Erbringung von Leistungen, deren Wirksamkeit und Unbedenklichkeit noch nicht hinreichend belegt ist, gesteigerte Anforderungen an die Struktur- und Prozessqualität gelten. Einem bestehenden Defizit an wissenschaftlichen Erkenntnissen ist durch Einhaltung möglichst hoher Qualitätsstandards der Leistungserbringung Rechnung zu tragen (BSG aaO. Rn. 16). Dies gilt auch dann, wenn der Nutzen einer Methode im Grundsatz anerkannt ist, es hinsichtlich der Einzelheiten der Leistungserbringung aber noch an verbindlichen rechtlichen Vorgaben und einem allgemeinen Konsens fehlt. Insofern kann es etwa geboten sein, dass bestimmte - insbesondere besonders komplexe oder riskante - Eingriffe nur in Einrichtungen vorgenommen werden, die bereits über ausreichende Erfahrung, besonders qualifiziertes Personal und/oder eine besondere sächliche Ausstattung verfügen (BSG aaO. Rn. 19).

Bei Fehlen normativer Vorgaben für die zu beachtenden Standards zum Zeitpunkt der hier streitigen Leistungserbringung (vgl. hier BSG aaO. Rn. 22f.) kommt es demnach darauf an, ob die Durchführung einer TAVI in einer Klinik ohne herzchirurgische Abteilung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprach. Erforderlich wäre mithin ein wissenschaftlicher Konsens dahingehend, dass die Leistung auch in einem Krankenhaus ohne herzchirurgische Fachabteilung etwa unter Zugrundelegung einer Kooperationsvereinbarung mit einer herzchirurgischen Einrichtung erbracht werden kann (ebenso LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 6. Oktober 2022 – L 6 KR 68/16 - Rn. 41 bei Juris).

Ein solcher wissenschaftlicher Konsens bestand zum Zeitpunkt der hier streitigen Behandlung im Jahr 2014 zur vollständigen Überzeugung des Senats nicht. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass insoweit nicht nur innerstaatliche Äußerungen wissenschaftlicher Stimmen und Fachgesellschaften zu berücksichtigen sind, gelangt der Senat zu seiner Überzeugung maßgeblich unter Zugrundelegung der Tragenden Gründe des GBA zur ursprünglichen Fassung der MHI-RL (Beschluss vom 22. Januar 2015).

Nach eigener Prüfung schließt sich der Senat den Feststellungen des 9. Senats im Urteil vom 26. April 2022 in dem zwischen den Beteiligten geführten Verfahren L 9 KR 392/20 (rechtskräftig nach Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin durch Beschluss des BSG vom 18. Oktober 2023 – B 1 KR 43/22 B) an, der ausgeführt hat:

Ausweislich der tragenden Gründe zum Beschluss des G-BA zur MHI-RL vom 22. Januar 2015 (zu dieser RL siehe bereits oben) wurden damals internationale Publikationen ausgewertet. Diese betrafen interdisziplinäre Leitlinien und Positionspapiere der führenden kardiologischen und herzchirurgischen Fachgesellschaften aus Europa, Nordamerika und Australien. Es zeigte sich, dass sich ein umfassender Konsens gebildet hatte, wonach für die Durchführung einer TAVI neben einer Fachabteilung für Innere Medizin und Kardiologie auch eine Fachabteilung für Herzchirurgie notwendig war. Zumindest hatte sich aber kein entsprechender Konsens gebildet, wonach es gerade nicht notwendig war, beide Fachabteilungen zu haben. Der G-BA hatte sich überwiegend auf Publikationen aus dem Jahr 2012 gestützt und sich auch mit der (abweichenden) Ansicht der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DKG) und anderer Fachmediziner-/innen v.a. aus Deutschland auseinandergesetzt, nach denen nicht beide Fachabteilungen erforderlich sein sollten. Maßgebend war für diese Gegenansicht die Interpretation von möglichen Komplikationsraten nach TAVI. Der G-BA hat in seinem Beschluss ausgeführt, dass die empirischen Grundlagen zu der Frage wegen des fehlenden Vergleichs und der fehlenden Vergleichbarkeit der Gruppen jedoch kritisch zu betrachten seien. Mit diesem Argument seien die Autoren der europäischen Leitlinien der (deutschen) Auffassung entgegen getreten und hätten an ihren Leitlinien explizit festgehalten. Vor diesem Hintergrund könne aus der Studienlage ersehen werden, dass international ein fachlicher Konsens bestehe, wonach eine unmittelbare Zusammenarbeit zwischen Kardiologen und Herzchirurgen notwendig sei. Diese müsse durch ein interdisziplinäres Herzteam (Heart team) und das Vorhandensein beider Fachabteilungen in einem Krankenhaus gewährleistet sein (vgl. Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA vom 22.1.2015 zu der MHI-RL, S. 9 ff.).

