Die Nachbesetzung einer Arztstelle im MVZ setzt voraus, dass der ausscheidende Arzt und der prospektive neue Stelleninhaber derselben Arztgruppe im Sinne der Regelungen der Bedarfplanung angehören und das Tätigkeitsspektrum des neuen Angestellten dem des vorigen im Wesentlichen entspricht (Anschluss an BSG, Urteil vom 19.10.2011 - B 6 KA 23/11 R -; BSG, Urteil vom 02.07.2014 - B 6 KA 23/13 R -; beide in juris). An Letzterem fehlt es, wenn der prospektive neue Stelleninhaber über eine andere fachliche Qualifikation (hier Internist mit Schwerpunkt Hämatologie und Onkologie) verfügt, so dass es ihm nicht erlaubt ist, die Patienten seines Vorgängers (hier Internist mit Schwerpunkt Rheumatologie) zu behandeln.
Das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 10.11.2022 sowie der Bescheid des Beklagten vom 11.03.2021 (Beschluss vom 21.10.2020) werden aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 60.000 € festgesetzt.
Tatbestand
Im Streit steht die Nachbesetzung einer Arztstelle.
Die Beigeladene zu 1) ist Trägerin eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) mit Vertragsarztsitz in der L1-straße, in S1. Das MVZ ist seit 01.07.2010 zur vertragsärztlichen Tätigkeit in den Fachgebieten Innere Medizin mit der Zuordnung zur fachärztlichen Versorgung und Innere Medizin mit der Zuordnung zur hausärztlichen Versorgung zugelassen. Bis 30.04.2018 beschäftigte das MVZ auf Grundlage der Genehmigung des Zulassungsausschusses für Ärzte vom 22.09.2016 S2 (im Folgenden S), Facharzt für Innere Medizin mit der Berechtigung zum Führen der Schwerpunktbezeichnung Rheumatologie mit der Zuordnung zur fachärztlichen Versorgung, als angestellten Arzt mit einem Umfang der Arbeitszeit von 32 Wochenstunden. Mit Beschluss vom 14.06.2018 stellte der Zulassungsausschusses das Ende dieser Genehmigung zum 30.04.2018 fest. Mit Beschluss vom 24.10.2018 gab er dem Antrag der Beigeladenen zu 1) auf Verlängerung der Frist zur Nachbesetzung der Angestelltenstelle bis zum 30.04.2019 statt.
Das MVZ beschäftigte außerdem seit 07.07.2016 C1 (im Folgenden C), Facharzt für Innere Medizin mit der Berechtigung zum Führen der Schwerpunktbezeichnung Hämatologie und Internistische Onkologie, mit der Zuordnung zur hausärztlichen Versorgung als angestellten Arzt, zunächst im Umfang von 20 Wochenstunden (Beschluss des Zulassungsausschusses vom 06.07.2016). Mit Vertrag vom 11.04.2019 vereinbarte die Beigeladene zu 1) mit C aufschiebend bedingt, für den Fall, dass der Zulassungsausschuss die Nachbesetzung der Stelle von S durch ihn genehmigt, die Weiterbeschäftigung im Umfang von 40 Wochenstundenzahl im fachärztlichen anstatt hausärztlichen Bereich.
Am 30.04.2019 beantragte die Beigeladene zu 1) die Genehmigung der Anstellung von C, Facharzt für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Hämatologie und Internistische Onkologie, mit der Zuordnung zur fachärztlichen Versorgung im Umfang von 40 Wochenstunden zu erteilen. Zur Begründung des Antrags wurde ausgeführt, man habe sich intensiv um die Nachbesetzung der angestellten Stelle von S mit einem Fachinternisten mit dem Schwerpunkt Rheumatologie bemüht. Alle Bemühungen seien erfolglos geblieben, so dass zwangsläufig die Angestelltenstelle mit einem Facharzt für Innere Medizin ohne rheumatologischen Schwerpunkt nachbesetzt werden müsse.
Mit Beschluss vom 13.06.2019 lehnte der Zulassungsausschuss den Antrag der Beigeladenen zu 1) ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setze eine Nachbesetzung voraus, dass der ausscheidende Arzt und der neue Stelleninhaber derselben Arztgruppe im Sinne der Regelungen zur Bedarfsplanung angehörten und dass der Umfang und Inhalt der Tätigkeit einander im Wesentlichen entspreche. Letzteres sei vorliegend nicht der Fall.
Dem Widerspruch der Beigeladenen zu 1) vom 20.11.2019 gab der Beklagte mit Beschluss vom 21.10.2020 (Bescheid vom 11.03.2021) statt. Er hob die Entscheidung des Zulassungsausschusses auf und erteilte die begehrte Genehmigung mit Wirkung zum 22.10.2020. Zugleich stellte der Beklagte das Ende der Beschäftigung von C, Facharzt für Innere Medizin mit der Zuordnung zur hausärztlichen Versorgung, als angestellten Arzt mit einer Arbeitszeit von 40 Wochenstunden zum 21.10.2020 fest.
Mit Beschluss vom 07.01.2022 ordnete das Sozialgericht Stuttgart (SG) die sofortige Vollziehung des Beschlusses vom 21.10.2020 an (S 12 KA 3646/21 ER).
