L 12 AS 348/22

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 16 AS 3760/19
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AS 348/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 03.12.2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Aufhebung bewilligter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II in der bis zum 31.12.2022 geltenden Fassung) im Zeitraum vom 01.03.2019 bis 31.08.2019.

Die Klägerin ist am 00.00.0000 geboren und deutsche Staatsangehörige. Sie lebt gemeinsam mit ihren am 00.00.0000 (D.), 00.00.0000 (C.) und 00.00.0000 (I.) geborenen Kindern in einem Haushalt. Zwischenzeitlich, aber außerhalb des hier streitigen Zeitraums, hat die Klägerin ein weiteres Kind geboren, zu dem sie keine weiteren Angaben gemacht hat.

Hinsichtlich der Kinder D. und C. liegt eine Bestätigung von einem Herrn B., geb. am 00.00.0000, vor, wonach er der Vater der beiden Kinder sei. Der Vater der Kinder lebt nach den von der Klägerin hierzu im Verwaltungsverfahren eingereichten Unterlagen in Italien. Die Klägerin hat erklärt, dass zu ihm kein Kontakt bestehe und sie über diesen Mann auch nicht sprechen möchte. Wer der Vater der beiden anderen Kinder ist, ist nicht bekannt. Die Klägerin erteilt hierzu keine Auskünfte.

Ab dem 01.07.2013 ist die Klägerin Mieterin der Wohnung in der L.-straße, E., 1. OG, mit einer Grundmiete von ursprünglich monatlich 480 € zzgl. 85 € Heizkosten- und 155 € Betriebskostenvorauszahlung, gesamt 720 € monatlich. Dies ergibt sich aus dem Mietvertrag vom 19.06.2013. Ein in der Akte befindliches Dokument weist eine Mieterhöhung auf 576 € monatliche Grundmiete ab dem 01.12.2015 aus, das allerdings von der Klägerin nicht unterschrieben worden ist. Im streitigen Zeitraum betrug die Miete gemäß Angaben der Klägerin 875 € monatlich einschließlich Neben- und Heizkostenvorauszahlung. Diesen Betrag überwies die Klägerin ausweislich der vorgelegten Kontoauszüge der X. bis einschließlich Februar 2019 an den Vermieter. Vermieter der Wohnung ist Herr F. (geboren am 00.00.0000), ein Cousin der Klägerin (im Folgenden: Zeuge). Zuvor hatte die Klägerin im selben Haus in einer anderen Wohnung im oberen Stockwerk gewohnt und ist dann in die im Eigentum des Zeugen stehende Wohnung gezogen. Gemäß Mietvertrag ist bei Anmietung der Wohnung eine Kaution i.H.v. 1440 € angefallen, die von dem Beklagten übernommen worden ist.

Nach der Aufstellung zu den für den streitigen Zeitraum bestehenden Mietschulden, welche die Klägerin mit Schreiben vom 23.03.2020 zu den Verwaltungsakten gereicht hat, sollen für den Zeitraum von Februar 2019 bis März 2020 unter Berücksichtigung einer Zahlung von 2236,04 € im November 2019, 555 € im Dezember 2019 und 340 € im Januar 2020 noch verbleibende Schulden i.H.v. 8243,96 € bestehen.

Für die Kinder der Klägerin bestanden folgende Bausparverträge:

  • D., aufgelöst am 25.10.2019 mit einer angesparten Summe von 1873,43 €
  • C., aufgelöst am 19.12.2019 mit einer angesparten Summe von 1873,43 €
  • I., aufgelöst am 04.10.2019 mit einer angesparten Summe von 1709,37 €

Die Bausparverträge hat die Klägerin bei dem Beklagten nicht angegeben. Diese sind dem Beklagten durch einen Datenabgleich bekannt geworden. Die Bausparverträge wurden mit monatlichen Beträgen durch den Zeugen bedient. Die Klägerin hat auf Nachfrage des Beklagten in einem Schreiben vom 07.04.2020 erklärt, dass Herr O. die Bausparverträge für die Kinder angespart habe, indem er das Geld einer „Vertrauensperson“ überwiesen habe, die das Geld dann auf die Bausparverträge angespart habe. Im gerichtlichen Verfahren hat die Klägerin vorgetragen, die Bausparverträge seien von ihr aus Beträgen bedient worden, die sie aus dem Regelbedarf angespart habe. Das Geld habe sie dem Zeugen gegeben, der es für sie auf die jeweiligen Bausparkonten eingezahlt habe. Sie selbst habe die Einzahlungen nicht vornehmen können, da sie ein Pfändungsschutzkonto habe. Weiteres Vermögen der Klägerin oder der Kinder ist nicht bekannt.

Über Einkommen aus einer abhängigen Beschäftigung verfügte die Klägerin nach ihren Angaben im streitigen Zeitraum nicht. Im Erörterungstermin am 05.04.2023 hat sie vorgetragen, dass sie sich nach der Einstellung der Leistungen durch den Beklagten über J. eine Anstellung als Putzhilfe besorgt habe. Nachweise für die hieraus erzielten Einnahmen könne sie nicht vorlegen, da es sich nicht um eine „offizielle“ Beschäftigung gehandelt habe. Wann genau sie die Stelle angetreten habe, könne sie nicht sagen. Sie habe etwa ein bis zwei Stunden täglich gearbeitet und in der Woche ca. 60 € bis maximal 100 € verdient.

Für die Kinder erhielt die Klägerin Kindergeld in gesetzlicher Höhe von 588 € (2 x 192 und 1 x 204 €) bzw. ab dem 01.07.2019 i.H.v. 618 € (2 x 204 und 1 x 210 € monatlich) sowie Unterhaltsvorschussleistungen vom 01.03.2019 bis 30.06.2019 für die Kinder D. und C. jeweils i.H.v. 212 € monatlich sowie für I. 160 € monatlich und vom 01.07.2019 bis 31.08.2019 für D. und C. je 202 € monatlich und für I. 150 € monatlich.

Am 31.12.2017 kam es nach einem Einbruch in die Wohnung der Klägerin zu einer von dieser und dem Zeugen unterzeichneten polizeilichen Anzeige des Einbruchs.

Die Klägerin bezog fortlaufend seit mehreren Jahren Leistungen nach dem SGB II von dem Beklagten. Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 30.07.2018 bewilligte der Beklagte der Klägerin und ihren Kindern mit Bescheid vom 08.08.2018 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 24.11.2018 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.09.2018 bis 31.08.2019. Unter Berücksichtigung der Regelbedarfe, eines Mehrbedarfs für Alleinerziehung, Unterkunftskosten von monatlich 873 € abzüglich Unterhaltsvorschussleistungen von monatlich 564 € und Kindergeld mit monatlich 588 € ergab sich ein Leistungsanspruch i.H.v. 1118,76 € monatlich für das Jahr 2018 und i.H.v. 1146,64 € monatlich für das Jahr 2019.

Am 14.03.2018 kam es zu einer polizeilichen Hausdurchsuchung der Nachbarwohnung der Klägerin, bei Frau S., welche die Wohnung gemeinsam mit ihren drei Kindern und Herrn G. bewohnte. Die Annahme der Polizei, dass die Wohnung der Klägerin nur über die Wohnung der Frau S. erreichbar und mit dieser verbunden sei, bestätigte sich jedoch nicht. Die Wohnungen sind durch einen Flur getrennt und jeweils eigenständige Wohneinheiten. Von einer Durchsuchung der Wohnung der Klägerin nahm man daher Abstand.

Am 21.01.2019 teilte die Polizei dem Beklagten mit, im Rahmen von Ermittlungen gegen den Zeugen sei festgestellt worden, dass dieser mit der Klägerin und den Kindern in einer Wohnung lebe. Er sei zwar offiziell in der Q.-straße N01 in E. gemeldet, halte sich jedoch bei der Klägerin auf und sei der Vater der drei Kinder der Klägerin und mit dieser nach „Romasitte“ verheiratet.

Der Beklagte stellte daraufhin die Auszahlung der bewilligten Leistungen ab dem 01.03.2019 ein und teilte der Klägerin mit Schreiben vom 21.02.2019 mit, die Leistungen würden bis zur Klärung des Sachverhaltes einbehalten. Eine Nachzahlung werde erfolgen, wenn eine Aufhebung der Leistungen nicht binnen zwei Monaten erfolge. Mit einem beigefügten Anhörungsbogen gab der Beklagte der Klägerin Gelegenheit, sich zu dem Sachverhalt zu äußern.

Mit Bescheid vom 23.04.2019 hob der Beklagte die der Klägerin bewilligten Leistungen nach dem SGB II ab dem 01.03.2019 auf. Die Klägerin habe zuletzt am 30.07.2018 einen Fortzahlungsantrag gestellt. Hierauf seien ihr und ihren drei Kindern mit Bescheid vom 08.08.2018 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 24.11.2018 Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.09.2018 bis 31.08.2019 bewilligt worden. Bei der Antragstellung habe die Klägerin nur sich und ihre drei Kinder als Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft benannt. Bei der Bedarfsberechnung seien neben dem gesetzlichen Regelbedarf auch Unterkunftskosten i.H.v. 873 € monatlich anerkannt worden. Als Einkommen habe die Klägerin nur das Kindergeld mit monatlich 588 € sowie Unterhaltsvorschussleistungen i.H.v. 564 € monatlich angegeben. Hieraus habe sich ein verbleibender Leistungsanspruch von 1118,76 € monatlich im Jahr 2018, von 1174,94 € monatlich ab dem 01.01.2019 und von 1146,64 € ab 01.03.2019 ergeben. Gemäß der vorläufigen Leistungseinstellung vom 21.02.2019 seien die Leistungen nach dem SGB II ab dem 01.03.2019 einbehalten worden. Die Polizei habe am 21.01.2019 mitgeteilt, dass der Zeuge mit ihr in der Wohnung lebe. Er sei zwar in der Q.-straße N01 in E. gemeldet, es handele sich jedoch um den Vater der drei Kinder der Klägerin und er sei mit dieser nach „Roma Art“ verheiratet. Nach dem Ergebnis einer polizeilichen Hausdurchsuchung vom 14.03.2018 sei von einem vollständigen gemeinsamen Hausstand auszugehen. Es sei auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin und der Zeuge am 31.12.2017 gemeinsam eine Anzeige wegen Wohnungseinbruchs in die Wohnung der Klägerin erstattet hätten. Es sei daher davon auszugehen, dass die Klägerin und der Zeuge eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II bilden würden. Der Zeuge verfüge über zwei Eigentumswohnungen unter anderem in der L.-straße, E., Wohnung Nr. 3, 1. OG, mit zwei Balkonen, die er am 18.07.2013 für einen Betrag von 100000 € erworben habe. Es sei daher davon auszugehen, dass der Zeuge über ausreichend Einkommen verfüge und ein Hilfebedarf der Familie nicht bestehe. Die Leistungsbewilligung sei daher nach § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) aufzuheben, da die Klägerin bei Antragstellung bewusst falsche Angaben gemacht habe.

Gegen den Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 23.05.2019 Widerspruch ein und bestritt das Bestehen einer Lebensgemeinschaft mit dem Zeugen. Er wohne nicht mit ihr in einer gemeinsamen Wohnung, sondern unter einer anderen Anschrift. Die Strafanzeige habe man im Jahr 2017 gemeinsam gestellt, weil der Zeuge der Vermieter der Wohnung sei und damit in gleicher Weise wie sie von dem Einbruch betroffen.

Am 05.07.2019 kam es zu einer polizeilichen Hausdurchsuchung bei der Klägerin. In dem Durchsuchungsbericht vom 12.07.2019 ist festgehalten, dass im Küchenschrank ein IPad und ein Tablet der Marke Samsung entdeckt worden seien. Bei letzterem habe sich ergeben, dass darauf unter der E-Mail-Adresse „E-Mail01“ verschiedene Kontakte gespeichert waren, unter anderem „H. Dienstnummer“ und „V. Dienstnummer und Privat“. Als Lieferadresse wurde in den Mails im Zeitraum von August 2018 bis April 2019 die Anschrift der Klägerin angegeben. Des Weiteren fanden sich auf dem Tablet auch Videofilme, unter anderem auch aus dem Jahr 2018, welche die Klägerin, den Zeugen sowie die Kinder gemeinsam in einem Auto zeigen. Die Tochter der Klägerin bezeichnete den Zeugen darin als „Dade“, was auf Deutsch „Papa“ bedeuten würde. In einem Abstellschrank habe man Dokumente der U. Versicherung (Bausparversicherung der Kinder) gefunden. Hiernach habe der Zeuge jeden Monat nahezu 100 € auf diese Konten eingezahlt.

