Die Berufung des Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 02.02.2023 wird zurückgewiesen.
Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung von Prämien zur privaten Pflegeversicherung in Anspruch.
Die Klägerin ist ein deutscher Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit. Der Beklagte war bei der Klägerin seit 2003 privat pflegeversichert. Seine private Krankheitskostenversicherung wird in dem hier streitigen Zeitraum im Notlagentarif geführt. Für den Zeitraum vom 01.01.2018 bis zum 31.12.2021 zahlte der Beklagte die fälligen Beiträge für die Pflegeversicherung in Höhe von monatlich 44,09 Euro (Zeitraum vom bis zum 31.12.2018), 61,35 Euro (Zeitraum vom 01.01.2019 bis zum 31.12.2019) bzw. 80,22 Euro (Zeitraum vom 01.01.2020 bis zum 31.12.2021) nicht.
Am 29.12.2021 hat die Klägerin bei dem Sozialgericht Gelsenkirchen Klage erhoben und vorgetragen: Eine vom Beklagten erklärte Aufrechnung gegen ihre Beitragsansprüche mit Erstattungsansprüchen aus dem Krankenversicherungsvertrag scheide aus, weil der Beklagte bislang noch keine Rechnungen vorgelegt habe. Im Übrigen sei eine Aufrechnung mit Gegenforderungen nach § 181 VAG sowie nach § 12 AVB ausgeschlossen. Die Beitragsforderungen seien auch nicht verjährt, weil die Klage noch im Jahr 2021 erhoben wurde.
Die Klägerin hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 3.190,56 Euro nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Eingang der Klage beim Gericht zu zahlen.
Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Im Übrigen bestünden von der Klägerin bislang nicht ausgeglichene Krankenhaus-, Arzt- und Medikamentenrechnungen als Gegenforderungen in Höhe von ca. 10.000,00 Euro mit der er gegen die Klageforderung aufrechne. Das Aufrechnungsverbot des § 181 VAG sei verfassungswidrig, weil die Regelung andere Rechtsformen, die nicht VVaG seien, benachteilige. Dies habe auch eine Ungleichbehandlung der Versicherungsnehmer zur Folge. Ungeachtet dessen sei die Regelung ohnehin nicht auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar. Er - der Beklagte - befinde sich im (krankenversicherungsrechtlichen) Notlagentarif, für den § 181 VAG nicht gelte.
Durch Gerichtsbescheid vom 02.02.2023 hat das Sozialgericht den Beklagten antragsgemäß verurteilt und u.a. ausgeführt:
Der Anspruch der Klägerin auf die noch nicht gezahlten monatlichen Beiträge zur Pflegeversicherung ergibt sich aus dem zwischen der Klägerin und der Beklagten geschlossenen Vertrag. Dass dieser von dem Beklagten wirksam gekündigt worden ist (vgl. zu den Anforderungen an eine wirksame Kündigung § 205 Gesetz über den Versicherungsvertrag und §§ 13 ff. AVB), ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
Dem steht auch nicht entgegen, dass sich der Beklagte im Notlagentarif der Krankenversicherung befindet. Der Notlagentarif betrifft nur das Krankenversicherungsverhältnis. Es hat keinen Einfluss auf die private Pflegepflichtversicherung, da ein Ruhen der Beitragspflicht in diesem Fall gesetzlich nicht angeordnet ist.
Der Anspruch der Klägerin ist auch nicht durch Aufrechnung nach § 389 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erloschen. Demnach bewirkt die Aufrechnung, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind. Einer wirksamen Aufrechnung steht § 12 S. 1 AVB entgegen, wonach mit bestrittenen bzw. nicht rechtskräftigen Gegenforderungen nicht •aufgerechnet werden kann. Zu der vom Beklagten angeführte Gegenforderung in Höhe von ca. 10.000,00 Euro teilte die Klägerin mit, dass ihr hierzu keine Rechnungen vorlägen und diese auf Übernahmefähigkeit durch die zuständige Fachabteilung bei der Klägerin geprüft werden können. Dass ein rechtskräftiger Titel existiert, wurde weder vorgetragen noch ist ein solcher für das Gericht ersichtlich.
Die Beschränkung der Aufrechnung nach § 12 S. 1 AVB ist auch wirksam (vgl. § 309 Nr. 3 BGB im Umkehrschluss sowie zu den Allgemeine Versicherungsbedingungen für den Notlagentarif (AVB/NLT 2013): Landgericht Wiesbaden, Urteil vom 10.05.2022, 9 S 8/21 mwN).
