Ob eine wesentliche Änderung iS von § 48 Abs 1 SGB X vorliegt, ist durch einen Vergleich zwischen den tatsächlichen Verhältnissen zur Zeit der letzten verbindlichen Rentenfeststellung und den aktuellen Verhältnisse zu ermitteln. Bei im Wesentlichen unverändertem Funktionsbefund liegt keine wesentliche Änderung vor. Überschneiden sich Unfallfolgen auf neurologischem (MdE 25 vH) und orthopädisch-unfallchirurgischem Gebiet (MdE 25 vH und 10 vH) weitgehend, ergibt dies keine höhere Gesamt-MdE als 40 vH.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 20.09.2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten steht die Gewährung höherer Verletztenrente wegen einer wesentlichen Verschlechterung der Unfallfolgen im Streit.
Der 1960 geborene Kläger erlitt im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Kraftfahrer für die Firma T1 in M1 am 28.09.1983 einen Unfall auf der Autobahn S1 in der Nähe von H1, als er - seinen eigenen Angaben nach - mit seinem Lkw auf eine Leitplanke auffuhr, durch die Scheibe aus dem Fahrerhaus geschleudert wurde und mit dem Becken auf eine Leitplanke prallte. Anschließend wurde er vom 28.09.1983 bis 12.10.1983 in der E1-Universitätsklinik in T2 (Uni-Klinik T2) behandelt. Dort wurde eine offene Beckenschaufelfraktur rechts, eine offene Bauchhöhlenverletzung mit Dünndarmteilabriss, eine Commotio Cerebri, eine große Kopfplatzwunde im Scheitelbereich und eine Riss-Quetschwunde am linken Ellenbogen diagnostiziert. Die Fragmente der zertrümmerten rechten Beckenschaufel wurden entfernt. Im Rahmen der dortigen Behandlung ergaben sich keine psychischen und zunächst auch keine neurologischen Auffälligkeiten. Seinen eigenen Angaben nach wurde der Kläger nach dem Unfall zum Industriekaufmann umgeschult und ist seit 1987 im Theaterhaus S2 - v.a. an der Kasse - tätig.
In der Folgezeit wurde eine Schädigung des Nervus femoralis und des Nervus cutaneus femoris lateralis rechts objektiviert. Vom 20.09.1984 bis 03.10.1984 befand sich der Kläger zur stationären Behandlung in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T2 (BGU), in deren Rahmen eine intensive krankengymnastische Übungsbehandlung zur Verbesserung seines Gangbildes durchgeführt wurde. Die stattgehabte neurologische Untersuchung ergab eine leichte Besserung der Läsion des Nervus femoralis rechts, der Plegie der Kniestrecker rechts und eine Rückbildung der vorbestehenden Analgesie zu einer Hypalgesie. Beschwerden im Zusammenhang mit dem Schädel-Hirn-Trauma nannte der Kläger nicht und wurden klinisch auch nicht beschrieben.
Am 25.04.1985 wurde der Kläger erstmals im Auftrag der Beklagten durch den Ärztlichen Direktor der Abteilung Neuropsychologie mit Neurologischer Poliklinik der Uni-Klinik T2 M2 begutachtet. Als Unfallfolgen auf neurologischem Fachgebiet beschrieb M2 eine deutlich ausgeprägte Schädigung des Nervus femoralis und des Nervus cutaneus femoris lateralis rechts und schätzte die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) auf 30 v.H. auf Dauer ein. Zudem führte er in seinem Gutachten u.a. aus, dass sich kein Hinweis auf eine bei dem Unfall erlittene substantielle Hirnschädigung (Contusio cerebri) ergeben habe und Beschwerden bezüglich der reversiblen Hirnfunktionsstörung seitens des Klägers weder geltend gemacht, noch 19 Monate nach dem Unfallereignis noch zu erwarten seien.
Mit Bescheid vom 22.03.1988 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab dem 27.02.1988 wegen der Folgen seines Arbeitsunfalls vom 28.09.1983 eine Verletztenrente auf Dauer nach einer MdE um 30 v.H. Als Unfallfolgen erkannte sie an: einen Teilverlust des rechten Darmbeines, Verkalkungen lateral des Darmbeinrestes rechts, eine tief eingezogene ausgeprägte Narbenplatte im Bereich des rechten Darmbeinkammes, eine endgradige Einschränkung der Beweglichkeit des rechten Beines, eine Muskelminderung des rechten Oberschenkels, eine Verstreichung der Kniegelenkskonturen rechts, eine Fußsohlenminderbeschwielung rechts, ein rechtsbetontes Hinken, eine deutlich ausgeprägte Schädigung des Nervus femoralis und des Nervus cutaneus femoris lateralis rechts, eine verminderte Spannung im Musculus quadriceps rechts, eine herabgesetzte Schmerz- und Berührungsempfindlichkeit im Versorgungsbereich des Nervus saphenus und des Nervus cutaneus femoralis rechts, d.h. an der Oberschenkelaußen- und Oberseite sowie an der Unterschenkelober- und Innenseite rechts, multiple Narbenbildungen sowie ein Pelzigkeitsgefühl distal der Narbe im Bereich des linken Ellenbogens. Hingegen lehnte sie die Anerkennung eines Übergewichts, eine X-Beinbildung beidseits und einen Senk-Spreizfuß beidseits als Unfallfolgen ab.
Am 18.08.2010 stellte sich der Kläger in der BGU vor. Es wurde u.a. ein rechtshinkendes Gangbild des Klägers beschrieben und eine deutliche Defektbildung in der rechten Beckenschaufel mit entsprechender Schmerzsymptomatik sowie eine schmerzbedingte Einschränkung beider Schultergelenke objektiviert. Zudem beklagte der Kläger (erstmals) persistierende Kopfschmerzen. Seitens der BGU wurde im Hinblick auf die Funktionseinschränkung des rechten Beines eine Nachbegutachtung auf unfallchirurgischem, viszeralchirurgischem und neurologischem Fachgebiet empfohlen. Die Beeinträchtigung im Bereich der Schultern wurde seitens der BGU-Ärzte als Impingementsyndrom eingestuft und ebenso wie ein darüber hinaus diagnostiziertes Halswirbelsäulen(HWS)- und Lendenwirbelsäulen(LWS)-Syndrom sowie Foraminalstenosen der HWS als unfallunabhängig gewertet.
Die Beklagte leitete sodann ein Überprüfungsverfahren ein und ließ den Kläger durch den H2 (Untersuchungstag: 05.01.2011) sowie die S3 und S4 (Untersuchungstag: 09.12.2010) begutachten. H2 beschrieb als verbliebene Unfallfolgen auf neurologischem Fachgebiet eine sensomotorische Schädigung des Nervus femoralis rechts mit Lähmungserscheinungen der Hüftbeuger und Kniestrecker rechts, eine leichte Atrophie des rechten gegenüber dem linken Oberschenkel und eine Minderung der Berührungs- und Schmerzempfindlichkeit im Versorgungsgebiet des Nervus femoralis rechts sowie eine verminderte Berührungs- und Schmerzempfindung im Versorgungsgebiet des Nervus cutaneus femoris lateralis rechts sowie als Folge der Femoralisschädigung eine Einschränkung der Gehfähigkeit mit leichtem Hinken rechtsseitig, einem erschwerten Treppensteigen und einer Beeinträchtigung des Aufrichtens aus der Kniebeuge. Einen Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den vom Kläger nunmehr geklagten Kopfschmerzen vermochte H2 u.a. unter Verweis auf das Gutachten des M2, der eine substantielle Hirnschädigung ausgeschlossen hatte, ebenso wenig zu sehen, wie zwischen dem Unfallereignis und der Wurzelkompressionssymptomatik C6 links bei degenerativen HWS-Veränderungen mit Paramentalstenosen, der eingeschränkten Schulterbeweglichkeit bei bekanntem Impingement-Syndrom sowie der schmerzhaften Patellararthrose. Eine maßgebliche Veränderung im neurologischen Befund sah H2 nicht und schätzte die MdE weiterhin auf 30 v.H. ein, wobei er ausführte, dass die MdE allein durch die Teilschädigung des Nervus femoralis rechts mit entsprechenden Lähmungserscheinungen im rechten Bein bedingt sei, die durch die Schädigung des Nervus cutaneus femoris lateralis rechts bedingten Gefühlsstörungen in der rechten Oberschenkelvorder- und -außenseite führten zu keiner messbaren MdE.