Weitere polizeiliche Ermittlungen ergaben, dass der Zeuge zum einen Eigentümer der von der Klägerin bewohnten Eigentumswohnung in dem Mehrparteienhaus in der L.-straße in E. und zum anderen einer weiteren Eigentumswohnung in der M.-straße N02., E., ist. Ausweislich der Akten datiert der Kaufvertrag für die L.-straße vom 18.07.2013 und die Eintragung ins Grundbuch vom 12.08.2013. Die Eintragung des Zeugen im Grundbuch hinsichtlich der M.-straße N02 erfolgte am 25.02.2015.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23.08.2019 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Der in dem angefochtenen Bescheid dargestellte Sachverhalt sei zutreffend. Zudem sei aus einem Datenabgleich bekannt geworden, dass die Kinder der Klägerin im Jahr 2017 Kapitalerträge aus Vermögen bei der U. Bausparkasse gehabt hätten. Dieses Vermögen sei dem Beklagten zu keinem Zeitpunkt offengelegt worden. Am 27.05.2019 sei bei dem Beklagten ein anonymes Schreiben vom 22.05.2019 eingegangen, in dem mitgeteilt worden sei, dass der Zeuge der Vater der Kinder der Klägerin sei und die ganze Familie in der L.-straße lebe. Der Zeuge sei Eigentümer sowohl dieser Wohnung als auch einer in der M.-straße N02 in E. gelegenen Wohnung. Des Weiteren sei es am 04.07.2019 zu einer polizeilichen Durchsuchung der Wohnung der Klägerin gekommen. Der Polizeibericht vom 05.07.2019 läge dem Beklagten vor. Das Strafverfahren werde vor dem Amtsgericht E. (AG) unter den Az. 503 Gs 1028/19 und 503 Gs 1029/19 geführt. Nach den polizeilichen Feststellungen wohne der Zeuge gemeinsam mit der Klägerin in der Wohnung L.-straße in E.. Der Zeuge sei zudem bei Z. angestellt und erhalte ein durchschnittliches Monatsgehalt von 1780 € netto. Bei der Durchsuchung habe die Klägerin gegenüber der Polizei zunächst erklärt, dass sie den Zeugen nicht kenne, und sich dann dahingehend korrigiert, dass er ihr Vermieter sei, mehr aber nicht. Zwar habe man bei der Durchsuchung keine Kleidung oder sonstige persönliche Gegenstände des Zeugen finden können, im Abstellraum sei jedoch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Zeugen aus dem Jahr 2018 aufgefunden worden. Auch seien Kontoauszüge der drei Bausparkonten der Kinder sowie im Hängeschrank der Küche ein Tablet der Marke Samsung und ein IPad gefunden worden. Die Auswertung des Samsung Tablets habe ergeben, dass dieses dem Zeugen zuzurechnen sei. Es hätten sich dessen berufliche Kontaktdaten sowie mehrere Videofilme auf dem Tablet befunden. Unter anderem die Aufnahme einer gemeinsamen Fahrt mit den Kindern der Klägerin, bei der die Tochter der Klägerin den Zeugen als „Dade“ bezeichnet hätte, was übersetzt „Papa“ bedeuten würde. Weiter habe sich herausgestellt, dass die drei Bausparkonten der Kinder von dem Girokonto des Zeugen bei der K. bedient worden seien. Auf dieses Konto seien seit Januar 2015 11790 € in bar eingezahlt worden sowie Mieteinnahmen aus der L.-straße i.H.v. 36812,62 €. Am 04.07.2019 sei es darüber hinaus zu einer Durchsuchung an der Meldeanschrift des Zeugen gekommen. Hiernach stehe fest, dass der Zeuge sich dort nicht aufhalte und es zu einer Abmeldung des Zeugen von Amts wegen gekommen sei. Unter Würdigung der gesamten Tatsachen stehe fest, dass es sich bei der Klägerin und dem Zeugen um eine Bedarfsgemeinschaft handele, so dass das Einkommen des Zeugen auch der Klägerin zuzurechnen sei. Der Bedarf der Familie setze sich aus dem Regelbedarf der Klägerin und des Zeugen von jeweils 424 € monatlich zzgl. des Regelbedarfs der Kinder mit 2 x 302 € und 1 x 245 € monatlich zusammen. Unterkunftskosten seien nicht anzuerkennen, da die Klägerin keiner ernsthaften Mietverpflichtung ausgesetzt gewesen sei. Inwieweit Schuldzinsen oder Hausnebenkosten berücksichtigt werden könnten, sei unklar, da eine entsprechende Auskunft des Zeugen nicht vorläge. Als Bedarf anerkannt würden die Neben- und Heizkosten mit 320 € monatlich, wie sie von der Klägerin bei Antragstellung angegeben worden seien. Das Einkommen des Zeugen sei nach Abzug des maximalen Freibetrages nach § 11b SGB II von 330 € monatlich mit verbleibenden 1450 € monatlich bedarfsmindernd zu berücksichtigen. Ebenfalls bedarfsmindernd sei das Kindergeld i.H.v. 588 € monatlich bzw. ab dem 01.07.2019 mit 618 € monatlich zu berücksichtigen. Der Bedarf der Familie sei damit gedeckt, ohne dass es auf die Anrechnung der Unterhaltsvorschussleistungen ankomme. Unabhängig von dem bedarfsdeckenden Einkommen seien jedoch auch die Voraussetzungen des § 12 SGB II zu prüfen. Das Eigentum des Zeugen in der M.-straße dürfe mit hoher Wahrscheinlichkeit deutlich über dem gesetzlichen Freibetrag liegen. Mangels eingereichter Unterlagen bestehe jedoch keine Möglichkeit, das vorhandene Vermögen zu prüfen. Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Leistungen sei § 45 SGB X. Die Klägerin habe zumindest grob fahrlässig falsche Angaben gemacht und die Rechtswidrigkeit des Bescheides verkannt. Ermessen sei entsprechend § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung (SGB III) i.V.m. § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 1, 2 und 3 SGB X nicht auszuüben.

Zwei Leistungsanträge der Klägerin aus April und Dezember 2020 lehnte der Beklagte bestandskräftig ab.

Gegen den Bescheid vom 23.04.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.08.2019 hat die Klägerin am 23.09.2019 Klage vor dem Sozialgericht Düsseldorf (SG) erhoben und die Aufhebung der angefochtenen Bescheide beantragt.

Die Klägerin trug vor, sie habe zu keinem Zeitpunkt mit dem Zeugen in einer Bedarfsgemeinschaft gelebt. Die von der Staatsanwaltschaft  OP. veranlasste Hausdurchsuchung vom 04.07.2019 habe kein anderes Ergebnis gebracht. Man habe in der Wohnung keine Männerkleidung gefunden und den Zeugen auch nicht in der Wohnung angetroffen, obgleich es 7:00 Uhr morgens gewesen sei. Eine Hausdurchsuchung am 21.01.2019 habe es nicht gegeben. Der Beklagte habe auf Grundlage bloßer Vermutungen ohne entsprechende Beweise entschieden. Etwas anderes habe sich auch nicht aus der Verhandlung und Zeugenvernehmung vor dem Amtsgericht E. ergeben. Ergänzend zu der Vernehmung der Zeugen durch das SG am 28.09.2021 sei darauf hinzuweisen, dass bei der Hausdurchsuchung vom 14.03.2018 in der L.-straße nicht die Wohnung der Klägerin, sondern die Wohnung von Frau S., deren drei Kindern und von Herrn G. durchsucht worden sei. Es habe sich hierbei um die direkte Wohnungsnachbarin der Klägerin gehandelt. Insoweit sei es vielleicht zu einer Verwechslung gekommen, wenn Herr P. als Lebensgefährte der Klägerin bezeichnet werde. Die Aussagen der übrigen, von dem SG vernommenen Zeugen würden nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Ein Beweis für das Bestehen einer Lebensgemeinschaft liege nicht vor. Im Hinblick auf die Zeugin EE. sei anzumerken, dass die Aussage in sich nicht schlüssig sei. Soweit sie vortrage, bei einem Solarium gearbeitet zu haben, so seien diese im letzten halben Jahr aufgrund der Corona-Pandemie kaum geöffnet gewesen. Insoweit sei unklar, wann sie den Zeugen tatsächlich gesehen haben will.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid vom 23.04.2019 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 23.08.2019 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hielt die Ausführungen in den streitgegenständlichen Bescheiden für zutreffend. Offenbar habe die Sache für die Klägerin auch keine Eilbedürftigkeit, da sie seit der Leistungseinstellung keine Leistungen mehr beantragt habe. Es sei offensichtlich, dass die Klägerin mit dem Zeugen eine Beziehung habe. In der Wohnung der Klägerin seien Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, Mahnungen sowie die Tablets des Zeugen gefunden worden. Auch sei der Zeuge im Zeitraum von August 2013 bis August 2014 unter der Adresse der Klägerin gemeldet gewesen. Bei der jetzigen Anschrift des Zeugen in der N.-straße N01 handele es sich offensichtlich um eine Scheinanschrift. Der Zeuge sei Eigentümer zweier Immobilien und erwerbstätig. So erkläre sich auch, dass die Klägerin seit der Leistungseinstellung kein Geld mehr brauche. Das Protokoll der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht E. gehe zulasten der Klägerin. Bei Herrn W. handele es sich um den Onkel des Zeugen. Die Polizistin IC. habe diesen Eindruck bestätigt. Die Klägerin habe sich nach wie vor nicht dazu eingelassen, aus welchen Gründen die Sachen ihres Vermieters in ihrer Wohnung gefunden worden seien. Auch sei zu berücksichtigen, dass bis ins Jahr 2015 die Grundbesitzabgabenbescheide des Zeugen an die Adresse der Klägerin geschickt worden seien.

 

Am 18.06.2021 hat das SG einen Erörterungstermin durchgeführt und zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes der Klägerin einen Fragebogen zur Beantwortung ausgehändigt. Des Weiteren hat das SG eine Bescheinigung über das Bestehen einer Krankenversicherung ab März 2019 für die Klägerin und ihre Kinder angefordert. Die Klägerin hat auf Nachfrage des SG erklärt, ihren Lebensunterhalt stelle sie seit dem 01.03.2019 durch das Kindergeld und den Unterhaltsvorschuss sicher. Miete zahle sie nur gelegentlich. Die genaue Höhe der Mietrückstände könne sie nicht beziffern. Ihre Schwester TN., die ebenfalls Leistungen nach dem SGB II beziehe, würde sie mit Naturalien unterstützen. Im Nachgang zu dem Termin hat die Klägerin Unterlagen übermittelt, aus denen sich ergibt, dass sie (im streitigen Zeitraum) freiwilliges Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung war und die Kinder über die Klägerin familienversichert gewesen sind. Einen Nachweis über bestehende Beitragsrückstände hat die Klägerin nicht vorgelegt.

Das SG hat am 28.09.2021 einen weiteren Erörterungstermin mit Beweisaufnahme durchgeführt. Der zu diesem Termin geladene Zeuge Herr G. hat sich hierbei auf ein Aussageverweigerungsrecht bezogen und ist zu dem Termin nicht erschienen. Bei den anwesenden und vernommenen Zeugen handelt es sich um unter der Adresse L.-straße, E., wohnende Nachbarn der Klägerin. Wegen der weiteren Einzelheiten der Aussagen nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf das Protokoll des Erörterungstermins Bezug.

Das SG hat im Anschluss an den Erörterungstermin einen Vermerk gefertigt und festgehalten, dass der Zeuge in einer Parallelverhandlung des SG (zu dem Az. S 16 AS 1573/20 - Auskunftsklage gegen den Zeugen), die um 13:40 Uhr geendet habe, das Gericht betreten habe. Hieraus hat das SG gefolgert, dass es sich bei dem Zeugen um denjenigen Mann gehandelt habe, den die Zeugin EE. identifiziert hat.