Da eine Aufrechnung bereits nach § 12 S. 1 AVB ausgeschlossen ist, kommt es auf die Frage der Anwendbarkeit bzw. Verfassungsmäßigkeit des § 181 VAG vorliegend nicht an. Das Gericht weist jedoch darauf hin, dass § 181 VAG in der vorstehenden Konstellation im Falle der Entscheidungserheblichkeit Anwendung finden würde. § 181 VAG setzt seinem eindeutigen Wortlaut nur voraus, dass eine Beitragspflicht aus der Mitgliedschaft gegenüber einem Versicherungsverein bestehen muss (vgl. Staudinger/Bieder/Gursky (2022) BGB § 387, Rn. 212). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Für eine Unterscheidung zwischen Kranken- und Pflegepflichtversicherungsbeiträge enthält § 181 VAG keine Anhaltspunkte. Auch dem VAG ist etwas Anderes nicht zu entnehmen (vgl. insbesondere § 1 VAG). Hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des § 181 VAG bestehen seitens des Gerichts keine Bedenken (im Ergebnis so auch Landgericht Wiesbaden, Urteil vom 10.05.2022, 9 S 8/21). § 181 VAG verstößt insbesondere nicht gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz, indem er Versicherungsvereine besser behandelt als andere Rechtsformen und damit auch die Versicherungsnehmer unterschiedlich behandelt. Für die Ungleichbehandlung besteht ein sachlicher Grund. Dem § 181 VAG liegt der Gedanke zugrunde, dass ein ordnungsmäßiger Geschäftsbetrieb eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit nur möglich ist, wenn die schnelle Einziehung der Mitgliederbeiträge gewährleistet ist (vgl. zu der Vorgängervorschrift des § 181 VAG: Bundesgerichtshof (BGFI), Urteil vom 18.12.1954, II ZR 206/53). Deshalb will das Aufrechnungsverbot verhindern, dass die Zahlung der Prämie bis zur rechtskräftigen Entscheidung oder sonstigen Klärung von Gegenansprüchen hinausgezögert werden kann (ebenda mwN).
Aus den vorstehenden Gründen steht dem Beklagten gegen die Klägerin auch die Einrede des § 320 BGB nicht zu. Für die Beitragspflicht des Versicherungsnehmers ist unerheblich, ob der Versicherer für den geltend gemachten Zeitraum seinerseits Leistungen erbringt, da auch gesunde Versicherungsnehmer ihre Prämien zahlen müssen (Amtsgericht Kleve, Urteil vom 05.06.2020, 36 C 11/20 mwN; so auch im Ergebnis unter Bezugnahme auf den Sinn und Zweck des Aufrechnungsverbots aus dem VAG: BGH, Urteil vom 18.12.1954, II ZR 206/53).
Der Anspruch der Klägerin ist auch nicht nach § 209 BGB i. V. m. §§ 194 ff. BGB verjährt. Die Klägerin hat am 29.12.2021 und damit noch vor Ablauf der Verjährungsfristen für die streitgegenständlichen Pflegeversicherungsbeiträge mit verjährungshemmender Wirkung Klage erhoben. Gem. § 195 BGB beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist 3 Jahre. Diese beginnt nach § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Die Verjährung wird nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt durch die Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs, auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlass des Vollstreckungsurteils.
Fristablauf für die Pflegeversicherungsbeiträge für den ältesten Zeitraum vom 01.01.2018 bis zum 31.12.2018 war der 31.12.2021. Die Klage ist am 29.12.2021 bei Gericht eingegangen und damit seit dem 29.12.2021 anhängig (vgl. §§ 90 ff. SGG).
Der geltend gemachte Zinsanspruch ergibt sich aus den entsprechend anwendbaren §§ 291, 288 BGB (vgl. BSG, Urteil vom 25.10.2018, B 7 AY 2/18 R, BSG, Urteil vom 12.11.2015, B 14 AS 50/14 R). Die Klage ist mit dessen Eingang bei Gericht am 29.12.2021 gemäß §§ 90, 94 SGG rechtshängig. Die Verzinsung beginnt nach § 202 S. 1 SGG i. V. m. § 222 Abs. 1 Zivilprozessordnung i. V. m. § 187 Abs. 1 BGB am darauffolgenden Tag, das heißt am 30.12.2021 (…).“
Gegen den ihn am 08.02.2023 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Beklagte am 06.03.2023 Berufung erhoben.