Die Gutachter S3 und S4 beschrieben als wesentliche Unfallfolgen eine Defektverletzung der rechten Darmbeinschaufel mit ca. 2/3 Verlust, eine Ausbildung einer großen hakenförmigen Exostose (Knochenspange) an der rechten defekten Darmbeinschaufel, eine stabil ausgeheile Symphysenverletzung mit arthrotischen Veränderungen, eine Arthrose rechtes Hüftgelenk mit Dezentrierung des Hüftkopfes, eine ausgeprägte Narbenbildung im Bereich des rechten Beckens/Leistenbereiches, ein etwa handtellergroßes Hautareal im körpernahen Unterarmbereich links mit deutlich herabgesetzter Sensibilität sowie einen Zustand nach (Z.n.) Dünndarmteilresektion nach offener Dünndarmverletzung ohne erkennbare Folgen. Als unfallunabhängige Gesundheitsstörungen beschrieben sie ein Impingementsyndrom (Engpasssyndrom) beider Schultern, eine Retropatellararthrose rechts, ein degeneratives HWS- und LWS-Syndrom, Foraminalstenosen der HWS und eine Adipositas per magna. Sie sahen eine wesentliche Änderung der Unfallfolgen im Vergleich zum Jahr 1985 in Gestalt einer stärkeren Einschränkung der aktiven Beweglichkeit im rechten Hüft- und Kniegelenk - der Kläger benutzte einen Gehstock -, einer leichten Größenzunahme der Exostose (Knochenspange) an der rechten Beckenhälfte und einer jetzt erkennbaren deutlichen Arthrose im rechten Hüftgelenk und schätzten die Gesamt-MdE unter Berücksichtigung einer MdE um 30 v.H. auf neurologischem Fachgebiet insgesamt auf 40 v.H.
Daraufhin bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 01.06.2011 ab dem 01.01.2011 bis auf Weiteres eine Verletztenrente nach einer MdE um 40 v.H.
In der Folgezeit dokumentierten die den Kläger behandelnden D-Ärzte - Fachärzte V1 und F1 - eine Verschlechterung der Gangbeschwerden, so dass u.a. - zumindest zeitweise - die Zuhilfenahme von zwei Unterarmgehstützen erforderlich wurde (s. D-Arztbericht vom 22.04.2013). Die Beklagte ließ den Kläger daraufhin erneut durch die S3 und S4 begutachten (Untersuchungstag: 27.06.2013), diese konnten jedoch keine wesentliche Befundänderung objektivieren und schätzten die beim Kläger bestehende MdE weiterhin auf insgesamt 40 v.H. ein. Mit Bescheid vom 20.08.2013 lehnte die Beklagte die Erhöhung der Rente ab.
Im Dezember 2013 stellte sich der Kläger bei
B1 vor, die u.a. die Schädigung des Nervus femoralis rechts bestätigte und - aktuell - eine neuropathische Schmerzexazerbation diagnostizierte. Der Kläger begehrte sodann von der Beklagten die Bewilligung eines E-Scooters, woraufhin die Beklagte beratungsärztliche Stellungnahmen des Facharztes F2 vom 11.02.2014 und 06.05.2014 einholte, der ausführte, dass die von B1 gestellte Diagnose eines neuropathischen Schmersyndroms weder elektrophysiologisch gesichert, noch nachvollziehbar sei, weshalb die seit 30 Jahren bestehende Nervenschädigung nunmehr zu einem neuropathischen Schmerzsyndrom geführt haben soll.
Am 29.10.2014 stellte sich der Kläger - u.a. zur Abklärung der Hilfsmittelversorgung - in der Sondersprechstunde der BGU vor. Dort wurden als Folgen des Polytraumas vom 28.09.1983 eine Defektfraktur der rechten Beckenschaufel und Schädigung des Nervus femoralis sowie des Nervus cutaneus femoralis lateralis rechts mit entsprechender Kraftminderung des rechen Beines, eine ausgeprägte Gangstörung, eine Abhängigkeit vom Gehstock, Hypästhesien im Bereich des rechten Ober- und Unterschenkels ventralseitig und ein Weichteildefekt im Bereich des Beckens lateralseitig und als unfallunabhängige Erkrankungen ein Impingement-Syndrom beider Schultern, eine Retropatellararthrose rechts, degenerative Wirbelsäulenveränderungen, Foraminalstenosen der HWS, eine Adipositas und ein NIDDM („non insulin dependent diabetes mellitus“) diagnostiziert und aufgrund der abnehmenden Mobilität - die Gehstrecke betrage nur noch 20 bis 50 m - die Versorgung mit einem E-Scooter empfohlen. Die Beklagte versorgte den Kläger daraufhin mit einem solchen Gerät.
Im März 2015 stellte der Leitende Oberarzt der Unfallchirurgie des D1-Klinikums S2 die Indikation zur Exostosenresektion, da die beim Kläger bestehende Exostose zur mechanischen Irritation führe; der Kläger hatte seit mehreren Wochen bestehende, stellenweise plötzlich einschießende Schmerzen im rechten Hüftgelenk beklagt. Eine Exostosenresektion wurde jedoch nicht durchgeführt.
Am 11.07.2016 wurde in der Orthopädischen Klinik M1 eine Operation an der rechten Schulter (diagnostische Arthroskopie im Glenohumeralgelenk rechts, partielle Synovektomie rechts, arthroskopische LBS-Tenotomie rechts, sparsames Debridement im Bereich der SSP-Sehne rechts, offene lat. Clavicularesektion rechts) durchgeführt.
Am 10.10.2018 stellte sich der Kläger (erneut) bei dem D-Arzt F1 vor und beklagte eine weiter abnehmende Mobilität, Belastungs- und zunehmende Ruheschmerzen, Schmerzen am Becken, Rücken und Bein sowie ein Schwächegefühl, woraufhin die Beklagte ein weiteres Verfahren zur Rentennachprüfung einleitete.
Die Beklagte holte bei H2 ein (weiteres) neurologisches (Gutachten vom 28.05.2019, Untersuchungstag: 24.04.2019), bei dem A1 ein psychiatrisches (Gutachten vom 13.06.2019, Untersuchungstag: 11.06.2019) sowie bei S4 ein (weiteres) orthopädisches (Gutachten vom 30.07.2019, Untersuchungstag: 19.03.2019) Gutachten ein.
H2 beschrieb weiterhin die bereits in seinem Gutachten aus Januar 2011 objektivierten Unfallfolgen in Form einer sensomotorischen inkompletten Schädigung des Nervus femoralis rechts mit entsprechenden Gefühlsstörungen und Lähmungen am rechten Bein sowie eine traumatische Schädigung des Nervus cutaneus femoris lateralis rechts mit Gefühlsstörungen an der Oberschenkelaußenseite rechts. Zudem seien Gefühlstörungen im Bereich der Riss- und Quetschwunde am linken Ellenbogen wesentlich auf den Arbeitsunfall zurückzuführen. Eine maßgebliche Änderung gegenüber seinem letzten neurologischen Gutachten sei nicht eingetreten. Die zunehmende Verschlechterung der Gehfähigkeit und die Zunahme der Chronifizierung der Schmerzsymptomatik ließen sich nicht durch eine organische Befundverschlechterung objektivieren. Zudem bestehe beim Kläger eine sensible Polyneuropathie - klinisch und elektrophysiologisch gesichert -, die vermutlich dem bekannten Diabetes zuzuordnen sei. Die MdE auf neurologischem Fachgebiet betrage weiterhin 30 v.H. Das Vorliegen eines neuropathischen Schmerzsyndroms - wie von B1 angenommen - schloss er aus.
