Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 19.05.2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit stehen die Anfechtung der Stornierung einer Familienversicherung und die Beitragsfestsetzung in der obligatorischen Anschlussversicherung.
Der N01 geborene Kläger bezog in der Zeit vom 01.01.2014 bis zum 29.12.2014 Arbeitslosengeld und war währenddessen bei der Beklagten kranken- und pflegeversichert. Die Ehefrau des Klägers, K. (nachfolgend: Beigeladene), ist seit dem 10.09.2013 mit einem Bügelservice selbständig tätig und bei der Beklagten freiwillig kranken- und pflegeversichert.
Der Kläger übersandte der Beklagten einen von ihm und der Beigeladenen unterschriebenen, vom 12.12.2014 datierenden Fragebogen über die Aufnahme in die Familienversicherung und beantragte die Durchführung der beitragsfreien Familienversicherung. Die Beklagte führte den Kläger daraufhin ab dem 30.12.2014 als familienversichert.
Ergänzend führte die Steuerberaterin unter dem 08.07.2016 aus, dass weder der Kläger noch die Beigeladene Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung hätten. Das Finanzamt schätze diese Einkünfte hinzu. Dies werde bestritten. Streitig sei insoweit, ob die Einnahmen aus dem Objekt X.-straße in I.-straße - u.a. Sitz der Bevollmächtigten des Klägers - Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung seien. Es werde auf den Inhalt eines zwischen dem Kläger und der in Spanien ansässigen „Z..“ über die Übernahme des vorgenannten Gewerbegrundstücks als Generalmieterin verwiesen. Gemäß dem Vertrag trage die „O.“ die noch bestehenden Zinslasten und sämtliche laufenden Kosten und Lasten.
Mit an den Kläger gerichtetem Bescheid vom 24.08.2016 „stornierte“ die Beklagte dessen Familienversicherung ab dem 30.12.2014. Das Gesamteinkommen des Klägers übersteige kontinuierlich ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße. Aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität würden die Krankenkassen zur Bestimmung des Einkommens auf die von der Finanzverwaltung erteilten Einkommensteuerbescheide zurückgreifen. Dies werde höchstrichterlich so gebilligt. Der Steuerbescheid sei dabei ab dem Zeitpunkt seines Erlasses für die Zukunft zu berücksichtigen, bis ein neuer Steuerbescheid vorliege. Der vorgelegte Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2012 sei daher für die Prüfung maßgeblich, ob ab dem 30.12.2014 eine beitragsfreie Familienversicherung durchzuführen sei. Ab dem 01.11.2015 sei der Steuerbescheid für das Jahr 2013 maßgeblich. Der Steuerbescheid für das Jahr 2012 weise Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von 12.000 €, d.h. monatlich 1.000 €, aus. Da das Gesamteinkommen die für das Jahr 2014 geltende Einkommensgrenze von monatlich 395 € übersteige, müsse die Familienversicherung rückwirkend storniert werden. Sollte der Einkommensteuerbescheid durch die Finanzverwaltung oder Finanzgerichte korrigiert werden, könne eine erneute Überprüfung stattfinden.
Mit Bescheid ebenfalls vom 24.08.2016 berechnete die Beklagte die von der Beigeladenen zu entrichtenden Beiträge neu. Die Bescheide ergingen auch im Namen der Pflegekasse.
Mit Schreiben vom selben Tage wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass ab dem 30.12.2014 nunmehr eine obligatorische Anschlussversicherung durchzuführen sei, sofern nicht eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall bestehe. Beigefügt war ein Einkommensfragebogen. Eine Reaktion erfolgte hierauf nicht.
Gegen den an ihn gerichteten Bescheid vom 24.08.2016 erhob der Kläger am 26.09.2016 Widerspruch. Auch die Beigeladene erhob gegen den an sie gerichteten Bescheid vom 24.08.2016 Widerspruch.
