L 5 KR 1381/23

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KR 3594/21
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 1381/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 19.04.2023 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Streitig ist die Erstattung von Kosten für eine stationäre Krankenhausbehandlung.

Der 1983 geborene Kläger ist seit dem 01.09.2011 Mitglied der Beklagten. Am 21./22.04.2021 wurde der Kläger in der M1 wegen Kribbelparästhesien in allen Extremitäten notfallmäßig behandelt. Nachdem eine neurologische Ursache ausgeschlossen werden konnte, wurde der psychotherapeutische Konsiliardienst (W1) hinzugezogen. Auf dessen Empfehlung stellte sich der Kläger am 26.04.2021 in der Psychosomatischen S1 in B3 zu einem Vorgespräch mit der Frage einer stationären Aufnahme vor. Bei dieser Klinik handelt es sich nicht um ein nach § 108 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassenes Krankenhaus. Unter dem 28.04.2021 verordnete der W1 dem Kläger eine stationäre Krankenhausbehandlung. Am 29.04.2021 bot die S1 dem Kläger einen Aufnahmetermin für den 04.05.2021 an. Am 04.05.2021 schloss der Kläger mit der S1 einen Behandlungsvertrag, in der er sich als Selbstzahler zur Kostentragung verpflichtete. Am 07.05.2021 zahlte der Kläger einen Betrag in Höhe von 3.000 € an. Die Krankenhausbehandlung in der S1 fand sodann vom 04.05. bis 05.06.2021 statt, für die der Kläger insgesamt 9.656,05 € an die Klinik gezahlt hat (Rechnungen vom 02.06. und 15.06.2021).

Mit Schreiben vom 17.05.2021, eingegangen bei der Beklagten am 18.05.2021, beantragte der Kläger bei der Beklagten unter Vorlage der Krankenhausverordnung die Übernahme der Kosten für seinen Aufenthalt in der S1.

Die Beklagte leitete den Antrag an ihren Medizinischen Dienst (MD) weiter. G1 vom MD kam in seinem Gutachten vom 19.05.2021 zu dem Ergebnis, dass die sozialmedizinischen Voraussetzungen für eine stationäre Krankenhausbehandlung grundsätzlich erfüllt seien, jedoch bei vorhandenen Möglichkeiten im vertraglichen Bereich (z.B. B1, K4, Krankenhaus S2, ZfP E1, O3, D1, O4, G2, R1, K5, G5, ZfP R2) die Belegung einer Privatklinik zu Lasten der Krankenkasse nicht gerechtfertigt sei.

Mit Schreiben vom 20.05.2021 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass der MD eine Kostenübernahme nicht befürworte. Daraufhin bescheinigte der einweisende W1 am 21.05.2021, dass am 28.04.2021 eine sofortige Aufnahme in den umliegenden psychiatrischen Kliniken nicht möglich gewesen sei. Im Gutachten vom 25.05.2021 führte der MD (G1) erneut aus, dass eine Kostenübernahme bei bestehenden vertraglich zugelassenen Behandlungsalternativen nicht befürwortet werden könne.

Mit Bescheid vom 31.05.2021 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers förmlich ab.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und trug zur Begründung vor, sein Arzt habe ihn im Rahmen einer Sofortaufnahme in die S1 eingewiesen, eine Alternative habe nicht bestanden. Der einweisende Arzt habe sowohl bei der B1 als auch dem ZfP E1 erfolglos angefragt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28.10.2021 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Kostenerstattung. Entsprechende medizinische oder soziale Gründe für die Inanspruchnahme der privatklinischen Behandlung lägen nicht vor. Darüber hinaus sei der Antrag erst am 18.05.2021 gestellt worden, die Aufnahme in der Klinik habe aber bereits zum 04.05.2021 stattgefunden. Das Bundessozialgericht (BSG) habe aber einen Erstattungsanspruch für selbstbeschaffte Leistungen bei noch nicht abgeschlossenen Genehmigungsverfahren verneint.