A1 gelangte zu der Einschätzung, dass eine somatoforme Schmerzstörung als weitere Unfallfolge bereits seit dem Unfallzeitpunkt zu berücksichtigen sei, diese jedoch bereits seither vorliege und daher keine wesentliche Änderung der Unfallfolgen bedinge. Diese somatoforme Schmerzstörung sei mit einer MdE von 20 v.H. zu bewerten. Da jedoch die psychischen Aspekte dieser Schmerzverarbeitungsstörung in enger Interferenz mit den orthopädischen Beschwerden stünden, wirke sich die MdE von 20 v.H. nicht quantitativ auf die Gesamt-MdE aus. Diese liege weiterhin bei 40 v.H. Außerdem leide der Kläger an einer psychischen Störung in Form von Angst und Depression gemischt, die jedoch nicht auf den Unfall zurückzuführen sei.
S4 beschrieb als wesentliche Unfallfolgen eine Defektverletzung der rechten Darmbeinschaufel mit ca. 2/3 Verlust, die Ausbildung einer großen hakenförmigen Exostose an der rechten defekten Darmbeinschaufel, eine Ankylose des rechten Kreuzdarmbeingelenkes, eine stabil ausgeheile Symphysenverletzung mit arthrotischen Veränderungen, eine ausgeprägte Narbenbildung im Bereich des rechten Becken-/Leistenbereiches sowie einen Z.n. Dünndarmteilresektion nach offener Dünndarmverletzung ohne erkennbare Folgen. Eine destruierende Coxarthrose der rechten Hüfte liege nicht vor. Die Erkrankung der rechten Schulter mit Z.n. Tenotomie der langen Bizepssehne und Z.n. Resektion des lateralen Claviculaendes sei unfallunabhängig entstanden. Gegenüber den in seinem Gutachten von Februar 2011 beschriebenen Unfallfolgen sei es zu keiner wesentlichen Änderung auf seinem Fachgebiet gekommen. Die Gesamt-MdE schätzte er unter Berücksichtigung der seitens der H2 und A1 beschriebenen Unfallfolgen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet und deren MdE-Einschätzungen weiterhin auf 40 v.H.
Mit Bescheid vom 03.09.2019 lehnte die Beklagte daraufhin die Gewährung einer höheren Verletztenrente ab, da sich die Unfallfolgen nicht wesentlich geändert hätten. Den hiergegen erhobenen Widerspruch begründete der Kläger im Wesentlichen damit, dass die von A1 diagnostizierte somatoforme Schmerzstörung nicht in der bereits bestehenden MdE aufgehe, sondern die Gesamt-MdE mindestens 50 v.H. betrage und ihm eine entsprechend höhere Verletztenrente zu gewähren sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.12.2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 23.01.2020 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben und u.a. ausgeführt, dass bei ihm verstärkt Schmerzen und Beschwerden im gesamten rechten Bein mit Betonung im Hüft- und Beckenbereich sowie im Bereich der linken Hüfte und des linken Beines bestünden. Seine Gehfähigkeit sei zwischenzeitlich massiv eingeschränkt, weshalb ihm ein elektrischer Rollstuhl verordnet worden sei. Auch habe die Beklagte die beim Kläger bestehenden massiven Schwindelattacken, die somatoforme Schmerzstörung, die Angststörung und Depression sowie die Folgen des schweren Schädel-Hirn-Traumas nicht berücksichtigt. A1 habe eine somatoforme Schmerzstörung als Unfallfolge beschrieben und ausgeführt, dass die MdE deshalb auf 50 v.H. zu erhöhen sei. Es sei auch nicht nachvollziehbar, weshalb S4 einen Zusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall und den Beschwerden im Bereich der rechten Schulter verneint habe, obwohl sich der Kläger seit dem Unfallereignis nur an einer Gehstütze oder Krücken fortbewegen könne. Ebenso wenig seien bislang die schweren Folgen des Schädel-Hirn-Traumas berücksichtigt worden.
Im Februar 2020 übernahm die Beklagte die Kosten eines E-Rollstuhls und förderte die behinderungsbedingte Kfz-Zusatzausstattung sowie den behinderungsgerechten Badumbau.
Mit Urteil vom 20.09.2021 hat das SG die Klage gestützt auf die Gutachten der H2, A1 und S4 abgewiesen, da eine wesentliche Änderung der Unfallfolgen nicht eingetreten sei. Eine MdE von mehr als 40 v.H. liege nicht vor, weshalb auch keine höhere Verletztenrente zu gewähren sei.
Gegen das - seinen Prozessbevollmächtigten am 02.11.2021 zugestellte - Urteil hat der Kläger am 22.11.2021 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass sich sein gesundheitlicher Zustand im Vergleich zu den Unfallfolgen, die dem letzten bestandskräftigen Bescheid vom 01.06.2011 zugrunde lagen, seit dem Jahr 2018 wesentlich verschlechtert habe und ihm daher eine Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 50 v.H. zustehe. Das SG habe sich zu Unrecht in erster Linie auf das Gutachten des H2 gestützt, der die MdE auf neurologischem Fachgebiet mit 30 v.H. bewerte. Es sei auch das Gutachten des A1 zu berücksichtigen, der auf psychiatrischem Fachgebiet als zusätzliche Unfallfolge eine somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert habe und die Gesamt-MdE unter Berücksichtigung der orthopädischen Beschwerden auf 50 v.H. eingeschätzt habe. Soweit A1 ausgeführt habe, dass ein neuropathisches Schmerzsyndrom nicht auch Jahre nach einem traumatischen Ereignis auftreten könne, stehe dem die Stellungnahme der B1 entgegen. Im Übrigen leide der Kläger seit dem Unfall unter Schmerzen. Das SG habe insoweit seine Amtsermittlungspflicht verletzt. Außerdem sei nicht nachvollziehbar, dass sich das SG auf das orthopädische Gutachten des S4 stütze. Diesem sei schon nicht zu entnehmen, welche Einzel-MdE er für seine orthopädischen Leiden ansetze. Zudem habe S4 - laut seiner (des Klägers) Ehefrau, die der Untersuchung beigewohnt habe - ganz andere Maße aufgeschrieben, als diejenigen, die er gemessen habe. Die Beklagte habe dem Kläger außerdem einen Rollstuhl bewilligt und den Umbau seines Kfz genehmigt und bezahlt, sodass sie offensichtlich davon ausgehe, dass die bei ihm bestehende Einschränkung der Gehfähigkeit auf den Arbeitsunfall zurückzuführen sei. Er könne keine Wegstrecken ohne Rollstuhl mehr zurücklegen. Zwischenzeitlich sei auch eine begehbare Dusche in sein Badezimmer eingebaut worden, was seine Lebensqualität erheblich verbessere. Insgesamt sei eine deutliche Verschlechterung der Unfallfolgen eingetreten und überdies habe die Beklagte eine psychiatrische Unfallfolge gar nicht berücksichtigt.
Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 20.09.2021 sowie den Bescheid der Beklagten vom 03.09.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.12.2019 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 28.09.1983 ab dem 01.01.2018 eine höhere Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 50 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil verwiesen und unter Verweis auf die Stellungnahme des H3 vom 15.03.2022 (S. 42 f. Senatsakte) ausgeführt, dass bei der Abwägung, welche Hilfsmittel gewährt werden sollen, sämtliche Gegebenheiten wie Wohnort und Arbeitsbedingungen zu berücksichtigen seien und eine ganzheitliche Wertung und gerade keine Trennung zwischen unfallfremder und unfallunabhängiger (gemeint: unfallabhängiger) Verursachung vorzunehmen sei. Die Gewährung von Hilfsmitteln belege daher keine höhere MdE. Auch der D-Arzt F1 habe die MdE beim Kläger lediglich auf 40 v.H. eingeschätzt, was sich aus den Befundberichten vom 03.03.2021, 18.03.2021, 17.09.2021 und 22.02.2022 (S. 36 ff. Senatsakte) ergebe. Der zunehmende Verlust der Mobilität sei gerade nicht durch (unfallbedingte) Befunde auf neurologischem oder orthopädisch-unfallchirurgischem Fachgebiet zu erklären.