Er hält an seiner erstinstanzlich vertretenen Auffassung fest und trägt vor: Das Aufrechnungsverbot des § 12 AVB gelte nur für seinen Krankenversicherungs-, nicht aber für den Pflegeversicherungsvertrag, da eine Einbeziehung in die Pflegeversicherung nicht vereinbart worden sei. Im Übrigen führe § 12 AVB zu einer unangemessenen und missbräuchlichen Benachteiligung von Verbrauchern im Sinne der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen. Die Klägerin stelle vor dem Hintergrund, dass sie verbundenes Unternehmen der ALH-Gruppe mit zahlreichen Aktiengesellschaften sei, keinen eigeständigen Versicherungsverein mehr dar. Vor dem Hintergrund, dass die Klägerin als konzernangehöriges Unternehmen ohnehin auf die Finanzkraft der ALH-Gruppe zurückgreifen könne, werde die ratio legis des in § 181 VAG geregelten Aufrechnungsverbots nicht mehr erfüllt. Überdies verstoße § 181 VAG gegen EU-Recht, da ausländische wie inländische Kapitalgesellschaften Aufrechnungsverbote nur vertraglich vereinbaren könnten, wohingegen Versicherungsvereine auf das gesetzlich geregelte Aufrechnungsverbot zurückgreifen könnten. Seine Gegenansprüche resultierten aus einer - noch nicht abgeschlossenen - Notfallbehandlung und könnten mit Rechnungen der PVS Westfalen Süd belegt werden. Der Beklagte behauptet ferner, die von der Klägerseite eingereichten Beitragserhöhungsschreiben und Versicherungsscheine bei sich zu Hause nicht gefunden zu haben. Er vermute daher, dass sie ihm nicht zugegangen seien.
Der Beklagte beantragt seinem schriftsätzlichen Vorbringen entsprechend,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 02.02.2023 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angefochtenen Gerichtsbescheid.
Der Senat hat den Rechtsstreit nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 27.07.2023 gemäß § 153 Abs. 5 SGG auf den Vorsitzenden übertragen.
Weiterer Einzelheiten wegen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte.
Entscheidungsgründe
A. Der Senat konnte in der Besetzung mit dem Vorsitzenden als Berichterstatter und zwei ehrenamtlichen Richtern entscheiden, nachdem der Senat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 27.07.2023 auf den Vorsitzenden übertragen hat (§ 153 Abs. 5 SGG). Der Senat konnte ferner gemäß § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten übereinstimmend damit einverstanden erklärt haben (Schriftsätze vom 09.01. und 18.03.2024).
B. Die Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat den Beklagten sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zutreffend verurteilt, an die Klägerin 3.190,56 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.12.2021 zu zahlen. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
C. Das Vorbringen des Beklagten im Berufungsverfahren rechtfertigt keine andere Beurteilung.
I. Der vom Beklagten geltend gemachten Einrede der Aufrechnung steht ungeachtet der Wirksamkeit von 181 VAG und § 12 AVB bereits entgegen, dass keine Aufrechnungslage besteht. Denn eine fällige, einredefreie Forderung des Beklagten, mit der er gegen die Beitragsansprüche der Klägerin aufrechnen könnte, ist nicht erkennbar. Er hat zwar während des Berufungsverfahrens Erstattungsansprüche gegen die private Krankheitskostenversicherung aus einer Notfallbehandlung in Höhe von ca. 8.336 EUR beziffert. Die vom Beklagten selber angekündigten und gemäß § 6 Abs. 1 AVB/NLT erforderlichen Nachweise hat er jedoch nicht erbracht. Da der Beklagte „die ihm gebührende Leistung“ mangels Übersendung entsprechender Nachweise nicht im Sinne des § 387 BGB fordern konnte, kommt es nicht darauf an, ob dem von ihm erhobenen Erstattungsanspruch die von der Klägerin erhobene Einrede der Verjährung entgegensteht (§ 390 BGB).
II. Unabhängig davon finden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass das in § 181 VAG geregelte Aufrechnungsverbot gegen Verfassungs- und Europarecht verstößt.