Mit Bescheid vom 04.01.2017 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie stelle seinen Kranken- und Pflegeversicherungsschutz seit dem 30.12.2014 im Rahmen der obligatorischen Anschlussversicherung sicher. Aufgrund fehlender Einkommensnachweise werde ab dem 30.12.2014 der Höchstbeitrag festgesetzt. Für die Zeit vom 30. bis zum 31.12.2014 seien auf der Grundlage einer monatlichen Beitragsbemessungsgrenze von 4.050,00 € monatlich Beiträge zur Krankenversicherung in Höhe von 603,45 € und zur Pflegversicherung in Höhe von 93,15 €, in Summe 696,60 € zu zahlen. Mit weiteren Bescheiden vom 04.01.2017 setzte die Beklagte sodann die Beiträge für die Jahre 2015 und 2016, sowie für die Zeit ab dem 01.01.2017 ebenfalls nach der Beitragsbemessungsgrenze fest. Die Bescheide ergingen auch im Namen der Pflegekasse.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03.05.2017 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 24.08.2016, betreffend die „Stornierung“ der beitragsfreien Familienversicherung, als unbegründet zurück. Selbst unter Berücksichtigung der eigenen Einkommensangaben des Klägers überschreite dieser die Einkommensgrenzen der Familienversicherung. Mit Widerspruchsbescheid ebenfalls vom 03.05.2017 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen „den Bescheid“ vom 04.01.2017 zurück. Inhaltlich beschied die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen alle am 04.01.2017 ergangenen Bescheide. Mit einem dritten Widerspruchsbescheid vom selben Tage, gerichtet an die Beigeladene, wies die Beklagte zudem deren Widerspruch gegen den an sie gerichteten Beitragsbescheid vom 24.08.2016 als unbegründet zurück. Die Widerspruchsbescheide ergingen auch im Namen der Pflegekasse.
Am 06.06.2017 haben der Kläger und die Beigeladene Klage bei dem Sozialgericht gegen die vorgenannten Widerspruchsbescheide vom 03.05.2017 erhoben. Erneut haben sie zur Begründung ausgeführt, dass sie tatsächlich keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielen würden. Das zuständige Finanzamt habe solche Einkünfte aber stets hinzugeschätzt. Die hiergegen gerichteten Verfahren seien allesamt noch bei dem Finanzgericht Köln anhängig.
Mit Bescheid vom 27.12.2017 hat die Beklagte die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für den Kläger ab dem 01.01.2018 neu festgesetzt, weiterhin unter Zugrundelegung der Beitragsbemessungsgrenze (nunmehr 4.425,00 € monatlich).
Nachfolgend hat die Beklagte die ihr gegenüber eingereichten Einkommensteuerbescheide des Klägers für die Jahre 2014 (datierend vom 22.05.2017), 2015 (datierend vom 01.08.2017) und 2016 (datierend vom 22.05.2017) vorgelegt.
Mit Bescheid vom 20.06.2018 hat die Beklagte die Beiträge des Klägers für die Zeit ab dem 30.12.2014 unter Zugrundelegung der sich aus den vorgelegten Einkommensteuerbescheiden 2014, 2015 und 2016 ergebenden monatlichen Einkünfte neu berechnet. 2014 hätten diese Einkünfte monatlich 1.126,25 €, 2015 monatlich 915,67 € und 2016 monatlich 1.115,00 € betragen. Für das Jahr 2015 berechnete die Beklagte hierbei die Beiträge nach der - vom Kläger dort unterschrittenen - Mindestbemessungsgrenze von 945 €. Unter Hinweis auf die Änderungen des Beitragsrechts im Jahr 2018 hat die Beklagte in dem Bescheid darüber hinaus die Beiträge ab dem 01.01.2018 ebenfalls unter Zugrundelegung eines monatlichen Einkommens von 1.115,00 € - allerdings vorläufig - festgesetzt.
Mit Bescheid vom 28.11.2018 hat die Beklagte die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für den Kläger ab dem 01.12.2018 neu festgesetzt, nunmehr unter Zugrundelegung eines Einkommens von monatlich 1.217,49 €. Hinzugetreten waren 102,49 € an Versorgungsbezügen. Mit Bescheid vom 28.01.2019 hat die Beklagte die Beiträge ab dem 01.01.2019 anlässlich einer Senkung des Zusatzbeitrags und der Erhöhung des Beitrags zur Pflegeversicherung neu berechnet. Mit Bescheid vom 12.11.2019 hat die Beklagte die Beiträge ab dem 01.12.2019 erneut anhand der Beitragsbemessungsgrenze festgesetzt.