Der Senat hat von Amts wegen ein Sachverständigengutachten bei dem Facharzt des Universitätsklinikums H4 S5 eingeholt (S. 51 ff. Senatsakte, Untersuchungstag: 24.06.2022). Als wesentliche Unfallfolgen auf orthopädisch-unfallchirurgischem Fachgebiet hat der Sachverständige eine knöcherne Überbauung des rechten Kreuzdarmbeingelenkes, einen Teilverlust der rechten Beckenschaufel, eine ausgeheilte Symphysenverletzung mit arthrotischen Veränderungen, eine hakenförmige Exostose im Bereich der rechten Darmbeinschaufel, eine Schädigung des Nervus femoralis sowie des Nervus cutaneus femoralis lateralis mit entsprechender Kraftminderung des rechten Beines für Kniestreckung 3 bis 4/5 und Hüftbeugung 3/5, einen Z.n. Abdominaltrauma mit Dünndarmeinriss und Teilresektion sowie eine ausgeheilte Riss-/Quetschwunde des linken Ellenbogens mit persistierender Gefühlsempfindungsstörung am linken Unterarm beschrieben, eine wesentliche Änderung der Unfallfolgen seit dem rentenerhöhenden Bescheid vom 01.06.2011 verneint und die Gesamt-MdE weiterhin auf 40 v.H. eingeschätzt. Eine Gleichstellung gegenüber einem Unfallgeschädigten mit einer MdE von 50 v.H., was dem Verlust eines Beines in Kniehöhe entspreche, sei durch die Funktionsstörungen der gesicherten Unfallfolgen nicht zu rechtfertigen. Die beim Kläger bestehenden muskuloskelettalen Schmerzen seien Teil der körperlichen Unfallfolgen, was A1 bestätigt habe. Demgegenüber hat er u.a. die bestehende Polyneuropathie der Beine, das Impingement-Syndrom der rechten Schulter, die Retropatellararthrose rechts, das degenerative HWS- und LWS-Syndrom und die Angststörung und Depression als unfallunabhängig angesehen.
Auf Antrag des Klägers gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat außerdem ein (weiteres) orthopädisch-unfallchirurgisches Sachverständigengutachten bei dem F3 (S. 94 ff. Senatsakte, Untersuchungstag: 09.03.2023) samt ergänzender Stellungnahme (S. 127 ff. Senatsakte) eingeholt. F3 hat als wesentliche Unfallfolgen auf seinem Fachgebiet eine Bauchwandzerreißung mit Dünndarmzerreißung und Verlust von ca. 2/3 des rechten Beckenkammes und verbliebener muskulärer Insuffizienz der rechten Bauchwand (durch die Zerreißung der Bauchwand und durch den Verlust des Ansatzpunktes der Bauchmuskulatur [vordere rechte Beckenschaufel] könne sich die rechte Bauchwand nicht richtig anspannen, dadurch komme es zu erheblichen Schwierigkeiten sich aufrecht zu halten und die Notwendigkeit von Schon- und Ausweichbewegung sei vorhanden), eine chronische Reizung der Weichteile rechts auf Höhe der ventromedialen ventrolateralen Beckenschaufel, eine muskuläre Insuffizienz des Gluteus medius und minimus (dieser Befund finde sich klinisch als auch CT-morphologisch und sei Folge der Nervenschädigung und des Verlusts des Ansatzpunktes der Glutealmuskulatur [Beckenschaufel]), erhebliche muskuläre Insuffizienz des Quadrizeps femoris, Unfähigkeit der Stabilisierung des Beckens beim Einbeinstand rechts (Trendelenburg Hinken), Ausbildung einer großen hakenförmigen Exostose an der rechten defekten Darmbeinschaufel mit entsprechender Irritation der Weichteile, Ankylose des rechten Kreuzdarmbeingelenkes, stabil ausgeheilte Symphysenverletzung mit arthrotischen Veränderungen, ausgeprägte Narbenbildung im Bereich des rechten Beckens/Leistenbereiches, Z.n. Dünndarmteilresektion nach offener Dünndarmverletzung ohne erkennbare Folgen und eine chronische Schwellneigung des Ober-/Unterschenkels rechts mit leichten trophischen Störungen und der Notwendigkeit, einen Oberschenkelkompressionsstrumpf rechts zu tragen, diagnostiziert. Die rein unfallchirurgische MdE hat er mit 35 v.H. bewertet und die Gesamt-MdE - unter Berücksichtigung einer MdE von 20 v.H. auf psychiatrischem Fachgebiet und einer MdE von 30 v.H. auf neurologischem Fachgebiet - auf insgesamt 50 bis 60 v.H.
Die Beklagte hat die beratungsärztliche Stellungnahme des H3 vom 26.04.2023 vorgelegt (S. 120 f. Senatsakte), in der er eine wesentliche Änderung der Unfallfolgen weiterhin verneint und an der bisherigen MdE-Einschätzung festgehalten hat.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil gemäß § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist zulässig, jedoch unbegründet.
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 03.09.2019 in der Gestalt (§ 95 SGG) des Widerspruchsbescheides vom 20.12.2019, mit dem sie es abgelehnt hat, dem Kläger wegen einer wesentlichen Verschlimmerung der Folgen des Arbeitsunfalls vom 28.09.1983 eine höhere Rente nach einer höheren MdE als 40 v.H. zu gewähren.
Dagegen wendet sich der Kläger statthaft und auch im Übrigen zulässig mit der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und (unechten) Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4, § 56 SGG; dazu statt vieler nur Bundessozialgericht - BSG - 08.12.2021, B 2 U 10/20 R, in juris, Rn. 12 m.w.N., st. Rspr.), wobei die unechte Leistungsklage die Verpflichtungsklage in Gesetzeskonkurrenz konsumiert (vgl. BSG a.a.O., 18.09.2012, B 2 U 14/11 R, in juris, Rn. 19).
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 03.09.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.12.2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Abänderung der Rentenbewilligung ab dem 01.01.2018 und Gewährung einer höheren Rente als nach einer MdE von 40 v.H. Die verbliebenen Folgen des anerkannten Arbeitsunfalls vom 28.09.1983 haben sich nicht derart verschlechtert, dass ab dem 01.01.2018 oder zu einem späteren Zeitpunkt bis zur Entscheidung des Senats eine höhere MdE als 40 v.H. gerechtfertigt wäre.
Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (vorliegend der Bescheid vom 01.06.2011; bei dem zeitlich später ergangenen, eine Rentenerhöhung bestandskräftig abgelehnten Bescheid vom 20.08.2013 handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung [vgl. nur BSG 11.12.2007, B 8/9a SO 12/06 R; Senatsurteil vom 21.09.2023, L 10 U 2554/20, n.v.; Hessisches LSG 30.08.2022, L 3 U 209/20; LSG Rheinland-Pfalz 30.07.2019, L 3 U 116/16, alle in juris;]) mit Wirkung für die Zukunft (vorliegend nach dem klägerischen Begehren ab dem 01.01.2018) aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung ergänzt § 73 Abs. 3 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) - vorliegend i.V.m. § 214 Abs. 3 Satz 2 SGB VII - diese Regelung dahingehend, dass bei der Feststellung der MdE eine Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X nur wesentlich ist, wenn sie mehr als 5 v.H. beträgt und - bei Renten auf unbestimmte Zeit (wie vorliegend) - die Veränderung der MdE länger als drei Monate dauert.
