1. Das Rechtsmittelgericht ist befugt, von Amts wegen in der Berufungsendentscheidung einen offenbaren Schreibfehler im Urteil des SG (falsches Entscheidungsdatum) von Amts wegen zu berichtigen und zwar auch dann, wenn das Urteil keinen Bestand hat.
2. Der Versicherte trägt die objektive Beweislast dafür, dass der Versicherungsfall der Erwerbsminderung zu einem Zeitpunkt eingetreten ist, zu dem die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen letztmals vorgelegen haben und seither ununterbrochen besteht.
3. Für die Frage des Eintritts eines Versicherungsfalls der Erwerbsminderung kommt es nicht auf bloße „Eindrücke“ der erkennenden Richter vom Versicherten in Terminen an, sondern die medizinische Beurteilung richtet sich nach überdauernden funktionellen Defiziten auf Grundlage objektiv-klinischer, ärztlicher Befunde, die schlüssig und nachvollziehbar sein müssen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19.10.2023 - nach Berichtigung des Rubrums hinsichtlich des Tages der mündlichen Verhandlung (19.10.2023 statt 11.10.2023) - aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger für die Zeit vom 01.11.2019 bis 31.10.2025 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zusteht.
Der 1966 geborene Kläger, griechischer Staatsbürger, zog im Jahr 1968 in das Bundesgebiet zu. Eine Ausbildung zum Metallwerker von Anfang September 1984 bis Anfang Oktober 1985 brach er nach eigenen Angaben wegen Einziehung zum griechischen Militärdienst ab. Mit Unterbrechungen war der Kläger in der Folge als Werkschutzfachkraft sozialversicherungspflichtig tätig, zuletzt von Anfang Februar 1997 (vgl. Bl. 11 S 20 R 5894/16) bis zum Eintritt von Arbeitsunfähigkeit Anfang des Jahres 2013 (letzter Pflichtbeitragsmonat aus Beschäftigung: Januar 2013) bei dem Sicherheitsdienstunternehmen S3. Er bezog bis zum 29.07.2013 (das Arbeitsverhältnis mit der S3 endete Ende Juli 2013) Krankengeld und vom 01.08.2013 bis 21.07.2014 Arbeitslosengeld bzw. von der Beklagten (rückwirkend) Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.04.2014 bis 30.09.2015 (s. dazu noch sogleich). Vom 01.01.2017 bis 31.08.2017 und vom 01.10.2017 bis 31.10.2018 stand der Kläger im Leistungsbezug nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), so auch erneut im Dezember 2018; von Mitte November bis Ende Dezember 2018 sowie von Anfang August bis Ende September 2019 übte der Kläger noch eine nicht versicherungspflichtige geringfügige Beschäftigung aus. Wegen der weiteren Einzelheiten der rentenrechtlichen Versicherungszeiten wird auf den Versicherungsverlauf vom 15.02.2024 (S. 81 ff. Senats-Akte) Bezug genommen. Bei dem Kläger, der seit dem 20. Lebensjahr an einem essentiellen Tremor (Bl. 50 SG-Akte S 20 R 5894/16) und seit dem 25. Lebensjahr an einer chronischen Hepatitis B (Bl. 51 a.a.O.) leidet, war seit April 2011 ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 festgestellt; zwischenzeitlich ist dem Kläger ein GdB von 60 zuerkannt.
Im September 2013 beantrage der Kläger bei der Beklagten erstmals die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Anfang Juli 2014 wurde bei ihm in der Klinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums T1 eine stereotaktische Elektrodenimplantation beidseits mit nachfolgender Generatorimplantation links infraclavikulär durchgeführt. Im Anschluss daran befand sich der Kläger vom 22.07. bis 26.08.2014 auf Kosten der Beklagten zur stationären Rehabilitation in den Fachkliniken H1 - Abt. Neurologie - in U1, aus der er mit einem Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr täglich für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt entlassen wurde. Mit Bescheid vom 22.09.2014 bewilligte ihm die Beklagte - ausgehend von einem Versicherungsfall zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung - Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 01.04.2014 befristet bis zum 30.09.2015.
Auf den Weiterzahlungsantrag des Klägers holte die Beklagte das Gutachten des Facharztes B1 vom 29.09.2015 ein, der nach Untersuchung (Diagnosen: essentieller Tremor rechts betont, Kopf und Coperal, Zustand nach [Z.n.] Implantation von Stimulationselektroden 7/2014 mit deutlicher Befundbesserung, angegebene Kopfschmerzen, migräniform, Hinweise für Schmerzmittelabusus, anamnestisch chronisch persistente Hepatitis B unter Therapie mit Tenofovir; keine objektivierbaren kognitiven Einschränkungen) ein Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Arbeiten (ohne Tätigkeiten mit vermehrter Beanspruchung des Konzentrations- und Reaktionsvermögens) auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von mehr als sechs Stunden täglich beschrieb und eine erneute stationäre Rehabilitation empfahl. Diese wurde im Widerspruchsverfahren gegen den Rentenablehnungsbescheid der Beklagten vom 12.10.2015 vom 07.01. bis 04.02.2016 in der Reha-Klinik B2 in B3 durchgeführt. Die Reha-Ärzte gelangten ebenso wie zuvor der Gutachter zu einem zeitlichen Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung (ohne schweres Heben und Tragen, ständiges und schnelles Laufen, kein Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten, kein häufiges Bücken und Wirbelsäulenzwangshaltungen, keine Nachtschichtarbeiten) im Umfang von mehr als sechs Stunden arbeitstäglich (Diagnosen: generalisierter essentieller Tremor bei Z.n. Hirnschrittmacherimplantation 7/2014, chronische Hepatitis B, Migräne, leichte kognitive Defizite unklarer Genese).
Nach zurückweisendem Widerspruchsbescheid vom 06.10.2016 befragte das Sozialgericht Stuttgart (SG) im anschließenden Klageverfahren (S 20 R 5894/16) zunächst die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen und holte sodann von Amts wegen bei N1 (Klinikum S1) das Sachverständigengutachten vom 25.07.2017 ein. Der Gutachter bestätigte nach Untersuchung des Klägers (11.07.2017) die Diagnosen der Reha-Ärzte in B3 und verwies auf deren Leistungsbeurteilung bzw. auf die des Facharztes B1, von denen er ausdrücklich nicht abweiche (S. 133 SG-Akte S 20 R 5894/16); er thematisierte die Frage, ob die vom Kläger zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Werkschutzfachkraft noch leidensgerecht sei. Die von der Beklagte zur Beurteilung herangezogene Beratungsärztin H2, legte in mehreren sozialmedizinischen Stellungnahmen dar, dass sich weder aus dem Gutachten des N1, noch aus den Auskünften der behandelnden Ärzte und auch nicht aus den im Klageverfahren vorgelegten ärztlichen Befundunterlagen eine zeitliche Leistungslimitierung für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ableiten lasse; die Leistungsbeurteilung des Gutachters B1 bzw. die der Ärzte in B3 sei vielmehr (weiterhin) zutreffend. In ihrer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 21.08.2018 wies sie zudem im Hinblick auf den Entlassungsbericht der Ärzte der Klinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums T1 vom 10.07.2018 (stationäre Behandlung vom 10. bis 19.07.2018 mit Veränderung der Hirnstimulationsparameter) darauf hin, dass das Tremorsyndrom des Klägers unter der durchgeführten Maßnahme komplett remittiert und eine deutliche Besserung der spastisch-ataktischen Gangstörung eingetreten sei. Im Erörterungstermin vor dem SG am 11.04.2019 - in Anwesenheit des Klägers und seiner auch jetzigen Prozessbevollmächtigten - nahm der Kläger seine Klage nach Hinweis des SG, dass keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine „fortbestehende“ Erwerbsminderung bestünden, zurück.
