§ 14 Abs. 3 RVG ist nur im Rechtsstreit zwischen Mandant und Auftraggeber anwendbar, nicht jedoch im Rechtsstreit zwischen einer nach § 63 SGB X erstattungspflichtigen Behörde und dem Gebührenschuldner.
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 06.02.2023 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen
T a t b e s t a n d :
Zwischen den Beteiligten ist streitig, in welcher Höhe der Beklagte und Berufungsbeklagte (nachfolgend: Beklagter) dem Kläger und Berufungskläger (nachfolgend: Kläger) Aufwendungen des Vorverfahrens in Form von Gebühren und Auslagen seines Prozessbevollmächtigten zu erstatten hat (hier in Form der Freistellung).
Bei dem 1971 geborenen Kläger waren zuletzt ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 und die Merkzeichen "G", "B" und "aG" zuerkannt (bestandskräftiger Bescheid vom 22.03.2012). In der Folgezeit übersandte der Kläger dem Beklagten jeweils die aktuellen Bescheide über die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch (SGB XII) zum Nachweis für einen Anspruch auf eine Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personenverkehr.
Mit Schreiben vom 26.06.2021 beantragte der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, bei dem Beklagten zusätzlich die Zuerkennung des Merkzeichens "H". Zugleich wurde Akteneinsicht beantragt, die am 01.07.2021 gewährt wurde. Mit Schreiben vom 28.06.2021 übersandte der Prozessbevollmächtigte des Klägers für diesen ein Passfoto und ein ausgefülltes Antragsformular an den Beklagten. Hierin wurde u.a. angeben, dass dem Kläger Pflegeleistungen mit einem Pflegegrad 3 bewilligt worden seien. Mit Schreiben vom 07.07.2021 übersandte er zudem unter Verweis auf ein Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen vom 30.01.2019 (L 17 SB 149/17) einen Schmerz- und Anfallskalender des Klägers.
Der Beklage bat die zuständige Pflegekasse des Klägers (AOK Bayern) um Übersendung des Pflegegutachtens. Diese teilte mit Schreiben vom 12.08.2021 mit, dass kein Gutachten existiere. Am 04.10.2021 informierte sie den Beklagten telefonisch darüber, dass kein Pflegegrad in Bezug auf den Kläger festgestellt sei. Weiterhin holte der Beklagte insbesondere Befundberichte der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie K vom 15.10.2021, der Fachärztin für Allgemeinmedizin H vom 09.11.2021 sowie eine versorgungsmedizinische Stellungnahme der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie S vom 24.11.2021 ein. In Letzterer wird u.a. ausgeführt, dass der Kläger zwar sicher hilfebedürftig, aber nicht hilflos sei. Dies sei auch daran erkennbar, dass er im Krankenhaus neben einem tatsächlich Hilflosen gelegen habe, dessen Zustand er nicht habe ertragen können, sodass er sich selbst entlassen habe. Daraus sei erkennbar, dass er in einem noch deutlich besseren Zustand sei und sich noch besser selbst versorgen könne. Sodann lehnte der Beklagte den Änderungsantrag des Klägers ab (Bescheid vom 30.11.2021). Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass grundsätzlich erst ab dem Pflegegrad 3 eine Hilflosigkeit angenommen werden könne, hier jedoch überhaupt kein Pflegegrad festgestellt sei.