Der Kläger hat am 29.11.2021 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und zur Begründung vorgetragen, eine Behandlungsalternative habe nicht bestanden. Soweit die Beklagte die Auffassung vertrete, dass jederzeit notfällig stationäre Aufnahmeoptionen im Rahmen der vertraglichen Versorgungsstrukturen zur Verfügung stünden, habe sie nicht überprüft, ob in anderen Kliniken überhaupt eine Behandlungsmöglichkeit bestanden hätte. Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 SGB V seien daher erfüllt. Der Kläger wie auch sein behandelnder Arzt hätten alles Erforderliche getan, um im Rahmen des Systems gesetzlicher Krankenversicherung eine adäquate Behandlung zu ermöglichen. Wenn eine dringend gebotene, in einem zugelassenen Krankenhaus nicht zur Verfügung stehende Behandlung durch dritte, privatärztliche Leistungsanbieter erbracht werde, handle es sich um eine zulässige Leistungsinanspruchnahme bei Systemversagen.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat erwidert, da das BSG in ständiger Rechtsprechung einen Erstattungsanspruch für selbstbeschaffte Leistungen ohne vorherige Antragstellung bzw. bei noch nicht abgeschlossenem Genehmigungsverfahren verneint habe, sei der Anspruch für die Zeit bis zum 17.05.2021 schon deswegen ausgeschlossen. Auch im Übrigen lägen die Voraussetzungen für die Kostenerstattung nicht vor. Die selbst beschaffte Leistung sei nicht unaufschiebbar gewesen. Für den Kläger hätten Behandlungsalternativen bis hin zur akut notfallmäßigen Aufnahme bestanden.

Mit Gerichtsbescheid vom 19.04.2023 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Bescheid der Beklagten vom 31.05.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.10.2021 (richtig: 28.10.2021) sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Ihm stehe der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Nicht zugelassene Leistungserbringer dürften nur in Anspruch genommen werden, wenn die notwendige medizinische Versorgung unter Ausschöpfung aller dafür gebotenen Mittel, vor allem der rechtzeitigen Einschaltung der Krankenkasse - im Sachleistungswege nicht realisierbar gewesen sei. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Es könne nicht angenommen werden, dass eine Behandlungsalternative nicht zur Verfügung gestanden und die Beklagte deswegen die Leistung nicht rechtzeitig habe erbringen können. Der behandelnde W1 habe in seiner Bescheinigung vom 21.05.2021 angegeben, bei den „umliegenden Kliniken“ angefragt zu haben. Dies sei vom Kläger dahingehend konkretisiert worden, dass der behandelnde Arzt (nur) bei der B1 und dem ZfP E1 erfolglos angefragt habe, ob eine Aufnahme möglich sei. Im Umkreis stünden aber weitere Kliniken zur Verfügung. Vom MD würden im Gutachten vom 19.05.2021 beispielsweise noch genannt die K4, die O3, die D1, die O4 und weitere. Darüber hinaus habe sich der Kläger – entgegen seiner Obliegenheit – vorher offensichtlich auch nicht bei der Beklagten über Leistungsmöglichkeiten erkundigt. Hierfür wäre aber Zeit gewesen, schließlich sei die Einweisung durch den behandelnden Arzt am 28.04.2021 erfolgt, die Aufnahme in der S1 aber erst zum 04.05.2021. Er habe deswegen nach den konkreten Umständen nicht alles Erforderliche, Mögliche und Zumutbare getan haben, um die Leistung auf dem Sachleistungswege zu erhalten. Die Beklagte ihrerseits habe mangels Kontaktaufnahme durch den Kläger und damit mangels Kenntnis von der Behandlungsnotwendigkeit gar nicht die Möglichkeit gehabt, ihm Behandlungsalternativen aufzuzeigen. Vor diesem Hintergrund könne ihr kein Systemversagen angelastet werden.