Unter dem 29.04.2019 beantragte der Kläger bei der Beklagten erneut die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog medizinische Unterlagen bei, namentlich den Entlassungsbericht der Ärzte der Medizinischen Klinik - Abt. Innere Medizin VI: Psychosomatische Medizin und Psychotherapie - des Universitätsklinikums T1 vom 04.04.2019 (stationäre Behandlung des Klägers vom 06.03. bis 17.04.2019, Befund u.a., s. im Einzelnen S. 137 ff. VerwA: Tremor der Extremitäten in Ruhe und bei Intention gleichbleibend, dadurch Einschränkung [nur] beim Seiltänzergang [„Füße zielen“], kein Meningismus, Hirnnervenbefund normal, Tonus unauffällig, kein Anhalt für Paresen, Muskeleigenreflexe allseits seitengleich mittellebhaft auslösbar, Sensibilität und Koordination ungestört, sofortige Tremorsymptomreduktion nach Stimulatoreinstellung auf 4,7 V, im Verlauf der Behandlung auch nach und nach deutliche Stimmungsaufhellung und Antriebssteigerung, bei Entlassung auf allen psychometrischen Skalen leichte bis deutliche Verbesserung, Symptomatik vom Rechtsstreit beeinflusst) sowie die Entlassungsberichte der Ärzte der Neurochirurgischen und der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikum vom 27.07. und 29.07.2019 (stationäre Behandlung des Klägers vom 25. bis 31.07.2019 mit operativem Generatorwechsel, nach Umstellung der Medikation deutliche Besserung des Haltetremors, deutlich gebessert entlassen, s. im Einzelnen S. 106 ff., 101 ff. SG-Akte), und ließ diese durch H2 auswerten (sozialmedizinische Stellungnahme vom 26.11.2019, S. 143 f. VerwA). Die Beratungsärztin wies unter den Diagnosen generalisierter essentieller Tremor, Z.n. Hirnschrittmacherimplantation 07/2014, rezidivierende depressive Störung (nicht näher bezeichnet), Migräne sowie der Verdachtsdiagnose (V.a.) dissoziative Bewegungsstörung darauf hin, dass sich auch unter Berücksichtigung der Ermittlungsergebnisse im kurz zuvor beendeten Rechtsstreit (weiterhin) keine zeitliche Leistungsminderung für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ergebe, sondern allein qualitative Einschränkungen bestünden.
Darauf gestützt lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 07.01.2020 ab; die medizinischen Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente lägen weiterhin nicht vor. Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger u.a. geltend, er sei „in einer mündlichen Verhandlung vor dem SG“ (der Kläger führte u.a. auch Rechtsstreite gegen das Jobcenter) am 19.12.2019 „zusammengebrochen“ und ihm sei im Erörterungstermin am 11.04.2019 (s.o.) vom dortigen Beklagtenvertreter „zugesichert worden, dass nun die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen vorliegen würden“ und dass „bei Neustellung eines Antrages dieser innerhalb von 6 Wochen genehmigt werden“ würde. Dem ist die Beklagte unter Hinweis darauf, dass ihr Terminsvertreter lediglich mitgeteilt habe, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen vorlägen (s. dazu auch das gerichtliche Protokoll Bl. 178 SG-Akte S 20 R 5894/16), entgegengetreten. Nach Beiziehung weiterer ärztlicher Unterlagen (u.a. Befundbericht des B4 vom 18.05.2020, S. 149 f. VerwA: rezidivierende depressive Störung, aktuell mittelgradige Episode; nach stabiler Phase erneute Vorstellung am 07.04.2020) und sozialmedizinischer Stellungnahme der E1 vom 02.06.2020 (keine Änderung des Leistungsbilds, s. im Einzelnen S. 151 f. VerwA) wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 16.06.2020 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 09.07.2020 Klage beim SG erhoben (S 7 R 2773/20), mit der er sein Begehren auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung weiterverfolgt hat. Zur Begründung hat er im Wesentlichen geltend gemacht, dass sich seine „depressive Verstimmung“ verschlechtert habe und dass es bei emotionaler Belastung zu Stürzen komme. Es sei von einer schweren Depression auszugehen und der Kläger könne nur noch unter drei Stunden arbeiten. Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass sich namentlich aus dem Befundbericht des B4 keine schwergradigen seelischen Leiden ergäben.
Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. C1 (Praxis B4) hat die Diagnose aus dem Befundbericht vom 18.05.2020 wiederholt, im Wesentlichen Beschwerdeangaben des Klägers wiedergegeben und gemeint, dass nur ein höchstens dreistündiges Leistungsvermögen bestehe; er hat das psychiatrische Fachgebiet als maßgeblich erachtet (Auskunft vom 18.12.2020). F1 hat angegeben, den Kläger nur zweimal im Jahr 2017 behandelt zu haben und sich nicht in der Lage gesehen, die berufliche Leistungsfähigkeit zu beurteilen (Auskunft vom 28.12.2020). Auch M1 hat sich dazu nicht in der Lage gesehen (Auskunft vom 21.01.2021); er hat bereits aktenkundige Befundunterlagen vorgelegt.
Das SG hat sodann die (bereits verwaltungsaktenkundigen o.a.) Berichte des Universitätsklinikums T1 seit Oktober 2018 beigezogen, nachdem der Kläger behauptet hatte, sein Tremor habe sich verschlechtert. Für die Beklagte hat K1 (sozialmedizinische Stellungnahme vom 10.02. und 22.04.2021) darauf hingewiesen, dass die Berichte des Universitätsklinikums bereits Gegenstand der vorangegangenen Beurteilungen des sozialmedizinischen Dienstes gewesen seien und dass sich aus den Auskünften der behandelnden Ärzte nichts ergebe, was die Annahme einer Erwerbsminderung stützen könnte; die Leistungseinschätzung des Facharztes C1 sei nicht befundgestützt und nicht nachvollziehbar, die von der Klägerseite postulierte Verschlimmerung aus den aktenkundigen ärztlichen Unterlagen nicht ersichtlich.
Das SG hat von Amts wegen bei R1 (R2 Kliniken in S2) das Sachverständigengutachten vom 24.11.2021 eingeholt. Dieser hat nach Untersuchung des Klägers (19.07.2021) bei unauffälligem elektrophysiologischen Befund sowie klinisch nur leichtem Tremorsyndrom eine leichte Dysthymia, einen leichten essentiellen Tremor und eine leichte Migräne mit Aura diagnostiziert. Die Behauptung des N1 im Vorprozess eines (wenn auch nur) leichten kognitiven Defizits sei nicht nachvollziehbar. Der Kläger könne leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts unter Beachtung qualitativer Einschränkungen noch mehr als sechs Stunden täglich verrichten; nach dem klinischen Befund und den durchgeführten Gang- und Standprüfungen (einschließlich Simulatortestung für öffentliche Verkehrsmittel) bestehe auch keine relevante Beschränkung der Geh- bzw. Wegefähigkeit. Eine wesentliche Abweichung zur seinerzeitigen (zutreffenden) Beurteilung des Gutachters B1 liege nicht vor.
Die Klägerseite hat den Arztbrief der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums T1 vom 23.11.2021 (S. 182 f. SG-Akte) vorgelegt und das SG hat sodann auf Antrag des Klägers nach § 109 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Sachverständigengutachten des L1 vom 08.08.2022 nebst ergänzender Stellungnahme vom 11.12.2022 eingeholt. Der Wahlsachverständige hat nach Untersuchung des Klägers (21.07.2022) simulationshinweisende Testergebnisse (u.a. im Strukturierten Fragebogen Simulierter Symptome [SFSS]) beschrieben, gleichwohl gemeint, dass keine Anzeichen für eine Beschwerdesimulation- bzw. -aggravation bestünden und als Diagnosen einen essentiellen Tremor, eine Tiefenhirnstimulation mit „in der Konsequenz“ hirnorganischem Psychosyndrom (das der Wahlsachverständige in seiner ergänzenden Stellungnahme mit einer ihm erscheinenden „leichten“ Einschränkung der Konzentration, der Durchhaltefähigkeit, des Gedächtnisses sowie des Umstellungs- und Auffassungsvermögens begründet hat), eine mittelschwere bis schwere depressive Störung und Angst (Panik) sowie eine Migräne und überlagert analgetikainduzierte vaskuläre Kopfschmerzen genannt; die in der Aktenlage bisweilen auftauchende (Verdachts-)Diagnose einer dissoziativen Störung sei nicht nachvollziehbar. Arbeiten von wirtschaftlichem Wert seien dem Kläger nicht mehr möglich und er sei bereits „vor Ende 2021“ erwerbsunfähig. Die Beurteilung des R1 könne nicht nachvollzogen werden.