Am 08.04.2021 hat die Klägerin beim SG Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, eine inhaltliche Übereinstimmung der vertragsärztlichen Tätigkeit eines Facharztes für Innere Medizin, Schwerpunkt Rheumatologie, und eines Facharztes für Innere Medizin, Schwerpunkt Hämatologie und Internistische Onkologie, sei nicht gegeben. Das Leistungsspektrum beider Schwerpunkte sei grundlegend verschieden und mit ganz unterschiedlichen abrechenbaren Leistungen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM) hinterlegt. Die Nachbesetzung einer Arztstelle mit dem Schwerpunkt Rheumatologie durch einen Fachinternisten mit dem Schwerpunkt Hämatologie und Internistische Onkologie führe zu einer Veränderung der Versorgungssituation. Die Versorgung und Behandlung der rheumatologischen Patienten sei dadurch nicht mehr sichergestellt. Da durch die Nachbesetzung einer Arztstelle in einem MVZ gemäß § 103 Abs. 4a Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) a.F. die Aufrechterhaltung der bestehenden Struktur gesichert werden solle, könne der Schwerpunkt bei der Nachbesetzung einer Arztstelle nicht außer Acht gelassen werden. Die Nachbesetzung mit einem anderen Schwerpunkt führe nicht zur Strukturerhaltung eines MVZ, sondern zu dessen Veränderung, was gerade nicht gewünscht sei. Das Erfordernis der Angehörigkeit derselben Arztgruppe ergebe sich aus dem Umstand, dass die Möglichkeit zur Nachbesetzung der Arztstelle gemäß § 103 Abs. 4a Satz 3 SGB V a.F. als Sonderregelung zur Zulassungsbeschränkung bei Überversorgung nach § 103 Abs. 1 bis 3 SGB V ausgestaltet sei. Dem Begriff „Nachbesetzung" könne dem Wortverständnis nach entnommen werden, dass durch § 103 Abs. 4a Satz 3 SGB V a.F. ausschließlich die Fortführung des MVZ in seiner bestehenden Struktur ermöglicht werden solle, ohne neue Strukturen zu schaffen. Bei dem Begriff der selben Arztgruppe sei zu berücksichtigen, dass die bedarfsplanerische Zuordnung der Fachgebiete nicht vollständig der weiterbildungsrechtlichen entspreche. Die bedarfsplanungsrechtliche Zuordnung stelle bei verschiedenen Fachgebieten einer Arztgruppe immer auf eine übereinstimmende und gemeinsame Versorgungsrichtung ab. Daher sei in diesem Rahmen eine Übereinstimmung der vertragsärztlichen Tätigkeit in Anlehnung an die Praxisfortführung zu fordern. Nach der Rechtsprechung des BSG kämen im Rahmen der Praxisnachfolge keine Ärzte in Betracht, welche eine vollständig andere fachliche Ausrichtung hätten als der Praxisabgeber. Dieser inhaltliche Bezug zu der Tätigkeit des Vorgängers lasse sich den Begriffen „Nachfolger" bzw. „fortführen" entnehmen. Von einer Fortführung könne nur gesprochen werden, wenn die Tätigkeit in gleicher Weise fortgesetzt werde. Folglich könne ein Nachfolger nur eine Person sein, die nach ihrem Profil dem Vorgänger entspreche. Richtig sei, dass nach ständiger Rechtsprechung die Nachbesetzung einer Angestelltenstelle mit dem vorherigen Praxisbetrieb nicht so eng verbunden sei, wie dies bei der Praxisfortführung i.S.d. § 103 Abs. 4 SGB V gefordert werde. Wenn das BSG die inhaltliche Übereinstimmung der Tätigkeit des ausscheidenden und des für die Nachbesetzung vorgesehenen Arztes verlange und hierfür die Formulierung „Nachbesetzung" verwende, könne nichts Anderes gelten als bei der Praxisnachfolge. Der prospektive neue Stelleninhaber müsse in der Lage sein, die bisherigen Patienten weiter zu behandeln, was ein identisches Tätigkeitsspektrum voraussetze. Da die Bedarfsplanung auch das Ziel verfolge, eine ausreichende und gleichmäßige Versorgung zu gewährleisten, sei bei einer Nachbesetzung einer Angestelltenstelle das Leistungsangebot des bisherigen Stelleninhabers im Wesentlichen fortzuführen. Richtigerweise entnehme der Beklagte dem Urteil des BSG vom 02.07.2014, dass eine Anknüpfung an das Kriterium der beruflichen Eignung ausgeschlossen sei. Zu beachten sei jedoch, dass es sich bei dem zitierten Urteil um die Nachbesetzung einer Angestelltenstelle innerhalb der Arztgruppe der Psychotherapeuten gehandelt habe, bei der aufgrund der Arztgruppenangehörigkeit die vertragsärztlichen Leistungen beider Stelleninhaber im Wesentlichen übereingestimmt hätten und damit ein weitgehend identisches Leistungsspektrum zu bejahen gewesen sei. Sowohl ärztliche als auch psychologische Psychotherapeuten erbrächten psychotherapeutische Leistungen, sodass die grundsätzliche Versorgungsausrichtung dieselbe sei. Der Argumentation des Beklagten, dass die Nachbesetzung einer Arztstelle nicht vom Richtlinienverfahren abhängig gemacht werden könne, sei zuzustimmen. Dem, dass dies auch für den fehlenden identischen Schwerpunkt gelten solle, könne nicht gefolgt werden. Das BSG verlange bei einer Nachbesetzung neben der Zugehörigkeit zur selben Arztgruppe auch die wesentliche Übereinstimmung in Umfang und Inhalt der Tätigkeit. Anders