Gegen den seinem Prozessbevollmächtigten am 20.04.2023 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 10.05.2023 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Er macht geltend, er und sein behandelnder Arzt hätten alles getan, um im Rahmen des Systems gesetzlicher Krankenversicherung adäquate Behandlung zu erhalten. Es habe ein Fall des Systemversagens vorgelegen. Sofern der Vertragsarzt das Vorliegen eines Systemversagens falsch oder vorschnell beurteilt haben sollte, könne dies nicht zulasten des Versicherten gehen. Die Beklagte müsse sich eine ggf. fehlerhafte Entscheidung des Vertragsarztes zurechnen lassen. Zumindest hätte er (der Kläger) darauf hingewiesen werden müssen, dass im Falle einer Fehlbeurteilung die Kosten dieser Behandlung nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen würden. Eine solche Beratung sei weder vom Vertragsarzt noch von der Beklagten erbracht worden. Aufdrucke auf der Krankenhausverordnung machten eine solche Beratung nicht entbehrlich. Er sei aufgrund seiner gesundheitlichen Situation damals nicht in der Lage gewesen, seine Behandlung zu planen und Entscheidungen zu treffen. Diese habe vielmehr der W1 für ihn getroffen, dem er vertraut habe. Er könne sich an die damaligen Vorgänge nicht mehr erinnern. Hilfsweise seien die Sowiesokosten zu erstatten, weil nicht einzusehen sei, warum sich die Beklagte wegen einer Fehlbeurteilung eines Vertragsarztes der Kostenpflicht entziehen könne.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 19.04.2023 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 31.05.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.10.2021 zu verurteilen, dem Kläger die Kosten für den stationären Aufenthalt in der S1 in B3 vom 04.05.2021 bis 05.06.2021 in Höhe von 9.656,05 € zu erstatten, hilfsweise diejenigen Kosten zu tragen, welche bei Inanspruchnahme einer zur Behandlung gesetzlich krankenversicherter Patienten zugelassenen Vertragsklinik entstanden wären.

Die Beklagte beantragt,

            die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid und ihre Bescheide für zutreffend. Sie anerkenne zwar die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung. Bestritten werde aber eine, am Tag der Ausstellung der Krankenhausverordnung entstandene, sofortige stationäre Behandlungsnotwendigkeit. Ergänzend werde darauf hingewiesen, dass der Kläger nur die Vorderseite der Krankenhausverordnung vorgelegt habe. Auf der Rückseite sei vermerkt, dass sinngemäß eine Kostenverpflichtung nur durch die Krankenkasse erfolgen könne, die Verordnung also vor Aufsuchen des Krankenhauses bei der Krankenkasse zu erfolgen habe, wobei eine Ausnahme bezüglich eines Notfalles benannt sei, soweit ein Leistungsanspruch bestehe.

Der Senat hat den Abschlussbericht über die stationäre Behandlung in der S1 vom 22.06.2021 beigezogen. Darin werden auf nervenfachärztlichem Gebiet die Diagnosen Somatisierungsstörung und Panikstörung sowie als Differenzialdiagnosen Verdacht auf schwere, agitierte depressive Episode ohne psychotische Symptome und somatoforme autonome Funktionsstörung des oberen und unteren Verdauungssystems aufgeführt. Außerdem hat der Senat den der S1 C1 schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt. Dieser hat am 26.02.2024 u.a. ausgesagt, dass der Kläger im Vorgespräch vom 26.04.2021 darüber aufgeklärt worden sei, dass die Frage der Kostenübernahme mit der Krankenkasse geklärt werden müsse. Es sei der Eindruck entstanden, dass dies aufgrund seines schlechten psychischen Zustandes vom Kläger nicht sachgerecht aufgenommen habe werden können. Deshalb habe er (C1) die Aufnahmeverwaltung instruiert, den Kläger in weiteren Kontakten darauf erneut anzusprechen. Inwiefern er in den folgenden Tagen in der Lage gewesen sei, die notwendigen Schritte zu unternehmen, sei nicht sicher zu beurteilen. Er habe im Verlauf der folgenden Tage die von ihm bei der Zusatzversicherung erwirkte Kostenübernahmeerklärung (vom 30.04.2021) vorgelegt. Es bleibe festzuhalten, dass sich der Kläger in einem panischen und verzweifelten Zustand befunden habe, in dem seine kognitiven und mnestischen Fähigkeiten sicher eingeschränkt gewesen seien. Dies lasse sich aus dem Aufnahmebefund ablesen. Es sei zu beachten, dass sowohl der W1 am 28.04.2021 als auch er selbst am 05.05.2021 die Diagnose einer schweren, agitierten depressiven Episode gestellt hätten, die den damaligen akuten Zustand des Patienten beschreibe und die häufig mit solchen Einschränkungen einhergehe. Diese Befunde seien eindeutig gewesen, auch wenn diese Diagnose im Verlauf aus Gründen, die im Abschlussbericht dargelegt worden seien, wieder verlassen worden sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.