Das SG hat am 03.12.2021 einen Verhandlungstermin durchgeführt und die Klage mit Urteil vom gleichen Datum, der Klägerin zugestellt am 11.01.2022, abgewiesen. Die Klägerin sei ab dem 01.03.2019 zur Überzeugung des SG nicht hilfebedürftig im Sinne des Gesetzes gewesen. Sie habe ihren Hilfebedarf zur Überzeugung der Kammer mithilfe von Angehörigen sicherstellen können. Die Klägerin habe selbst dargelegt, dass sie seit dem 01.03.2019 ihre Existenz sichere, indem sie Kindergeld und Unterhaltsvorschussleistungen erhalte und ihre Schwester TN. sie mit Einkäufen unterstütze. Als Indiz dafür, dass die Klägerin ihre Existenz ab dem 01.03.2019 habe sichern können, werte das SG auch den Umstand, dass die Klägerin ein Eilverfahren zum Erhalt des Existenzminimums nicht angestrebt habe. Die Klägerin sei seit dem 01.03.2019 freiwilliges Mitglied der Krankenversicherung und die Kinder der Klägerin über diese Mitgliedschaft im Rahmen der Familienversicherung ebenfalls versichert. Die Beiträge für diese freiwillige Mitgliedschaft seien von der Klägerin zu tragen. Eine Mitteilung über Beitragsrückstände sei weder von der Klägerin noch von der HD. in das Verfahren eingeführt worden, so dass davon auszugehen sei, dass die monatlichen Beiträge, die ab dem 01.03.2019 fällig geworden seien, von der Klägerin gezahlt würden, um den Krankenversicherungsschutz sicherzustellen. Die Klägerin trage zudem vor, dass eine Räumungsklage nicht anhängig sei. Zwar sei sie nicht in der Lage, die Miete seit dem 01.03.2019 regelmäßig zu zahlen. Eine genaue Auskunft über die Höhe der Mietrückstände habe die Klägerin jedoch nicht erteilen können. Den von dem Beklagten errechneten Bedarf der Klägerin ab dem 01.03.2019 mit 1146,64 € monatlich habe die Klägerin mithilfe ihres Partners und Vermieters, des Zeugen, sichern können. Die Kammer sei unter Berücksichtigung der Beweislage zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin und der Zeuge in einer Bedarfsgemeinschaft leben würden. Gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II würden hierzu Personen gehören, die in einem Haushalt in einer Weise zusammenleben, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen sei, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Dieser könne nach Überzeugung der Kammer bei der Klägerin und dem Zeugen vermutet werden, weil sie länger als ein Jahr zusammenleben und Kinder im Haushalt versorgen würden. Das Bundessozialgericht (BSG) habe die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II dahingehend konkretisiert, dass drei Merkmale kumulativ gegeben sein müssten. Die Einlassung der Klägerin, die bei der Wohnungsdurchsuchung gefundenen Indizien seien kein Beweis für das Bestehen einer Partnerschaft, könnten nicht überzeugen. Die vorgefundenen Dokumente, insbesondere das Video der Familie, sei für die Kammer ein wichtiges Indiz dafür, dass zwischen der Klägerin und dem Zeugen ein besonderes Näheverhältnis vorliege, welches durch die Zeugenaussagen von Frau QJ., Herrn EB. und Frau EE. bestätigt worden sei. Diese hätten ausgesagt, dass sie die Klägerin und den Zeugen als Partner wahrgenommen hätten. Dies werde insbesondere dadurch bekräftigt, dass Frau QJ. sich habe erinnern können, dass die Kinder, die 2010, 2012 und 2014 geboren seien, in den ersten Lebensjahren „Papa“ zu dem Zeugen gesagt hätten. Die Klägerin lebe bereits seit 2011 in der L.-straße und sei nach der Erinnerung der Zeugen im Jahr 2013 innerhalb des Hauses in die Wohnung gezogen, die der Zeuge am 18.07.2013 gekauft und am 19.06.2013 an die Klägerin vermietet habe. Die Kammer könne sich somit auch auf die Zeugenaussage der Frau QJ. stützen, die in den ersten Lebensjahren der Kinder gehört habe, dass sie Papa zu dem Zeugen gesagt hätten. Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung sei auch davon auszugehen, dass es sich bei der Klägerin und dem Zeugen um eine Bedarfsgemeinschaft handele. Hierzu gehöre zur Überzeugung der Kammer auch, dass die Klägerin gerade nicht mitteile, wer der Vater der Kinder sei. Auch der Abschluss von drei Bausparverträgen zugunsten der Kinder durch den Zeugen sei insoweit nur ein Baustein der Gesamtwürdigung. Dies zeige, dass die Klägerin kein Interesse daran habe, ihren tatsächlichen Hilfebedarf und die näheren familiären Umstände aufzuklären. Auch wenn es zuträfe, dass im Rahmen der Hausdurchsuchung am 04.07.2019 keine männlichen Utensilien in der Wohnung der Klägerin gefunden worden seien und dies den Schluss erlauben könne, dort lebe keine erwachsene männliche Person, so führe dies im Rahmen der Gesamtwürdigung gerade nicht dazu, dass dies als Beleg dafür zu werten sei, dass die Klägerin und der Zeuge kein Paar seien und sich nicht gemeinsam um die Kinder kümmern würden. Das SG werte das Ergebnis der Durchsuchung im Gesamtkontext lediglich als Beleg dafür, dass die Klägerin und der Zeuge kein Interesse daran hätten, ihr Zusammenleben gegenüber dem Beklagten zu offenbaren. Da die Klägerin und der Zeuge gerade kein Interesse daran hätten, ihre tatsächlichen Lebensumstände zu offenbaren, komme es umso mehr auf die Aussage der Zeugen an. Frau QJ. und Herr EB. hätten mitgeteilt, dass der Zeuge jeden Abend nach Hause gekommen und am Morgen zur Arbeit gefahren sei und entweder mit der Klägerin und ihren Kindern oder alleine für die Klägerin und die Kinder einkaufen gefahren sei. Dies habe auch die Zeugin EE. bestätigt, die den Zeugen spät am Abend nach Hause kommen und das Haus L.-straße betreten gesehen habe. Die Zeugenaussage des Herrn EB., der den Stellplatz des Zeugen vom Balkon aus einsehen könne, sei bezogen auf die Anwesenheit des Zeugen im Haus in der L.-straße mehr als deutlich gewesen. Der Zeuge habe sich hiernach wie ein Familienvater verhalten, der morgens aus dem Haus gehe und zur Arbeit fahre und abends wiederkomme. Sofern sich in diesem Ablauf seit ca. einem Jahr etwas geändert habe, wirke sich dies nicht auf das laufende Verfahren aus, dessen streitiger Zeitraum allein März 2019 bis August 2019 betreffe. Soweit die Klägerin das Bestehen der Bedarfsgemeinschaft bestreite, hätte dies gegebenenfalls durch das Ergebnis der Hausdurchsuchung unter der Meldeanschrift des Zeugen gestützt werden können. Es seien jedoch keine Anhaltspunkte dafür gefunden worden, dass der Zeuge dort tatsächlich wohne. Der Zeuge habe an seiner Meldeanschrift zur Überzeugung des SG tatsächlich nicht gelebt. Habe ein erwachsener Mann, der einer regelmäßigen Beschäftigung bei Z. nachgehe und der zwei Eigentumswohnungen besitze an der Stelle, die er als seinen Wohnort angebe, lediglich eine Schlafgelegenheit, die er sich mit seinem ebenfalls erwachsenen Cousin teile und keine persönlichen Sachen dort lagere, erlaube dies zur Überzeugung der Kammer den Schluss, dass diese Wohnung als Postadresse genutzt werde, aber nicht den tatsächlichen Lebensmittelpunkt des Zeugen darstelle. Da der Zeuge dann auch noch jeden Morgen und Abend von anderen Bewohnern der L.-straße gesehen worden sei, wie er nach Hause komme, so sei diesen unabhängigen Zeugenaussagen ein hoher Beweiswert zuzumessen. Im Hinblick auf die persönlichen Gegenstände wie zwei Tablets, einen Krankenschein sowie Kontoauszüge, die in der Wohnung der Klägerin gefunden worden seien, sowie die Bausparverträge, die der Zeuge für die Kinder der Klägerin angelegt habe, so bekunde dies, dass die Klägerin und der Zeuge aus einem Topf wirtschafteten und zusammen als Familie leben würden. Die Klägerin habe das Verfahren nicht genutzt, um die Situation aufzuklären. Einfaches Bestreiten reiche insoweit nicht aus. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Zeuge als Vermieter der Klägerin sich seit dem 01.03.2019 damit zufrieden gebe, dass die Miete nicht – jedenfalls nicht regelmäßig – bezahlt wird. Eine Räumungsklage habe er bisher offenbar nicht angestrengt. Die Hausdurchsuchung vom 14.03.2018 in der direkten Nachbarwohnung der Klägerin stelle kein Indiz dafür dar, dass die Mitbewohner des Hauses, Herrn G. und den Zeugen u.U. verwechselt hätten. Die gehörten Zeugen würden seit mehreren Jahren in dem Haus leben, so dass sie die beiden Personen kennen würden und unterscheiden könnten. Sämtliche Zeugen hätten ausgesagt, dass sie die Klägerin und den Zeugen als Familie bzw. als Paar wahrgenommen hätten. Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugen habe das SG nicht. Es sei vielmehr so, dass die Zeugen glaubhaft ihre Eindrücke über das Zusammenleben geschildert hätten. Die Klägerin könne mit ihren Einwendungen insoweit nicht durchdringen. Insbesondere die Zeugin EE. habe sehr überzeugend und glaubwürdig ihre Wahrnehmung geschildert. So habe sie auch erklärt, dass sie den Zeugen erkannt habe, als dieser das Gerichtsgebäude betreten habe. Weitere Ermittlungen seien zur Überzeugung des SG nicht erforderlich. Wegen der noch anhängigen Strafverfahren habe das SG davon Abstand genommen, den Zeugen im laufenden Verfahren zu hören.

Die Klägerin hat am 09.02.2022 Berufung gegen das Urteil eingelegt und ihre bisherige Rechtsauffassung verteidigt. Das SG verkenne die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft. Selbst wenn es sich bei der Klägerin und dem Zeugen um Partner handeln würde, so sei das zweite Kriterium bezüglich der Bedarfsgemeinschaft, das Bestehen einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft nicht gegeben. Die Zeugenaussagen seien in keiner Weise so eindeutig, wie es dem Urteil zu entnehmen sei. Keiner Zeugenaussage sei zu entnehmen, dass der Zeuge in der Wohnung der Klägerin angetroffen worden sei und zwar weder als Besucher noch als Bewohner. Dass ein Zusammenleben nicht vorgelegen habe, sei objektiv dahingehend nachgewiesen, dass die Hausdurchsuchung am 04.07.2019 keinen Beweis dafür erbracht habe, dass eine männliche Person in der Wohnung lebe. Es frage sich, wie das SG trotzdem davon habe ausgehen können, dass es sich um eine Bedarfsgemeinschaft handele.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 03.12.2021 zu ändern und den Bescheid vom 23.04.2019 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 23.08.2019 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil für zutreffend. Das Urteil des Amtsgerichts E. habe keine Bindungswirkung für die Berufungsinstanz in der Sozialgerichtsbarkeit.

In der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht E. (56 LS-215 JS 23/19-10/20) ist der Vermieter der Meldeanschrift des Zeugen in der N.-straße, Herr W., befragt worden. Dieser hat erklärt, der Zeuge habe bis November 2019 in der Wohnung gelebt, danach sei er ausgezogen. Er habe zunächst alleine dort gewohnt und dann ab August 2018 gemeinsam mit dem Sohn des Vermieters (SF.) eine Wohnung geteilt. Das Zimmer sei mit Tisch, Schrank und Bett ausgestattet gewesen. Ob der Zeuge eine Familie habe, wisse er nicht. Ebenfalls befragt wurde der Sohn des Vermieters, Herr SF.. Er hat bekundet, er könne nicht genau sagen, wann der Zeuge in die Wohnung gezogen sei. Er habe zunächst in einer Wohnung oben gewohnt, dann sei er eine Etage tiefer gezogen und dann zu ihm in die Wohnung. Ob der Zeuge regelmäßig zu Hause gewesen sei, könne er nicht sagen, da er selbst unregelmäßig da gewesen sei. Er habe aber immer bei sich geschlafen, der Zeuge hingegen habe nicht oft in dem Zimmer übernachtet. Ob der Zeuge eine Familie habe, wisse er nicht. Die als Zeugin gehörte Polizistin IC., welche die Wohnung an der Meldeanschrift des Zeugen durchsucht hat, kam zu dem Ergebnis, dass der Zeuge dort nicht gelebt habe. Der Polizist DU., welcher an der Durchsuchung der Wohnung der Klägerin beteiligt gewesen ist, hat bekundet, es habe in der Wohnung der Klägerin keine Anzeichen gegeben, dass dort eine weitere erwachsene Person lebe. Das Amtsgericht E. hat auf die Hauptverhandlungen vom 11.03.2022, 30.03.2022 und 08.04.2022 die Klägerin und den Zeugen freigesprochen. Zwar habe es im Rahmen der Beweisaufnahme viele Anhaltspunkte dafür gegeben, dass es sich bei den drei Kindern um gemeinsame Kinder der Klägerin und des Zeugen handeln würde. Die Indizien für das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft seien aber zur Überzeugung des Gerichts nicht ausreichend. Die fehlende Hilfebedürftigkeit habe sich nicht feststellen lassen. Auch habe es keine hinreichenden Erkenntnisse zu dem Leben in einem gemeinsamen Haushalt gegeben. Bei der polizeilichen Durchsuchung sei nichts gefunden worden, was auf einen gemeinsamen Haushalt schließen lassen könne. Die Zeugen QL. und SF. hätten bestätigt, dass der Zeuge unter seiner Meldeanschrift gewohnt habe.