als bei den Richtlinienverfahren werde bei der Schwerpunktbezeichnung auf die fachlich-inhaltliche Übereinstimmung abgestellt. Dabei werde nicht an die Fachgebietsidentität, sondern vielmehr auf das Weiterbildungsrecht und die dortige Differenzierung in Gebiets-, Facharzt- und Schwerpunktkompetenz angeknüpft. Denn erst diese definiere das vertragsärztliche Leistungsspektrum, insbesondere bei den Fachinternisten. Darauf, dass die Nachbesetzung der Arztstelle trotz intensiver Bemühungen erfolglos geblieben sei, komme es nicht an. Mit der vom Gesetzgeber geschaffenen Sonderregelung, die bei der Nachbesetzung in MVZs keine Ausschreibung durch die Kassenärztliche Vereinigung und damit keine Bewerberauswahl durch die Zulassungsgremien vorsehe, ende der Schutzgedanke des Art. 14 Grundgesetz (GG). Mit diesen Privilegien werde dem Schutz des Art. 14 GG ausreichend Rechnung getragen. Die Beachtung der intensiven Bemühung spiele bei der Nachbesetzung einer Arztstelle lediglich bei der Verlängerung der Sechs-Monats-Frist eine Rolle. § 103 Abs. 4a Satz 5 SGB V regele in der Fassung vom 01.01.2020, dass die Nachbesetzung einer Arztstelle in einem MVZ bei Zulassungsbeschränkungen möglich sei, wenn ihr Festlegungen nach § 101 Abs. 1 Satz 8 SGB V nicht entgegenstünden. Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) könne nach § 101 Abs. 1 Satz 8 SGB V innerhalb einzelner Arztgruppen nach Fachgebieten, Fachkompetenzen oder Schwerpunktkompetenzen differenzierte Mindest- und Höchstversorgungsanteile festlegen. Diese seien richtigerweise bei der Nachbesetzung von Angestelltenstellen innerhalb der Arztgruppe der Fachinternisten zu berücksichtigen. Demnach könne, wenn eine generelle schwerpunktübergreifende Nachbesetzung möglich sein sollte, eine solche Nachbesetzung auch mit der Einschränkung des § 103 Abs. 4a Satz 5 Halbs. 2 SGB V erfolgen. Bei Erreichung der gesetzlich geregelten Quote sei der hier zu entscheidende Sachverhalt nach der Gesetzeslage zum 01.01.2020 gerade nicht anders zu beurteilen.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat erwidernd vorgetragen, hinsichtlich der Übereinstimmung des Tätigkeitsspektrums des Vorgängers und des Tätigkeitsspektrums des Nachfolgers differenziere das BSG zwischen der Praxisnachfolge gemäß § 103 Abs. 3a, 4 SGB V und der Nachbesetzung gemäß § 103 Abs. 3 Satz 3 a.F./Abs. 4b Satz 3 a.F. SGB V. Für die Praxisnachfolge gemäß § 103 Abs. 3a, 4 SGB V gälten strenge Anforderungen hinsichtlich der Kontinuität des Praxisbetriebs. Hier kämen – ganz unabhängig von der Frage, ob eine Auswahl zwischen mehreren Bewerbern unter Berücksichtigung der beruflichen Einigung vorzunehmen sei, oder ob nur ein einziger Bewerber existiere – von vornherein keine Ärzte in Betracht, die eine vollständig andere fachliche Ausrichtung hätten als der die Praxis abgebende Arzt. Aus dem Begriff „fortführen“ in § 103 Abs. 4 Satz 4 SGB V werde vom BSG eine weitest mögliche Kontinuität des Praxisbetriebs abgeleitet. Daran fehle es, wenn der Nachfolger nicht in der Lage sei, die bisherigen Patienten der Praxis zu behandeln, weil er nicht über die erforderliche Qualifikation verfüge. Ob diese strengen Anforderungen des BSG an eine weitest mögliche Kontinuität des Praxisbetriebs im – hier nicht einschlägigen – Verfahren gemäß § 103 Abs. 3a, 4 SGB V der schwerpunktübergreifenden Nachbesetzung innerhalb der Arztgruppe der Fachinternisten im hier relevanten Zeitpunkt der Antragstellung (30.04.2019) entgegengestanden habe, sei noch nicht Gegenstand einer höchstrichterlichen Entscheidung gewesen. Die Tatsache, dass für die Tätigkeit des Rheumatologen und für die Tätigkeit des Hämato-/Onkologen unterschiedliche Abschnitte im EBM vorgesehen seien (Abschnitt 13.3.8 EBM und Abschnitt 13.3.4 EBM), deute auf unterschiedliche fachliche Ausrichtungen hin. In der Standardliteratur werde die Qualifikation im Sinne des Weiterbildungsrechts, d.h. Fachgebiete, Schwerpunktbezeichnungen und Zusatzbezeichnungen, jedoch dem Auswahlkriterium der beruflichen Eignung gemäß § 103 Abs. 4 Satz 5 Nr. 1 SGB V zugeordnet. Daher stehe bei Fachinternisten die fehlende Übereinstimmung im Schwerpunkt zum Zeitpunkt der Antragstellung jedenfalls nicht grundsätzlich der Nachbesetzung gemäß § 103 Abs. 3a, 4 SGB V entgegen. Sei die Praxis von einem Fachinternisten mit dem Schwerpunkt Rheumatologie geführt worden, sei ein Nachfolger mit dem Schwerpunkt Rheumatologie im Hinblick auf das Ermessenskriterium der beruflichen Eignung im Sinne von § 103 Abs. 4 Satz 5 Nr. 1 SGB V zwar zu bevorzugen. Sei aber nur ein Bewerber mit der Schwerpunktbezeichnung Hämatologie und Internistische Onkologie vorhanden, dürfe dies der Nachbesetzung hiernach nicht entgegenstehen. Für die – hier relevante – Nachbesetzung gemäß § 103 Abs. 4a Satz 3 a.F. SGB V würden vom BSG deutlich weniger strenge Anforderungen