Entscheidungsgründe

I. Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) eingelegte Berufung des Klägers ist nach § 143 Abs. 1 SGG statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstandes den nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG erforderlichen Wert des Beschwerdegegenstands von 750,00 € übersteigt, und auch im Übrigen zulässig.

II. Der Senat konnte über die Berufung in der mündlichen Verhandlung vom 03.07.2024, zu der der Kläger und der Klägerbevollmächtigte ordnungsgemäß geladen worden sind, trotz deren Abwesenheit entscheiden, da auf diese Möglichkeit in der Ladung hingewiesen worden ist (§§ 153 Abs. 1, 110 Abs. 1 Satz 2 SGG).

III. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 31.05.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.10.2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in subjektiven Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der Kosten für die Behandlung in der S1 vom 04.05. bis 05.06.2021 in Höhe von insgesamt 9.656,05 € und auch nicht auf Erstattung der „Sowiesokosten“, die bei Behandlung in einem nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhaus entstanden wären.

Nach § 13 Abs. 1 SGB V darf die Krankenkasse anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2 SGB V) Kosten nur erstatten, soweit dies das SGB V oder das Neunte Buch Sozialgesetzbuch vorsieht. Da der Kläger nicht nach § 13 Abs. 2 Satz 1 SGB V anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung gewählt hat, kommt als Rechtsgrundlage für das Erstattungsbegehren nur § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V in Betracht. Hiernach sind Kosten, die dem Versicherten durch die Selbstbeschaffung einer Leistung entstanden sind, weil die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (1. Alt.) oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (2. Alt.), von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.

Das SG hat zutreffend ausgeführt, dass dem Kläger eine Kostenerstattung weder nach § 13 Abs. 3 Satz 1, 1. Alternative SGB V, noch nach § 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alternative SGB V zusteht. Der Senat sieht von einer weiteren eingehenden Darstellung der Entscheidungsgründe ab, weil er die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 SGG). Aus der Berufungsbegründung ergeben sich keine neuen Gesichtspunkte.

Nach den Ermittlungen im Berufungsverfahren steht für den Senat fest, dass der Kläger vor Beginn der Krankenhausbehandlung keinen Kontakt zur Beklagten aufgenommen hat, obwohl er hierzu in der Zeit in der Lage gewesen wäre. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass sich der Kläger damals in einem schlechten psychischen Zustand befunden hat und C1 ausgesagt hat, er habe am 26.04.2021 den Eindruck gewonnen, dass der Kläger seinen Hinweis auf die Notwendigkeit, die Kostenübernahme mit der Krankenkasse abzuklären, nicht sachgerecht aufgenommen habe. Aus dem Entlassungsbericht vom 22.06.2021 ergibt sich aber, dass im Zeitpunkt der Aufnahme am 04.05.2021 bei gemindertem Antrieb und starker psychomotorischer Unruhe die Konzentration und Aufmerksamkeit beim Kläger nur leicht eingeschränkt waren und sich – seinen Angaben nach – die Ängste und Panik in den Tagen vor der Aufnahme „etwas beruhigt“ hatten. So war er dann auch in der Zeit zwischen dem Vorgespräch am 26.04.2021 und der Aufnahme am 04.05.2021 in der Lage, sowohl von seinem behandelnden W1 die von C1 empfohlene Bestätigung beizubringen als auch seine private Zusatzversicherung über die vorgesehene stationäre Behandlung zu informieren und eine Kostenzusage zu erwirken. Hieraus ergibt sich für den Senat zweifelsfrei, dass der Kläger trotz der psychischen Erkrankung fähig war, sich um organisatorische Belange zu kümmern; ihm wäre es damit möglich und zumutbar gewesen, die Beklagte zur Klärung der Kostenübernahme zu kontaktieren. Daraus, dass er bei seiner privaten Krankenversicherung vorgesprochen hatte, ergibt sich auch, dass er den Hinweis des Krankenhauses, dass es sich um nicht um eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung handelt, vernommen und verstanden hatte.