Die Beklagte ist der gutachtlichen Einschätzung des L1 mit sozialmedizinischen Stellungnahmen der Ärztin H3 entgegengetreten. Die Beratungsärztin hat im Einzelnen ausführlich dargelegt (S. 236 ff. und S. 250 ff. SG-Akte), dass und warum das Gutachten des L1 diverse sachlich-inhaltliche Mängel aufweise, dass sich aus dem mitgeteilten klinischen Befund schon keine zeitliche Leistungsminderung ableiten lasse, dass die Einschätzung des L1 im Wesentlichen auf den unkritisch übernommenen Beschwerdeangaben und -demonstrationen des Klägers beruhe und dass diese inkonsistent, widersprüchlich und klinisch nicht nachvollziehbar seien, zumal sich eindeutige Hinweise auf Simulation und Aggravation ergäben, die L1 auch gesehen, aber heruntergespielt habe. Die Beurteilung des R1 hingegen sei befundgestützt und in jeder Hinsicht überzeugend.
Die Klägerseite hat die gutachtliche Einschätzung des L1 verteidigt und weitere Arztbriefe der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums T1 von Anfang des Jahres 2023 (S. 254 f. und S. 257 ff. SG-Akte) vorgelegt, zu denen sich H3 ebenfalls sozialmedizinisch geäußert hat (S. 264 f. und S. 267 f. SG-Akte); darauf wird hier jeweils Bezug genommen, ebenso wie auf den nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung vorgelegten weiteren Arztbrief vom 13.10.2023 (S. 293 f. SG-Akte).
In der mündlichen Verhandlung vor dem SG, die ausweislich des Sitzungsprotokolls (S. 295 f. SG-Akte) - nach Verlegung von dem 11.10.2023 - am 19.10.2023 stattgefunden hat, hat die Terminsvertreterin der Beklagten darauf hingewiesen, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nur bis zum 31.08.2019 vorlägen. Der Kläger hat u.a. angegeben, dass er „mittlerweile“ täglich Stürze erleide.
Mit Urteil vom 11.10.2023 (richtig: 19.10.2023, s.o.) hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 07.01.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.06.2020 verurteilt, dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderungsrente auf Zeit unter Zugrundelegung eines „Leistungsfalls“ am 29.04.2019 für die Zeit vom 01.11.2019 bis 31.10.2025 in gesetzlicher Höhe zu gewähren; außerdem hat es angeordnet, dass die Beklagte die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten hat. Zur Begründung hat es gemeint, dass der Kläger „ab dem Zeitpunkt der Rentenantragstellung am 29.04.2019“ nicht mehr in der Lage sei, wenigstens drei Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts berufliche Tätigkeiten zu verrichten, sodass er voll erwerbsgemindert sei. Es hat sich dabei namentlich auf das Gutachten des L1 - „trotz einiger Schwächen“ -, den Arztbericht der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums T1 vom 04.04.2019 und „die weiteren Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung“ sowie auf seinen der Kammer dort vermittelten Leidensdruck bei „durchgehend sichtbarem und stark ausgeprägtem Tremor“ gestützt; die Stellungnahmen des sozialmedizinischen Dienstes der Beklagten hat es in den Entscheidungsgründen nicht erwähnt. Zwar habe R1 bei der „aktuellen“ psychopathologischen Befunderhebung „nur ein lediglich“ leicht depressives Stimmungsbild bei ungestörten vegetativen Funktionen sowie nur ein leichtes Tremorsyndrom beschrieben. Aus der Auskunft des C1 vom 18.12.2020 ergebe sich aber, dass „seit Jahren“ eine deutlich beeinträchtigte Ausdauer und Leistungsfähigkeit des Klägers vorliege. Zudem sei der Kläger auch nicht in der Lage, einen Arbeitsplatz aufzusuchen. Auch wenn R1 dies abweichend beurteilt habe, ergäben sich aus dem Gutachten Auffälligkeiten beim Gehen des Klägers im Rahmen des während der Begutachtung durchgeführten begleiteten Spaziergangs und der Kläger habe über einen starken Schwindel geklagt. Im Übrigen hätten auch die Ärzte in T1 in ihrem Bericht vom 27.02.2023 Gangstörungen beschrieben. Die Kammer habe dabei auch keine Bedenken, dass der „Leistungsfall“ bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung am 29.04.2019 vorgelegen habe. Der Beginn der ausgeurteilten Rente wegen voller Erwerbsminderung ergebe sich aus § 101 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), die Befristung aus § 102 Abs. 2 Satz 2 und 3 SGB VI, wobei eine Besserung des Gesundheitszustands des Klägers „jedenfalls nicht gänzlich ausgeschlossen“ sei.
Gegen das ihr am 07.11.2023 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 01.12.2023 Berufung eingelegt. Sie hat im Wesentlichen auf das Gutachten des R1 und auf die sozialmedizinischen Stellungnahmen ihres ärztlichen Dienstes verwiesen. Außerdem hat sie geltend gemacht, dass eine medizinische Fachkompetenz der Kammer des SG nicht ersichtlich sei, sodass deren „Eindruck“ vom Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht geeignet sei, die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen R1 in Zweifel zu ziehen.
Die Beklagte beantragt (teilweise sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19.10.2023 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hat das angefochtene Urteil verteidigt und erneut gemeint, der Beklagtenvertreter habe im gerichtlichen Termin am 11.04.2019 (S 20 R 5894/16) „zugesichert“, dass, sollte die Klage in diesem Verfahren zurückgenommen werden, dem erneuten Antrag des Klägers auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente „zugestimmt“ werde. Außerdem habe die Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung vor dem SG „gesagt“, dass sie hoffe, dass das Gericht „positiv für den Kläger entscheiden“ werde. Im Übrigen hat die Klägerseite auf die neueren Berichte des Universitätsklinikums T1 verwiesen, aus denen sich eine Erwerbsminderung ergebe.
Der Berichterstatter des Senats hat u.a. darauf hingewiesen (s. wegen der weiteren Einzelheiten die Verfügung vom 26.02.2024, S. 87 f. Senats-Akte), dass das Rubrum des angefochtenen Urteils hinsichtlich des Tags der mündlichen Verhandlung (19.10.2023 statt 11.10.2023) vom Amts wegen als offenbare Unrichtigkeit im Rahmen der Endentscheidung des Senats berichtigt werde, dass die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die ausgeurteilte Rente seit dem 01.09.2019 nicht mehr vorlägen und dass eine irgendwie geartete „Zusicherung“ der Beklagten, dem Kläger eine Erwerbsminderungsrente zu gewähren, nicht ersichtlich sei.
Die Beteiligten haben sich im Anschluss mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den In-halt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die SG-Akte zum Verfahren S 20 R 5894/16 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil gemäß § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist zulässig und auch begründet.