Eine derartige wesentliche Änderung in den (vorliegend allein relevanten) tatsächlichen Verhältnissen ist jede - in den Grenzen des § 73 Abs. 3 i.V.m. § 214 Abs. 3 Satz 2 SGB VII - eingetretene Änderung des für die getroffene Regelung relevanten Sachverhalts, im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung also insbesondere Änderungen im Gesundheitszustand des Betroffenen (statt vieler nur BSG 13.02.2013, B 2 U 25/11 R, in juris, Rn. 15 m.w.N.). Dabei ist der Eintritt einer solchen (wesentlichen) Änderung durch Vergleich der tatsächlichen Verhältnisse zu zwei maßgeblichen Zeitpunkten zu ermitteln. Bei der Prüfung einer wesentlichen Änderung von Unfallfolgen kommt es zum einen auf die zum Zeitpunkt der letzten bindend gewordenen Feststellung (vorliegend der Bescheid vom 01.06.2011) tatsächlich - also objektiv (s. dazu nur BSG 30.10.1989, 10 RKg 7/89, in juris, Rn. 12; Senatsurteil vom 22.02.2024, L 10 U 1953/21, in juris, Rn. 50 m.w.N.) - bestehenden gesundheitlichen Verhältnisse an, die ursächlich auf dem Unfall beruhen, wobei es nicht maßgeblich ist, ob neben der Feststellung einer rentenberechtigenden MdE auch Unfallfolgen förmlich festgestellt worden sind (Senatsurteil a.a.O. m.w.N., u.a. auf die Rspr. des BSG). Diese tatsächlich auf dem Unfall beruhenden gesundheitlichen Verhältnisse sind, wenn wie hier eine Verschlechterung geltend gemacht wird, mit den bestehenden unfallbedingten Gesundheitsverhältnissen zu vergleichen, die - ggf. gestaffelt ab dem vom Betroffenen konkret geltend gemachten Zeitpunkt - bis zur letzten Entscheidung des Tatsachengerichts vorliegen (s. nur BSG 08.12.2021, B 2 U 10/20 R, in juris, Rn. 15; 13.02.2013, B 2 U 25/11 R, in juris, Rn. 16, beide m.w.N.; Senatsurteil vom 14.12.2023, L 10 U 1892/21, in juris, Rn. 34). Die jeweils bestehenden gesundheitlichen Verhältnisse kommen dabei insbesondere in den medizinischen Gutachten zum Ausdruck, die über die Unfallfolgen zum Zeitpunkt der maßgeblichen Bewilligung und vor der letzten Entscheidung des Tatsachengerichts eingeholt worden sind (vgl. dazu nur BSG 13.02.2013, B 2 U 25/11 R, a.a.O. m.w.N.; Senatsurteil a.a.O.).
Im Rahmen dessen ist eine tatsächliche Änderung indes namentlich dann nicht wesentlich, wenn der Verwaltungsakt, so wie er ursprünglich erlassen wurde, auch noch nach der neuen Sach- und Rechtslage ergehen dürfte. Maßgebend ist dabei das jeweilige materielle Recht (BSG 08.12.2021, B 2 U 10/20 R, a.a.O. Rn. 17 f. m.w.N.). D.h., wenn die unfallbedingten Funktionsbeeinträchtigungen auch nach den zum Zeitpunkt der letzten Entscheidung des Tatsachengerichts objektiv bestehenden tatsächlichen Verhältnissen materiell-rechtlich weiterhin nur eine MdE in der Höhe bedingen, die bereits festgestellt ist, liegt allein aus diesen Gründen (rechtlich) keine wesentliche Änderung i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X vor. Auch der Bestandsschutz der ursprünglichen Rentenbewilligung erfordert im Falle einer Verschlimmerung von Unfallfolgen keine zusätzliche Erhöhung einer Verletztenrente, wenn die nunmehr bestehende MdE der für die ursprüngliche Rentenbewilligung bestandskräftig zugrunde gelegten MdE entspricht (BSG a.a.O. Rn. 19 ff., 24 f. m.w.N.: „keine Addition von Verschlimmerungsanteilen“; Senatsurteil a.a.O.).
Materiell-rechtlich richtet sich die MdE nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. nur BSG 22.06.2004, B 2 U 14/03 R, in juris, Rn. 12): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
Hat ein Arbeitsunfall Schäden an mehreren Körperteilen gebracht, so ist die MdE im Ganzen zu würdigen. Dabei ist entscheidend eine „Gesamtschau“ der „Gesamteinwirkung“ aller einzelnen Schäden auf die Erwerbsfähigkeit (BSG 24.11.1988, 2 BU 139/88, in juris). Dementsprechend sind mathematische Formeln kein rechtlich zulässiges oder gar gebotenes Beurteilungsmittel zur Feststellung der Gesamt-MdE (BSG 15.03.1979, 9 RVs 6/77, in juris), vielmehr muss bei der Gesamtbeurteilung bemessen werden, wie im Einzelfall die durch alle Störungen bedingten Funktionsausfälle, teilweise einander verstärkend, gemeinsam die Erwerbsfähigkeit beeinträchtigen (BSG a.a.O.).
Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbegründen-den Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (s. nur BSG 06.05.2021, B 2 U 15/19 R, in juris, Rn. 20; 30.04.1985, 2 RU 43/84 in juris, Rn. 16, beide m.w.N.). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSG 06.05.2021, a.a.O. Rn. 13 m.w.N., st. Rspr.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (BSG 06.05.2021, a.a.O.; 06.09.2018, B 2 U 10/17 R, in juris, Rn. 13, beide m.w.N., st. Rspr.). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (s. nur BSG 05.08.1993, 2 RU 34/92, in juris, Rn. 16 m.w.N.). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (BSG 20.12.2016, B 2 U 16/15 R, in juris, Rn. 23 m.w.N.); dies gilt namentlich dann, wenn der Versicherte auf Grundlage des § 48 Abs. 1 SGB X eine wesentliche Verschlimmerung geltend macht (BSG 27.10.2022, B 9 SB 4/21 R, in juris, Rn. 41 m.w.N.).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe verneint der Senat wie auch das SG und die Beklagte den Eintritt einer wesentlichen Verschlimmerung der Unfallfolgen beim Kläger. Denn in den maßgebenden Verhältnissen, nämlich in Bezug auf die durch die Unfallfolgen verursachten funktionellen Einschränkungen bei der Verrichtung von Tätigkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens, ist keine wesentliche Änderung im oben dargelegten Sinne eingetreten.
Beim Kläger ist im Rahmen der MdE-Neubewertung zunächst von den mit Bescheid vom 22.03.1988 bestandskräftig anerkannten Unfallfolgen in Form eines Teilverlusts des rechten Darmbeines, Verkalkungen lateral des Darmbeinrestes rechts, einer tief eingezogenen ausgeprägten Narbenplatte im Bereich des rechten Darmbeinkammes, einer endgradigen Einschränkung der Beweglichkeit des rechten Beines, einer Muskelminderung des rechten Oberschenkels, einer Verstreichung der Kniegelenkskonturen rechts, einer Fußsohlenminderbeschwielung rechts, eines rechtsbetonten Hinkens, einer deutlich ausgeprägten Schädigung des Nervus femoralis und des Nervus cutaneus femoris lateralis rechts, einer verminderten Spannung im Musculus quadriceps rechts, einer herabgesetzten Schmerz- und Berührungsempfindlichkeit im Versorgungsbereich des Nervus saphenus und des Nervus cutaneus femoralis rechts, d.h. an der Oberschenkelaußen- und Oberseite sowie an der Unterschenkelober- und Innenseite rechts, multiplen Narbenbildungen sowie einem Pelzigkeitsgefühl distal der Narbe im Bereich des linken Ellenbogens auszugehen.