Der Senat hat am 05.04.2023 einen Erörterungstermin mit Beweisaufnahme durchgeführt. Der Zeuge hat sich krankheitsbedingt für den Termin entschuldigt. Die Klägerin hat auf Befragen erklärt, sie habe nie mit dem Zeugen zusammengelebt. Wie es sein könne, dass sie in den Jahren 2013 und 2014 gemeinsam gemeldet gewesen seien, könne sie sich nicht erklären. Der Zeuge sei ihr Cousin. Sie würden sich von klein auf kennen. Sie habe erst in einem anderen Stockwerk des Hauses gelebt und sei dann in die Wohnung des Zeugen gezogen. Er habe ihr das angeboten. Sie habe auch bei der Durchsuchung nicht gesagt, dass sie ihn nicht kenne. Vielmehr habe sie den Polizisten auf dessen Nachfrage, wo FX. sei, gefragt, welchen FX. er meine. Es gebe in ihrer Familie sehr viele Männer mit dem Namen FX.. Bei der Hausdurchsuchung im Jahr 2018 sei es so gewesen, dass ihre Tür geschlossen gewesen sei und die Polizei sie dann gebeten habe, diese zu öffnen. Die Polizei habe wohl gedacht, dass es sich um eine gemeinsame Wohnung handele. Dies sei aber nicht so. Die Wohnungen seien geteilt. Man gelange über eine Tür in einen Flur. Die linke Wohnung sei diejenige von Frau S. gewesen, die rechte sei ihre Wohnung. Frau S. habe bis 2019 dort gelebt und zwar alleine mit ihren Kindern. Der Zeuge sei bei der Durchsuchung 2018 nicht in ihrer Wohnung gewesen. Zu der bei der Durchsuchung in ihrer Wohnung gefundenen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, den Mahnungen sowie den Tablets könne sie nichts sagen. Sie bekomme sehr viel Besuch von ihrer Familie. Wahrscheinlich habe der Zeuge die Sachen einfach bei ihr vergessen. Sie habe ihm dann gesagt, dass er diese abholen solle. Dazu hätten auch die Tablets in der Küche gehört. Wie viele Tage sich die Gegenstände bei ihr befunden hätten, wisse sie nicht mehr. Hinsichtlich der Aussage ihrer Tochter in dem Video wies die Klägerin darauf hin, dass der Begriff „Dade“ in ihrer Sprache ein Sammelbegriff sei, der als eine Art Kosename für jegliche näheren Verwandten genutzt würde. Bei der Krankenversicherung sei es so, dass die Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung rückständig seien. Seit Juni letzten Jahres sei sie sozialversicherungspflichtig beschäftigt und daher gesetzlich versichert. Auf Nachfrage, wovon sie seit der Einstellung der Leistungen 2019 gelebt habe, hat die Klägerin erklärt, ihre Familie habe ihr geholfen. Sie habe darüber hinaus bei SK. Kleinanzeigen nach Putzstellen gesucht und so ein bis zwei Stunden täglich gearbeitet. Sie könne nicht mehr genau sagen, wann das gewesen sei. In der Woche habe sie auf diese Weise ca. 60 € bis max. 100 € verdient. Bei den Bausparverträgen sei es so gewesen, dass sie das Geld gezahlt habe, in dem sie immer etwas Geld zur Seite gelegt habe. Dieses habe sie dann dem Zeugen gegeben, der es auf die Bausparverträge eingezahlt habe. Sie selbst habe ein Pfändungsschutzkonto gehabt und daher sei eine andere Lösung nicht möglich gewesen. Die Klägerbevollmächtigte hat darauf hingewiesen, dass neben Unterhaltsvorschussleistungen und dem Kindergeld auch noch Pflegegeld für ein Kind bezogen worden sei. Auf Nachfrage zu Herrn O. hat die Klägerin ausgeführt, dieser habe die Kinder und sie nie finanziell unterstützt. Befragt zu der Miete erklärte die Klägerin, diese habe sie nur gezahlt, wenn etwas übriggeblieben sei, also aus dem Kindergeld oder aus dem, was eben sonst noch da gewesen sei. Einen Überblick darüber, wie viele Schulden bestünden, habe die Klägerin nicht. Eine Kündigung der Wohnung habe auch im Raum gestanden. Die Klägerin hat weiter ausgeführt, sie habe mit dem Zeugen eine Vereinbarung, wonach sie ihm eben zahlen sollte, was sie zahlen könne. Er habe sie auch schon aus der Wohnung rausschmeißen wollen und sie habe ihn dann einfach gebeten, noch etwas abzuwarten. Mit ihrem Nachnamen sei es schwierig, eine Wohnung zu finden. Die Bausparverträge der Kinder habe sie selbst aufgelöst und das angesparte Geld zur Zahlung der Miete verwendet.

Wegen der Befragung der übrigen Zeugen, bei denen es sich um die bereits erstinstanzlich vernommenen Nachbarn sowie die unmittelbar in der Wohnung neben der Klägerin lebende Frau KT. handelt, nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf das Protokoll des Erörterungstermins.

Nach Aufforderung des Senats gemäß § 106a Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat die Klägerin eine Bescheinigung der HD. über Beitragsrückstände betreffend den streitigen Zeitraum eingereicht, des Weiteren eine Einverständniserklärung zur Einholung von Kontoauszügen der X. und der CL. E. sowie die Aktenzeichen der Familienkasse und der Unterhaltsvorschusskasse. Mit Ausnahme der vollständigen Kontoauszüge der X., die nur für die Monate Juli und August 2019 vorgelegt worden sind, hat der Senat von Amts wegen die Kontoauszüge der CL. sowie die Nachweise der Familienkasse und der Unterhaltsvorschusskasse beigezogen. Die Familienkasse hat keine Unterlagen vorgelegt, da hierfür eine Einverständniserklärung der Klägerin erforderlich sei. Die Zuflüsse des Kindergeldes ergeben sich jedoch aus den Kontoauszügen der Klägerin bei der CL..

Aus den Kontoauszügen der Klägerin bei der CL. ergeben sich für den streitigen Zeitraum folgende Zahlungseingänge:

31.12.2018 189,84 € „Privat FH.“

04.02.2019 805,34 € „Privat FH.“

29.04.2019 564,74 € „Privat FH.“

29.05.2019 584,- € „Privat FH.“

27.06.2019 554,- € „Privat FH.“

01.08.2019 525,27 € „Privat FH.“

28.08.2019 554,- € „Privat FH.“

Diese Eingänge decken sich mit den zu diesen Daten bei der X. von der Klägerin überwiesenen Beträgen für den Monat August 2019. Aus den Kontoauszügen der CL. ergeben sich außerdem monatliche Abbuchungen für „GO.“ i.H.v. 25,96 € (bzw. im März 2019 i.H.v. 37,96 €) und Abbuchungen von „YH.“ i.H.v. 14,95 € monatlich. Neben dem Zufluss des Kindergeldes sind im Übrigen im Wesentlichen nur Barabhebungen sowie monatliche Abbuchungen des Energieversorgers erkennbar.

Unter dem 28.07.2023 gab die Klägerin an, zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes Zahlungen als Darlehen von Herrn AK. erhalten zu haben. Auf gerichtliche Nachfrage hat die Klägerin mit Schreiben vom 18.08.2023 ausgeführt, Herr OU. sei von ihr deshalb bisher nicht als Darlehensgeber benannt worden, weil das Hauptaugenmerk der gerichtlichen Ermittlungen bisher die Lebensgemeinschaft mit dem Zeugen gewesen und die Frage der Hilfebedürftigkeit erstmalig im Erörterungstermin des Senats aufgeworfen worden sei. Herr OU. habe der Klägerin das Geld immer in bar gegeben, wenn er in Deutschland gewesen sei. Er lebe seit dem Jahr 2018 nicht mehr in Deutschland und nach dem Kenntnisstand der Klägerin seitdem in Russland. In den ersten Jahren bis zur Corona-Pandemie sei er aber monatlich in Deutschland gewesen. Zwar sei die Auflösung der Sparkonten der Kinder erst im Anschluss an den streitigen Zeitraum erfolgt. Die Auflösung belege dennoch die Hilfebedürftigkeit der Klägerin.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakten und die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten sowie die zum Verfahren beigezogenen Streitakten S 16 AS 3071/21 und S 16 AS 3072/21 und die darin befindlichen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.

Im Ergebnis zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid vom 23.04.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.08.2019 nicht in ihren Rechten verletzt, § 54 Abs. 2 SGG. Die Klägerin hatte im streitigen Zeitraum von März 2019 bis August 2019 keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, so dass der Beklagte die Leistungsbewilligung vom 08.08.2018 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 24.11.2018 zu Recht aufgehoben und die Leistungen ab März 2019 nicht ausgezahlt hat.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 23.04.2019 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 23.08.2019, mit dem der Beklagte die mit Bescheid vom 08.08.2018 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 24.11.2018 erfolgte Bewilligung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.03.2019 bis zum 31.08.2019 ganz aufgehoben hat, nachdem zuvor bereits eine Einstellung der Leistungen nach dem SGB II gemäß Schreiben vom 21.02.2019 erfolgt ist. Streitgegenstand ist allerdings alleine der auf die Klägerin entfallende Leistungsanteil, denn nur sie hat Klage gegen die Bescheide erhoben. Gegenüber den übrigen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft – also den Kindern der Klägerin – ist Bestandskraft eingetreten (st. Rechtsprechung, grundlegend BSG Urteil vom 07.11.2006, B 7b AS 8/06 R, Rn. 11ff, juris; BSG Urteil vom 30.01.2019, B 14 AS 12/18 R, Rn. 12, juris; BSG Beschluss vom 01.09.2021, B 14 AS 173/21 B, Rn. 7, juris).

Die Berufung der Klägerin ist statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 750 € übersteigt, § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG. Sie ist auch fristgerecht eingelegt, § 151 SGG. Das Urteil des SG vom 03.12.2021 ist der Klägerin am 11.01.2022 zugestellt worden. Sie hat am 09.02.2022 Berufung eingelegt.

Die Berufung ist jedoch unbegründet.

I. Die Klage ist zulässig.

Die Klägerin wendet sich gegen den Bescheid vom 23.04.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.08.2019 zutreffend mit der Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 SGG). Mit der Aufhebung der angefochtenen Bescheide würde der Leistungsanspruch der Klägerin für den Zeitraum vom 01.03.2019 bis 31.08.2019 gemäß Bewilligungsbescheid vom 08.08.2018 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 24.11.2018 wieder aufleben.

Die Klagefrist nach § 87 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 SGG ist gewahrt. Die Klage ist danach binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zu erheben. Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so beginnt die Frist mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides, § 87 Abs. 2 SGG. Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Y. übermittelt wird, gilt gem. § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X am dritten Tag nach der Absendung als bekannt gegeben. Gegen den Widerspruchsbescheid vom 23.08.2019 hat die Klägerin am 23.09.2019 und damit innerhalb der Monatsfrist Klage erhoben.

II. Die Klage ist unbegründet.

1.

Die Bescheide sind formell rechtmäßig.

a.

Der Beklagte hat die Klägerin vor der Aufhebung der Bewilligung mit Schreiben vom 21.02.2019 zu der beabsichtigten Aufhebung der Leistungen angehört (§ 24 SGB X). Mit der Anhörung ist dem Beteiligten Gelegenheit zur Äußerung zu den für den beabsichtigten Verwaltungsakt entscheidungserheblichen Tatsachen zu gewähren (Franz in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Auflage 2017, § 24 SGB X (Stand: 01.12.2017), Rn. 24). Hierbei ist es unerheblich, ob der Beklagte in dem Anhörungsschreiben die zutreffende Rechtsgrundlage für die Aufhebung benannt hat. Maßgeblich ist, dass der Beklagte den zu Grunde liegenden Sachverhalt dargestellt und der Klägerin insbesondere Gelegenheit gegeben hat, sich zu den inneren Tatsachen der Aufhebung – also dem Vorwurf des grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Verhaltens – zu äußern. Zwar handelt es sich bei dem Schreiben vom 21.02.2019 formal zunächst nur um die Mitteilung der vorläufigen Zahlungseinstellung verbunden mit dem Hinweis auf einen noch zu erlassenden Aufhebungsbescheid. Der Klägerin ist mit diesem Schreiben jedoch der maßgebliche Sachverhalt (die Unterstellung einer Lebenspartnerschaft mit dem Zeugen und damit fehlender Hilfebedürftigkeit) mitgeteilt und Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden.

Im Übrigen wäre eine unterlassene Anhörung aber auch unbeachtlich, wenn sie gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X geheilt worden ist. Hiernach ist die unterlassene Anhörung unbeachtlich, wenn sie nachgeholt worden ist. Dies ist hier jedenfalls durch die Möglichkeit der Klägerin, sich im Widerspruchsverfahren umfassend zu dem Sachverhalt zu äußern, geschehen (BSG Urteil vom 29.11.2012, B 14 AS 6/12 R, Rn. 21, juris).

b.

Der Bescheid ist hinreichend bestimmt im Sinne von § 33 SGB X. Hinreichend bestimmt ist ein Bescheid dann, wenn der Betroffene aus dem Verfügungssatz, gegebenenfalls unter Zuhilfenahme der Begründung, klar und unzweifelhaft entnehmen kann, was die Behörde von ihm verlangt (BSG Urteil vom 25.10.2017, B 14 AS 9/17 R, Rn. 17, juris). Dies ist hier der Fall. Die Klägerin kann aus dem Bescheid klar und unzweideutig entnehmen, dass, für welchen Zeitraum und in welchem Umfang der Leistungsanspruch aufgehoben wird.

