S 13 R 759/20

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 R 759/20
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 R 312/22
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 R 58/24
Datum
Kategorie
Gerichtsbescheid

I. Die Klage gegen den Bescheid vom 29.01.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.08.2020 wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

T a t b e s t a n d :
Zwischen den Beteiligten sind die von der Beklagten bei der Berechnung der Höhe der Rente des Klägers berücksichtigten Arbeitsentgelte in den Jahren 1983 bis 1988 sowie 1991 streitig.

Im Versicherungskonto des 1953 geborenen Klägers sind Versicherungszeiten seit dem 01.09.1967 gespeichert. Mit Bescheid vom 04.05.2005 gewährte die Beklagte dem Kläger ab dem 01.05.2003 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung.

Mit E-Mail vom 28.09.2018 bzw. Schreiben vom 29.09.2018 beantragte der Kläger seinen Versicherungsverlauf zu ändern. Im Einzelnen wurde beantragt, die im Versicherungsverlauf gespeicherten Pflichtbeiträge für die Zeiträume vom
1. 01.01.1973 bis 03.03.1973 mit 5442 DM (statt 4830,01 DM)
2. 18.04.1983 bis 09.12.1983 mit 37.131 DM (statt 33.489 DM)
3. 12.03.1984 bis 14.12.1984 mit 36.647 DM (statt 35.190 DM)
4. 25.03.1985 bis 18.12.1995 mit 44.655 DM (statt 40.325 DM)
5. 01.04.1986 bis 31.12.1986 mit 47.264 DM (statt 45.498 DM)
6. 01.04.1987 bis 31.12.1987 mit 44.687 DM (statt 42.603 DM)
7. 05.04.1988 bis 31.12.1988 mit 42.025 DM (statt 41.894 DM)
8. 08.04.1991 bis 31.12.1991 mit 36.078 DM (statt 34.993 DM)
zu berücksichtigen. Zum Nachweis der höheren Entgelte wurden Versicherungsnachweise bzw. Versicherungskarten beigefügt. Auf Nachfrage der Beklagten bestätigte die AOK Rheinland/Hamburg die gespeicherten sozialversicherungspflichtigen Entgelte für den Zeitraum vom 18.04.1983 bis 31.12.1987 und die IKK classic für den Zeitraum vom 05.04.1988 bis 31.12.1991.

Mit Bescheid vom 07.01.2019 berechnete die Beklagte die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung rückwirkend aufgrund einer Prüfung der Hinzuverdienstgrenzen gemäß § 96a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) und mit weiterem Bescheid vom 10.01.2019 i.V.m. dem Bescheid vom 02.12.2019 wegen der nachträglichen Berücksichtigung des Versorgungsausgleichs neu. Mit Bescheid vom 14.01.2019 gewährte die Beklagte den Kläger anstelle der bisherigen Erwerbsminderungsrente ab 01.09.2018 Altersrente für schwerbehinderte Menschen unter Berücksichtigung der bisher gespeicherten und von den jeweils zuständigen Krankenversicherungen bestätigten Arbeitsentgelte.

Im Hinblick auf die erteilten Bescheide hat der DGB im Februar 2019 sein Mandat mitgeteilt und Widerspruch eingelegt sowie gleichzeitig auf das beantragte Korrekturgesuch hinsichtlich des Versicherungsverlaufs hingewiesen. Mit Widerspruchsbescheid vom 29.04.2020 wurde der Widerspruch gegen den Bescheid vom 10.01.2019 i.V.m. dem Bescheid vom 02.12.2019 zurückgewiesen. Die hiergegen unter dem Az.: S 1 R 416/20 zum Sozialgericht (SG) Augsburg erhobene Klage wurde im Rahmen eines Güterichterverfahrens unter dem Az.: S 7 SF 35/21 SF durch Abschluss einer Vereinbarung erledigt.

Mit streitigem Bescheid vom 29.01.2020 lehnte die Beklagte zwischenzeitlich die Rücknahme der Bescheide vom 04.05.2005 und vom 14.01.2019 hinsichtlich der gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) beantragten Korrektur der gespeicherten versicherungspflichtigen Entgelte ab. Die Überprüfung der Entgeltmeldungen bei den zuständigen Krankenkassen habe ergeben, dass die Entgelte in den geltend gemachten Zeiten in zutreffender Höhe in das Versicherungskonto gemeldet wurden. Die dem Kläger vorliegenden Unterlagen würden denen der Einzugsstellen widersprechen.