Zur Überzeugung des Senats steht darüber hinaus fest, dass der Kläger eine ebenso wirksame Behandlung seiner Erkrankungen in einem nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhaus, wozu die S1 nicht gehört, hätte erlangen können. Stationäre psychosomatische Leistungen werden in gleicher Weise in nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäusern erbracht. Dies entnimmt der Senat dem schlüssigen Gutachten des MD vom 19.05.2021. Neben der von dem einweisenden W1 angefragten B1 und dem ZfP in E1 werden in zumutbarer Entfernung von K3, dem Wohnort des Klägers, in einer Reihe weiterer, nach § 108 SGB V zugelassener Krankenhäuser (K4, Krankenhaus in S2, O3, D1, O4, G4, R3, K5, G5, ZfP R2) stationäre Leistungen zur Behandlung psychischer Erkrankungen erbracht. Dass keines dieser Krankenhäuser den Kläger innerhalb einer zumutbaren Wartezeit hätte aufnehmen können, ist nicht nachgewiesen. Der Verweis des C1 in seiner Aussage vom 26.02.2024 auf „die bekannten Wartezeiten auf stationäre Therapieplätze“ genügt insoweit nicht. Darauf, ob dem Vertragsarzt ein Verschulden vorzuwerfen ist, weil er nur zwei Krankenhäuser abgefragt hatte, und ob ein Verschulden der Beklagten zuzurechnen wäre, kommt es im Rahmen der Prüfung eines Anspruchs nach § 13 Abs. 3 SGB V nicht an. Denn ob ein Systemversagen vorliegt, ist nach objektiven Kriterien zu beurteilen. Auf eine Kenntnis von der konkreten Leistungsmöglichkeit kommt es nicht an, (jedenfalls) solange sich der Versicherte – wie vorliegend – nicht im Vorfeld bei seiner Krankenkasse erkundigt hat (vgl. Noftz in Hauck/Noftz SGB V, 5. Ergänzungslieferung 2024, § 13 SGB 5, Rn. 50a).

Auf die Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB V kann der Kläger das Kostenerstattungsbegehren nicht erfolgreich stützen. Unabhängig davon, dass auch dieser Anspruch eine hier nicht gegebene Kausalität zwischen unterbliebener rechtzeitiger Entscheidung und Selbstbeschaffung voraussetzt, hat die Beklagte die 3-Wochen-Frist des § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V eingehalten. Der Antrag ist am 18.05.2021 bei der Beklagten eingegangen. Der Bescheid datiert vom 31.05.2021.

Der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der Kosten, die bei Inanspruchnahme eines zugelassenen Krankenhauses entstanden wären, besteht schon mangels Anspruchsgrundlage nicht. § 13 Abs. 3 SGB V erfasst – bei Vorliegen der Voraussetzungen – nur die konkret entstandenen, keine hypothetischen Kosten. Ein Anspruch auf Erstattung der (ggf.) ersparten Aufwendungen für eine Vertragsleistung scheidet aber auch deshalb aus, weil sonst die krankenversicherungsrechtliche Beschränkung auf bestimmte Formen der Leistungserbringung letztlich durch den Anspruch auf (teilweise) Kostenerstattung ohne Weiteres durchbrochen werden könnte (BSG, Beschluss vom 26.07.2004 - B 1 KR 30/04 B -, juris, m.w.N.).

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

V. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
 

 

Rechtskraft
Aus
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