2.

Der Bescheid vom 23.04.2019 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 23.08.2019 ist auch materiell rechtmäßig.

a.

Ein Anspruch der Klägerin auf Auszahlung der Leistungen folgt nicht aus § 40 Abs. 2 Nr. 4 SGB II (i.d.F. vom 29.04.2019) i.V.m. § 331 SGB III.

Hiernach kann der zuständige Träger der SGB II-Leistungen die Zahlung einer laufenden Leistung ohne Erteilung eines Bescheides vorläufig einstellen, wenn er Kenntnis von Tatsachen erhält, die kraft Gesetzes zum Ruhen oder zum Wegfall des Anspruchs führen, und wenn der Bescheid, aus dem sich der Anspruch ergibt, deshalb mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben ist. Soweit die Kenntnis nicht auf Angaben der Person beruht, die die laufende Leistung erhält, sind ihr unverzüglich die vorläufige Einstellung der Leistung sowie die dafür maßgeblichen Gründe mitzuteilen, und es ist ihr Gelegenheit zu geben, sich zu äußern (§ 331 Abs. 1 SGB III). Die vorläufig eingestellte laufende Leistung ist unverzüglich nachzuzahlen, soweit der Bescheid, aus dem sich der Anspruch ergibt, zwei Monate nach der vorläufigen Einstellung der Zahlung nicht mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben ist (§ 331 Abs. 2 SGB III).

Diese Frist hat der Beklagte eingehalten, denn er hat die Zahlungen mit Schreiben vom 21.02.2019 ab dem 01.03.2019 eingestellt und dann innerhalb von zwei Monaten ab Beginn der Zahlungseinstellung mit Bescheid vom 23.04.2019 die Leistungsbewilligung ab dem 01.03.2019 aufgehoben.

Selbst wenn für den Fristbeginn das Datum der Mitteilung der Zahlungseinstellung – hier der 21.02.2019 – maßgeblich wäre mit der Folge, dass der Aufhebungsbescheid vom 23.04.2019 außerhalb der Zwei-Monats-Frist ergangen wäre, so würde sich hieraus kein Zahlungsanspruch der Klägerin ergeben. Es ist der Behörde unbenommen, auch nach Fristablauf bei Vorliegen der sonstigen gesetzlichen Voraussetzungen eine Aufhebungsentscheidung nach Maßgabe der §§ 45 ff SGB X zu treffen. Eine Auszahlung kann nicht mehr verlangt werden, wenn es den Bescheid, der diese Leistungen ursprünglich bewilligt hatte, nicht mehr gibt. Auch nach dem Wortlaut des § 331 Abs. 2 SGB III ist nur unverzüglich nachzuzahlen, soweit der Bescheid, aus dem sich der Anspruch ergibt, nicht mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben worden ist (Sächsisches LSG Urteil vom 20.09.2013, L 7 AS 863/11, Rn. 21, juris).

Dem folgend ist das Klagebegehren der Klägerin nicht auf eine (vorläufige) Auszahlung der Leistungen gerichtet, sondern auf die Klärung der Rechtmäßigkeit des Aufhebungsbescheides vom 23.04.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.08.2019.

b.

Der Senat kann offenlassen, ob als Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Leistungsbewilligung vom 08.08.2018 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 24.11.2018 § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 2 und 3 SGB III i.V.m. mit § 45 SGB X oder i.V.m. mit § 48 SGB X in Betracht kommt.

Sowohl nach § 45 SGB X als auch nach § 48 SGB X ist ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen auch für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit er rechtswidrig und das Vertrauen des Begünstigten in den Bestand des Verwaltungsaktes nicht schutzwürdig ist und die Fristen des § 45 Abs. 3 und Abs. 4 S. 2 SGB X für die Rücknahme eingehalten werden. § 45 SGB X ist dann heranzuziehen, wenn der aufzuhebende Verwaltungsakt von Beginn an rechtswidrig gewesen ist. § 48 SGB X ist einschlägig, wenn sich nach Erlass des Bewilligungsbescheides eine Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen ergeben hat. Das Auswechseln der Rechtsgrundlage ist zulässig, soweit der Verwaltungsakt dadurch nicht in seinem Regelungsumfang oder seinem Wesensgehalt verändert oder die Rechtsverteidigung des Betroffenen in unzulässiger Weise beeinträchtigt oder erschwert wird (BSG Urteil vom 21.06.2011, B 4 AS 22/10 R, Rn. 26, juris). Eine dieser Einschränkungen für den Austausch der Rechtsgrundlage ist hier nicht gegeben. Vielmehr ist die Aufhebung sowohl nach § 45 SGB X als auch nach § 48 SGB X auf die gleiche Rechtsfolge gerichtet, nämlich die Aufhebung der früheren Bewilligungsentscheidung.

In diesem Sinne war der Bescheid vom 08.08.2018 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 24.11.2018 jedenfalls ab dem 01.03.2019 rechtswidrig, denn die Klägerin war im hier allein streitigen Zeitraum von März 2019 bis August 2019 nicht hilfebedürftig i.S.d. SGB II.

c.

Gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II erhalten Personen Leistungen nach dem SGB II, die 1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, 2. erwerbsfähig sind, 3. hilfebedürftig sind und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).

(1) Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1, 2 und 4 SGB II. Leistungsausschlussgründe liegen auch nicht vor.

(2) Die Klägerin war im streitigen Zeitraum jedoch nicht hilfebedürftig i.S.d. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II i.V.m. §§ 9, 11-13 SGB II. Gemäß § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebender Partnerin oder lebenden Partners zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 2 S. 1 und 2 SGB II).

Zwar konnte der Senat sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon überzeugen, dass zwischen der Klägerin und dem Zeugen eine Lebensgemeinschaft besteht, die eine Bedarfsgemeinschaft begründen würde. Die Klägerin hat jedoch unter Würdigung aller Umstände nicht nachgewiesen, dass sie im streitigen Zeitraum auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II angewiesen war. Vielmehr geht der Senat davon aus, dass die Klägerin den Bedarf der Familie unter Zuhilfenahme von Unterstützungsleistungen Dritter sicherstellen konnte.

(a)

Mangels Nachweises einer Bedarfsgemeinschaft mit dem Zeugen können dessen Einkommen und Vermögen der Klägerin nicht bedarfsmindernd zugerechnet werden. Nach § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II gehören zur Bedarfsgemeinschaft als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Das BSG hat drei Komponenten hervorgehoben, ohne deren kumulatives Vorliegen nicht von einer Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft ausgegangen werden könne. Dies sind das Bestehen einer Partnerschaft, das Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt und der wechselseitige Einstehens- und Verantwortungswille (vgl. etwa BSG Urteil vom 23.08.2012, B 4 AS 34/12 R, Rn. 14, juris). Unter Partnerschaft ist insoweit eine Gemeinschaft zu verstehen, die nicht durch bloßes Zusammenleben begründet wird, sondern Ausschließlichkeitscharakter im Sinne einer Eheähnlichkeit aufweist und keine vergleichbare Lebensgemeinschaft daneben zulässt (BSG a.a.O., Rn. 20, juris). Die Beweislast für das Bestehen einer Partnerschaft liegt bei der Behörde. Ebenso die Beweislast für diejenigen Tatsachen, die eine Vermutungswirkung nach § 7 Abs. 3a SGB II (Zusammenleben in einem Haushalt länger als ein Jahr oder das Leben in einem Haushalt mit (gemeinsamen) minderjährigen Kindern) begründen können.

Dieser Nachweis im Sinne eines Vollbeweises ist nach der Vernehmung der Zeugen auch unter Berücksichtigung der Zeugenvernehmung im Strafverfahren nicht zur Überzeugung des Senates geführt worden. Der Senat verkennt hierbei nicht, dass gewichtige Indizien dafür sprechen, dass zwischen der Klägerin und dem Zeugen eine über die familiäre Verbundenheit hinausgehende Beziehung bestanden haben könnte. Die Mitbewohner des Hauses haben übereinstimmend bekundet, dass der Zeuge im Haus regelmäßig ein und ausgegangen ist und den zu der Wohnung der Klägerin gehörenden Parkplatz für sein Auto genutzt hat. Auch haben die Zeugen übereinstimmend bekundet, dass die Klägerin und der Zeuge „nach ihrem Eindruck“ eine Familie sind. Die Zeugen JI. und QJ. haben davon gesprochen, dass die Familie Einkäufe gemeinsam getätigt habe. Bei der Hausdurchsuchung der Klägerin wurden Tablets des Zeugen, eine Mahnung sowie Kontoauszüge der Bausparverträge der Kinder gefunden. Auf einem sichergestellten Video bezeichnen die Kinder der Klägerin den Zeugen als „Dade“, was übersetzt so viel wie „Papa“ bedeuten soll. Bei der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung ist auch zu würdigen, dass der tatsächliche gewöhnliche Aufenthalt des Zeugen unklar bleibt. Der Senat hält es unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Wohnungsdurchsuchung an der Meldeanschrift des Zeugen nicht für glaubhaft, dass dieser dort gelebt hat. Es handelt sich offenbar um eine Ein-Raum-Wohnung, die ein volljähriger, berufstätiger Mann, der auch Eigentümer mehrerer Immobilien ist, über eine längere Zeit gemeinsam mit einem Mitbewohner in einer Wohngemeinschaft genutzt haben will, ohne dass sich feststellen ließe, dass der Zeuge sich nachts zum Schlafen in der Wohnung aufgehalten hat, und ohne dass es zum Austausch irgendwelcher Informationen zwischen den Mitbewohnern gekommen sein soll. Die Zeugen YC. (Mitbewohner und Vermieter, Sohn und Vater) konnten beide trotz der familiären Verbundenheit und des (vorgeblich) langjährigen Mietverhältnisses nicht sagen, ob der Zeuge eine Familie/Beziehung hat oder nicht. Zu Lasten der Klägerin ist auch zu berücksichtigen, dass diese und der Zeuge in den Jahren 2013 und 2014 nach den Angaben des Beklagten eine gemeinsame Meldeanschrift hatten und noch 2017 gemeinsam eine Anzeige wegen Einbruchs in die Wohnung der Klägerin erstattet haben. Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Zeuge die Bausparverträge der Kinder der Klägerin angespart hat. Der Umstand, dass die Klägerin seit März 2019 keine Leistungen mehr bezieht und nach eigenem Bekunden auch die Mietzahlungen nicht mehr oder nur teilweise erbringen kann und es dennoch bisher weder zu einer Kündigung noch zu einer (nachweisbaren) Androhung einer Kündigung gekommen ist, sprechen für eine besondere Nähebeziehung zwischen der Klägerin und dem Zeugen. Auch die offensichtlichen Widersprüche in den Aussagen der Klägerin und des Zeugen verkennt der Senat hierbei nicht. So hat die Klägerin ausgesagt, der Zeuge habe ihr angeboten, in die von ihm erworbene Wohnung zu ziehen. Der Zeuge hat in der mündlichen Verhandlung hingegen ausgesagt, die Klägerin habe ihn darum gebeten, in die Wohnung ziehen zu dürfen, da sie eine größere Wohnung benötige. Befragt zu den in ihrer Wohnung aufgefundenen Tablets, die dem Zeugen zuzuordnen sind, hat die Klägerin bekundet, er habe diese vermutlich in der Wohnung vergessen, wohingegen der Zeuge in der mündlichen Verhandlung ausgesagt hat, er habe die Tablets den Kindern geschenkt, da er für die Tablets keine Verwendung mehr gehabt habe.