Das Sozialgericht hat um die Übersendung desjenigen Bescheides gebeten, mit dem die Familienversicherung des Klägers zum 30.12.2014 ursprünglich festgestellt worden sei. Es hat die Rechtauffassung mitgeteilt, dass die jeweiligen Folgebeitragsbescheide nicht zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden seien. Tatsächlich war eine Feststellung der Familienversicherung zum 30.12.2014 durch Bescheid nicht erfolgt.
Der Kläger hat nachfolgend den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2017, datierend vom 11.10.2019, vorgelegt. Darin sind Einkünfte des Klägers aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 10.359 € und der Beigeladenen aus dem Bügelservice in Höhe von 11.620 € ausgewiesen.
Das zuständige Finanzamt L. hat auf Nachfrage des Sozialgerichts mitgeteilt, dass die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2012 und 2013 angefochten worden seien. Die Klageverfahren seien seit dem 26.10.2016 (für 2012) bzw. 25.07.2018 (für 2013) erledigt. Bezüglich des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2013 sei ein Änderungsbescheid vom 16.08.2018 erlassen worden. Diesen Änderungsbescheid hat der Kläger im Juni 2020 eingereicht. Hierin sind nunmehr Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 11.347 € anstelle der ursprünglich vom Finanzsamt geschätzten 12.000 € ausgewiesen.
Mit Beschluss vom 11.08.2020 hat das Sozialgericht das Klageverfahren der Beigeladenen gegen den Beitragsbescheid vom 24.08.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2017 abgetrennt. Das Verfahren ist unter dem Aktenzeichen S 21 KR 1169/20 – SG Köln fortgeführt worden.
Mit Bescheid vom 13.01.2021 hat die Beklagte die Beiträge des Klägers zur Kranken- und Pflegeversicherung ab dem 01.01.2021 unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze neu festgesetzt.
Der Kläger hat ergänzend ausgeführt, er habe zunächst seit der Vermietung des Grundstücks E.-straße in I.-straße an die „B.“ keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mehr deklariert. Dennoch habe das Finanzamt jährliche Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 12.000 € angesetzt. Mit den hiergegen gerichteten Rechtsbehelfen sei er bis zum Veranlagungsjahr 2011 vor dem Finanzgericht unterlegen. Die jeweiligen Nichtzulassungsbeschwerden zum Bundesfinanzhof seien aus formalen Gründen abgewiesen worden. Danach habe er sich der Einschätzung der Finanzverwaltung unterworfen und ab dem Jahr 2012 die fiktiven Einkünfte in die Steuererklärungen aufgenommen, allein um weitere Verfahren zu verhindern. Fiktive Einkünfte seien aber bei der Prüfung der Familienversicherung nicht zu berücksichtigen. Die Feststellungen der Finanzverwaltung seien nicht kritiklos zu übernehmen. Immerhin habe das BSG fiktiven Minderungen des Einkommens durch steuerliche Abschreibungen eine Absage erteilt (Urteile vom 22.07.1981 – 3 RK 7/80 und vom 09.09.1981 – 3 RK 149/80). Wenn fiktive Berechnungsbestandteile bei der Ausgabenseite nicht berücksichtigt werden dürften, so müsse dies auch bei der Einnahmenseite so sein.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 19.05.2021 hat das Sozialgericht denjenigen Verfahrensteil abgetrennt, der sich gegen die aus der obligatorischen Anschlussversicherung abgeleitete Mitgliedschaft in der sozialen Pflegeversicherung und die Festsetzung der Beiträge hierzu richtet. Das abgetrennte Verfahren ist unter dem Aktenzeichen S 9 P 153/21 – SG Köln erfasst. Sodann hat es die Ehefrau des Klägers zum verbliebenen Verfahren notwendig beigeladen.
Anschließend hat der Kläger beantragt,
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 19.05.2021 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die nach Erteilung der Widerspruchsbescheide vom 03.05.2017 ergangenen Folgebescheide zur Beitragshöhe seien nicht nach § 96 SGG zum Gegenstand des Verfahrens geworden. Die damit lediglich zu prüfenden Bescheide vom 24.08.2016 und 04.01.2017 in der Fassung des jeweiligen Widerspruchsbescheides vom 03.05.2017 seien rechtmäßig. Nach der Rechtsprechung des BSG seien die Feststellungen der Finanzverwaltung beitragsrechtlich maßgeblich. Das gesetzgeberische Ziel der vollständigen Parallelität steuerrechtlicher und sozialversicherungsrechtlicher Einkommensermittlung sei auch in statusrechtlicher Hinsicht zu berücksichtigen. Im Übrigen habe der Kläger selbst in den Steuererklärungen für die Jahre 2013 bis 2017 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung angegeben. Die Beklagte sei auch nicht gehindert gewesen, rückwirkend festzustellen, dass eine Familienversicherung nicht bestanden habe. Ein Bescheid über das Bestehen dieser Versicherung sei zuvor nicht ergangen. Deshalb seien die vertrauensschützenden Regelungen der §§ 45, 48 SGB X nicht anwendbar. Die von der Beklagten vorgenommene Beitragserhebung nach der obligatorischen Anschlussversicherung sei ihrerseits nicht zu beanstanden.