Hiergegen erhob der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, mit Schreiben vom 05.12.2021 Widerspruch. Zudem beantragte er erneut Akteneinsicht, die am 08.12.2021 gewährt wurde. Mit zwei Schreiben vom 21.12.2021 begründete der Prozessbevollmächtigte des Klägers den Widerspruch. Er führte insbesondere aus, dass der Bescheid aus Sachgründen insbesondere wegen fehlerhafter Amtsermittlung nach § 20 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) rechtswidrig sei. Seit Jahren sei der Pflegegrad 3 festgestellt. Vor etwa zwei Monaten habe die Gutachterin des Medizinischen Dienstes sogar mitgeteilt, dass die Voraussetzungen für den Pflegegrad 4 vorlägen, ein Bescheid sei jedoch noch nicht erlassen worden. Auch wenn die Pflegekasse das Vorliegen eines Pflegegrades zu Unrecht verneint habe, sei es im Hinblick auf die explizite Angabe im Antragsformular erforderlich gewesen, dass der Beklagte weiter ermittle und z.B. den Kläger oder den Sozialhilfeträger um Auskunft ersuche. Der Bevollmächtigte des Klägers habe nunmehr auf seinen Mandanten, den Kläger, besonders eingewirkt, um die "Lücke der Amtsermittlung" zu schließen. Im Hinblick auf die Selbstentlassung aus dem Krankenhaus führte er sinngemäß aus, dass dies nicht Ausdruck einer mangelnden Hilflosigkeit, sondern durch die unzumutbaren Umstände geboten gewesen sei. Im Weiteren führte er aus, weshalb aus seiner Sicht die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "H" erfüllt seien. Wegen der weiteren Begründung wird gem. § 153 Abs. 1 i.V.m. § 136 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf dieses Schreiben in der beigezogenen Verwaltungsakte verwiesen. Dem Schreiben beigefügt war eine Kopie eines Bescheides des Bezirks Oberfranken vom 26.11.2018, durch welchen dem Kläger ab 01.01.2019 ein Pflegegeld nach dem SGB XII entsprechend dem Pflegegrad 3 bewilligt wurde.
Gemäß Schreiben vom 28.12.2021 forderte der Beklagte beim Bezirk Oberfranken das aktuelle Pflegegutachten über den Kläger an.
Mit Schreiben vom 29.12.2021 übersandte der Prozessbevollmächtigte des Klägers eine Kopie eines Bescheides des Bezirks Oberfranken vom 17.12.2021, durch welchen dem Kläger ab 01.07.2021 nunmehr Pflegegeld nach dem SGB XII entsprechend dem Pflegegrad 4 bewilligt wurde.
Am 10.01.2022 übersandte der Bezirk Oberfranken dem Beklagten ein Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit des Klägers vom 11.11.2021, woraus hervorgeht, dass die Voraussetzungen für den Pflegegrad 4 vorliegen.
Der Beklagte holte sodann eine versorgungsmedizinische Stellungnahme der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie B vom 02.02.2022 ein. Darin wird insbesondere ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "H" aufgrund des Pflegegutachtens vom 11.11.2021 vorliegen würden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.02.2022 (gemäß Abvermerk am 16.02.2022 abgesandt) regelte der Beklagte, dass dem Kläger das Merkzeichen "H" ab 26.06.2021 zuerkannt wird und die entstandenen notwendigen Aufwendungen des Vorverfahrens in vollem Umfang erstattet werden.
Mit Schreiben vom 17.02.2022 (beim Beklagten am 18.02.2022 eingegangen) übersandte der Prozessbevollmächtigte des Klägers ebenfalls eine Kopie des Pflegegutachtens vom 11.11.2021. In dem Schreiben wurde zudem ausgeführt, dass der Prozessbevollmächtige des Klägers auf seinen Mandanten eingewirkt habe, damit dieser das Pflegegutachten herausgebe, um in substantiierter Form die Verschlimmerung darlegen zu können.