1. Soweit der Beklagte beanstandet, § 181 VAG führe für andere in- und ausländische Versicherungsunternehmen, die nicht in der Rechtsform eines VVaG organisiert seien, zu zahlreichen Ungleichbehandlungen und Marktzutrittsbeschränkungen, ist zu berücksichtigen, dass er insoweit fremde Rechte in eigenem Namen geltend macht und eine Beeinträchtigung in eigenen Rechten bereits im Ausgangspunkt nicht erkennbar ist. Selbst wenn sich der Beklagte durch die vermeintliche „Ungleichbehandlung“ in eigenen Rechten verletzt sieht, hätte er die Möglichkeit gehabt, Krankheitskosten- und Pflegeversicherungsverträge bei einer Aktiengesellschaft zu schließen, für die § 181 VAG nicht gilt.
2. Auch in der Sache ist ein Verstoß gegen Verfassungs- und Europarecht nicht erkennbar.
a) Im Hinblick auf den gerügten Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ist zweifelhaft, ob Anbieter von Versicherungsdienstleistungen, die in der Rechtsform des VVaG organisiert sind und solchen, die als AG auftreten, überhaupt derselben Vergleichsgruppe zuzuordnen sind. Denn zwischen beiden Rechtsformen bestehen erhebliche Unterschiede, die es nicht zulassen, VVaG und AG als „gleich“ im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG zu behandeln. Das folgt bereits daraus, dass der VVaG keine Aktionäre hat und die jeweiligen Versicherungsnehmer zugleich Mitglieder und folglich Träger des Vereins sind. Demgegenüber ist die AG eine Kapitalgesellschaft, wobei die Haftung der Mitglieder auf das Kapital beschränkt ist. VVaG sind ferner gehalten, die zur Absicherung von Schwankungen des Versicherungsverlaufs benötigten Sicherheitsmittel selbst systematisch zu erwirtschaften, wohingegen AG solche Mittel bei Bedarf kurzfristig auf den Kapitalmärkten aufnehmen können. VVaG sind daher regelmäßig gehalten, besonders hohe Sicherheitsmittel vorzuhalten. Der Aufbau der Sicherheitsmittel eines VVaG muss wiederum mit dem Wachstum des Geschäfts Schritt halten (zum Ganzen vgl. nur wikipedia.de).
Selbst wenn man aber davon ausginge, dass VVaG und AG derselben Vergleichsgruppe zuzuordnen wären, zeigten bereits die hier nur kurz und oberflächlich skizzierten Aspekte, dass eine Ungleichbehandlung im Hinblick auf das Aufrechnungsverbot des § 181 VAG ohne Weiteres gerechtfertigt wäre.
b) Ein Verstoß gegen Europarecht ist schon deshalb nicht erkennbar, weil kein europäisches Unternehmen gehindert ist, in der Bundesrepublik in der Rechtsform des VVaG tätig zu werden. Abgesehen davon handelt es sich bei § 181 VAG um eine europarechtlich unbedenkliche allgemeine Regel des Wirtschaftslebens. Allgemeine Regelungen des Wirtschaftslebens fallen von vornherein nicht in den Anwendungsbereich der im AEUV geregelten Grundfreiheiten und Diskriminierungsverbote, sofern derartige Bestimmungen für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben und sofern sie den Absatz inländischer Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedsstaaten in gleicher Weise betreffen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist die Anwendung allgemeiner Regelungen des Wirtschaftslebens von vornherein, nicht geeignet, den Marktzugang für diese Dienstleistungen oder Erzeugnisse zu versperren oder stärker zu behindern, als dies für inländische Erzeugnisse der Fall ist (vgl. EuGH Slg. 1995 I, 179 = BB 1995, 426 Rn. 21 - E. Leclerc-Siplec; Senat, Urteil v. 27.01.2011 - L 5 KR 105/07 zu Art. 34 AEUV).