Das Rubrum des von der Beklagten angefochtenen Urteils des SG, das ausweislich des Sitzungsprotokolls aufgrund mündlicher Verhandlung am 19.10.2023 und nicht, wie im Rubrum (§ 136 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 2 SGG) fälschlich angegeben, am 11.10.2023 ergangen ist, ist vom Senat zunächst - wie vorab den Beteiligten mitgeteilt - zur Klarstellung (vgl. dazu nur Bundessozialgericht [BSG] 27.10.2009, B 2 U 26/08 R, in juris, Rn. 12) im Rahmen des Berufungsantrags der Beklagten als offenbarer Schreibfehler (zur Angabe eines falschen Entscheidungsdatums s. nur Bundesfinanzhof [BFH] 04.08.2016, X B 145/15, in juris, Rn. 12, zu § 107 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung [FGO]; Senatsbeschluss vom 17.10.2022, L 10 R 2529/21, n.v., m.w.N.) von Amts wegen zu berichtigen (§ 138 Satz 1 SGG); dazu ist das mit der Streitsache befasste Rechtsmittelgericht in der Berufungsendentscheidung befugt (s. nur BSG 06.03.2012, B 1 KR 43/11 B, in juris, Rn. 4, st. Rspr.; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 138 Rn. 4a, beide m.w.N. zur höchstrichterlichen Rspr.) und zwar auch dann, wenn das Urteil keinen Bestand hat, denn dies berührt die gebotene Klarstellung nicht (vgl. nur BFH a.a.O., Rn. 11).
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das Urteil des SG vom 19.10.2023, soweit die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 07.01.2020 in der Gestalt (§ 95 SGG) des Widerspruchsbescheids vom 16.06.2020 zur Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.11.2019 befristet bis zum 31.10.2025 verurteilt worden ist.
Das SG hat die Beklagte zu Unrecht unter Aufhebung des vom Kläger angefochtenen Bescheids vom 07.01.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.06.2020 verurteilt, ihm - ausgehend von einem „Leistungsfall“ (richtig wäre: Versicherungsfall; vgl. zur terminologischen Unterscheidung grundlegend BSG 29.11.1990, 5/4a RJ 41/87, in juris, Rn. 22 ff.; 05.03.1965, 11/1 RA 239/61, in juris, Rn. 15) am Tag der Rentenantragstellung am 29.04.2019 - Rente wegen (medizinisch) voller Erwerbsminderung vom 01.11.2019 (vgl. § 115 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 101 Abs. 1 SGB VI) befristet (vgl. § 102 Abs. 2 Satz 1 bis 5 SGB VI; zur korrekten Bestimmung des Begriffs der Unwahrscheinlichkeit in Satz 5 der Norm s. nur Senatsurteil vom 21.07.2022, L 10 R 2529/21, in juris, Rn. 30 m.w.N.) bis zum 31.10.2025 zu gewähren. Denn der Bescheid vom 07.01.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.06.2020 ist, soweit er aufgrund des alleinigen Rechtsmittels der Beklagten zur Überprüfung des Senats steht, rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Das angefochtene Urteil kann schon deshalb keinen Bestand haben kann, weil das SG seiner Überzeugung (vgl. § 128 Abs. 1 SGG) maßgeblich die (im Sitzungsprotokoll ohnehin nur rudimentär wiedergegebenen) „Angaben des Klägers“ in der mündlichen Verhandlung i.V.m. mit seinem dortigen „Eindruck“ zugrunde gelegt hat, obgleich eine medizinische Fachkompetenz der erkennenden Kammer nicht ersichtlich ist (dazu nur BSG 31.01.2008, B 2 U 311/07 B, in juris, Rn. 6; Senatsurteil vom 17.11.2022, L 10 R 1429/22, in juris, Rn. 23 m.w.N.), es sich gerade dazu veranlasst gesehen hat, von Amts wegen sowie nach § 109 Abs. 1 SGG, was schon nicht in Betracht gekommen wäre, wenn es auf ärztlichen Sachverstand gar nicht ankäme (Senatsurteil a.a.O. m.w.N.), fachärztliche Sachverständigengutachten einzuholen und sich die Annahme einer Erwerbsminderung ohnehin nicht entscheidend nach der subjektiven Leistungseinschätzung des Versicherten respektive seinen Beschwerdeangaben und -demonstrationen richtet, sondern maßgeblich nach ärztlich bestätigten, zeitlich überdauernden funktionellen Defiziten mit Auswirkung auf das individuelle quantitative sowie qualitative Leistungsvermögen auf Grundlage schlüssig und nachvollziehbarer objektiv-klinischer Befunde (s. statt vieler nur BSG 28.02.2017, B 13 R 37/16 BH, in juris, Rn. 15; Senatsurteil vom 15.11.2021, L 10 R 641/21, in juris, Rn. 41, st. Rspr.; in diesem Zusammenhang speziell auch zur Unmaßgeblichkeit von bloßen „Eindrücken“ der erkennenden Richter vom Versicherten in Terminen Senatsurteil vom 18.04.2024, L 10 R 1319/23, zur Veröffentlichung in juris vorgesehen). Auch hat das SG zwar gesehen, dass die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente (s. dazu noch ausführlich später) nur bis einschließlich 31.08.2019 vorgelegen haben, daraus aber letztlich keinerlei Konsequenzen gezogen, sondern sich vielmehr (auch schon in der Darstellung) vermengend und im Ergebnis tragend auch auf Beschwerde- und Befundangaben gestützt hat, die aus einer Zeit Jahre nach dem genannten Zeitpunkt stammen und schon deshalb für sich gesehen keinerlei Aufschluss über das berufliche Leistungsvermögen des Klägers bis Ende August 2019 geben.
Zur Überzeugung des Senats nach eigener Prüfung und Würdigung des Sach- und Streitstoffs (vgl. § 157 SGG) ist der Kläger vielmehr im maßgeblichen Zeitraum vom Monat der Rentenantragstellung an (vgl. § 99 Abs. 1 SGB VI) bis zum Zeitpunkt des letztmaligen Vorliegens der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (31.08.2019) durchgehend in der Lage gewesen, zumindest leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter den üblichen Bedingungen unter Beachtung qualitativer Einschränkungen noch sechs Stunden und mehr arbeitstäglich zu verrichten, sodass er trotz der bei ihm bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Sinne der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen nicht erwerbsgemindert gewesen ist, weshalb ihm eine Rente wegen Erwerbsminderung im ausgeurteilten Zeitraum nicht zusteht.
Soweit die Klägerseite im Rechtsmittelverfahren zuletzt behauptet hat (Derartiges ergibt sich aus dem gerichtlichen Protokoll vom 11.04.2019 nicht), der Terminsvertreter der Beklagten im Erörterungstermin des SG im Vorprozess S 20 R 5894/16 habe „zugesichert“, dass, sollte die Klage in jenem Verfahren zurückgenommen werden, „dem erneuten Antrag des Klägers auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente zugestimmt“ werde, folgt daraus für den im vorliegenden Rechtsstreit streitigen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung auf den Rentenantrag vom 29.04.2019 nichts. Unabhängig davon, dass mit diesem Vorbringen schon eine irgendwie geartete Zusicherung i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zum Erlass eines entsprechenden Bewilligungsbescheids auf eine Rente wegen Erwerbsminderung nicht einmal (mehr) auch nur behauptet worden ist (eine behördlich „Zustimmung“ zu einer Antragstellung - für dies es ohnehin keine Grundlage gibt - ist etwas gänzlich anderes als die Zusicherung, einen bestimmten Verwaltungsakt später „ohne Wenn und Aber“ zu erlassen), wäre jedenfalls schon die für eine wirksame Zusicherung erforderliche Form (§ 34 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 1 SGB X) nicht eingehalten, eben weil das schriftliche Gerichtsprotokoll (s. dazu nur Engelmann in Schütze, SGB X, 9. Aufl. 2020, § 34 Rn. 25 und § 33 Rn. 50 m.w.N.) hierzu nichts enthält; das Schriftformerfordernis gilt auch dann, wenn der (vermeintlich) zugesicherte Verwaltungsakt selbst nicht formbedürftig ist (statt vieler nur Senatsurteil vom 16.11.2023, L 10 U 2513/23, n.v.; Engelmann a.a.O., § 34 Rn. 25; Littmann in Hauck/Noftz, SGB X, § 34 Rn. 18 m.w.N., Stand April 2018). Nur am Rande merkt der Senat zu dem diesbezüglichen Vorbringen noch an, dass es ohnehin keine Rolle spielt, aus welchen Gründen der (rechtskundig vertretene) Kläger dereinst seine Klage im Verfahren S 20 R 5894/16 zurücknahm; indes bestehen für den Senat in Ansehung des medizinischen Ermittlungsergebnisses in jenem Verfahren (vgl. dazu noch sogleich) und des darauf beruhenden (zutreffenden) Hinweises des SG keinerlei Zweifel, dass die Klagerücknahme gerade mangels jeglicher Erfolgsaussicht erfolgte.