Mit Kostennote vom 17.02.2022 forderte der Prozessbevollmächtigte des Klägers von dem Beklagten die Erstattung von Aufwendungen des Vorverfahrens in Form von Rechtsanwaltsvergütung in Höhe von insgesamt 1.863,00 Euro, insbesondere einschließlich einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2302 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV-RVG) i.H.v. 750,00 Euro sowie einer Erledigungsgebühr nach Nr. 1005 VV-RVG i.H.v. 750,00 Euro. Zur Begründung führte der Prozessbevollmächtigte des Klägers aus, dass Umfang und Intensität der anwaltlichen Tätigkeit überdurchschnittlich gewesen seien. Im Folgenden führte er auf, was seine Tätigkeit konkret umfasst habe. Ferner trug er vor, dass zu beachten sei, dass existenzsichernde Dauerleistungen regelmäßig für die Mandanten eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung hätten und dies Anlass dazu gebe, von der Mittelgebühr nach oben abzuweichen. Dies müsse auch analog für das Schwerbehindertenrecht gelten. Insbesondere das Merzeichen "H" habe eine Befreiung von Zuzahlungen bei der gesetzlichen Krankenversicherung sowie wirtschaftliche Entlastungen zur Folge. Wegen der weiteren Begründung wird gem. § 153 Abs. 1 i.V.m. § 136 Abs. 2 Satz 1 SGG auf dieses Schreiben in der beigezogenen Verwaltungsakte verwiesen.
Mit Bescheid vom 07.04.2022 setzte der Beklagte die dem Kläger zu erstattenden Aufwendungen für die Rechtsverfolgung im Vorverfahren auf 505,21 Euro fest. Im Übrigen wurde die Erstattung abgelehnt. Der Rechtsanwalt bestimme die Rahmengebühr im Einzelfall nach Maßgabe des § 14 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) nach billigem Ermessen. Die Geschäftsgebühr könne nur in Höhe der Schwellengebühr (359,00 Euro) erstattet werden. Die Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten sei weder umfangreich noch schwierig gewesen. Die Schwellengebühr orientiere sich am typischen Normalfall, der nach allen maßgebenden Kriterien durchschnittlichen Verhältnissen entsprechen würde. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei im Bereich des Schwerbehindertenrechts, soweit es um die Erhöhung des GdB oder die Zuerkennung von Merkzeichen gehe, im Allgemeinen der Durchschnittsmaßstab anzulegen. Anderes gelte dann, wenn erhebliche, sich üblicherweise nicht stellende Probleme auftreten würden, die hier nach Aktenlage nicht vorliegen würden. Eine Erledigungsgebühr sei nicht angefallen. Insbesondere sei das Pflegegutachten vom Beklagten direkt vom Bezirk Oberfranken angefordert worden. Das durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers übersandte Exemplar sei erst nach Abschluss des Vorverfahrens eingegangen.
Hiergegen erhob der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, mit Schreiben vom 12.04.2022 Widerspruch. Der Bescheid sei schon aus formellen Gründen rechtswidrig, denn die Begründung des Beklagten sei unzureichend und verletze den Anspruch auf ein faires Verfahren, weil sie sich nicht mit allen Ermessenserwägungen des Prozessbevollmächtigten des Klägers im Rahmen der Kostenfestsetzung auseinandersetze. Insbesondere sei nicht beachtet worden, dass ein vollständiges Obsiegen im Vorverfahren vorliege. Auch sei nicht beachtet worden, dass die Kostenstruktur in einem Rechtsanwaltsbüro ein Bemessungskriterium nach § 14 RVG sein könne. Weiterhin sei zu Unrecht nur die subjektive Bedeutung für den Mandanten berücksichtigt worden. Zu würdigen sei vielmehr die unmittelbare tatsächliche, ideelle, gesellschaftliche, wirtschaftliche oder rechtliche Bedeutung für den Auftraggeber und nicht diejenige für die Allgemeinheit. Existenzsichernde