Gegen das am 16.06.2021 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15.07.2021 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und ergänzend ausgeführt, die von ihm lediglich zur Vermeidung weiterer kostenträchtiger Streitigkeiten ab dem Jahr 2012 angegebenen (fiktiven) Mieteinkünfte hätten ab dem Jahr 2015 keinerlei steuerliche Auswirkungen mehr gehabt, so dass bei einer Steuerlast von 0,00 € auch keine Beschwer mehr gegeben gewesen sei, gegen welche er sich im finanzgerichtlichen Verfahren hätte wenden können. Fiktive Einkünfte seien weder bei der Prüfung der Familienversicherung noch bei der Bestimmung der Höhe der freiwilligen Beiträge zu berücksichtigen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Kläger ergänzend vorgetragen, dass das Objekt X.-straße in I.-straße Anfang 2021 veräußert worden sei. Hintergrund des hier streitigen Mietvertrages sei, dass er das Objekt in einem sehr desolaten Zustand von seinem Vater erhalten habe. Nach der getroffenen Vereinbarung habe er keinerlei Mietzahlungen erhalten sollen. Dafür habe der Gesamtmieter aber auch sämtliche Instandhaltungskosten getragen. Tatsächlich habe er keinerlei Mietzahlungen erhalten.
Die Beteiligten haben sich auf Vorschlag des Senats dahingehend geeinigt, dass Gegenstand des Rechtsstreits lediglich der Bescheid vom 24.08.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2017 ist. Die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der später ergangenen Folgebescheide soll sich nach dem rechtskräftigen Ausgang des vorliegenden Verfahrens bestimmen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 19.05.2021 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24.08.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2017 zu verurteilen, festzustellen, dass er seit dem 30.12.2014 über die freiwillige Versicherung der Beigeladenen nach weiterer Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen familienversichert ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Zwar sind entgegen der Rechtsauffassung des Sozialgerichts die nach dem 03.05.2017 ergangenen Beitragsbescheide Gegenstand des Klageverfahrens geworden, da die Beklagte mit dem dritten der am 04.01.2017 erlassenen Bescheide die Beitragshöhe zukunftsoffen ab dem 01.01.2017 geregelt hat, so dass die folgenden Beitragsbescheide diese Regelung abänderten. Die Beteiligten haben allerdings den Streitgegenstand sachdienlich auf die Prüfung des Bestehens der Familienversicherung des Klägers ab dem 30.12.2014 beschränkt. Die Beklagte hat bei der Feststellung des Nichtbestehens der Familienversicherung ab dem 30.12.2014 ausschließlich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zugrunde gelegt, die nach dem Vorbringen des Klägers vom zuständigen Finanzamt lediglich fiktiv zugrunde gelegt wurden. Deren Einordung als Einkünfte im Sinne des § 10 SGB V (und nachfolgend bei der Beitragsbemessung der obligatorischen Anschlussversicherung) lässt sich – als die eigentlich zwischen den Beteiligten streitige Frage – mit dem verbliebenen Streitgegenstand des Verfahrens klären. Zugleich ist deshalb davon auszugehen, dass die Beklagte das Bestehen von Familienversicherung des Klägers ab der - ihr gegenüber noch nachzuweisenden - Veräußerung des hier gegenständlichen Grundstücks X.-straße in I.-straße - neu prüfen wird.
Unter Zugrundelegung des so beschränkten Gegenstands des Berufungsverfahrens hat das Sozialgericht zu Recht mit Urteil vom 19.05.2021 die Klage abgewiesen.