an die Übereinstimmung hinsichtlich der fachlichen Ausrichtung gestellt: Eine „Nach“besetzung sei begrifflich dem vorherigen Praxisbetrieb nicht so eng verbunden, wie dies bei einer Praxis„fortführung“ der Fall sei. Aus der Begründung des Gesetzesentwurfs lasse sich kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass der Gesetzgeber mit dem Nachbesetzungstatbestand des § 103 Abs. 4a Satz 3 a.F. SGB V ungeachtet der abweichenden Begriffswahl (Nachbesetzung statt Praxisnachfolge oder -fortführung) an die Rechtsprechung zu § 103 Abs. 3a, 4 SGB V habe anknüpfen wollen. Vor diesem Hintergrund könne nach Auffassung des BSG die Nachbesetzung der Stelle in einem MVZ nicht davon abhängig gemacht werden, dass der Nachfolger dasselbe Richtlinienverfahren (tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, analytische Psychotherapie, Verhaltenstherapie) im Sinne der Psychotherapie-Richtlinie erbringen dürfe und erbringe wie der ausscheidende Stelleninhaber. Dabei sei zu berücksichtigen, dass es sich bei dem psychoanalytisch begründeten und dem verhaltenstherapeutischen Behandlungsverfahren um unterschiedliche Versorgungsangebote handele. Den psychoanalytisch begründeten und den verhaltenstherapeutischen Behandlungsverfahren komme nach Auffassung des BSG bedarfsplanungsrechtlich je eigenständige Bedeutung zu, so dass sich eine verfahrensübergreifende Beurteilung der Versorgungslage verbiete; diese Behandlungsverfahren seien vielmehr eigenständig entsprechend einem Schwerpunkt im Sinne von § 37 Abs. 2 Satz 1 Bedarfsplanungs-Richtlinie (BedarfsplRL) zu beurteilen. Für eine schwerpunktübergreifende Nachbesetzung bei den Fachinternisten könne nichts Anderes gelten. Ein Psychologischer Psychotherapeut, der Verhaltenstherapien anbiete, habe völlig andere Patienten als ein Psychotherapeut, der psychoanalytisch begründete Verfahren durchführe. Wenn daher die Nachbesetzung gemäß § 103 Abs. 4a Satz 3 a.F. SGB V verfahrensübergreifend zulässig sei, erfordere die „Nachbesetzung“ i.S.v. § 103 Abs. 4a Satz 3 SGB V a.F. nicht unbedingt, dass die Patienten des Vorgängers von dem Nachfolger auch weiterbehandelt werden könnten. Ebenso könne bei Fachinternisten mit unterschiedlichen Schwerpunkten die Nachbesetzung der Stelle in einem MVZ nicht davon abhängig gemacht werden, dass der Nachfolger Leistungen desselben Schwerpunktes erbringen dürfe und erbringe wie der ausscheidende Stelleninhaber. Unverkennbar führe die Nachbesetzung einer Arztstelle mit dem Schwerpunkt Rheumatologie durch einen Fachinternisten mit dem Schwerpunkt Hämatologie und Internistische Onkologie zu einer Veränderung der Versorgungssituation. Zu einer vergleichbaren Veränderung der Versorgungssituation führe aber auch die Nachbesetzung eines Stelleninhabers, der (mit entsprechendem Patientengut) psychoanalytisch begründete Verfahren durchgeführt habe, durch einen Nachfolger, der Verhaltenstherapien durchführe. Nach § 103 Abs. 4a Satz 5 Halbs. 2 SGB V i.d.F. des MDK-Reformgesetzes vom 14.12.2019 sei die Nachbesetzung einer Arztstelle in MVZs nicht möglich, „soweit der Nachbesetzung Festlegungen nach § 101 Abs. 1 Satz 8 entgegenstehen“. Diese Regelung zeige, dass auch nach den Vorstellungen des Gesetzgebers in Bezug auf Fachinternisten eine schwerpunktgleiche Nachbesetzung möglich sei, sofern Festlegungen nach § 101 Abs. 1 Satz 8 SGB V nicht entgegenstünden. Wäre eine solche schwerpunktübergreifende Nachbesetzung nicht möglich, hätte es dieser Regelung durch das MDK-Reformgesetz nicht bedurft. Nach § 101 Abs. 1 Satz 8 SGB V könne nämlich der GBA innerhalb der einzelnen Arztgruppen nach Fachgebiet, Facharztkompetenzen oder Schwerpunktkompetenzen differenzierte Mindest- oder Höchstversorgungsanteile für Ärzte dieser Fachgebiete oder für Ärzte mit entsprechenden Facharztkompetenzen oder Schwerpunktkompetenzen festlegen. Die schwerpunktgleiche Nachbesetzung sei jedoch stets möglich, auch wenn die festgelegten Höchstversorgungsanteile erreicht oder überschritten seien. Wenn aber – wie die Klägerin ausführe – von vornherein (also unabhängig von Höchstversorgungsanteilen) keine schwerpunktübergreifende Nachbesetzung in Betracht käme, wäre die Ergänzung durch das MDK-Reformgesetz in § 103 Abs. 4 Satz 5 Halbs. 2 SGB V überflüssig. Auch der GBA gehe von der grundsätzlichen Möglichkeit einer schwerpunktübergreifenden Nachbesetzung bei den Fachinternisten aus (unter Verweis auf die tragenden Gründe zum Beschluss des GBA über Änderungen zur Weiterentenwicklung der BPL-RL vom 16.05.2019, S. 12). Außerdem dürfe auch mit Blick auf Art. 14 Abs. 1 GG nicht außer Acht gelassen werden, dass der Beigeladenen zu 1) trotz intensiven Bemühens die Nachbesetzung mit einem Rheumatologen schlicht nicht möglich gewesen sei.
Mit Beschluss vom 12.05.2021 hat das SG die aus dem Rubrum ersichtlichen Beiladungen vorgenommen.