Dauerleistungen hätten regelmäßig für den Mandanten eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung, was Anlass gebe, von der Mittelgebühr nach oben abzuweichen. Dies gelte analog für das Schwerbehindertenrecht. Hier sei es um das Merkzeichen "H" gegangen, was eine dauerhafte Befreiung von widerkehrenden Zuzahlungen bei Krankentransporten und wirtschaftliche Entlastungen zur Folge habe. Weiterhin trug er vor, dass sich eine überdurchschnittliche Schwierigkeit auch z.B. aus Umständen in der Persönlichkeit des Auftraggebers ergeben könne. Hier sei die kognitive Auffassungsgabe des Klägers stark vermindert, was die Besprechungen stark erschweren würde. Die Ehefrau müsse dabei sein, um alles zu "dolmetschen". Ferner wurde vorgetragen, dass der Beklagte den Umfang der Tätigkeit nicht ausreichend gewürdigt habe. Konkret habe die Tätigkeit sinngemäß Folgendes umfasst:
* 25 Minuten: Prüfung des Bescheides und Besprechung (05.12.2021);
* 5 Minuten: Widerspruch; Abschrift an den Mandanten (05.12.2021);
* 2,5 Stunden: Akteneinsicht, Lesen, Kopieren und persönliches Einwerfen der Akten in den Nachtbriefkasten; Weiterleitung der Eingangsbestätigung (11.12.2021);
* 20 Minuten: Besprechung (19.12.2021);
* 3,5 Stunden: obligatorische Begründung des Rechtsbehelfs (21.12.2021);
* 30 Minuten: zwei Ergänzungsschreiben (21.12.2021);
* 10 Minuten: weitere Ausführungen zum Widerspruch mit Übersendung des Pflegebescheides (29.12.2021);
* 3 Minuten: Sachstandsanfrage (15.02.2022);
* 5 Minuten: Ergänzungsschreiben (15.02.2022) und
* 20 Minuten: Prüfung des Abhilfebescheides und Besprechung mit dem Mandanten (17.02.2022).
Insgesamt sei der Umfang der Bearbeitung überdurchschnittlich gewesen. Weiteres Kriterium nach § 14 Abs. 1 RVG sei auch die Inflation. Im Jahr 2020 habe die Inflation offiziell 8 bis 9 Prozent betragen; in Wirklichkeit habe sie jedoch bei rund 13,73 Prozent gelegen. Die Geldmenge sei im Jahr 2020 extrem durch die Europäische Zentralbank (EZB) angehoben worden. Stelle man auf die Änderung des VV-RVG von 2013 ab, so habe ein Betrag von 150,00 Euro unter Berücksichtigung des Kaufkraftverlusts aktuell einen Wert von rund 140,34 Euro. Zur "Glaubhaftmachung" werde auf ein "You-Tube-Video" verwiesen.
Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.06.2022 als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies der Beklagte zunächst auf die Gründe aus dem angegriffenen Bescheid. Weiterhin führte er aus, dass die überdurchschnittliche Bedeutung u.a. mit der Befreiung von der Zuzahlung bei Krankentransporten begründet werde. Eine derartige Befreiung werde jedoch auch bei Vorliegen des Merkzeichens "aG" gewährt, das hier bereits zuerkannt gewesen sei. Somit liege lediglich eine durchschnittliche Bedeutung vor. Wie der Kläger zutreffend ausführe, sei bei der Beurteilung des Umfanges der anwaltlichen Tätigkeit der tatsächliche zeitliche Aufwand zu berücksichtigen. Objektiv betrachtet, habe es sich um einen Normalfall gehandelt. Dies zeige auch die übersandte Tätigkeitsaufstellung. Die sechsseitige Widerspruchsbegründung erstrecke sich in großen Teilen auf allgemeine Ausführungen, die objektiv nicht hätten verwendet werden müssen. Die Schwierigkeit sei ebenfalls durchschnittlich gewesen. Rechtliche Schwierigkeiten seien nicht zu lösen gewesen. Auch die vorgetragenen Schwierigkeiten in der Sphäre des Mandanten hätten bei objektiver Betrachtung nicht vorgelegen. Die angegebenen Besprechungen im Umfang von 25 bzw. 20 Minuten würden im üblichen Rahmen liegen. Es sei auch anzunehmen, dass das "Dolmetschen" der Ehefrau die Besprechungen sogar erleichtert habe. Weiterhin