Auch die weitere Behauptung der Klägerseite im Rechtsmittelverfahren, die Terminsvertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem SG im hiesigen Rechtsstreit habe dort „gesagt, dass sie hoffe, dass das Gericht positiv für den Kläger entscheiden“ werde, ist ohne jegliche Relevanz, zumal die Beklagtenvertreterin ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 19.10.2023 (dem insoweit volle Beweiskraft zukommt, § 122 SGG i.V.m. § 165 Satz 1 Zivilprozessordnung [ZPO]; zur Sachantragstellung „so und nicht anders“ s. nur Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, a.a.O., § 122 Rn. 10 m.w.N.) gerade die Abweisung der Klage beantragt hat; ohnehin sind „persönliche Meinungen“, die sich nicht in entsprechenden Prozesserklärungen manifestieren, vollkommen unbedeutend.
Schließlich ist ebenso von vornherein für die Frage, ob beim Kläger spätestens am 31.08.2019 ein (erneuter) Versicherungsfall der Erwerbsminderung eingetreten ist, unbedeutend, dass dem Kläger von der Beklagten in der Zeit vom 01.04.2014 bis 30.09.2015 bereits Rente wegen voller Erwerbsminderung gewährt wurde. Denn auch bei einem Antrag, eine befristet bewilligte Rente wegen Erwerbsminderung weiterzuzahlen (ein solcher Fall liegt freilich vorliegend noch nicht einmal vor, weil der Weiterzahlungsablehnungsbescheid der Beklagten vom 12.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.10.2016 mit Klagerücknahme im Verfahren S 20 R 5894/16 am 11.04.2019 in Bestandskraft erwachsen ist, § 77 SGG), bedarf es keines Nachweises gerade durch die Beklagte, dass eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen i.S.d. § 48 SGB X gegenüber denen, die der ursprünglichen Bewilligung zugrunde lagen, eingetreten ist. Die Entscheidung, ob dem Versicherten nach Ablauf eines Bewilligungszeitraums weiter eine Rente wegen Erwerbsminderung zusteht, ist nicht bloß die Verlängerung einer früher bereits dem Grunde nach anerkannten Sozialleistung - insbesondere auch nicht die bloße Fortschreibung einer einmal anerkannten Erwerbsminderung („fortbestehend“) -, sondern stellt eine eigenständige und inhaltlich vollständige erneute Bewilligung der beantragten Rente dar, zumal sich der Wille des Versicherungsträgers von vornherein nur auf die Gewährung von Rente für den bewilligten Zeitraum bezieht und es infolgedessen für eine darüber hinaus reichende Zeit an jener für den Versicherten positiven Regelung durch den Versicherungsträger fehlt (s. nur Senatsurteil vom 15.11.2021, L 10 R 641/21, a.a.O., Rn. 32 m.w.N. zur Rspr. des BSG). Kurzum: dass die Beklagte dem Kläger in der Vergangenheit Rente wegen (voller) Erwerbsminderung gewährte - sei es rechtmäßig oder auch zu seinen Gunsten rechtswidrig -, ist für den vorliegend ausgeurteilten Anspruch bedeutungslos.
Voraussetzung für einen Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung ist u.a. nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bzw. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, dass der Versicherte in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit hat (sog. Drei-Fünftel-Belegung). Zu Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zählen nach § 55 Abs. 2 SGB VI auch freiwillige Beiträge, die als Pflichtbeiträge gelten (Nr. 1), oder (Nr. 2) Pflichtbeiträge, für die aus den in § 3 oder § 4 SGB VI genannten Gründen Beiträge gezahlt worden sind oder als gezahlt gelten (dies betrifft insbesondere auch Pflichtbeiträge für Lohnersatzleistungen, vgl. § 3 Satz 1 Nr. 3 und Nr. 3a SGB VI) oder Beiträge für Anrechnungszeiten, die ein Leistungsträger mitgetragen hat (Nr. 3).
Diese besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen hat der Kläger letztmalig für einen spätestens am 31.08.2019 eingetretenen Versicherungsfall erfüllt. Zu diesem Zeitpunkt hat die sog. Drei-Fünftel-Belegung zuletzt vorgelegen, weil ausweislich des Versicherungsverlaufs vom 15.02.2024 (S. 81 ff. Senats-Akte) - dessen Vollständig- und Richtigkeit die Klägerseite nicht in Zweifel gezogen hat - im (um die Zurechnungszeit des Erwerbsminderungsrentenbezugs und die Anrechnungszeiten wegen SGB II-Bezugs, s. dazu die Darstellung oben im Tatbestand) um 35 Monate verlängerten Fünf-Jahres-Zeitraum (§ 43 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI) vom 30.09.2011 bis 30.08.2019 insgesamt (noch) 36 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt sind, anders als bei einem erst am 01.09.2019 (dann nur 35 Monate mit Pflichtbeiträgen im verlängerten Zeitraum vom 01.10.2011 bis 31.08.2019) oder später eingetretenen Versicherungsfall; in der Zeit danach liegen überhaupt keine für eine Erfüllung der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen rentenrechtlich erhebliche Versicherungszeiten mehr vor (zu Zeiten geringfügiger Beschäftigung ohne Versicherungspflicht s. nur Senatsurteil vom 17.02.2022, L 10 R 3947/21, in juris, Rn. 20 m.w.N.).
Es greift vorliegend auch keiner der Tatbestände des § 43 Abs. 5 SGB VI bzw. des § 241 Abs. 2 SGB VI ein (dann wäre eine Pflichtbeitragszeit für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vor Eintritt der Erwerbsminderung nicht erforderlich). Nach § 43 Abs. 5 SGB VI ist eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestands eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit (§ 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI) vorzeitig erfüllt ist (z.B. Arbeitsunfall, Berufskrankheit; vgl. § 53 SGB VI). Dafür ist vorliegend nichts ersichtlich. Gemäß § 241 Abs. 2 Satz 1 SGB VI sind Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vor Eintritt der Erwerbsminderung für Versicherte auch dann nicht erforderlich, die vor dem 01.01.1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt haben, wenn jeder Kalendermonat vom 01.01.1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung mit sog. Anwartschaftserhaltungszeiten (§ 241 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 6 SGB VI) belegt ist. Dies ist vorliegend bereits deshalb nicht der Fall, weil das Versicherungskonto des Klägers erst ab dem 05.09.1983 rentenrechtliche Zeiten aufweist (s. Versicherungsverlauf S. 81 Senats-Akte). Dass der Kläger schließlich bereits vor dem 01.01.1984 erwerbsgemindert gewesen und seitdem durchgängig ist - sodass auch insoweit Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vor Eintritt der Erwerbsminderung nicht erforderlich wären (§ 241 Abs. 2 Satz 1 a.E. SGB VI) -, ist nicht ersichtlich und von ihm auch nicht einmal nur behauptet worden.
Ausgehend davon - dies nur am Rande - ist auch die seinerzeitige Erklärung des Beklagtenvertreters im Erörterungstermin am 11.04.2019 im Verfahren S 20 R 5894/16, dass die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen weiterhin vorliegen, vollkommen zutreffend gewesen (zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung am 29.04.2019 nämlich im wiederum um 35 Monate verlängerten, s.o., Fünf-Jahres-Zeitraum vom 29.05.2011 bis 28.04.2019 40 Pflichtbeitragsmonate).