Die Beigeladene zu 1) hat ausgeführt, eine Übereinstimmung der vertragsärztlichen Tätigkeit in Anlehnung an die Praxisfortführung sei – entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin – bei der Nachbesetzung nicht erforderlich. Das BSG beurteile die Praxisnachfolge gem. § 103 Abs. 3a und Abs. 4 SGB V anders als die Nachbesetzung gem. § 103 Abs. 4a Satz 3 SGB V a.F. Dem BSG zufolge komme es nicht auf ein identisches Tätigkeitsspektrum an, sondern darauf, dass die vertragsärztlichen Leistungen im Wesentlichen übereinstimmten. Zu der Frage, ob dies bei identischer Arztgruppe, aber unterschiedlichen Schwerpunkten angenommen werden könne, äußere sich das BSG nicht. Es habe jedoch entschieden, dass die Nachbesetzung der Stelle in einem MVZ nicht davon abhängig gemacht werden könne, dass der Nachfolger dasselbe Richtlinienverfahren im Sinne der Psychotherapie-Richtlinie erbringen dürfe wie der ausscheidende Stelleninhaber. Nach dem BSG seien diese Behandlungsverfahren eigenständig entsprechend einem Schwerpunkt im Sinne von § 37 Abs. 2 Satz 1 BedarfsplRL zu beurteilen. Die Rechtsprechung des BSG sei also auf den vorliegenden Fall übertragbar. In diesem Zusammenhang ließen sich auch Schlüsse daraus ziehen, dass der Richtliniengeber in § 13 Abs. 6 BedarfsplRL nunmehr Quotenregelungen eingeführt habe, die gem. § 103 Abs. 4a Satz 5 SGB V n.F. i.V.m. § 101 Abs. 1 Satz 8 SGB V auch im Rahmen der Nachbesetzung von Anstellungen zu berücksichtigen seien. Zweck dieser Quotenregelungen sei es, zu verhindern, dass bei der Nachbesetzung von Zulassungen und Arztstellen einzelne Schwerpunkte aus der Versorgung im Gebiet der Innere Medizin verdrängt würden. Der Richtliniengeber habe über die Maximal- und Mindestquoten hinaus jedoch in § 13 Abs. 6 BedarfsplRL auch Bestandsschutzregelungen aufgenommen. Die Nachbesetzung von Arztsitzen mit gleichem Schwerpunkt solle also weiterhin – ungeachtet der Erfüllung der Quoten – möglich sein. Dementsprechend müsse im Umkehrschluss davon ausgegangen werden, dass der Richtliniengeber eine schwerpunktübergreifende Nachbesetzung bis zum Inkrafttreten des § 13 Abs. 6 BedarfsplRL für zulässig gehalten habe. Hätten der Gesetzgeber und der GBA als Normgeber der BedarfsplRL die schwerpunktübergreifende Nachbesetzung für unzulässig erachtet, hätte es der Quotenregelung, die sich aus § 101 Abs. 1 Satz 8 SGB V und aus § 13 Abs. 6 BedarfsplRL ergebe, nicht bedurft. Somit sei zum entscheidenden Zeitpunkt der Antragsstellung die schwerpunktübergreifende Nachbesetzung einer Arztstelle in der Arztgruppe der Fachinternisten zulässig gewesen. Im Übrigen seien auch die umfangreichen Bemühungen der Beigeladenen zu 1) zu berücksichtigen, die Arztstelle mit einem Fachinternisten mit dem Schwerpunkt Rheumatologie nachzubesetzen. Es erschließe sich nicht, weshalb die Klägerin einerseits auf die Veränderung der Versorgungssituation bei einer schwerpunktübergreifenden Nachbesetzung abstelle, andererseits aber außer Acht lasse, dass eine Nachbesetzung mit einem Fachinternisten mit dem Schwerpunkt Rheumatologie nicht möglich gewesen sei. Nach der Rechtsprechung des BSG verfalle eine unbesetzte Arztstelle nach sechs bzw. zwölf Monaten. Ein Wegfall der Arztstelle führe jedoch erst recht zu einer Verschlechterung der Versorgungssituation, sodass die Bemühungen der Beigeladenen zu 1) – auch im Hinblick auf Art. 14 GG – Beachtung finden müssten. Letztlich führe die Nachbesetzung der Arztstelle mit einem Hämato-/Onkologen dazu, dass die sowieso verbesserungswürdige onkologische Versorgung gestärkt werde.
Mit Urteil vom 10.11.2022 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die angefochtene Verwaltungsentscheidung sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Fachärztlich tätige Fachinternisten gehörten – unabhängig von ihrer Schwerpunktbezeichnung – nach der BedarfsplRL derselben Arztgruppe an. Durch die Nachbesetzung mit C sei zudem der Rahmen der bisherigen ärztlichen Tätigkeit in inhaltlicher Hinsicht im Wesentlichen eingehalten. Zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung sei eine schwerpunktübergreifende Nachbesetzung in der Arztgruppe der Fachinternisten zulässig gewesen. Entscheidendes Gewicht messe die Kammer dem Umstand bei, dass durch das MDK-Reformgesetz vom 14.12.2019 in § 103 Abs. 4a Satz 5 SGB V mit Wirkung vom 01.01.2020 ein neuer Halbsatz angefügt worden sei. Danach sei MVZs die Nachbesetzung einer Arztstelle, wenn Zulassungsbeschränkungen angeordnet seien, nicht möglich, soweit der Nachbesetzung Festlegungen nach § 101 Abs. 1 Satz 8 SGB V entgegenstünden. Diese Vorschrift wiederum bestimme, dass der GBA innerhalb der einzelnen Arztgruppen nach Fachgebieten, Facharztkompetenzen oder Schwerpunktkompetenzen differenzierte Mindest- oder Höchstversorgungsanteile für Ärzte dieser Fachgebiete oder für Ärzte mit entsprechenden Facharztkompetenzen oder Schwerpunktkompetenzen festlegen könne. Der GBA habe mit Beschluss vom 16.05.2019 Quotenregelungen bei den Fachinternisten eingeführt (§ 13 Abs. 6 BedarfsplRL). In der Gesetzesbegründung zum MDK-Reformgesetz werde hierauf ausdrücklich Bezug genommen und ausgeführt, die Änderung diene dazu, dass die Festlegungen des GBA zur Geltung von Höchstversorgungsanteilen einschließlich etwaiger Ausnahmeregelungen auch bei der Nachbesetzung von Arztsitzen zu beachten seien. Hiervon besonders betroffen sei die Arztgruppe der Fachinternisten, für die der GBA differenzierte Höchstversorgungsanteile für bestimmte Facharzt- und Schwerpunktkompetenzen sowie Teilgebietsbezeichnungen festgelegt habe. Aufgrund der für die Fachinternisten geltenden Zulassungsbeschränkungen könnten Arztsitze grundsätzlich nur im Wege des Nachbesetzungsverfahrens besetzt werden. Die festgelegten Höchstversorgungsanteile würden ins Leere laufen, wenn sie allein für die Erteilung der Erstzulassung und Anstellungsgenehmigung, nicht aber im Nachbesetzungsverfahren Anwendung fänden (unter Verweis auf BT-Drs. 19/14871, S. 109 f.). Für die Nachbesetzung von Arztstellen in einem MVZ enthalte die Gesetzesbegründung keine abweichende oder zusätzliche Begründung, es werde lediglich festgehalten, dass die Festlegungen des GBA zur Geltung von Höchstversorgungsanteilen einschließlich etwaiger Ausnahmeregelungen auch hier zu beachten seien. Hieraus ergebe sich, dass der Gesetzgeber gerade im Blick auf die Arztgruppe der Fachinternisten eine schwerpunktübergreifende Nachbesetzung – und zwar sowohl von Arztsitzen als auch von Arztstellen in einem MVZ – habe beschränken wollen. Eine solche Beschränkung sei indessen sinnlos, wenn eine schwerpunktübergreifende Nachbesetzung ohnehin unzulässig wäre. Nach Auffassung der u.a. mit einer Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie besetzten Kammer sei überdies die Rechtsprechung des BSG, der zufolge die Nachbesetzung der Stelle in einem MVZ nicht davon abhängig gemacht werden dürfe, dass der Nachfolger dasselbe Richtlinienverfahren (tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, analytische Psychotherapie, Verhaltenstherapie) im Sinne der Psychotherapie-Richtlinie erbringen dürfe und erbringe wie der ausscheidende Stelleninhaber (BSG, Urteil vom 02.07.2014 - B 6 KA 23/13 R -, BSGE 116, 173-185, Rn. 28), durchaus auf den Streitfall übertragbar. Denn ein Wechsel des Richtlinienverfahrens führe zu einer vergleichbaren Veränderung der Versorgungssituation. Da etwa eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und eine Verhaltenstherapie bei unterschiedlichen Krankheitsbildern zur Anwendung kämen und die eine nicht durch die andere ersetzt bzw. eine begonnene Therapie nicht in eine Therapie nach einem anderen Richtlinienverfahren übergeleitet werden könne, handele es sich um unterschiedliche Versorgungsangebote.