Zugunsten des Klägers ist entsprechend dem Gutachten der S3 und S4 vom 11.02.2011 davon auszugehen, dass sich die Unfallfolgen auf orthopädisch-chirurgischem Fachgebiet dergestalt verschlimmert haben, als es zu einer stärkeren Einschränkung der aktiven Beweglichkeit im rechten Hüft- und Kniegelenk, einer leichten Größenzunahme der Exostose (Knochenspange) an der rechten Beckenhälfte und einer erkennbaren deutlichen Arthrose im rechten Hüftgelenk gekommen ist. Die übrigen Unfallfolgen sind ausweislich der Gutachten des H2 vom 12.01.2011 und der S3 und S4 vom 11.02.2011 im Wesentlichen gleich (neurologisch: sensomotorische Schädigung des Nervus femoralis rechts mit Lähmungserscheinungen der Hüftbeuger und Kniestrecker rechts, eine leichte Atrophie des rechten gegenüber dem linken Oberschenkel und eine Minderung der Berührungs- und Schmerzempfindlichkeit im Versorgungsgebiet des Nervus femoralis rechts sowie eine verminderte Berührungs- und Schmerzempfindung im Versorgungsgebiet des Nervus cutaneus femoris lateralis rechts sowie als Folge der Femoralisschädigung eine Einschränkung der Gehfähigkeit mit leichtem Hinken rechtsseitig, einem erschwerten Treppensteigen und einer Beeinträchtigung des Aufrichtens aus der Kniebeuge; orthopädisch-chirurgisch: eine Defektverletzung der rechten Darmbeinschaufel mit ca. 2/3 Verlust, eine stabil ausgeheile Symphysenverletzung mit arthrotischen Veränderungen, eine ausgeprägte Narbenbildung im Bereich des rechten Beckens/Leistenbereiches, ein etwa handtellergroßes Hautareal im körpernahen Unterarmbereich links mit deutlich herabgesetzter Sensibilität sowie einen Z.n. Dünndarmteilresektion nach offener Dünndarmverletzung ohne erkennbare Folgen) geblieben, insbesondere qualifizierten H2 und die S3 und S4 das diagnostizierte Impingementsyndrom (Engpasssyndrom) beider Schultern, die Retropatellararthrose rechts, das degenerative HWS- und LWS-Syndrom, die Foraminalstenosen der HWS, den Spannungskopfschmerz sowie die Adipositas per magna als unfallunabhängig. Auf Grundlage dieser gutachterlichen Einschätzungen ging auch die Beklagte von einer Verschlimmerung der Unfallfolgen im dargelegten Ausmaß aus und gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 01.06.2011 ab dem 01.01.2011 eine höhere Verletztenrente nach einer MdE um 40 v.H. statt der bislang 30 v.H. Gegen diese Beurteilung erinnerte der Kläger nichts und dagegen ist in Ansehung des vorliegenden Streitgegenstands auch nichts zu erinnern.
Dass sich diese Unfallfolgen derart verschlechtert haben, dass sie ab dem Jahr 2018 eine MdE von mindestens 50 v.H. bedingen, ist für den Senat nicht ersichtlich, da eine wesentliche objektiv-klinische Funktionsverschlechterung - und auf eine solche kommt es für die MdE-Bewertung hier maßgeblich an (s. nur Senatsurteile vom 22.02.2024, L 10 U 1953/21, a.a.O. Rn. 54, 58, 71, vom 14.12.2023, L 10 U 1892/21, a.a.O. Rn. 48 und vom 15.12.2022, L 10 U 1328/19, a.a.O. Rn. 52, alle m.w.N., insbesondere unter Hinweis auf das unfallmedizinische Standardwerk von Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017 (insbesondere S. 124) - nicht vorliegt. Der Senat stützt sich hierbei in erster Linie auf die bereits im Rahmen des Verwaltungsverfahrens eingeholten (urkundsbeweislich verwertbaren) neurologischen und psychiatrischen Gutachten des H2 vom 28.05.2019 und des A1 vom 13.06.2019 sowie das im Berufungsverfahren von Amts wegen eingeholte Sachverständigengutachten des S5.
H2 beschrieb in seinem Gutachten vom 28.05.2019 als Unfallfolgen auf seinem Fachgebiet wiederum eine sensomotorische inkomplette Schädigung des Nervus femoralis rechts mit entsprechenden Gefühlsstörungen und Lähmungen am rechten Bein sowie eine traumatische Schädigung des Nervus cutaneus femoris lateralis rechts mit Gefühlsstörungen an der Oberschenkelaußenseite rechts und Gefühlstörungen im Bereich der Riss- und Quetschwunde am linken Ellenbogen und bestätigte ausdrücklich, dass eine Änderung der Unfallfolgen auf neurologischem Fachgebiet im Vergleich zu seinem Gutachten aus Januar 2011 nicht eingetreten sei. Insbesondere schloss er die Entstehung eines unfallbedingten neuropathischen Schmerzsyndroms - wie seitens der behandelnden B1 diagnostiziert - mehr als 30 Jahre nach dem Unfallereignis mit überzeugender Begründung aus und bestätigte damit auch die beratungsärztliche Beurteilung des F2 vom 11.02.2014. Allerdings konnte er klinisch und elektrophysiologisch Hinweise auf eine Polyneuropathie beidseits sichern, die er auf den beim Kläger seit vielen Jahren bestehenden Diabetes mellitus Typ 2 zurückführte. Bereits in seinem Gutachten aus Januar 2011 maß H2 jedoch lediglich der Teilschädigung des Nervus femoralis rechts mit entsprechenden Lähmungserscheinungen im rechten Bein Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit bei, ohne den bloßen Gefühlsstörungen eine weitergehende Relevanz für die Höhe einer MdE beizumessen, was der Rechtsprechung des Senats (Senatsurteil vom 22.02.2024, L 10 U 1953/21, a.a.O. Rn. 73) entspricht.
Da ein Totalausfall des Nervus femoralis, der nach der unfallmedizinischen Literatur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 253) mit einer MdE von 30 bis 40 v.H. zu bewerten wäre, beim Kläger (weiterhin) nicht vorliegt, für eine partielle Läsion des Nervus femoralis danach jedoch lediglich eine MdE von 20 bis 25 v.H. anzusetzen ist, sind die neurologischen Unfallfolgen beim Kläger, die mit Lähmungserscheinungen im rechten Bein und einer Gangstörung einhergehen, mithin allenfalls mit einer MdE von 25 v.H. und nicht - wie H2 - mit 30 v.H. zu bewerten; ohnehin hat der Gutachter eine wesentliche Änderung im Funktionszustand im Vergleich zu den neurologischen Verhältnissen zum Zeitpunkt der letzten Rentenneufeststellung klar verneint.