Hiergegen wurde ebenso vom DGB Widerspruch eingelegt und zur Begründung auf die Beschäftigungsnachweiskarten mit den höheren Entgelten verwiesen. Der Kläger habe seine Nachweispflichten durch Vorlage der Nachweiskarten hinreichend erfüllt. Es sei nicht begreiflich, warum ebenfalls ausgewiesene andere kleinere Beträge akzeptiert wurden und die beantragten Beträge nicht festgestellt werden könnten. Mit Widerspruchsbescheid vom 27.08.2020 hat die Beklagte den Widerspruch zurückgewiesen. Die Überprüfung nach der bekannten Sachlage habe ergeben, dass der erteilte Bescheid nicht zu beanstanden sei.

Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 25.09.2020 hat der Kläger hiergegen Klage unter dem ursprünglichen Az.: S 1 R 759/20 zum SG Augsburg erhoben. Die vom Kläger vorgelegten Original-Versicherungsnachweise und Original-Beschäftigungsnachweiskarten für das Dachdeckerhandwerk würden andere Beträge ausweisen, als von der Beklagten bei der Rentenberechnung festgestellt wurden. Da sich die in den Beschäftigungsnachweiskarten ebenfalls ausgewiesenen kleineren Beträge in den Feststellungen der Beklagten vollständig widerspiegeln würden, sei es nicht begreiflich, warum die anderen (höheren) Beträge nicht akzeptiert und festgestellt werden könnten.

Mit Klageerwiderung wies die Beklagte darauf hin, dass die Ermittlungen bei den Krankenkassen die gespeicherten sowie berücksichtigten Entgelte und nicht die vom Kläger begehrten höheren Beträge bestätigt hätten. Soweit Änderungen durch den Arbeitgeber mittels einer weiteren Meldung vorgenommen wurden, würden im Regelfall Mitteilungen an die Beschäftigten unterbleiben. Beispielhaft ergebe sich aus dem Versicherungskontospiegel, dass das Entgelt für 1983 (18.04.1983 - 09.12.1983) im Jahr 1997 durch die Meldung der Krankenkasse von 37.121 DM (richtig: 37.131 DM) in 33.489 DM geändert wurde.

Vom ursprünglich zuständigen Präsidenten des SG Augsburg wurde der Bevollmächtigte des Klägers auf das automatisierte Meldeverfahren gemäß §§ 1 ff. Datenerfassungs- und Datenübermittlungsverordnung (DEÜV) hingewiesen. Aus der alleinigen Divergenz der vom jeweiligen Arbeitgeber elektronisch übermittelten mit den auf den Lohnnachweiskarten ausgewiesenen Entgeltangaben könne nicht zwingend die Fehlerhaftigkeit der dem Kläger ungünstigen Zahlen abgeleitet werden. Es würden keine Anhaltspunkte zu der Frage vorliegen, wann und ggf. durch wen bzw. durch welche Umstände die Divergenzen entstanden seien. Denkbar seien gleichermaßen Fehler bei der Eingabe zur maschinellen Meldung zur Einzugsstelle wie beim (handschriftlichen) Eintrag auf der Lohnnachweiskarte. Der Kläger trage die Nachweislast dafür, dass die Eintragungen auf den Lohnnachweiskarten richtig und die elektronischen Meldungen der Arbeitgeber zur Einzugsstelle fehlerhaft seien. Hierzu sei nichts Schlüssiges vorgetragen worden.

Vom Bevollmächtigten des Klägers wurde darauf mitgeteilt, dass der Kläger seiner Beweispflicht nachgekommen sei, sodass die Divergenz nicht nachvollziehbar und auch nicht der Sphäre des Klägers zuordenbar sei. Es sei nach wie vor nicht begreiflich, wie es sein könne, dass man nach 14 Jahren Veränderungen an den Entgeltbeträgen ohne Benachrichtigung an den Kläger vornehme. Ausweislich einer Renteninformation aus dem Jahr 2017 sei beispielsweise noch die korrekte Entgeltsumme für die Zeit vom 18.04.1983 bis 09.12.1983 in Höhe von 37.131 EUR (richtig: D-Mark) ausgewiesen worden. Möglicherweise liege ein Übertragungsfehler seitens der Rentenversicherung aufgrund eines Wechsels von der "Rentenversicherung der Arbeiter" zur "Rentenversicherung für Angestellte" im Jahr 1994 oder 1995 vor.

Die Beklagte teilte hierzu mit, dass es sich bei dem vorgelegten Schriftstück um eine Kontoübersicht "Altdaten" der Beklagten handle und bei genauerer Betrachtung klar erkennbar sein dürfte, dass es sich hierbei um die mit der maschinellen Löschung am 09.05.1997 korrigierten, offensichtlich fehlerhaften Entgelte handle. Ein Wechsel der Kontoführung sei im Hinblick auf die Bestätigung der Entgelte durch die Einzugsstelle obsolet.

Aufgrund einer Änderung der Geschäftsverteilung wurde die Klage unter dem aktuellen Aktenzeichen fortgeführt und die Beteiligten mit gerichtlichen Schreiben zur Absicht, den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu entscheiden, gehört.

Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt (sinngemäß),
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29.01.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.08.2020 zu verurteilen, die vom Kläger in dem Zeitraum vom
18.04.1983 - 09.12.1983
12.03.1984 - 17.12.1984
25.03.1985 - 18.12.1995
01.04.1986 - 31.12.1986
01.04.1987 - 31.12.1987
05.04.1988 - 31.12.1988
01.04.1991 - 31.12.1991
verrichtete Arbeit als rentenversicherungsrechtliche Zeit im Sinne des § 55 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB VI anzuerkennen, in den Versicherungsverlauf aufzunehmen und bei der Rentenberechnung mit den vom Kläger angegebenen Entgelthöhen zu berücksichtigen.

Die Beklagte beantragt,
      die Klage abzuweisen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Gerichtsakte verwiesen und wegen weiterer Einzelheiten auf den Inhalt dieser Unterlagen Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Das Gericht konnte gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die zu entscheidende Angelegenheit mit keinen besonderen Schwierigkeiten verbunden und der Sachverhalt hinlänglich geklärt ist. Die Rechte der Beteiligten gemäß
§ 105 Abs. 1 Satz 1 SGG wurden gewahrt, da sie zur Absicht des Gerichts, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, gehört wurden und hiergegen keine Einwendungen erhoben haben.

Das SG Augsburg ist das für die Entscheidung örtlich und sachlich zuständige Gericht (§§ 51 Abs. 1 Nr. 1, 57 Abs. 1 Satz 1 SGG). Die gemäß §§ 87, 90, 92 SGG form- und fristgerecht erhobene Klage ist im Übrigen auch zulässig. Die Klage ist in der Sache jedoch nicht begründet, da die Ausführungen der Beklagten in den erteilten Bescheiden rechtlich nicht zu beanstanden sind.

Gemäß § 44 Abs. 1 SGB X ist ein nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und somit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Nach Überzeugung des Gerichts sind die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt.

Gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB VI sind Beitragszeiten Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind. Pflichtbeitragszeiten sind auch Zeiten, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten.

Seit dem 01.01.1973 wird die Meldung zur gesetzlichen Rentenversicherung im automatisierten Verfahren erstattet (vgl. §§ 1 ff. DEÜV). Die Meldungen erfolgen an die Einzugsstellen, welche die übermittelten Daten durch Datenübertragung an u.a. den Rentenversicherungsträger weiterleitet. Soweit ersichtlich werden die auf diesem elektronischen Wege vom Arbeitgeber mitgeteilten Daten (z.B. Entgelte) unmittelbar auf das jeweilige Versicherungskonto übertragen.

Aus einer Divergenz von Eintragungen in Lohnnachweiskarten kann nicht zwingend die Fehlerhaftigkeit einer für den Kläger ungünstigen Zahl abgeleitet werden. Das Gericht hat keine Anhaltspunkte zu der Frage wann und ggf. durch wen bzw. durch welche Umstände mögliche Divergenzen entstanden sind. Denkbar sind gleichermaßen Fehler bei der Eingabe zur maschinellen Meldung zur Einzugsstelle wie beim Eintrag auf der Lohnnachweiskarte. Ebenso kommen nachträgliche Korrekturen der Arbeitsentgelte durch maschinelle Nachmeldungen in Betracht, von denen der betroffene Arbeitnehmer in der Regel keine Mitteilung erhält. Exemplarisch wird auf das von der Beklagten Bezug genommene Entgelt für das Jahr 1983 hingewiesen, dessen Höhe durch Meldung der Krankenkasse im Jahr 1997 berichtigt wurde.

Nach den allgemeinen Beweisgrundsätzen ist der Kläger beweispflichtig dafür, dass die Eintragungen auf den Lohnnachweiskarten richtig und die elektronischen Meldungen seines/seiner Arbeitgeber zur Einzugsstelle fehlerhaft waren. Im Falle einer Nichterweislichkeit trägt er im Rahmen der Beweislastverteilung hierfür die Folgen.

Da die jeweiligen Krankenkassen bereits im Verwaltungsverfahren gegenüber der Beklagten die übermittelten Entgelte bestätigt haben, hat das Gericht davon absehen können, erneute Ermittlungen bei den betreffenden Stellen durchzuführen. Hinweise auf fehlerhafte Entgeltermittlungen sind nicht ersichtlich.

Da das Gericht auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers im Klageverfahren der Begründung der oben genannten Bescheide folgt, wird von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe im Hinblick auf § 105 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 136 Abs. 3 SGG abgesehen. Das Gericht macht sich nach Überprüfung die Ausführungen der ergangenen Bescheide der Beklagten zu Eigen.

Da die Bescheide der Beklagten rechtmäßig sind, war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Rechtskraft
Aus
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