Unter Zugrundelegung dessen müsste der Kläger somit spätestens im August 2019, dem letztmaligen Zeitpunkt, zu dem die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt gewesen sind (s.o.), - und seither durchgehend (andernfalls läge ein erneuter Versicherungsfall vor) - erwerbsgemindert (gewesen) sein. Dies ist indes nicht der Fall.
Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung besteht über die Regelung des § 43 Abs. 2 SGB VI hinaus nach der Rechtsprechung des BSG bei regelmäßig bejahter Verschlossenheit des (Teilzeit-)Arbeitsmarkts auch dann, wenn eine zeitliche Leistungseinschränkung von drei bis unter sechs Stunden vorliegt (Großer Senat 10.12.1976, GS 2/75 u.a., in juris). Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Davon ausgehend lässt sich eine zeitliche Leistungseinschränkung beim Kläger weder im April 2019 noch bis Ende August 2019 (s.o.) begründen und zwar nicht einmal ansatzweise.
Die berufliche Leistungsfähigkeit des Klägers ist im vorliegend allein relevanten Zeitraum vom Monat der Rentenantragstellung (April 2019) bis zu dem Monat, in dem die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen letztmals vorgelegen haben (August 2019), maßgeblich von neurologischer Seite, aber auch von Seiten des psychiatrischen Fachgebiets, eingeschränkt gewesen.
In neurologischer Hinsicht hat beim Kläger (auch) im o.a. Zeitraum ein seit jeher generalisierter essentieller Tremor unklarer Genese mit Gangstörung bei Z.n. Hirnschrittmacherimplantation im Juli 2014 und ein migräneformes Kopfschmerzsyndrom imponiert. Dies stützt der Senat auf die urkundsbeweislich verwertbaren sozialmedizinischen Stellungnahmen der H2 (unter Auswertung der aktenkundigen ärztlichen Unterlagen) vom 04.01.2017, 12.09.2017, 29.05.2018, 21.08.2018 und zuletzt vom 26.11.2019, in denen die Fachärztin im Einzelnen befundgestützt und gut nachvollziehbar namentlich dargelegt hat, dass die vorangegangene Beurteilung der Reha-Ärzte in B3 in deren Entlassungsbericht vom 04.02.2016 und die des Gutachters B1 in dessen Gutachten vom 29.09.2015 - beides im Wege des Urkundsbeweises verwertbar - weiterhin zutreffend gewesen ist; der Senat stützt sich damit auch auf den genannten Entlassungsbericht und das Gutachten des Facharztes B1. Die o.a. Gesundheitsstörungen bestätigte auch der im Verfahren S 20 R 5894/16 herangezogene Sachverständige N1, dessen Gutachten vorliegend ebenfalls urkundsbeweislich verwertbar ist; auch auf dieses Gutachten wird hier Bezug genommen.
Ebenfalls in jeder Hinsicht überzeugend - da befundgestützt - hat H2 insbesondere unter Hinweis auf die Leistungsbeurteilung der Ärzte in B3 und die des Gutachters B1 ausgeführt, dass und warum diese Gesundheitsstörungen auch noch über August 2019 hinaus (s. die sozialmedizinische Stellungnahme vom 26.11.2019) beim Kläger lediglich zu qualitativen Einschränkungen (wechselnde Körperhaltung, kein häufiges Hocken/Knien, kein häufiges Heben/Tragen/Bewegen von schweren Lasten, keine Arbeiten unter erhöhten Anforderungen an die Gang- und Standsicherheit respektive keine Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, keine wesentlichen Anforderungen an die Fingergeschicklichkeit, s. S. 143 f. VerwA, sowie zusätzlich - so der Gutachter B1 bzw. die Reha-Ärzte in B3 - keine Tätigkeiten mit vermehrter Beanspruchung des Konzentrations- und Reaktionsvermögens, kein häufiges Bücken, keine Wirbelsäulenzwangshaltungen, keine Nachtschichtarbeiten), nicht jedoch zu einer zeitlichen Leistungslimitierung für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts geführt haben. Sie hat damit die übereinstimmende quantitative Leistungsbeurteilung des Gutachters B1 und die der Ärzte in B3 als weiterhin zutreffend bestätigt, auf die im Übrigen auch N1 verwies und von der er ausdrücklich nicht abzuweichen vermochte.
Soweit N1 noch der Frage der Leistungsfähigkeit des Klägers für dessen zuletzt ausgeübte Beschäftigung als Werkschutzfachkraft bzw. für eine innerbetriebliche Umsetzung nachging, ist dies für eine Erwerbsminderung des Klägers nach § 43 SGB VI gänzlich ohne Bedeutung gewesen und ist es auch weiterhin, eben weil alleiniger Bezugspunkt einer Erwerbsminderung in diesem Sinne die üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts sind (§ 43 Abs. 3 Halbsatz 1 SGB VI).
Auch der Umstand, dass N1 - wie zuvor die Reha-Ärzte in B3 - leichte kognitive Defizite beim Kläger annahm, ist, unabhängig davon, dass dies allein auf den subjektiven Angaben des Klägers ohne objektiv-klinische Bestätigung beruhte (worauf der Sachverständige R1 zutreffend in seinem späteren Gutachten aufmerksam gemacht hat), ohne durchgreifende Relevanz, weil diese angenommenen Defizite jedenfalls, so die Ärzte in B3 und deren Leistungsbeurteilung insgesamt auch folgend N1 (s.o.), einer leichten beruflichen Tätigkeit unter Beachtung der oben festgestellten qualitativen Einschränkungen nicht entgegengestanden haben; zeitlich überdauernde (vgl. § 43 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 SGB VI: „auf nicht absehbare Zeit“, s. dazu nur Senatsurteil vom 16.06.2016, L 10 R 2324/14, in juris, Rn. 42 m.w.N.) höhergradige kognitive Defizite auf Grundlage objektiv-klinischer Befunde, die Auswirkung auf das zeitliche Leistungsvermögen gehabt haben könnten, sind im Übrigen im maßgeblichen Zeitraum von April bis Ende August 2019 gerade nicht nachgewiesen. Derartiges ergibt sich insbesondere auch nicht aus dem Entlassungsbericht der Ärzte der Abt. Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des Universitätsklinikums T1 vom 04.04.2019 (vielmehr: Hirnnervenstatus normal, lediglich anamnestische Angabe einer „subjektiv“ schwer eingeschränkten Konzentration und Aufmerksamkeit, keine klinische Überprüfung, im Übrigen ohnehin deutlich gebessert entlassen) und lässt sich auch aus den Entlassungsberichten der Neurochirurgischen bzw. Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums T1 vom 27.07. und 29.07.2019 nicht ableiten (im Übrigen auch hier: aus der stationären Behandlung nach Generatorwechsel deutlich gebessert entlassen), was sich aus den Stellungnahmen der H2 - deren Beurteilung zeitlich später auch noch von der Beratungsärztin E1 bestätigt (sozialmedizinische Stellungnahme vom 02.06.2020, urkundsbeweislich verwertbar) - und aus der Stellungnahme der Beratungsärztin K1 vom 22.04.2021 (als qualifiziertes Beteiligtenvorbringen verwertbar) ergibt.