Eine offensichtlich bestehende Nähebeziehung und die teilweise widersprüchlichen Angaben genügen jedoch nicht den Anforderungen an den Nachweis einer Partnerschaft im Sinne einer Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft. Die Klägerin hat erläutert, dass der Zeuge sie öfter besuche und auch eine enge Beziehung zu ihren Kindern pflege, was sich bereits daraus ergebe, dass es sich um den Cousin der Klägerin handele. Dies erkläre auch die Tatsache, dass in ihrer Wohnung die Tablets und ein paar Unterlagen des Zeugen aufgefunden worden seien, die er dort wohl vergessen habe. Hierbei muss berücksichtigt werden, dass sich anlässlich der Durchsuchung der Wohnung der Klägerin keine Anzeichen dafür ergeben haben, dass in der Wohnung eine zweite erwachsene Person lebt. Dies lässt sich auch nicht damit erklären, dass der Zeuge in Vorbereitung der Durchsuchung seine Gegenstände aus der Wohnung geräumt hat. Die Zeugen – insbesondere Herr JI. – konnten nicht bestätigen, dass ihnen einmal aufgefallen wäre, dass der Zeuge in die Wohnung der Klägerin ein- oder ausgezogen ist. Auch die direkte Nachbarin der Klägerin, Frau KT., konnte nicht definitiv bestätigen, dass der Zeuge dauerhaft bei der Klägerin lebe oder der Vater der Kinder sei. Keiner der Zeugen konnte definitiv sagen, dass der Zeuge abends, wenn er sein Fahrzeug auf dem Parkplatz abgestellt hat, tatsächlich die Wohnung der Klägerin betreten hat. Dies hat insbesondere die Zeugin EE. daraus geschlossen, dass sie das Geräusch der Tür im Erdgeschoss gehört habe. Die Zeugen QJ. und JI. hingegen haben bekundet, dass sie aufgrund des eigenen Aufzuges zu ihrer alten Wohnung bis zum Wechsel der Wohnung wenig von den täglichen Geschehnissen im Haus mitbekommen haben. Der Zeuge hat die Nutzung des Stellplatzes dem Grunde nach nachvollziehbar erläutert und in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, er habe den Stellplatz gemietet, da seine Mutter in der Nähe lebe und er selbst auch eine Zeitlang fußläufig zu dem Stellplatz gewohnt habe. Außerdem befinde sich in unmittelbarer Nähe ein Café bzw. Verein, bei dem er sich öfter aufhalte. Wenn er etwas getrunken habe, lasse er das Auto auch über Nacht stehen und fahre mit dem Bus nach Hause. Die monatliche Stellplatzmiete von 30 € sei gegenüber den sonstigen Parkgebühren als günstig anzusehen. Insoweit trägt der Zeuge jedenfalls eine in sich schlüssige Erklärung für die häufige Nutzung des Stellplatzes vor, auch wenn diese die Aussagen der Zeugin EE., sie habe den Zeugen „immer“ abends angetroffen und ins Haus gehen sehen, nicht in Gänze entkräftet. Der Zeuge selbst hat erklärt, nicht bei der Klägerin übernachtet zu haben. Daran, dass die Kinder der Klägerin den Zeugen Papa genannt haben oder gemeinsame Aktivitäten der Familie beobachtet worden sind, konnte sich keiner der Zeugen erinnern. Hinsichtlich der Bausparverträge hat die Klägerin – allerdings ohne dies näher nachzuweisen – ausgeführt, sie habe dem Zeugen das Geld in bar gegeben, damit er das Geld auf die Bausparverträge einzahlen könne. Dies hat der Zeuge in seiner Aussage bekräftigt. Beide haben bestritten, dass Herr O. Zahlungen auf die Bausparverträge erbracht hat. Wie es zu der diesbezüglichen Erklärung in der Verwaltungsakte gekommen ist, konnte die Klägerin sich nicht mehr erklären. Sie hat jedoch bekundet, einige Male die Hilfe Dritter beim Verfassen der Schriftstücke für den Beklagten angenommen zu haben, die sie dann, ohne sie vorher zu lesen, unterschrieben habe. Auch der Begriff „Dade“ ist nicht so eindeutig zuzuordnen, wie dies dem Polizeibericht zu entnehmen ist. Der Zeuge und die Klägerin haben jedenfalls nicht widerlegbar erklärt, dass der Begriff „Dade“ mehrere Bedeutungen haben und auch als Kosewort gebraucht werden kann.

Im Ergebnis sprechen somit zwar einige Indizien für das Bestehen einer Partnerschaft i.S.d. § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II, diese kann aber zur Überzeugung des Senates angesichts der strengen Maßstäbe, die das BSG an die Nachweispflicht für das Bestehen einer Partnerschaft an die Behörde stellt, nicht als bewiesen angesehen werden.

(b) Ob eine Partnerschaft i.S.d. § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II zwischen der Klägerin und dem Zeugen bestanden hat, kann jedoch dahinstehen, da die Klägerin unabhängig hiervon ihre Hilfebedürftigkeit im streitigen Zeitraum nicht nachgewiesen hat.

Zwar geht die Unerweislichkeit einer Tatsache grundsätzlich zu Lasten desjenigen, der aus ihr eine ihm günstige Rechtsfolge herleitet. Deshalb trägt grundsätzlich die Behörde die objektive Beweislast für die Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides, wenn sie diesen zurücknimmt. Eine Umkehr der Beweislast ist aber unter den zuvor beschriebenen Umständen gerechtfertigt, wenn eine besondere Beweisnähe zu einem Beteiligten besteht. Das ist anzunehmen, wenn in dessen persönlicher Sphäre oder in dessen Verantwortungssphäre wurzelnde Vorgänge nicht aufklärbar sind und die zeitnahe Aufklärung des Sachverhalts durch unterlassene Angaben oder unzureichende Mitwirkung bei der Sachverhaltsaufklärung erschwert oder verhindert wird (BSG Urteil vom 15.06.2016, B 4 AS 41/15 R, Rn. 30 juris; Urteil vom 25.06.2015, B 14 AS 30/14 R, Rn. 20, juris). Demnach muss die Klägerin – worauf das SG in dem Urteil vom 03.12.2021 zu Recht hingewiesen hat – im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht die aus ihrer Sphäre stammenden Tatsachen substantiiert darlegen und auch mit geeigneten Beweismitteln belegen (§ 103 S. 1 Hs. 2 SGG).

aa.

Der Bedarf der Klägerin und ihrer Kinder setzt sich aus dem Regelbedarf nach § 20 SGB II zusammen. Dieser betrug im streitigen Zeitraum monatlich 424 € für die Klägerin zzgl. eines Mehrbedarfs für Alleinerziehung i.H.v. 152,64 € sowie 2 x 302 € und 1 x 245 € für die Kinder der Klägerin, insgesamt 1.425,64 € monatlich.

bb.

Die Klägerin hat für den streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf Übernahme der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB II. Zwar hat die Klägerin nach den in den Verwaltungsakten befindlichen Unterlagen vor dem hier streitigen Zeitraum bis einschließlich Februar 2019 Mietzahlungen in Höhe der geltend gemachten Bedarfe für Unterkunft und Heizung an den Zeugen erbracht. Nach dem Ergebnis der Befragung der Klägerin und des Zeugen lässt sich jedoch nicht zur Überzeugung des Senates feststellen, dass die Klägerin auch im hier streitigen Zeitraum einer ernsthaften Mietzahlungsverpflichtung ausgesetzt gewesen ist bzw. aus der Nichtzahlung der Unterkunftskosten im streitigen Zeitraum Schulden bestehen, zu deren Tilgung die Klägerin ernsthaft im Sinne einer rechtlichen Verpflichtung in Anspruch genommen wird. Nach § 22 Abs. 1 SGB II sind die Bedarfe für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe zu übernehmen, soweit sie angemessen sind. Dass die Wohnung von der Klägerin und ihren Kindern tatsächlich bewohnt wird, ist unstreitig. Allerdings ist nicht substantiiert nachgewiesen, dass die Klägerin einer ernsthaften Mietverpflichtung aus dem Mietvertrag mit dem Zeugen auch im hier streitigen Zeitraum vom 01.03.2019 bis 31.08.2019 ausgesetzt gewesen ist.

Auch wenn in der Vergangenheit bis einschließlich Februar 2019 Mietzahlungen regelmäßig geflossen sind, hat die Klägerin für den streitigen Zeitraum konkrete und einklagbare Mietschulden nicht beziffern können. Nach eigenen Angaben hat die Klägerin im streitigen Zeitraum Zahlungen auf die Miete geleistet, wenn sie etwas zur Verfügung hatte. Es seien so erhebliche Mietrückstände aufgelaufen. Allerdings konnte die Klägerin diese weder im Erörterungstermin noch im Nachgang zu dem Erörterungstermin noch im Verhandlungstermin beziffern. Nach der Aufstellung zu den Mietschulden, welche die Klägerin mit Schreiben vom 23.03.2020 zu den Verwaltungsakten gereicht hat, sollen für den Zeitraum von Februar 2019 bis März 2020 unter Berücksichtigung einer Zahlung von 2236,04 € im November 2019, 555 € im Dezember 2019 und 340 € im Januar 2020 noch verbleibende Schulden i.H.v. 8243,96 € bestehen. Diese Aufstellung ist so nicht nachvollziehbar. Zum einen hat die Klägerin ausweislich der vorgelegten Kontoauszüge für Februar 2019 noch eine Mietzahlung entrichtet. Nach den Angaben des Zeugen im Verhandlungstermin hat die Klägerin im Jahr 2019 nur zu Beginn des Jahres Zahlungen und dann erst wieder eine große Summe von ca. 2000 € im November geleistet. Demnach müssten gemäß der Auflistung vom 23.03.2020 von Februar 2019 bis März 2020 14 Monate x 875 €, also eine Summe von 12250 € an Mietzahlungen fällig geworden sein. Abzüglich der angegebenen Zahlungen von insgesamt 3131,04 € verbliebe eine Restforderung von 9118,96 €. Erst unter Berücksichtigung der sich aus den Kontoauszügen ergebenden Mietzahlung von 875 € für Februar 2019 ergibt sich die in dem Schreiben genannte Restforderung von 8243,96 €. Etwaige Neben- und Heizkostenabrechnungen für den streitigen Zeitraum wurden hierbei offenbar nicht berücksichtigt oder sind seitens des Vermieters nicht gefordert worden. Die Klägerin und der Zeuge haben in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend vorgetragen, die Klägerin habe die Mietzahlungen erst wieder aufgenommen, nachdem sie im Jahr 2022 eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen habe. Konkrete Angaben zu der Wiederaufnahme der Mietzahlung konnte die Klägerin jedoch erstmalig im Verhandlungstermin vom 06.09.2023 machen. Weder im schriftlichen Verfahren noch auf Nachfrage des Senats im Erörterungstermin am 05.04.2023 hat die Klägerin konkrete Angaben zu den bestehenden Mietzahlungen machen können. Widersprüchliche Angaben ergeben sich jedoch erneut bei der Frage, in welcher Höhe eine Tilgung der behaupteten Mietschulden nunmehr erfolgt. Die Klägerin hat erklärt einen Betrag von monatlich 950 € bei einer geschuldeten monatlichen Miete von 875 € zu zahlen. Der Zeuge hat eine monatliche Zahlung von 990 € gespeist aus zwei verschiedenen Zahlungen à 400 € und 590 € behauptet. Seit wann genau die Zahlungen wieder aufgenommen worden sind und wie hoch die nunmehr noch bestehenden Verbindlichkeiten sind, konnte weder die Klägerin noch der Zeuge benennen. Angesichts des Umstandes, dass der Senat die Frage der Mietschulden sowohl im Erörterungstermin als auch im schriftlichen Verfahren angefragt und unter Hinweis auf § 106a SGG eine Frist zur Vorlage entscheidungserheblicher Unterlagen gesetzt hat, kann dies nur als Hinweis darauf gedeutet werden, dass weder die Klägerin noch der Zeuge die bestehenden (Rest)Schulden nachhalten oder der Zeuge diese im Sinne einer ernsthaften Zahlungsverpflichtung der Klägerin einfordert.

Seit der Leistungseinstellung bezieht die Klägerin keine Leistungen nach dem SGB II mehr. Wovon sie lebt bzw. wie sie die Miete seither bestreitet, bleibt unklar. Die von ihr behauptete Vereinbarung mit dem Zeugen, er stunde ihr die Miete, bis sie wieder zahlen könne, ist angesichts der Zeitdauer (seit 2019) und angesichts der Tatsache, dass die Höhe der Forderung bei behaupteten, aber nicht näher bezifferten Teilzahlungen nicht nachgehalten worden ist, wenig glaubhaft. Sieht sich die Klägerin jedoch für den streitigen Zeitraum keiner einklagbaren Mietforderung ausgesetzt, sind Zahlungen auf Unterkunft und Heizung zur Deckung des Wohnbedarfs nicht erforderlich. Es kann hierbei auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Stundung der Miete allein zur Überbrückung einer Notsituation bei rechtswidrig ausbleibenden Zahlungen des Beklagten erfolgt ist, denn eine schriftliche Kündigung oder auch nur die ernsthafte Androhung einer Kündigung ist nicht erfolgt. Dies verwundert umso mehr, als der Zeuge bekundet hat, die Wohnung bei einer Zwangsversteigerung erworben und voll finanziert zu haben, so dass er grundsätzlich auf Mietzahlungen angewiesen sei.

cc.

Dem Bedarf gegenüber stand zunächst das Einkommen der Kinder aus Kindergeld i.H.v. 588,- € monatlich vom 01.03.2019 bis 30.06.2019 und i.H.v. 618 € ab Juli 2019 sowie der Unterhaltsvorschuss mit 2 x 212 und 1 x 160 € monatlich vom 01.03.2019 bis 30.06.2019 und jeweils 2 x 202 € und 1 x 150 € monatlich vom 01.07.2019 bis 31.08.2019.

Die Kinder der Klägerin verfügten damit vom 01.03.2019 bis 31.08.2019 über insgesamt monatlich 1172 €, so dass der Bedarf der Kinder von 849 € monatlich damit gedeckt war.

dd.