Dies macht der Senat ebenso zum Gegenstand seiner tatsächlichen Überzeugung wie die Feststellung, dass es sich bei der TAVI auch 2014 noch um eine relativ neue und hochkomplexe Behandlungsmethode gehandelt hat. Auch das BSG hat an der Richtigkeit entsprechender Feststellungen im Verfahren B 1 KR 18/20 R für das Jahr 2013 – unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es sich um von § 163 SGG nicht erfasste generelle Tatsachen handeln könnte – keine Zweifel gehabt (BSG aaO. Rn. 30). Es hat ausdrücklich festgestellt, dass es 2013 keinen (international) breiten fachlichen Konsens darüber, dass TAVI-Leistungen auch in Krankenhäusern ohne herzchirurgische Fachabteilung erbracht werden konnten, gegeben hat (BSG aaO. Rn. 31). Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Auswertungen des GBA bis in das Jahr 2015 hineinreichten, wie die Befassung mit dem Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie zeigt, gibt es keine Grundlage für abweichende Feststellungen im Jahr 2014.

Über einen Beweisantrag der Klägerin, die sich ohne Stellung oder Aufrechterhaltung eines solchen im Schriftsatz vom 17. April 2024 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt hat, hatte der Senat nicht zu entscheiden.

Der Anregung der Klägerin, durch ein Sachverständigengutachten Beweis über einen wissenschaftlichen Konsens im Jahr 2014 zu erheben, war vor dem dargestellten Hintergrund nicht zu folgen. Da – wie dargelegt – einem Konsens bereits eine einzelne Stimme mit wissenschaftlichen Gewicht entgegensteht, deren Bestehen die Tragenden Gründe des Beschlusses des GBA vom 22. Januar 2015 belegen, fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten, dass dies durch eine sachverständige Beratung des Senats überwunden werden könnte. Da hier keine eigene wissenschaftlich-medizinische Bewertung des Gerichts im Raum steht, sondern der bestehende Konsens oder Dissens festzustellen ist, vermitteln die Tragenden Gründe des GBA eine hinreichende Entscheidungsgrundlage für den Senat, ohne dass es für den hier streitigen Zeitraum sachverständiger Beratung bedarf. Die Klägerin selbst hat keinerlei Anhaltspunkte für das Bestehen des behaupteten Konsenses aufgezeigt. Vielmehr hat sie ausschließlich das vom GBA bereits berücksichtigte Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie vorgelegt. Genehmigungsbescheide betreffend Entgeltvereinbarungen sind keine relevanten wissenschaftlichen Stimmen und würden auch einen bestehenden Dissens nicht widerlegen.

Schließlich macht sich der Senat die Rechtsprechung des BSG nach eigener Prüfung auch dahingehend zu eigen, dass sich die Klägerin für die hier streitige Leistungserbringung im Jahr 2014 nicht auf die Übergangsregelung der erst im Juli 2015 in Kraft getretenen MHI-RL berufen kann (BSG aaO. Rn. 34, 35).

Die Vereinbarung oder Festsetzung eines Entgelts im Schiedsverfahren für die streitige Behandlung berührt die Beurteilung der Erfüllung der Anforderungen an das Qualitätsgebot nicht, die sich ausschließlich nach dem SGB V richtet (BSG, Urteil vom 21. März 2013 – B 3 KR 2/12 R – Rn. 23 bei Juris).

Eine Vergütung für die dem Qualitätsgebot nicht genügende Leistung scheidet aus, so dass auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor. Die im Streit stehenden Fragen sind in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht höchstrichterlich geklärt.

Rechtskraft
Aus
Saved