Was den Haltetremor bzw. die (spastisch-ataktische) Gangstörung beim Kläger anbelangt, ist diese im vorliegend maßgeblichen Zeitraum ebenfalls nicht zeitlich überdauernd derart schwerwiegend gewesen, dass daraus eine zeitliche Leistungslimitierung für angepasste leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt abgeleitet werden könnte. Dagegen spricht bereits der im Entlassungsbericht vom 04.04.2019 (s.o.) dokumentierte klinische Befund (lediglich Tremor der Extremitäten in Ruhe und bei Intention gleichbleibend, dadurch allein Einschränkung beim Seiltänzergang, kein Meningismus, Tonus unauffällig, kein Anhalt für Paresen, Muskeleigenreflexe allseits seitengleich mittellebhaft auslösbar, Sensibilität und Koordination ungestört, sofortige Tremorsymptomreduktion nach Stimulatoreinstellung auf 4,7 V) ebenso wie der Umstand, dass der Kläger nach operativen Generatorwechsel am 26.07.2019 und Medikationsumstellung mit einem deutlich gebesserten Haltetremor aus der universitätsklinischen Behandlung Ende Juli 2019 entlassen wurde, was dem Entlassungsbericht vom 29.07.2019 zu entnehmen ist. Auch darauf haben H2 (sozialmedizinische Stellungnahme vom 26.11.2019; Hinweis auf den Therapieerfolg bereits zuvor in der sozialmedizinischen Stellungnahme vom 21.08.2018: Tremorsyndrom komplett unter den durchgeführten Maßnahmen remittiert) und die Fachärztin K1 (sozialmedizinische Stellungnahme vom 22.04.2021) zutreffend hingewiesen.
Von psychiatrischer Seite hat H2 ihrer Leistungsbeurteilung (sozialmedizinische Stellungnahme vom 26.11.2019) auf der Grundlage des Entlassungsberichts vom 04.04.2019 eine jedenfalls nicht höhergradige rezidivierende depressive Störung beim Kläger ohne Auswirkung auf das zeitliche Leistungsvermögen zugrunde gelegt. Auch dies ist für den Senat nachvollziehbar, nachdem der Kläger aus der psychosomatischen Behandlung in T1 deutlich gebessert entlassen wurde. Eine überdauernde schwere seelische Störung lässt sich allein aus diesem Grund aus dem Entlassungsbericht nicht ableiten; ohnehin sind in diesem Bericht in psychopathologischer Hinsicht ganz überwiegend ausschließlich die subjektiven - nicht kritisch gewürdigten - Beschwerdeangaben des Klägers referiert worden. Aus dem mitgeteilten objektiv-klinischen Befund (wach, klar, allseits orientiert, offen und freundlich im Kontakt, Stimmung [nur, wenn auch deutlich] zum negativen Pol verschoben, kein Anhalt für wahnhaftes Erleben, keine Sinnestäuschungen oder Ich-Störungen, keine Zwänge eruierbar) lässt sich - so zu Recht die Beurteilung der H2 und die der E1 - eine schwere depressive Episode (so wie im o.g. Entlassungsbericht als Diagnose angegeben) nicht ansatzweise begründen, erst recht keine zeitlich überdauernde.
Dies wiederum korrespondiert damit, dass der behandelnde B4 erst im April 2020 - Monate nach Ablauf der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen - eine (freilich nur) mittelgradige depressive Episode diagnostizierte und auf eine vorangegangene stabile Phase hinwies (s. Befundbericht vom 18.05.2020). Nachdem der Kläger schließlich auch den F1 schon seit 2018 nur noch zwecks Abholung von Rezepten und Überweisungen aufsuchte (was dessen Auskunft gegenüber dem SG zu entnehmen ist), ist die Annahme einer überdauernden höhergradigen seelischen Störung mit Auswirkung auf das zeitliche Leistungsvermögen bis Ende August 2019 ausgeschlossen.
Die (zunächst auch von H2 gestellte und von ihr im Rahmen ihrer Leistungsbeurteilung auch zugrunde gelegte) Verdachtsdiagnose einer dissoziativen Bewegungsstörung hat sich zu keinem Zeitpunkt bestätigt, beide Sachverständige im vorliegenden Verfahren haben eine solche Störung vielmehr ausgeschlossen. Ohnehin kommt es im Rahmen der Prüfung von Erwerbsminderung nicht entscheidend auf die Art und Anzahl der gestellten Diagnosen und auch nicht auf eine bestimmte Diagnosestellung - erst recht nicht auf bloße Verdachtsdiagnosen (Senatsurteil vom 18.04.2024, L 10 R 1319/23, a.a.O. m.w.N.; Freudenberg in jurisPK-SGB VI, 3. Aufl., § 43 Rn. 70, Stand 03.04.2024, m.w.N. zur Rspr. des BSG) - oder die Bezeichnung von Befunden an, sondern allein auf die Beeinflussung des individuellen quantitativen sowie qualitativen Leistungsvermögens durch dauerhafte Gesundheitsstörungen (s.o. und erneut BSG 28.02.2017, B 13 R 37/16 BH, a.a.O.), also auf die durch die Gesundheitsstörungen verursachten funktionellen Beeinträchtigungen. Dem entsprechend sind auch die Ursachen der Gesundheitsstörung - vorliegend namentlich die Tremorsymptomatik beim Kläger - nicht maßgeblich (BSG a.a.O.).
Die Auskunft des C1 (gegenüber dem SG), in der dieser im Wesentlichen ohnehin auf den Befundbericht des B4 vom 18.05.2020 Bezug genommen und keinerlei klinischen Befund mitgeteilt hat - geschweige denn für die Zeit bis Ende August 2019 -, worauf die Beratungsärztin K1 zutreffend hingewiesen hat, ist damit schon gänzlich ungeeignet, dem Senat Anknüpfungstatsachen für eine Erwerbsminderung des Klägers spätestens am 31.08.2019 zu vermitteln.
Von neurologisch-psychiatrischer Seite kann der Kläger auch aus dem Sachverständigengutachten des R1 nach Untersuchung am 19.07.2021 schon deshalb nichts Günstiges für eine spätestens am 31.08.2019 eingetretene Erwerbsminderung herleiten, weil der Sachverständige auch noch im Juli 2021 befundgestützt davon ausgegangen ist, dass die objektivierbaren neurologischen und seelischen Gesundheitsstörungen nicht derart ausgeprägt sind, dass diese einer leichten beruflichen Tätigkeit im zeitlichen Umfang von zumindest sechs Stunden arbeitstäglich entgegenstehen. Ohnehin spielt der Gesundheitszustand des Klägers im Juli 2021 und seither keine Rolle, eben weil die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nur bis 31.08.2019 vorgelegen haben. Dessen ungeachtet hat R1 aber auch gut nachvollziehbar dargelegt, dass die Leistungsbeurteilung des Gutachters B1 und die des sozialmedizinischen Dienstes der Beklagten durchgehend zutreffend gewesen ist. Dies deckt sich vollumfänglich mit den obigen Darlegungen, die R1 damit ebenfalls bestätigt hat.
Aus dem zeitlich noch späteren Gutachten des L1 aufgrund Untersuchung im Juli 2022 - also fast drei Jahre nach Ablauf der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen - folgt ebenfalls nichts, was für den vorliegend erhobenen Anspruch relevant wäre. Unabhängig davon, dass das Gutachten nebst ergänzender Stellungnahme schon an durchgreifenden inhaltlichen Mängeln sowohl in diagnostischer als auch in sozialmedizinischer Hinsicht leidet - insoweit nimmt der Senat vollumfänglich auf die entsprechenden Ausführungen der H3 in ihren (als qualifiziertes Beteiligtenvorbringen verwertbaren) sozialmedizinischen Stellungnahmen vom 07.09.2022, 20.02.2023 und 24.03.2023 Bezug und macht sich diese zu eigen -, hat der Wahlsachverständige lediglich pauschal und ohne weitere Begründung behauptet, die von ihm angenommene (nicht ansatzweise überzeugende) Leistungseinschätzung bestehe „auch schon vor Ende 2021“; dies ist indes mitnichten geeignet, eine Erwerbsminderung des Klägers bereits spätestens Ende August 2019 zu begründen. Eine solche ist auch nicht begründbar, wie oben bereits dargelegt worden ist. Soweit L1 höhergradige Einschränkungen des Klägers auf Grundlage seiner Untersuchung am 21.07.2022 (nur) behauptet hat (s. dazu die berechtigte Kritik von H3), erschließt sich schon nicht, warum dies den von R1 ein Jahr zuvor (sic!) erhobenen klinischen Befund in Frage stellen sollte. Darauf kommt es aber - wie dargelegt - nicht weiter entscheidend an, weil eine zeitliche Leistungsminderung spätestens zum 31.08.2019 nachgewiesen sein müsste, was nicht der Fall ist (s.o.).