Unter Würdigung des gesamten Sachvortrages konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass die Klägerin den sich so ergebenden Restbedarf nicht aus anderen Mitteln decken konnte, so dass sie im Ergebnis für den hier streitigen Zeitraum nicht hilfebedürftig gewesen ist.

Für eine bestehende Hilfebedürftigkeit der Klägerin könnte allein sprechen, dass im streitigen Zeitraum offenbar Zahlungen auf die freiwillige Krankenversicherung bei der HD. nicht geleistet wurden und Beitragsrückstände aufgelaufen sind, bis die Klägerin durch die Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung wieder gesetzlich krankenversichert gewesen ist.

Die überwiegenden Aspekte sprechen jedoch gegen eine Hilfebedürftigkeit der Klägerin im streitigen Zeitraum. Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Klägerin nach eigenen Angaben Einnahmen aus mehreren Putztätigkeiten hatte, die ihr bar und ohne Abzug von Sozialabgaben ausgezahlt worden sind. Nach ihren diesbezüglichen Angaben im Erörterungstermin handelt es sich hierbei um Beträge zwischen 60 € und 100 € wöchentlich, also 240 € bis 400 € monatlich. Aus den Kontoauszügen der Klägerin bei der CL. ergeben sich für den streitigen Zeitraum keine erkennbaren Abbuchungen für Güter des täglichen Bedarfs, wohl aber Abbuchungen von rund 25 € monatlich für eine Solariumnutzung und in einigen Monaten ca. 15 € monatlich für einen Beitrag für YH.. Bei einer finanziell prekären Situation wäre zu erwarten gewesen, dass von solchen, nicht zwingend erforderlichen Abonnements Abstand genommen wird.

Soweit die Klägerin nunmehr erstmalig vorgetragen hat, sie sei im streitigen Zeitraum von einem Herrn OU. finanziell im Sinne einer Nothilfe unterstützt worden, so ist dieser Vortrag wenig substantiiert. Nach den Angaben der Klägerin lebt Herr OU. seit dem Jahr 2018 in Russland und soll ihr immer während seiner Aufenthalte in Deutschland Geld in bar zur Verfügung gestellt haben, das sie ihm allerdings habe zurückzahlen sollen. Auf Nachfrage hat sie schriftlich erklärt, sie habe Herrn OU. nur deshalb nicht schon früher benannt, weil bisher nur die Partnerschaft zu dem Zeugen Gegenstand der Ermittlungen und Erörterungen gewesen sei. Vor dem Hintergrund, dass die Frage, wovon die Klägerin im streitigen Zeitraum gelebt hat, sowohl von dem SG in dem angefochtenen Urteil vom 03.12.2021 aufgeworfen worden ist, als auch in dem Erörterungstermin am 05.04.2023 thematisiert wurde, ist dieser Vortrag nicht überzeugend. Noch im Erörterungstermin vor dem Senat hat die Klägerin ausgeführt, sie habe von Kindergeld, Unterhaltsvorschuss, Pflegegeld und den Einnahmen aus der Putztätigkeit gelebt und sei von ihrer Schwester TN. mit Naturalien unterstützt worden sowie von Bekannten/Verwandten. Näher spezifiziert hat sie dies nicht. Soweit die Klägerin im Verhandlungstermin nunmehr vorgetragen hat, sie wolle diejenigen Personen, die sie unterstützt hätten, nicht näher benennen, da diese nicht vor Gericht aussagen wollten, und sie habe Angst, weitere Freunde und Bekannte zu verlieren, ist das für den Senat nicht vollständig nachvollziehbar. Zumindest die konkreteren Details der darlehensweisen Unterstützung hätten bereits im Erörterungstermin auch ohne Namensnennung dargelegt werden können, gerade im Hinblick darauf, dass sie nach der jetzigen Darstellung ein nicht unerhebliches Volumen gehabt haben soll. Im Übrigen sieht sich der Senat aber auch nicht in der Lage, ohne konkrete Nachweise der bloßen Behauptung der Klägerin, sie sei darlehensweise unterstützt worden, Glauben zu schenken. Dabei ist zu berücksichtigten, dass an der Glaubwürdigkeit der Klägerin insgesamt erhebliche Zweifel bestehen. So hat sie im Rahmen des Weiterbewilligungsantrages vom 14.02.2020 Unterlagen vorgelegt, die sie – wie im Termin zu mündlichen Verhandlung bestätigt – selbst unterschrieben hat. Diese beinhalten in Bezug auf die Bausparverträge der Kinder einen völlig anderen Lebenssachverhalt, als er nun von der Klägerin – und auch dem Zeugen – dargestellt wird. Insbesondere auffällig ist hierbei, dass der als leiblicher Vater angegebene OD. AD. bei dieser Darstellung nun doch finanzielle Unterstützung in Form der Ansparung der Bausparverträge vorgenommen haben soll. Wenn die Klägerin nun angibt, die Unterlagen zwar unterschrieben, aber nicht gelesen zu haben, ist das zum einen nicht glaubhaft. Zum anderen entlastet sie das aber auch nicht. Denn sie muss sich für den Vortrag, den sie unterschreibt, verantworten, der letztlich allein dem Zweck dient, die Hilfebedürftigkeit zu begründen und Leistungen nach dem SGB II zu erhalten. Dabei nimmt sie offensichtlich Vortrag in Kauf, der nach ihren jetzigen Angaben völlig falsch sein soll.

Selbst wenn der Senat die von der Klägerin behaupteten Unterstützungsleistungen von Herrn OU. von 400 € im April 2019, je 350 € im Mai und Juni 2019 und je 300 € von Juli bis November 2019 als zutreffend unterstellen würde, fehlt jeder substantiierte Nachweis, dass bezüglich dieser Zahlungen eine ernsthafte Rückzahlungsverpflichtung bestehen soll. Dies gilt umso mehr, als das Geld seit 2019 nach den Angaben der Klägerin nicht zurückgezahlt worden ist und ernsthafte Versuche, das Geld zurückzufordern, nicht vorgetragen worden sind. Ein ernsthaftes Rückzahlungsbestreben erscheint auch eher unwahrscheinlich, da der Zeuge nach den Angaben der Klägerin dauerhaft in Russland lebt und nur telefonischer Kontakt besteht. Der Senat hält es daher für wahrscheinlicher, dass – sofern Zahlungen des Herrn OU. tatsächlich erfolgt sein sollten – es sich hierbei um eine Schenkung und nicht um eine darlehensweise erfolgte Zuwendung handelt.

Diese Zuwendung wäre der Klägerin sodann als Einnahme bedarfsmindernd zuzurechnen. Gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II in der vom 01.08.2016 bis 30.06.2023 geltenden Fassung sind als Einkommen zu berücksichtigende Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen. Gemäß § 11 Abs. 1 S. 3 SGB II sind als Einkommen auch Zuflüsse aus darlehensweise gewährten Sozialleistungen zu berücksichtigen, soweit sie dem Lebensunterhalt dienen. Weitere Regelungen zur Anrechnung von Darlehen sind weder im SGB II noch in der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung - Alg II-V) enthalten, so dass sich aus § 11 Abs. 1 S. 3 SGB II der Umkehrschluss ergibt, dass andere Darlehen, als die von Sozialleistungen, anrechnungsfrei sind, unabhängig von ihrer Zweckbestimmung (Schwabe in Gagel, SGB II/SGB III, Werkstand: 83. EL, August 2021, § 11 SGB II Rn. 48). Dies entspricht auch dem Urteil des BSG vom 17.06.2010 (B 14 AS 46/09 R, juris), wonach Darlehen, unabhängig von ihrer Zweckbestimmung, nicht anrechenbar sind. Ein Darlehen, das an den Darlehensgeber zurückzuzahlen ist, stellt als eine nur vorübergehend zur Verfügung gestellte Leistung kein Einkommen dar, auch wenn es als „bereites Mittel“ zunächst zur Deckung des Lebensunterhalts verwandt werden könnte (BSG Urteil vom 17.06.2010, B 14 AS 46/09 R, Rn. 16 juris). Maßgeblich ist dabei ausschließlich, ob ein wirksamer Darlehensvertrag i.S.v. § 488 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) abgeschlossen wurde. Dabei sind Darlehen, insbesondere unter Verwandten, von verschleierten Schenkungen oder einer verdeckten, auch freiwilligen Unterhaltsgewährung, abzugrenzen und strenge Anforderungen an die Durchführung der Darlehensgewährung zu stellen. Indizien für eine verdeckte Schenkung sind das Fehlen plausibler Gründe für ein Darlehen oder die fehlende substantiierte Darlegung vom Inhalt, z.B. bzgl. des Zeitpunktes des Vertragsabschlusses, der Darlehenshöhe und den Rückzahlungsmodalitäten (Schwabe, a.a.O.). Weil und soweit der für den Hilfebedürftigen günstige Umstand, dass ein nachgewiesener Zufluss gleichwohl als Einkommen nicht zu berücksichtigen ist, seine Sphäre betrifft, obliegen ihm bei der Aufklärung der erforderlichen Tatsachen Mitwirkungspflichten; die Nichterweislichkeit der Tatsachen geht zu seinen Lasten (BSG Urteil vom 17.06.2010, B 14 AS 46/09 R, Rn. 21, juris).

Gemäß § 488 Abs. 1 S. 1 BGB wird der Darlehensgeber durch den Darlehensvertrag verpflichtet, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen. Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, einen geschuldeten Zins zu zahlen und bei Fälligkeit das zur Verfügung gestellte Darlehen zurückzuzahlen (§ 488 Abs. 1 S. 2 BGB). Die Wahrung von im Geschäftsverkehr üblichen Modalitäten (wie der Vereinbarung der in § 488 Abs. 1 BGB genannten weiteren Vertragspflichten) kann als ein Indiz dafür gewertet werden, dass ein Darlehensvertrag tatsächlich geschlossen worden ist. Es ist nicht erforderlich, dass sowohl die Gestaltung (z.B. Schriftform, Zinsabrede oder Gestellung von Sicherheiten) als auch die Durchführung des Vereinbarten in jedem Punkt dem zwischen Fremden – insbesondere mit einem Kreditinstitut – Üblichen zu entsprechen hat (BSG Urteil vom 17.06.2010, B 14 AS 46/09 R, Rn. 22, juris).

Auch die Inanspruchnahme familiärer Hilfe ist bei der Bewältigung einer Notlage zulässig, wobei von vornherein klar sein muss, dass Zuwendungen nur deshalb erfolgen, weil der Leistungsträger die Hilfe versagt hat und Eltern, Geschwister oder ein Dritter bis zur endgültigen Klärung im Widerspruchs- oder Klageverfahren einspringen wollen. Die auf einen unbestimmten Zeitpunkt festgelegte Rückführung des Darlehens ist nicht als entscheidendes Kriterium anzusehen, das gegen eine wirklich gewollte Darlehensverpflichtung spricht (vgl. dazu BSG Urteil vom 20.12.2011, B 4 AS 46/11 R, Rn. 17, juris; vgl. für die Abgrenzung zum Scheingeschäft auch LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 27.06.2017, L 11 AS 378/17 B ER, Rn. 18 ff., juris).

Gemessen an diesen Maßstäben ist im vorliegenden Fall bei Würdigung der Gesamtumstände – unabhängig davon, dass die Zahlungen des Herrn OU. oder der „Verwandten und Bekannten“ nicht näher spezifiziert worden sind – nicht ohne Weiteres von einem Darlehensvertrag mit einer ernsthaft gewollten Rückzahlungsverpflichtung auszugehen. Der Umstand, dass schriftliche Darlehensverträge offenkundig nicht geschlossen worden sind, ist hierbei unerheblich, da es bei lebensnaher Betrachtung bei Hilfeleistungen zwischen engen Bekannten oder Verwandten durchaus üblich ist, diese Zahlungen, auch wenn sie mit einer Verpflichtung zur Rückforderung gekoppelt sind, auf Vertrauensbasis mündlich abzuschließen. Gegen eine ernsthafte Rückzahlungsverpflichtung spricht jedoch, dass die Klägerin trotz Aufforderung und Fristsetzung des Senates nach § 106a SGG nur Herrn OU. als Darlehensgeber benannt hat, ohne jedoch über den erstmals in der mündlichen Verhandlung geäußerten Rahmen hinaus nachzuweisen, in welcher Höhe überhaupt Zahlungen geflossen sind und ob bzw. inwieweit diese ausschließlich im streitigen Zeitraum erfolgt sind. Auf den Kontoauszügen der Klägerin lassen sich entsprechende Einzahlungen zur Deckung laufender Bedarfe nicht feststellen. Unklar ist daher auch, ob etwaige Zahlungen tatsächlich zur Überbrückung einer Notsituation gedient haben oder es sich nicht vielmehr um generelle Unterstützungsleistungen gehandelt hat, die der Klägerin unabhängig von den Sozialleistungen zur Bedarfsdeckung zur Verfügung standen.