Auch die Unfallfolgen auf orthopädisch-unfallchirurgischem Fachgebiet haben sich nicht wesentlich geändert, was der Senat dem Sachverständigengutachten des S5 entnimmt. Der Sachverständige hat darin als muskuloskelettale Unfallfolgen eine knöcherne Überbauung des rechten Kreuzdarmbeingelenkes, einen Teilverlust der rechten Beckenschaufel, eine ausgeheilte Symphysenverletzung mit arthrotischen Veränderungen, eine hakenförmige Exostose im Bereich der rechten Darmbeinschaufel, eine Schädigung des Nervus femoralis sowie des Nervus cutaneus femoralis lateralis mit entsprechender Kraftminderung des rechten Beines für Kniestreckung 3 bis 4/5 und Hüftbeugung 3/5, einen Z.n. Abdominaltrauma mit Dünndarmeinriss und Teilresektion sowie eine ausgeheilte Riss-/Quetschwunde des linken Ellenbogens mit persistierender Gefühlsempfindungsstörung am linken Unterarm beschrieben und eine wesentliche Änderung der Unfallfolgen seit dem rentenerhöhenden Bescheid vom 01.06.2011 ausdrücklich verneint. Diese Einschätzung ist für den Senat schon deshalb plausibel, da die von S5 im Bereich der Beine erhobenen Befunde keine Verschlechterung dokumentieren. So hat er u.a. im Bereich der Hüftgelenke eine Streckung/Beugung beidseits von 0-0-90°, eine Abspreizung/Anführung beidseits von 30-0-20°, eine Drehung auswärts/einwärts bei 90° gebeugtem Hüftgelenk beidseits 40-0-20°, eine Drehung auswärts/einwärts bei gestrecktem Hüftgelenk beidseits 40-0-20°, im Bereich der Kniegelenke eine Beweglichkeit für Streckung/Beugung beidseits von 0-0-140°, im Bereich der oberen Sprunggelenke für Heben/Senken des Fußes beidseits 20-0-40° und seitengleiche Umfangmaße der unteren Extremität beschrieben. Diese Befunde decken sich im Wesentlichen mit den seitens der S3 und S4 in ihrem Gutachten vom 11.02.2011 beschriebenen Befunden (Hüftgelenke: Streckung/Beugung rechts
0-0-90°, links 0-0-100°, Abspreizung/Anführung beidseits 30-0-10°, Drehung auswärts/einwärts bei 90° gebeugtem Hüftgelenk rechts 20-0-10°, links 30-0-10°, Drehung auswärts/einwärts bei gestrecktem Hüftgelenk rechts 20-0-10°, links 20-0-20°; Kniegelenke: Streckung/Beugung rechts 0-0-115°, links 0-0-140°; obere Sprunggelenke: Heben/Senken beidseits 15-0-45°, nahezu seitengleiche Bewegungsmaße). Wesentlich andere Befunde hat im Übrigen auch der Wahlsachverständige des Klägers - F3 - im Rahmen seiner Begutachtung am 09.03.2023 nicht erhoben (Hüftgelenke: Streckung/Beugung beidseits 0-10-90°, Abspreizung/Anführung rechts 20-0-10°, links 30-0-20°, Drehung auswärts/einwärts bei 90° gebeugtem Hüftgelenk rechts 20-0-5°, links 30-0-10°; Kniegelenke: Streckung/Beugung beidseits 0-0-120°; obere Sprunggelenke Heben/Senken beidseits 20-0-40°).
Da der Unfall u.a. zu einem Teilverlust der rechten Beckenschaufel und einer Symphysenverletzung und damit einhergehenden weiteren Veränderungen in Form der Ausbildung einer Exostose und arthrotischer Veränderungen geführt hat und Verletzungen im Bereich des Beckens Auswirkungen auf die Statik und Dynamik der Wirbelsäule und der unteren Gliedmaßen haben können (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S 618), und vorliegend mit der nachgewiesenen Leistungsminderung der rechten unteren Extremität auch hat, zieht der Senat zur MdE-Bewertung die Erfahrungswerte für instabile Beckenringfrakturen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O. S. 619) heran. Danach sind instabile Beckenringfrakturen ohne Schoßfugenerweiterung mit einer MdE von 0 v.H., mit Schoßfugenerweiterung unter 15 mm mit einer MdE von 10 v.H., mit Schoßfugenerweiterung über 15 mm mit einer MdE von 20 v.H., mit Arthrose in den Kreuz-Darmbein-Gelenken mit einer MdE von 20 v.H., mit einseitiger Verschiebung einer Beckenhälfte über 10 mm mit 20 v.H., mit einseitiger Verschiebung einer Beckenhälfte über 10 mm und zusätzlicher Arthrose mit einer MdE von 25 v.H. und mit beidseitiger Verschiebung jeweils über 10 mm mit Arthrose mit einer MdE von 30 v.H. zu bewerten. Da die beim Kläger vorliegenden Beeinträchtigungen durch den Teilverlust der rechten Beckenschaufel in erster Linie die rechte Beckenhälfte betreffen und zusätzlich arthrotische Veränderungen im Bereich der Symphyse vorliegen, hält der Senat entsprechend der für eine einseitige Verschiebung einer Beckenhälfte über 10 mm mit Arthrose veranschlagten MdE von 25 v.H. auch für die beim Kläger im Bereich des Beckens vorliegenden Unfallfolgen für sachgerecht. Würde man allein auf die Einschränkung der Beweglichkeit des Hüftgelenks rechts abstellen, was aus Sicht des Senats den hier vorliegenden Unfallfolgen wegen der Beckenverletzung nicht gerecht würde, ergäbe sich (und dies auch nur unter Berücksichtigung der zuletzt von F3 genannten Bewegungsmaße für Streckung/Beugung von 0-10-90°) eine MdE von lediglich 10 v.H. (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O. S. 621).
Eine Verschlimmerung der im Bereich des rechten Kniegelenkes anerkannten Unfallfolgen ist ebenfalls nicht ersichtlich und ist auch von F3 nicht behauptet worden. Im Übrigen ist eine Bewegungseinschränkung im Bereich eines Kniegelenks von 0-0-120° - eine solche hat F3 allerdings im Bereich beider Kniegelenke und nicht lediglich des durch den Unfall beeinträchtigten Kniegelenks gemessen - lediglich mit einer MdE von 10 v.H. zu bewerten (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O. S. 685).
Dass beim Kläger darüber hinaus weitere Unfallfolgen im Bereich der Schultergelenke und der Wirbelsäule seit der orthopädisch-unfallchirurgischen Begutachtung im Januar 2011 durch die S3 und S4 hinzugetreten sind, ist nicht ersichtlich. Zwar liegen beim Kläger auch nach den von S5 erhobenen Befunden Veränderungen im Bereich der Schultern in Form eines Engpasssyndroms (Impingementsyndrom) und einer Reizung der Rotatorenmanschette sowie degenerative HWS- und LWS-Schäden vor. Indes hat der Senat keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Beeinträchtigungen unfallbedingt sind. Vielmehr wurde sowohl das Impingementsyndrom als auch das degenerative HWS- und LWS-Syndrom sowie Foraminalstenosen der HWS bereits im August 2010 im Rahmen der Untersuchung des Klägers in der BGU diagnostiziert und als unfallunabhängig gewertet. Auch die S3 und S4 haben das Impingementsyndrom und ein degeneratives HWS- und LWS-Syndrom sowie Foraminalstenosen der HWS anlässlich ihrer Begutachtung im Januar 2011 diagnostiziert und als unfallunabhängig eingeschätzt, ebenso wie S5 im Rahmen seiner vom Senat veranlassten Begutachtung. Schließlich hat auch der Wahlsachverständige F3 einen Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Schulter- sowie Wirbelsäulenbeeinträchtigungen nicht zu bestätigen vermocht. Im Übrigen sind die Folgen von Beckenverletzungen für die Statik und Dynamik der Wirbelsäule bereits durch die für die Beckenschädigungen veranschlagte MdE von 25 v.H. mitumfasst (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O. S. 618).
Soweit F3 zusätzlich eine muskuläre Insuffizienz der rechten Bauchwand durch die Zerreißung der Bauchwand und durch den Verlust des Ansatzpunktes der Bauchmuskulatur und damit einhergehend Schwierigkeiten beim Anspannen der rechten Bauchwand als separate Unfallfolge qualifiziert und mit einer MdE von 10 v.H. analog zu einem einseitigen Leisten-, Schenkel- oder Nabelbruch bzw. einem Bruch in der Linea alba wertet, vermag der Senat dies nicht nachzuvollziehen. Vielmehr sind gerade sämtliche mit dem Teilverlust der Beckenschaufel - und diesen benennt F3 gerade als Ursache für diese muskuläre Insuffizienz - einhergehenden Beeinträchtigungen bereits von der hierfür angesetzten MdE von 25 v.H. (s.o.) mitumfasst, sodass die damit einhergehenden Funktionsstörungen hinreichend berücksichtigt sind. Gleiches gilt für die von F3 beschriebenen Muskelminderungen im Bereich Musculus gluteus medius und minimus sowie des Quadrizeps femoris und auch der von ihm beschriebenen lymphatischen Veränderungen mit trophischen Störungen, da die MdE für Beckenverletzungen gerade auch die Leistungsminderung der unteren Gliedmaßen mitumfasst (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O. S 618).