Keinerlei Relevanz hat damit auch die Behauptung des Klägers, im Zuge einer mündlichen Verhandlung vor dem SG im Dezember 2019 „zusammengebrochen“ zu sein, seine Hinweise auf die ärztlichen Berichte des Universitätsklinikums vom 23.11.2021, 30.01.2023, 27.02.2023 und 13.10.2023 und sein Verhalten („Eindruck“) sowie seine Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem SG respektive sein aktueller Gesundheitszustand. Dies alles betrifft den Zeitraum deutlich nach dem 31.08.2019 und gibt keinen Aufschluss über eine spätestens zu diesem Zeitpunkt eingetretene - und seither durchgehend bestehende (sic!) - Erwerbsminderung.
Schließlich hilft auch die Auskunft des Allgemeinmediziners M1 (gegenüber dem SG) nicht weiter. Er hat sich ohnehin nicht zu einer Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit des Klägers in der Lage gesehen - geschweige denn für die Zeit bis 31.08.2019 - und eine besondere Fachkompetenz für das neurologische und psychiatrische Fachgebiet ist bei ihm nicht erkennbar.
Sonstige (internistische) Gesundheitsstörungen, die geeignet wären, eine zeitliche Leistungslimitierung des Klägers für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung der o.a. qualitativen Einschränkung spätestens am 31.08.2019 zu begründen, sind nicht ersichtlich. Insbesondere hat eine solche hinsichtlich der arteriellen Hypertonie sowie der seit Jahrzehnten beim Kläger bestehenden chronischen Hepatitis B, die medikamentös therapiert wird, keiner der gehörten Ärzte auch nur behauptet, nicht einmal die Klägerseite.
Unter Zugrundelegung all dessen hat der Senat keinerlei Zweifel, dass der Kläger jedenfalls auch noch am 31.08.2019 in der Lage gewesen ist, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung qualitativer Einschränkungen (s.o.) mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten, sodass eine Erwerbsminderung im Zeitraum vom Monat der Rentenantragstellung an bis zum letztmaligen Vorliegen der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht vorgelegen hat; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 Halbsatz 2 SGB VI) und auch der Umstand, dass beim Kläger seit April 2011 die Schwerbehinderteneigenschaft festgestellt ist, hat keinerlei Bedeutung, weil ein GdB nichts über die zumutbare berufliche Einsetzbarkeit eines Versicherten aussagt (BSG 19.09.2015, B 13 R 290/15 B, in juris, Rn. 5).
Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist vorliegend - bezogen auf den Zeitraum von April bis Ende August 2019 - nicht erforderlich (vgl. BSG 14.09.1995, 5 RJ 50/94, in juris, auch zum Nachfolgenden). Denn nach der Rechtsprechung des BSG steht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist. Nur ausnahmsweise ist für einen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Versicherten wie den Kläger mit zumindest sechsstündigem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich, wenn die Erwerbsfähigkeit durch mehrere schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen oder eine besonders einschneidende Behinderung gemindert ist. In der Rechtsprechung des BSG sind bestimmte Fälle anerkannt (z.B. Einarmigkeit, vgl. BSG a.a.O., m.w.N.), zu denen der vorliegende Fall aber nicht gehört. Vielmehr braucht eine Verweisungstätigkeit erst benannt zu werden, wenn die gesundheitliche Fähigkeit zur Verrichtung selbst leichter Tätigkeiten in vielfältiger, außergewöhnlicher Weise eingeschränkt ist. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Gegenständen über 5 kg, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag (BSG a.a.O.; BSG 27.04.1982, 1 RJ 132/80, in juris). Denn ein Teil dieser Einschränkungen stimmt bereits mit den Tätigkeitsmerkmalen einer körperlich leichten Arbeit überein; dies gilt insbesondere für die geminderte Fähigkeit, Lasten zu bewältigen und eine geringere Belastbarkeit der Wirbelsäule (BSG a.a.O.) mit den hierauf beruhenden Einschränkungen. Diese zur früheren Rechtslage entwickelten Grundsätze sind auch für Ansprüche auf Renten wegen Erwerbsminderung nach dem ab dem 01.01.2001 geltenden Recht weiter anzuwenden (vgl. zuletzt BSG 11.12.2019, B 13 R 7/18 R, in juris). Nicht anders liegt der Fall des Klägers. Auch bei ihm wird den qualitativen Einschränkungen (s.o.) im Wesentlichen bereits dadurch Rechnung getragen, dass ihm für den eingangs genannten Zeitraum nur noch leichte Arbeiten zugemutet werden.
Schließlich hat beim Kläger im maßgeblichen Zeitraum bis Ende August 2019 auch keine überdauernde schwere spezifische Leistungsbehinderung in Gestalt einer Einschränkung seiner Wegefähigkeit (vgl. dazu nur BSG 12.12.2011, B 13 R 79/11 R, in juris, Rn. 20 m.w.N.) vorgelegen. Eine solche lässt sich namentlich aus den Entlassungsberichten vom 04.04.2019 und 29.07.2019 nicht ansatzweise herleiten; insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Lediglich am Rande merkt der Senat an, dass der Sachverständige R1 noch im Juli 2021 beim Kläger befundgestützt lediglich eine leichtgradige Einschränkung der Gehfähigkeit beim Kläger zu objektivieren vermocht und dargelegt hat, dass die Tremorsymptomatik lediglich leicht ausgeprägt ist, ebenso wie bereits dereinst im Jahr 2017 von den behandelnden Ärzten beschrieben. Die gegenteiligen Ausführungen des SG liegen schon deshalb - unabhängig davon, dass es auf die Wegefähigkeit des Klägers nach dem 31.08.2019 ohnehin nicht entscheidend ankommt - gänzlich neben der Sache, weil R1 seiner ärztlich-sachverständigen Beurteilung die subjektiven Beschwerdeangaben und -demonstrationen des Klägers sehr wohl zugrunde gelegt hat, freilich nur insoweit, wie diese mit dem objektiv-klinischen Befund in Übereinstimmung zu bringen gewesen sind. Dass der Sachverständige beim Gehen des Klägers Auffälligkeiten beschrieben hat, steht außer Frage, denn diese sind im Gutachten dokumentiert. Ebenso hat R1 aber sachverständig begründet, dass die objektivierbaren Auffälligkeiten gerade keine Einschränkung der Wegefähigkeit im obigen Sinne begründen. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Der entscheidungserhebliche medizinische Sachverhalt ist hinreichend geklärt. Insbesondere die sozialmedizinischen Stellungnahmen der H2 und E1 sowie der Fachärztin K1 auf der Grundlage der aktenkundig ärztlich dokumentierten klinischen Befunde - einschließlich des Gutachtens des Facharztes B1 und des Entlassungsberichts der Reha-Ärzte in B3 - haben dem Senat die erforderlichen Grundlagen für seine Überzeugungsbildung vermittelt. Weder aus dem Sachverständigengutachten des R1, noch aus dem des L1 hat sich irgendetwas ergeben, was auf eine Erwerbsminderung des Klägers spätestens am 31.08.2019 auch nur hindeutet, im Gegenteil, R1 hat dies klar verneint. Auf den Gesundheitszustand des Klägers nach dem 31.08.2019 respektive auf seinen aktuellen Zustand kommt es vorliegend nicht an. Ohnehin müssen die Gerichte ohne konkrete Anhaltspunkte nicht ins Blaue hinein ermitteln (dazu statt vieler nur BSG 24.02.2021, B 13 R 79/20 B, in juris, Rn. 14 m.w.N., auch zur Rspr. des Bundesverfassungsgerichts).
Nach alledem kann das angefochtene Urteil des SG keinen Bestand haben, weshalb es im Rahmen des Berufungsantrags der Beklagten aufzuheben und die Klage abzuweisen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.