Auch weitere Umstände sprechen gegen eine Hilfebedürftigkeit der Klägerin im streitigen Zeitraum.

Die zugunsten der Kinder bestehenden Bausparkonten hat die Klägerin erst im Oktober 2019 aufgelöst. Insoweit stellt sich die Frage, ob eine Auflösung nicht zu einem früheren Zeitpunkt angesichts akuter Hilfebedürftigkeit hätte erfolgen können bzw. aus welchen Gründen die Klägerin dies nicht in Betracht gezogen hat. Nicht nachvollziehbar ist ferner, dass sich nach dem Bekunden der Klägerin zwar ihre Lebensumstände einschließlich der Wohnsituation seit der Leistungseinstellung nicht wesentlich geändert haben, sie aber dennoch mit ihren Kindern seit März 2019 ohne Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes lebt. Rechtsbehelfe gegen die Ablehnung der Leistungsanträge aus April und Dezember 2020 hat die Klägerin nicht eingelegt. Jedenfalls die Ausschöpfung der rechtlichen Möglichkeiten wäre bei akut bestehender Hilfebedürftigkeit zu erwarten gewesen. Die Klägerin hat diese Restzweifel, die sowohl seitens des SG in dem angefochtenen Urteil als auch seitens des Beklagten als auch im Berufungsverfahren durch den Senat artikuliert worden sind, nicht ausgeräumt, sondern immer erst nach mehrfacher Nachfrage und auf Hinweis nach § 106a SGG „scheibchenweise“ neue Informationen vorgetragen oder auf die Amtsermittlungspflichten des Gerichts verwiesen. Der Wille, an der Aufklärung des Sachverhaltes uneingeschränkt mitzuwirken, ist hier nicht erkennbar.

Seitens des Beklagten und auch des Gerichts bestehen indes keine Möglichkeiten, die Unklarheiten weiter aufzuklären. Die angeforderten Kontoauszüge der X. liegen bis auf die Auszüge für die Monate Juli und August 2019 nicht vor, sind aber auch unerheblich, da der Senat zu Gunsten der Klägerin unterstellt, dass sich anhand dieser Kontoauszüge nachweisen lässt, dass es sich bei den Überweisungen der Klägerin auf das NE. um bloße Umbuchungen von einem auf das andere Konto gehandelt hat. Zu Gunsten der Klägerin unterstellt der Senat ebenfalls den Vortrag als zutreffend, wonach ein weiteres Konto bei der CL. nicht existiert oder jedenfalls nicht aktiv genutzt wird, obgleich dieses aus einem Kontenabrufverfahren, welches der Beklagte im Jahr 2019 durchgeführt hat, erkennbar ist. Weitere Ermittlungsmöglichkeiten sieht der Senat nicht. Solche konnten auch auf Nachfrage von der Klägerin im Verhandlungstermin nicht benannt werden. Beweisanträge hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt.

Zur Überzeugung des Senates ist unter Würdigung des gesamten Akteninhaltes sowie der Befragung der Klägerin und der Zeugen davon auszugehen, dass die Klägerin im streitigen Zeitraum eingebettet in ein enges familiäres Netzwerk neben ihren eigenen Einnahmen über ausreichend finanzielle Unterstützung Dritter verfügte, die sie nicht nur darlehensweise oder als Überbrückungshilfe, sondern fortlaufend erhielt. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II seitens des Jobcenters sind angesichts der Bedarfsdeckung nicht erforderlich gewesen.

d.

Schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin in den Bestand der Bewilligungsbescheide im Sinne von § 45 Abs. 2 SGB X oder § 48 Abs. 1 SGB X steht der Rücknahme nicht entgegen. Es kann daher dahinstehen, ob ein Fall der anfänglichen Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide vorliegt, weil die Klägerin zu keinem Zeitpunkt hilfebedürftig gewesen ist oder ob die Hilfebedürftigkeit erst nachträglich entfallen ist, weil die Klägerin entsprechende Einnahmen bzw. Unterstützungsleistungen hatte.

(1) Nach § 45 Abs. 2 S. 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann, § 45 Abs. 2 S. 2 SGB X. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nach § 45 Abs. 2 S. 3 SGB X nicht berufen, soweit 1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, 2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder 3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Die Voraussetzungen der hier in Betracht kommenden Alternativen des § 45 Abs. 2 S. 3 Nrn. 2 und 3 SGB X liegen vor.

(a)

Der Tatbestand des § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X ist dann erfüllt, wenn der Betroffene Umstände verschwiegen hat und der Bescheid auf diesen falschen oder unvollständigen Angaben beruht. Angaben sind dann falsch gemacht, wenn dem Betroffenen ohne weitere Überlegungen klar sein musste, dass er den betreffenden Umstand mitteilen musste. Sofern eine Leistung auf Antrag gewährt wird, ist auf den Antrag abzustellen. Es genügt allerdings auch, dass zwischen Antragstellung und Erlass des Bescheids eine Änderung eintritt und der Leistungsempfänger entgegen einer entsprechenden Pflicht diese Änderung nicht mitteilt. Das Verschweigen reicht allerdings nur, wenn der Begünstigte eine Pflicht zur Mitteilung der betreffenden Tatsache z.B. nach § 60 Erstes Buch Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil (SGB I) hatte. Eine unvollständige Angabe ist insofern eine Unterform des pflichtwidrigen Verschweigens. Der Begünstigte erweckt hier den Eindruck, alle relevanten Tatsachen mitgeteilt zu haben, obwohl er erkennt oder erkennen musste, dass weitere Tatsachen für die Entscheidung relevant sind. Notwendig ist eine Ursächlichkeit der unrichtigen oder unvollständigen Angaben für die Rechtswidrigkeit des begünstigenden Verwaltungsakts. An der Ursächlichkeit fehlt es, wenn die Angaben des Betroffenen offensichtlich widersprüchlich oder unvollständig waren, so dass die Behörde nach § 16 Abs. 3 SGB I die Ergänzung der Angaben hätte veranlassen müssen (Padé in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Auflage 2017, § 45 SGB X (Stand: 17.04.2023), Rn. 85).

Die Voraussetzungen für eine Mitteilungspflichtverletzung im vorgenannten Sinne liegen vor. Die Klägerin hat bei Stellung des Fortzahlungsantrages nicht angegeben, dass sie fortlaufend Unterstützungsleistungen erhält. Ebensowenig hat sie angegeben, dass die Mietzahlungen nicht vollständig oder regelmäßig erfolgt sind.

(b)

Nach § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X muss der Betroffene erkannt oder in grob fahrlässiger Weise nicht erkannt haben, dass der ihn begünstigende Verwaltungsakt nicht mit dem geltenden Recht in Einklang stand. Das kann er entweder, weil dem Verwaltungsakt ein unzutreffender Sachverhalt zugrunde lag oder das Recht unrichtig angewandt wurde. Eine grob fahrlässige Unkenntnis von der Rechtswidrigkeit des begünstigenden Verwaltungsakts liegt vor, wenn es dem Betroffenen aufgrund der ihm bekannten Umstände möglich war, die fehlende Übereinstimmung des Verwaltungsakts mit dem geltenden Recht zu erkennen. Für die Bösgläubigkeit im Sinne des § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X ist ausreichend, wenn der Leistungsempfänger im Rahmen einer sogenannten Parallelwertung in der Laiensphäre wusste oder wissen musste, dass ihm die zuerkannte Leistung so nicht zusteht. Es reicht daher grundsätzlich aus, wenn sich die Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis darauf bezieht, dass bei der Bewilligungsentscheidung das tatsächlich zugeflossene Einkommen noch nicht (vollständig) berücksichtigt worden ist (BSG Urteil vom 24.06.2020, B 4 AS 10/20 R, Rn. 30, juris; Padé in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Auflage 2017, § 45 SGB X (Stand: 17.04.2023), Rn. 87 f.). Grob fahrlässig im Sinne dieser Vorschriften handelt, wer schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss. Gefordert ist eine Verletzung der erforderlichen Sorgfalt in besonders schwerem Maße. Für die Erfüllung der groben Fahrlässigkeit reicht es also nicht aus, dass der Betroffene Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit seiner Angaben bzw. an der Rechtmäßigkeit hat, sondern die Zweifel müssen so ausgestaltet sein, dass es für jeden erkennbar ist, dass hier wenigstens eine Nachfrage notwendig wäre. Vom Begünstigten wird dabei nicht verlangt, dass er den Bescheid in allen Einzelheiten rechtlich überprüft, um alle möglichen Fehler zu finden. Allerdings besteht die Verpflichtung, einen Bescheid vollständig zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen und sich im Falle von sprachlichen Schwierigkeiten der Hilfe Dritter zu bedienen. Dabei muss der Betroffene offensichtliche Fehler erkennen und entsprechend bei der Behörde nachfragen. Maßgeblich ist ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab. Dabei ist auf die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit, das Einsichtsvermögen und Verhalten der Betroffenen sowie die besonderen Umstände des Falles abzustellen (BSG Urteil vom 26.05.2020, B 1 KR 9/18 R, Rn. 24, juris, BSG Urteil vom 12.02.1980, 7 RAr 13/79, Rn. 27, juris; BSG Urteil vom 08.02.2001, B 11 AL 21/00 R, Rn, 23, juris, m.w.N.). Wenn der Betroffene einen Dritten gefragt hat, dem er zu Recht hinreichende Sachkunde zugebilligt hat, kann ihm ein Schuldvorwurf insofern nicht gemacht werden. Nimmt die Behörde einen fehlerhaften Sachverhalt an, ist die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis davon dann relevant, wenn der Begünstigte daraus erkennen musste, dass die Behörde aufgrund des falschen Sachverhalts auch eine rechtswidrige Schlussfolgerung gezogen hat, ihm mithin die Begünstigung nicht zusteht. Insofern genügt eine Parallelwertung in der Laiensphäre. Die Rechtswidrigkeit muss aus Sicht des Betroffenen mit seinen Erkenntnismöglichkeiten offensichtlich sein. Maßgeblicher Zeitpunkt des subjektiven Tatbestands ist die Bekanntgabe des Bescheids. Eine später eingetretene Kenntnis von der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts oder der Unvollständigkeit und Unrichtigkeit der gemachten Angaben begründet die Anwendung von § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 und 3 SGB X nicht. In diesen Fällen kommt dann nur ein Ende des Vertrauens nach § 45 Abs. 2 S. 1 und 2 SGB X und die Aufhebbarkeit für die Zukunft in Betracht (Padé in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Auflage 2017, § 45 SGB X (Stand: 17.04.2023), Rn. 88 ff. m.w.N.).

Diese Voraussetzungen liegen zur Überzeugung des Senates vor. Darauf, dass Zuflüsse gleich welcher Art mitzuteilen sind, ist die Klägerin, die seit mehreren Jahren Leistungen nach dem SGB II bezogen hat, bei Antragstellung ebenso hingewiesen worden wie bei der Stellung von Folgeanträgen.

(2) Nach § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll gemäß § 48 Abs. 1 S. 2 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit 1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, 2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, 3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder 4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist. Die Voraussetzungen jedenfalls des § 48 Abs.1 S. 2 Nr. 2 und 4, aber auch des § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X liegen vor.

(a)

Hinsichtlich der Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 S. 2 Nrn. 2 und 4 SGB X wird auf die obigen Ausführungen zu § 45 SGB X verwiesen (Ziffer II 2 d (1)).

(b)

Sofern die Zahlungen des Herrn JX., wie von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, erst mit der Leistungseinstellung ab dem 01.03.2019 erfolgt sein sollten, so handelt es sich um einen Fall des § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X – bei der nachträglichen Erzielung von Einkommen ist weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit erforderlich. Vielmehr ist die Leistungsgewährung den nachträglich geänderten Verhältnissen anzupassen.

e.

Auch die Fristen für die Rücknahme sind eingehalten worden. Gemäß § 45 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 SGB X kann ein rechtswidriger, begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung bis zum Ablauf von 10 Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden, wenn die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 S. 3 Nrn. 2 oder 3 SGB X gegeben sind. Die maßgeblichen Bewilligungsbescheide datieren aus dem Jahr 2018, so dass der Beklagte diese Frist wie auch die Frist des § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X, wonach die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen erfolgen muss, welche die Rücknahme des rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen, eingehalten hat. Der Beklagte hat mit Bescheid vom 23.04.2019 die Leistungen für den Zeitraum vom 01.03.2019 bis 31.08.2019 aufgehoben, nachdem er im Januar 2019 durch Mitteilung der Polizei Kenntnis von den Ermittlungen erhalten und die Klägerin mit Schreiben vom 21.02.2019 angehört hat, und somit binnen Jahresfrist gehandelt. Gleiches gilt für eine Rücknahme nach § 48 SGB X, für die nach § 48 Abs. 4 SGB X die obigen Fristen entsprechend gelten.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 S. 1, 193 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 SGG.

IV.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), bestehen nicht.

 

Rechtskraft
Aus
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