Gegen das ihr am 20.03.2023 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 18.04.2023 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Sie wiederholt ihre bisherige Argumentation. Ergänzend führt sie aus, das BSG bringe durch die Anforderung, dass die bisherige ärztliche Tätigkeit in inhaltlicher Hinsicht übereinstimmen müsse, klar zum Ausdruck, dass die Zugehörigkeit zur Arztgruppe nicht ausreichend sei. Vielmehr werde die Übereinstimmung der ärztlichen Tätigkeit gefordert. Dieser Anforderung sei insbesondere bei den Fachinternisten ein schweres Gewicht zuzusprechen. Im Gegensatz zu allen anderen Arztgruppen seien die Fachinternisten ganz besonders durch ihren Schwerpunkt geprägt. Auch der GBA anerkenne die immer tiefgreifendere Ausdifferenzierung der internistischen Versorgung. Gegen die Umsetzung einer Einzelbeplanung der Schwerpunkte in den Arztgruppen spreche für den GBA allein die Befürchtung, dass unerwünschte und unter Umständen unvorhersehbare Folgewirkungen in den Versorgungserfordernissen auftreten könnten. Der Auffassung des SG, dass die BSG-Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 02.07.2014 - B 6 KA 23/13 R) zu den Psychotherapeuten auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar sei, könne nicht gefolgt werden. Die Nachbesetzung einer Arztstelle mit dem Schwerpunkt Rheumatologie durch einen Fachinternisten mit dem Schwerpunkt Hämatologie und Internistische Onkologie führe zu einer Veränderung der Versorgungssituation.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 10.11.2022 sowie den Bescheid des Beklagten vom 11.03.2021 (Beschluss vom 21.10.2020) aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des SG und seinen Bescheid für zutreffend. Zur Begründung wiederholt er ebenfalls seine bisherige Argumentation.
Die Beigeladene zu 1) beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG ebenfalls für rechtmäßig und hat auf ihren Vortrag in der ersten Instanz verwiesen und diesen zusammengefasst.
Der Senat hat von der Klägerin die Fallzahlstatistiken von S für die Quartale 3/2017 bis 2/2018 beigezogen.
Die Beigeladenen zu 2) bis 7) haben keine Anträge gestellt und sich nicht zur Sache geäußert.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Klägerin und dem Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte und auf die Gerichtsakte erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Der Senat entscheidet in der Besetzung mit ehrenamtlichen Richtern aus dem Kreis der Krankenkassen und der Vertragsärzte, da es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).
II. Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig (§ 151 Abs. 1 SGG). Sie bedurfte nicht der Zulassung, weil die Klage keine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 1 SGG).
III. Die Berufung der Klägerin ist auch begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen.
1. Die Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 SGG) gegen den (allein streitgegenständlichen, st. Rspr., z.B. BSG, Urteil vom 16.05.2018 - B 6 KA 1/17 R -, in juris) Bescheid des Beklagten vom 11.03.2021 (Beschluss vom 21.10.2020) ist zulässig. Insbesondere ist die Klägerin als Kassenärztliche Vereinigung klagebefugt. Aufgrund der ihr übertragenen Verantwortung für eine den gesetzlichen Erfordernissen entsprechende Durchführung der vertragsärztlichen Versorgung (§ 75 Abs. 1 SGB V) werden Kassenärztliche Vereinigungen durch Entscheidungen der Zulassungs- und Berufungsausschüsse stets und unmittelbar in eigenen Rechten betroffen. Hieraus folgt ihre Befugnis, die Rechtswidrigkeit dieser Entscheidungen unabhängig von dem Nachweis eines darüber hinausgehenden konkreten rechtlichen Interesses im Einzelfall im Prozess geltend zu machen (BSG, Urteil vom 02.07.2014 - B 6 KA 23/13 R -, in juris, m.w.N.).
2. Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 11.03.2021 (Beschluss vom 21.10.2020) ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
a) Rechtsgrundlage der Genehmigung der Nachbesetzung einer Arztstelle im MVZ ist § 95 Abs. 2 Satz 5, 7, 8 und 9 i.V.m. § 103 Abs. 4a Satz 3 SGB V in der Fassung vom GKV-Versorgungsstrukturgesetzes (VStG) vom 22.12.2011 (BGBl. I 2983; im Folgenden: a.F.). Neuere Gesetzesfassungen wären nur dann zu berücksichtigen, wenn sie sich zugunsten des Antragstellenden auswirkten (vgl. BSG, Urteil vom 29.11.2017 - B 6 KA 31/16 R -, in juris). Dies ist hinsichtlich der mit dem MDK-Reformgesetz vom 14.12.2019 (BGBl. I 2789) geänderten und seit 01.01.2020 gültigen Fassung des § 103 Abs. 4a Satz 5 SGB V nicht der Fall, weil sie eine Einschränkung des Nachbesetzungsanspruchs vorsieht, soweit der Nachbesetzung Festlegungen nach § 101 Abs. 1 Satz 8 SGB V entgegenstehen (vgl. dazu § 13 Abs. 6 BedarfsplRL).
Nach diesen Rechtsgrundlagen bedarf die Anstellung eines Arztes in einem MVZ der Genehmigung des Zulassungsausschusses, die zu erteilen ist, wenn der Arzt in das Arztregister eingetragen ist. Anträge auf Genehmigung der Anstellung eines Arztes in einem MVZ sind abzulehnen, wenn bei Antragstellung für die dort tätigen Ärzte Zulassungsbeschränkungen wegen Überversorgung gemäß § 103 Abs. 1 Satz 2 SGB V angeordnet sind (§ 95 Abs. 2 Satz 9 SGB V a.F.). Die Nachbesetzung einer Arztstelle in einem MVZ ist – hiervon abweichend – auch beim Bestehen von Zulassungsbeschränkungen erlaubt (§ 103 Abs. 4a Satz 3 SGB V a.F.). Das MVZ kann demnach auch in gesperrten Planungsbereichen eine frei werdende Arztstelle nachbesetzen, wobei anders als im Praxisnachfolgeverfahren nach § 103 Abs. 4 SGB V keine Ausschreibung durch die Kassenärztliche Vereinigung und keine Bewerberauswahl durch den Zulassungsausschuss vorgesehen sind. Sinn und Zweck dieser Regelung ist, dass das „Ausbluten“ eines MVZ verhindert und der Bestand des MVZ und seine Handlungsfähigkeit gesichert werden sollen (BT-Drs. 15/1525, S. 74, 107, 112). Die darin liegende Privilegierung der MVZ ist ausreichend sachlich begründet, weil die spezifische Situation, dass jeder neu in ein MVZ eintretende Arzt sich in das MVZ einfügen und sich in dieses eingliedern lassen muss, es rechtfertigt, dem MVZ die alleinige Auswahlbefugnis zu geben (BSG, Urteil vom 19.10.2011 - B 6 KA 23/11 R -, in juris, Rn. 17). Die Regelungen werden aber im Lichte ihrer Zielsetzung dahingehend ausgelegt, dass sich bei einer Nachbesetzung die Anstellung des neuen Angestellten umfangmäßig im Rahmen der bisherigen Besetzung halten muss, d.h. sie darf deren Umfang nicht überschreiten (BSG, Urteil vom 19.10.2011 - B 6 KA 23/11 R -, in juris). Die Nachbesetzung einer Arztstelle im MVZ in überversorgten Bereichen setzt außerdem voraus, dass der ausscheidende Arzt und der prospektive neue Stelleninhaber derselben Arztgruppe im Sinne der Regelungen der Bedarfsplanung angehören (BSG, Urteil vom 02.07.2014 - B 6 KA 23/13 R -, in juris; BSG, Urteil vom 28.09.2016 - B 6 KA 40/15 R -, in juris). Zusätzlich muss das Tätigkeitsspektrum des neuen Angestellten dem des vorigen im Wesentlichen entsprechen (BSG, Urteil vom 19.10.2011 - B 6 KA 23/11 R -, in juris; BSG, Urteil vom 02.07.2014 - B 6 KA 23/13 R -, in juris). Darüber hinaus darf eine Nachbesetzung nicht beliebig hinausgezögert werden. Grundsätzlich gilt eine Sechs-Monats-Frist; wenn diese nicht eingehalten wird, erlischt das Recht auf Nachbesetzung; dem Zulassungsausschuss ist allerdings die Befugnis einzuräumen, die Frist in besonderen Fällen des Misslingens rechtzeitiger Nachbesetzbarkeit trotz erkennbar ernstlichen Bemühens nochmals um höchstens weitere sechs Monate zu verlängern (BSG, Urteil vom 19.10.2011 - B 6 KA 23/11 R -, in juris).
b) Unter Anwendung dieser Rechtsgrundlagen hat die Beigeladene zu 1) keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Genehmigung zur Anstellung von C.
C war bzw. ist im Arztregister eingetragen. Der Nachbesetzung durch C steht nicht entgegen, dass der Zulassungsbezirk der Beigeladenen zu 1) zum Zeitpunkt der Antragstellung für die Arztgruppe der fachärztlich tätigen Internisten gesperrt war. Er ist wie S Facharzt für Innere Medizin und mit Zuordnung zum fachärztlichen Versorgungsbereich bei der Beigeladenen zu 1) angestellt. Damit liegt eine Übereinstimmung der Fachgruppen im Sinne der Bedarfsplanung vor. Die Wochenarbeitszeit von 40 anstatt 32 Stunden hat keine Ausweitung der Überversorgung zur Folge, denn in beiden Fällen wird der Umfang der Tätigkeit mit einem Anrechnungsfaktor von 1,0 berücksichtigt (vgl. §§ 21, Abs. 3 Satz 1, 51 Abs. 1 der BedarfsplRL in der Fassung vom 20.12.2012, BAnz AT 31.12.2012 B7 vom 31.12.2012, in Kraft getreten am 01.01.2013, zuletzt geändert am 18.10.2018, BAnz AT 16.01.2019 B4 vom 16.01.2019, in Kraft getreten am 17.01.2019).