Dass es sich bei § 181 VAG um eine verbotene Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV handeln soll, ist im Übrigen sehr weit hergeholt.
c) Ob § 12 AVB zu einer unangemessenen Benachteiligung von Verbrauchern im Sinne der RL 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen führt, kann offen bleiben, weil sich das Aufrechnungsverbot bereits aus der zwingenden Bestimmung (Schwenzer, in: BeckOK VAG, § 181 Rn. 5) des § 181 VAG ergibt und im Hinblick auf diese Regelung wiederum kein Verstoß gegen Europarecht erkennbar ist. Im Übrigen hat das OLG Hamm (Beschluss v. 01.06.2016 – 20 U 116/15) im Zusammenhang mit § 12 AVB/NLT 2013 auf Folgendes hingewiesen:
„Entgegen der Ansicht des Beklagten ist diese Regelung als wirksam anzusehen, da sie der Tatsache Rechnung trägt, dass gerade im Bereich der privaten Krankheitskostenversicherung regelmäßige Ansprüche des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer bestehen und ohne ein auf unbestrittene und rechtskräftig festgestellte Ansprüche beschränktes Aufrechnungsrecht der Prämienanspruch des Versicherers kontinuierlich in Zweifel gezogen werden könnte, was zu einer auch für die Versichertengemeinschaft nicht tragbaren Gefährdung des Prämienaufkommens führen könnte.“
Nichts anderes kann für die private Pflegeversicherung gelten.
III. Aus welchen Gründen die ratio legis des § 181 VAG aufgrund der Einbindung der Klägerin in einen Konzern nicht mehr einschlägig sein soll, erschließt sich dem Senat nicht. Letztlich hat die Klägerin nämlich zu Recht darauf verwiesen, dass ihre Konzernangehörigkeit nichts an ihrer Rechtsform ändert. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass § 181 VAG zwingend und mithin nicht abdingbar ist (vgl. Schwenzer, in: BeckOK VAG, § 181 Rn. 5). Selbst wenn VVaG als verbundene Unternehmen eines Konzerns mit Aktiengesellschaften tätig werden, führt dies keineswegs zu einer Suspendierung des § 181 VAG.
IV. Auch wenn die Klägerin die private Krankheitskostenversicherung des Beklagten im Notlagentarif führt, führt dies nicht automatisch zu einer Reduzierung der Prämien gemäß § 110 Abs. 2 Satz 3 SGB XI. Denn die Regelung bezieht sich ausdrücklich nur auf den Basis-, nicht aber auf den Notlagentarif (vgl. im Einzelnen: LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 20.03.2023 - L 4 P 1519/21).
V. 1. Die Klägerin hat die vom Beklagten zu zahlenden Beiträge zum 01.01.2017, 01.01.2019 und 01.01.2020 auch wirksam angepasst. Eine wirksame Beitragsanpassung setzt neben den grundlegenden Anforderungen des § 203 VVG gem. § 203 Abs. 5 VVG voraus, dass die Neufestsetzung bzw. Änderung der Prämie sowie die hierfür „maßgeblichen Gründe“ dem Versicherungsnehmer mitgeteilt werden. Ausreichend ist, die Rechnungsgrundlage für die Prämienanpassung mitzuteilen. Nicht erforderlich ist eine Mitteilung der konkreten Höhe der Veränderung und des auslösenden Faktors sowie der Veränderung weiterer Faktoren (vgl. nur BGH, Urteil v. 16.12.2020 – IV ZR 294/19, NJW 2021, 378ff.).
Die Klägerin hat die jeweiligen Beitragsanpassungen in der Pflegeversicherung zum 01.01.2017, 01.01.2019 und 01.01.2020 mit Schreiben vom 21.11.2016, 26.11.2018 und vom 25.11.2019 begründet. Im Hinblick auf die Beitragserhöhung zum 01.01.2017 hat sie auf die (allseits bekannten zahlreichen) Leistungsverbesserungen durch das Pflege-Stärkungsgesetz II, hinsichtlich der Anpassung zum 01.01.2019 auf das Erfordernis zur Reduzierung des Rechnungszinses in der privaten Pflegeversicherung und mit Blick auf die Beitragserhöhung zum 01.01.2020 auf die Ausweitung des Leistungsumfangs im Rahmen der häuslichen Pflege verwiesen.
2. Der Beklagte hat die Beitragsanpassungen zur Überzeugung des Senats auch erhalten. Soweit er geltend macht (Schriftsatz vom 18.03.2024), die von der Klägerin übersandten Beitragserhöhungsschreiben sowie die dazugehörigen Versicherungsscheine nicht gefunden zu haben und er daher vermute, ihm seien diese Schreiben nicht zugegangen, liegt darin kein qualifiziertes Bestreiten.
D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
E. Anlass, die Revision zuzulassen, hat die bestanden (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).