Dass beim Kläger im Vergleich zu seinem Gesundheitszustand im Januar 2011 Unfallfolgen auf psychiatrischem Fachgebiet hinzugetreten sind, vermag der Senat ebenfalls nicht zu bejahen. Zwar diagnostizierte A1 im Rahmen seiner Begutachtung im Juni 2019 auch eine psychische Störung in Form von Angst und Depression gemischt. Allerdings vermochte auch A1 diese ca. 36 Jahre nach dem stattgehabten Unfall erstmals diagnostizierte Störung nicht auf den Unfall zurückzuführen. Soweit A1 zudem - ebenfalls erstmals - eine somatoforme Schmerzstörung als weitere Unfallfolge nannte und diese als seit dem Unfallereignis bestehend einstufte, vermag der Senat dieser Einschätzung nicht zu folgen. Der Kläger wurde zwischen dem Unfallereignis im September 1983 und der Begutachtung durch A1 im Juni 2019 viele Male sowohl von behandelnden Ärzten (u.a. D-Arzt F1, B1, BGU, D1-Klinikum) als auch im Rahmen von Begutachtungen (M2, H2, S3 und S4) untersucht und keiner der Ärzte hegte auch nur den Verdacht hinsichtlich des Bestehens einer somatoformen Schmerzstörung. Im Dezember 2013 diagnostizierte B1 zwar eine neuropathische Schmerzexazerbation, die freilich sowohl H2 als auch der Beratungsarzt F2 nicht nachzuvollziehen vermochten. Dass der Kläger mehr als drei Jahrzehnte lang an einer unerkannten somatoformen Schmerzstörung gelitten haben soll, ist für den Senat nicht ansatzweise plausibel. Letztlich kann jedoch dahinstehen, ob beim Kläger tatsächlich eine somatoforme Schmerzstörung vorliegt und falls ja, ab wann diese konkret bestand und ob es sich dabei um eine Unfallfolge handelt. Denn A1 führte ausdrücklich aus, dass die somatoforme Schmerzstörung in enger Interferenz mit den orthopädischen Beschwerden stehe und daher nicht zu einer Erhöhung der orthopädischen MdE führe. Die entgegengesetzte Behauptung des Klägers, A1 sei von davon ausgegangen, die psychischen Unfallfolgen erhöhten die Gesamt-MdE auf 50 v.H., ist nicht zutreffend. Die Einschätzung des A1 deckt sich insoweit nicht nur mit der Auffassung des Sachverständigen S5. der auch Psycho- und Schmerztherapeut ist, sondern entspricht auch sowohl der unfallmedizinischen Literatur als auch der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (s. nur Senatsurteile vom 22.02.2024, L 10 U 1953/21, a.a.O. Rn. 74 und vom 15.12.2022, L 10 U 1783/18, in juris, Rn. 57; Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O. S. 244), wonach die üblichen Schmerzen als Begleitsymptome einer körperlichen Schädigung in den MdE-Bewertungstabellen für die jeweilige Schädigung bereits berücksichtigt werden. Außergewöhnliche Schmerzen in Gestalt eines CRPS bzw. eines zentralen neuropathischen Schmerzsyndroms liegen beim Kläger gerade nicht vor.
Beim Kläger bestehen folglich weiterhin Unfallfolgen (lediglich) auf neurologischem sowie orthopädisch-unfallchirurgischem Fachgebiet. Die neurologischen Unfallfolgen in Form einer Teilschädigung des Nervus femoralis rechts mit entsprechenden Lähmungserscheinungen im rechten Bein und einer Gangstörung bedingen allenfalls eine MdE von 25 v.H. Die orthopädisch-unfallchirurgischen Unfallfolgen in Form der Veränderungen im Bereich des Beckens und damit einhergehender Beeinträchtigungen der Statik und Dynamik der Wirbelsäule sowie Leistungsminderungen der unteren Gliedmaßen (Teilverlust der rechten Beckenschaufel, stabile Symphysenverletzung mit arthrotischen Veränderungen, knöcherne Überbauung des Kreuzdarmbeingelenks) bedingen ebenfalls eine MdE von 25 v.H. Die Beeinträchtigungen im Bereich des rechten Kniegelenks führen allenfalls zu einer MdE von 10 v.H. Bei der Bildung der Gesamt-MdE ist nunmehr zu beachten - hierauf hat auch der Beratungsarzt H3 in seiner Stellungnahme vom 26.04.2023, die als qualifiziertes Beteiligtenvorbringen gewürdigt wird, ausdrücklich hingewiesen -, dass sich die neurologischen und orthopädisch-unfallchirurgischen Unfallfolgen insoweit weitgehend überlagern, als sie jeweils zu Beeinträchtigungen der Gehfähigkeit des Klägers führen. Dies hat auch der Wahlsachverständige des Klägers in seinem Gutachten ausdrücklich bestätigt. Die Unfallfolgen auf neurologischem und orthopädisch-unfallchirurgischem Fachgebiet überschneiden sich daher erheblich, sodass eine Erhöhung der Gesamt-MdE auf mindestens 50 v.H. - wie vom Kläger begehrt - nicht in Betracht kommt. Vielmehr vermag auch der Senat eine höhere Gesamt-MdE als allenfalls 40 v.H. - wie bereits von der Beklagten angenommen - nicht zu bilden. Damit sieht sich der Senat im Ergebnis hinsichtlich der Bemessung der MdE auch in Übereinstimmung mit der Beurteilung durch den gerichtlichen Sachverständigen S5 sowie die Gutachter A1 und S4. Dass und warum der Bewertung von F3 nicht gefolgt werden kann, ist bereits oben dargelegt worden.
Eine höhere (Gesamt-)MdE ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Beklagte dem Kläger zu seinen Gunsten Hilfsmittel in Form eines E-Scooters und eines Elektro-Rollstuhls sowie der (geh-)behindertengerechten Umbauten seines Kfz und Badezimmers finanziert hat. Denn - wie H3 ebenfalls in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme zutreffend ausgeführt hat - die Art und finanzielle Höhe von gewährten (Bei-)Hilfen, deren Rechtmäßigkeit im vorliegenden Berufungsverfahren schon gar nicht zur Prüfung ansteht, sagt nichts über die Höhe einer MdE aus.
Damit ist insgesamt zur Überzeugung des Senats eine wesentliche Verschlechterung der tatsächlichen Verhältnisse i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X i.V.m. § 73 Abs. 3 Halbsatz 1 SGB VII nicht zu erkennen, sodass die Beklagte es zu Recht abgelehnt hat, die Rente des Klägers nach einer höheren MdE als bereits bewilligt zu zahlen. Keiner Erörterung bedarf angesichts des Streitgegenstands, ob die MdE beim Kläger von Anfang an zu hoch angesetzt worden ist, denn auch dies würde seinem Erhöhungsbegehren gerade nicht zum Erfolg verhelfen.
Der entscheidungserhebliche medizinische Sachverhalt ist hinreichend geklärt. Namentlich das Sachverständigengutachten des S5, das Gutachten des H2, die von A1 gutachtlich erhobenen und objektivierbaren Befunde sowie die beratungsärztlichen Stellungnahmen der H3 und F2 haben dem Senat die erforderlichen Grundlagen für seine Überzeugungsbildung vermittelt. Insbesondere hat das Rechtsmittelvorbringen auch keinerlei Veranlassung gegeben, noch weiter zu ermitteln respektive von Amts wegen ein weiteres ärztliches Sachverständigengutachten einzuholen. Für eine weitere Beweiserhebung ist regelmäßig auch kein Raum, wenn das Gericht sich - wie vorliegend - im Rahmen der Beweiswürdigung mit einander widersprechenden Gutachtensergebnissen auseinandersetzt und eines von mehreren Gutachten für überzeugend hält (vgl. BSG 01.04.2014, B 9 V 54/13 B, in juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.