Neben der Übereinstimmung bezogen auf die Arztgruppe im Sinne der Bedarfsplanung sowie den Umfang der Anstellung setzt die Nachbesetzung einer Arztstelle im MVZ aber – wie oben dargelegt – zusätzlich voraus, dass der Rahmen der bisherigen ärztlichen Tätigkeit in inhaltlicher Hinsicht im Wesentlichen eingehalten wird. Dabei kommt es entscheidend darauf an, ob die Leistungen, zu deren Erbringung und Abrechnung der Vorgänger und der Nachfolger berechtigt sind, größtenteils übereinstimmen, wobei nach Auffassung des Senats das tatsächliche Abrechnungsverhalten entscheidend ist. Eine andere fachliche Qualifikation (hier: Schwerpunkt), die es dem Nachfolger nicht erlaubt, die Leistungen zu erbringen, die sein Vorgänger im Wesentlichen erbracht hat, steht begrifflich einer „Nachfolge“ entgegen, weil der Nachfolger damit nicht in der Lage wäre, die bisherigen Patienten weiter zu behandeln. Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Anforderungen an die Kontinuität des Praxisbetriebs bei einer Nachbesetzung im MVZ nicht denjenigen entsprechen, die an eine Praxisfortführung im Sinne von § 103 Abs. 4 SGB V zu stellen sind, weil die Nachbesetzung im MVZ nicht so eng mit dem Praxisbetrieb des Vorgängers verbunden ist, wie dies im Fall einer Praxisfortführung der Fall ist. Es findet kein unmittelbarer Übergang des Patientenstamms statt und der Nachfolger übernimmt auch nicht die Infrastruktur der Praxis, über die weiterhin der Träger des MVZ verfügt (vgl. BSG, Urteil vom 02.07.2014 - B 6 KA 23/13 R -, in juris). Es ist deshalb auch keine Fachgebietsidentität erforderlich (zu Psychologischen Psychotherapeuten und psychotherapeutisch tätigen Ärzten BSG, Urteil vom 02.07.2014 - B 6 KA 23/13 R -, in juris). Allein die Zugehörigkeit zur selben bedarfsplanungsrechtlichen Arztgruppe genügt demgegenüber nicht. Damit werden zwar Verwerfungen in der Bedarfsplanung verhindert. Der mit der Nachbesetzung in Kauf genommene Fortbestand der Überversorgung rechtfertigt sich aber nur vor dem Hintergrund des legitimen Ziels der Norm, dem MVZ die weitere (wirtschaftliche) Nutzung der vom Vorgänger aufgebauten Strukturen (Patientenstamm, ggf. Gerätschaften) durch Einsatz eines Nachfolgers zu ermöglichen. Eine Nutzung ist aber nur dann möglich, wenn das Leistungsspektrum beider weitgehend identisch ist.
Dies war vorliegend nicht der Fall. S war Facharzt für Innere Medizin mit der Berechtigung zum Führen der Schwerpunktbezeichnung Rheumatologie und erbrachte zuletzt im Wesentlichen rheumatologische Leistungen nach Kap. 13.3.8 EBM (vgl. Anlage zum Schriftsatz der Klägerin vom 06.05.2024). C kann als Facharzt für Innere Medizin ohne Berechtigung zum Führen der Schwerpunktbezeichnung Rheumatologie keine rheumatologischen Leistungen nach Kap. 13.3.8 EBM abrechnen. Er ist damit nicht in der Lage, die Patienten des S weiter zu behandeln, weil er nicht über die dafür erforderliche Qualifikation verfügt. C scheidet damit als Nachfolger im Sinne von § 103 Abs. 4a Satz 3 SGB V a.F. aus.
Hierin liegt keine Abweichung von der Entscheidung des BSG zur Nachbesetzung einer Stelle eines ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Arztes in einem MVZ durch einen Psychologischen Psychotherapeuten (Urteil vom 02.07.2014 - B 6 KA 23/13 R -, in juris). Im Fall der Psychotherapie sieht das Berufsrecht (die Facharztbezeichnungen) keine exklusive Zuordnung zu einem bestimmten Tätigkeitsgebiet vor. Dies ist vorliegend anders. Die Schwerpunktbezeichnung Rheumatologie ermöglicht exklusiv die Leistungen nach Kap. 13.3.8 EBM zu erbringen und abzurechnen.
Auch ergibt sich aus § 103 Abs. 4a Satz 5 Halbs. 2 SGB V i.d.F. des MDK-Reformgesetzes vom 14.12.2019 kein für den vorliegenden Fall abweichendes Ergebnis. Die Vorschrift findet hier keine Anwendung. Aus der Ergänzung durch das MDK-Reformgesetz („nicht, soweit der Nachbesetzung Festlegungen nach § 101 Abs. 1 Satz 8 entgegenstehen“) lässt sich zudem nicht schließen, dass nach der alten Gesetzesfassung ohne Weiteres, d.h. ohne die oben aufgeführten Kriterien, schwerpunktübergreifende Nachbesetzungen möglich gewesen wären.
Ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG liegt nicht vor. Allein der Umstand, dass ein (passender) Nachfolger nicht gefunden werden konnte, rechtfertigt keine Abweichung von den oben aufgezeigten Voraussetzungen für eine Nachbesetzung einer Angestelltenstelle im MVZ. Das MVZ ist bereits mit der Ausnahmebestimmung des § 103 Abs. 4a Satz 5 SGB V zur Nachbesetzung eines angestellten Arztes in einem gesperrten Versorgungsgebiet gegenüber Einzelpraxen und Berufsausübungsgemeinschaften privilegiert. Eine darüber hinausgehende Sonderbehandlung ist nicht angezeigt.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Danach hat der Beklagte als unterlegener Beteiligter die Kosten des Verfahrens zu tragen. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, da diese unterliegen bzw. keine eigenen Anträge gestellt haben (§ 162 Abs. 3 VwGO, vgl. BSG, Urteil vom 31.05.2006 - B 6 KA 62/04 R -, in juris).
V. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
VI. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 Hs. 1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2 S. 1, 52, 47 Gerichtskostengesetz (GKG). Geht es wie hier um die Genehmigung zur Anstellung eines Arztes, ist bezogen auf eine Vollzeitstelle, der Regelstreitwert pro Quartal für drei Jahre anzusetzen.