Der Bescheid vom 24.08.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2017, mit dem die Beklagte die Feststellung getroffen hat, dass der Kläger seit dem 30.12.2014 nicht über die freiwillige Versicherung der Beigeladenen familienversichert ist, ist rechtmäßig. Der Kläger erfüllt seit dem 30.12.2014 bis jedenfalls zur Veräußerung des vorgenannten Grundstücks nicht die Voraussetzungen der Familienversicherung.
Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Teilsatz 1 SGB V sind die Ehegatten von Mitgliedern der GKV versichert, die kein Gesamteinkommen haben, das regelmäßig im Monat ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV überschreitet. Gesamteinkommen ist die Summe der Einkünfte im Sinne des Einkommensteuerrechts. Es umfasst insbesondere das Arbeitsentgelt und das Arbeitseinkommen, § 16 SGB IV. Einkünfte sind daneben u.a. auch Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung im Sinne des Überschusses der Einnahmen über die Werbungskosten (§ 2 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG). Das regelmäßige monatliche Gesamteinkommen ist aufgrund einer Prognose für die Zukunft festzustellen. Bei einer rückwirkenden Entscheidung bleibt es bei der Notwendigkeit einer Prognose. Maßgeblich sind diejenigen Tatsachen, die der Beklagten im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids bekannt waren und rückblickend auf den Kenntnisstand zu dem Zeitpunkt ermittelbar waren, zu dem das Nichtbestehen der Familienversicherung festgestellt wurde (siehe zum vorbezeichneten Prüfmaßstab BSG, Urteil vom 18.10.2022 – B 12 KR 2/21 R).
Zwar war die Beigeladene zu diesem Zeitpunkt freiwilliges Mitglied der Beklagten. Der Kläger war auch ab dem 30.12.2014 nicht mehr als Bezieher von Arbeitslosengeld pflichtversichert in der Krankenversicherung.
Allerdings ist die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Einschätzung der Beklagten, der Kläger werde ab dem 30.12.2014 kein Gesamteinkommen unterhalb des Grenzbetrages erzielen, nicht zu beanstanden. Der Feststellung des Nichtbestehens der Familienversicherung stehen auch die §§ 45, 48 SGB X nicht entgegen.
Zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides am 03.05.2017 standen der Beklagten rückblickend auf den Kenntnisstand zum 30.12.2014 keine Erkenntnisse zur Verfügung, die es nahegelegt hätten, dass der Kläger ab dem 30.12.2014 - bis zur Veräußerung des Grundstücks im Jahr 2021 - regelmäßig keine Einkünfte über der maßgeblichen Grenze, d.h. einem Siebtel der Bezugsgröße haben würde. Das hierfür maßgebliche Gesamteinkommen im Sinne des § 16 SGB IV ist die Summe der Einkünfte im Sinne des Einkommensteuerrechts. Die damit vom Gesetzgeber beabsichtigte Parallelität zum Einkommenssteuerrecht rechtfertigt es grundsätzlich, die Feststellungen des zuständigen Finanzamts zugrunde zu legen (vgl. Fischer in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 4. Aufl., § 16 SGB IV (Stand: 27.07.2022), Rn. 55).
Am 03.05.2017 lagen der Beklagten die Einkommensteuerbescheide des Klägers für die Jahre 2012 (vom 08.05.2014) und 2013 (vom 23.10.2015) vor, die jeweils 12.000 € an Einkommen des Klägers aus Vermietung und Verpachtung ausgewiesen haben. Dies rechtfertigt die prognostische Annahme eines kontinuierlichen zu berücksichtigenden Einkommens in dieser Höhe auch für die Zeit ab dem 30.12.2014.
Nach der Entscheidung des BSG vom 30.09.1997 - 4 RA 122/95 - haben die Sozialversicherungsträger - und dem folgend auch die Sozialgerichte - die Feststellungen der Finanzbehörden (lediglich dann) zu überprüfen, wenn der Steuerpflichtige schlüssige und erhebliche Einwendungen gegen die Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen erhebt. Solche Einwendungen gegen die Feststellungen des Finanzamts L. in den Einkommensteuerbescheiden 2012 und 2013 sind vorliegend aber nicht ersichtlich. Dass die Steuerberaterin des Klägers und der Beigeladenen unter dem 21.04.2016 mitgeteilt hat, dass gegen den „geschätzten“ Einkommensteuerbescheid 2013 auftragsgemäß Einspruch eingelegt worden sei, vermag diese Prognoseentscheidung schon deshalb nicht zu erschüttern, weil, der Einspruch nach § 361 Abs. 1 AO die Vollziehbarkeit des Bescheides nicht hemmt.
Unmaßgeblich ist auch der Vortrag vom 08.07.2016, die Schätzung bzw. rechtliche Einordnung der Einkünfte aus dem Objekt X.-straße in I.-straße durch das zuständige Finanzamt werde bestritten. Vielmehr sprach die vorgetragene Übernahme des Gewerbegrundstücks durch die in Spanien ansässige „Z..“ als Generalmieterin (Vertrag vom 05.12.2004) gerade für das Bestehen von Mieteinnahmen, bei deren Höhe die von der „O.“ vereinbarungsgemäß zu tragenden Zinslasten und laufenden Kosten und Lasten ggf. zu berücksichtigen waren. Denn nach Nr. 2 Abs. 1 des Vertrages hatte die Generalmieterin pro Monat einen Betrag von 2.500 € zur Abdeckung der Zinslast zu entrichten. Der die Zinslast übersteigende Betrag galt nach Nr. 2 Abs. 2 als Anzahlung auf einen später zu vereinbarenden Kaufpreis. Da die Höhe der Zinslast ihrerseits nicht mitgeteilt wurde, ist die weiterhin auf die Einschätzung des zuständigen Finanzamts gestützte Prognose eines monatlichen Einkommens aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 1.000 € nicht zu beanstanden.
Selbst unter Berücksichtigung der vom Kläger unter dem 16.03.2017 vorgelegten Berechnungen der Steuerberaterin für die Jahre 2013 bis 2016 zur Vorbereitung der entsprechenden Einkommensteuererklärungen gilt nichts Anderes. Vielmehr zeigt die dezidierte Gegenüberstellung von (geschätzten) Einnahmen und Werbungskosten, dass der Kläger keine erheblichen Einwendungen gegen die Feststellungen des zuständigen Finanzamts vorgebracht hat. Auch unter Zugrundelegung der geltend gemachten Werbungskosten überstieg das Einkommen des Klägers die maßgebliche Grenze von einem Siebtel der Bezugsgröße. In ihrer Einlassung vom 16.03.2017 hatte die Steuerberaterin des Klägers für das Jahr 2014 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 6.026 € (monatlich 502,17 €), für das Jahr 2015 in Höhe von 10.988 € (monatlich 915,67 €) und für das Jahr 2016 in Höhe von 13.380 € (monatlich 1.115,00 €) ausgewiesen. Die Bezugsgröße betrug im Jahr 2014 monatlich 2.765 €, ein Siebtel hiervon betrug 395 €, im Jahr 2015 monatlich 2.835 €, ein Siebtel hiervon betrug 405 € und im Jahr 2016 monatlich 2.905 €, ein Siebtel hiervon betrug 415 €. Sie lag also jeweils unterhalb der Einkünfte des Klägers.
Dass die Beklagte anderweitige Ermittlungsmöglichkeiten gehabt hätte, ist nicht ersichtlich.
Das Finanzamt L. hat auf Nachfrage des Sozialgerichts mitgeteilt, dass die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2012 und 2013 angefochten worden seien. Die Klageverfahren seien seit dem 26.10.2016 (für 2012) bzw. 25.07.2018 (für 2013) erledigt. Bezüglich des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2013 sei ein Änderungsbescheid vom 16.08.2018 erlassen worden. Aus den zum 03.05.2017 noch laufenden Verfahren waren also erkennbar keine dem Kläger günstigeren Erkenntnisse zu gewinnen.
Anhaltspunkte dafür, dass die Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung bis zur Veräußerung des Grundstücks prognostisch unter die Grenze von einem Siebtel der Bezugsgröße gesunken sein könnten, sind nicht ersichtlich.
§§ 45 und 48 SGB X über die Aufhebung und Rücknahme von Verwaltungsakten stehen der rückwirkenden Feststellung des Nichtbestehens der Familienversicherung nicht entgegen. Ist - wie hier - ein Verwaltungsakt über das Bestehen der Familienversicherung nicht ergangen, ist die Beklagte nicht gehindert, ungeachtet dieser Vorschriften rückwirkend festzustellen, dass ab einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt eine Familienversicherung nicht bestanden habe (BSG, Urteil vom 18.10.2022 - B 12 KR 2/21 R).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.