würden die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers - ausweislich der gewährten Grundsicherung - im unterdurchschnittlichen Bereich liegen. In der Gesamtschau der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG handle es sich somit um einen durchschnittlichen Fall, der es nicht rechtfertige über die Schwellengebühr hinauszugehen. Der Erfolg des Widerspruches sei kein Bemessungskriterium nach § 14 Abs. 1 RVG. Diesem werde vielmehr durch die Kostengrundentscheidung Rechnung getragen. Auch die Kostenstruktur sei nicht berücksichtigungsfähig, weil es sich um Gemeinkosten handle und nicht um individuelle Kosten eines Einzelfalles. Ferner sei die Inflation nicht geeignet, um die Erhöhung der Gebühr zu rechtfertigen; insoweit falle dem Gesetzgeber die Aufgabe zu, die Rahmengebühren zu bestimmen und ggf. anzupassen. Schließlich könne auch die geltend gemachte Erledigungsgebühr nicht erstattet werden. Eine besondere rechtsanwaltliche Tätigkeit, die über die bloße Einlegung und Begründung des Rechtsmittels hinausgehe, liege hier nicht vor. Das Pflegegutachten vom 17.02.2022 habe dem Mandanten bereits vorgelegen und habe nur kopiert werden müssen. Zudem handle es sich insoweit nicht um ein neues, im Vorverfahren erstelltes Beweismittel. Das Bundessozialgericht (BSG) habe bereits entschieden, dass die Übersendung eines in einem anderen Verfahren erstellten Gutachtens keine über die bloße Einlegung und Begründung des Widerspruchs hinausgehende Tätigkeit darstelle; dies bewege sich noch im Rahmen der dem Mandanten obliegenden Mitwirkung an der Sachverhaltsaufklärung (Verweis auf BSG, Urteil vom 02.10.2008 - B 9/9a SB 3/07 R). Von einem gewissenhaften, sorgfältigen und gründlichen Rechtsanwalt könne erwartet werden, dass er präsente Beweismittel nicht nur bezeichnet, sondern auch unaufgefordert vorlegt, wenn diese ohne größeren Aufwand - wie hier - nur vervielfältigt werden müssten. Diese Tätigkeit sei grundsätzlich mit der Geschäftsgebühr bzw. der Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV-RVG abgegolten.
Hiergegen hat der Kläger am 23.06.2022 Klage zum Sozialgericht (SG) Bayreuth erhoben. Zunächst hat er den Vortrag aus dem Vorverfahren wiederholt. Darüber hinaus hat er im Wesentlichen vorgetragen, dass hier anders als in einem durch das BSG entschiedenen Fall (Verweis auf BSG, Urteil vom 12.12.2019 - B 14 AS 48/18 R), in dem dieses eine nur durchschnittliche Tätigkeit eines Anwalts angenommen habe, insgesamt vier zusätzliche Tätigkeiten vorliegen würden, die für einen überdurchschnittlichen Tätigkeitsumfang sprechend würden, nämlich die Akteneinsicht (etwa im Umfang von 2,5 Stunden), die drei Besprechungen mit dem Mandanten, die insgesamt vier ergänzenden Schreiben zur Widerspruchsbegründung sowie die Sachstandsanfrage. Auch sei eine überdurchschnittliche Schwierigkeit gegeben gewesen. Zu bearbeiten gewesen sei vorliegend ein Routinefall auf dem Gebiet des Schwerbehindertenrechts, für den die Prüfung gefordert gewesen sei, ob die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "H" gegeben seien. Mit der Widerspruchsbegründung sei eingehend dargelegt worden, dass Amtsermittlungsfehler vorliegen würden. Auf den Kläger sei besonders durch seinen Prozessbevollmächtigten eingewirkt worden, um diese Lücke in der Amtsermittlung zu schließen. Weiterhin sei der Beklagte nach Recherche auf Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 12.02.2003 - B 9 SB 1/02 R) zu den Voraussetzungen des Merkzeichens "H" sowie auf ein Rundschreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vom 31.08.1998 (VI 5 -55463-5/1 - 55492 -) hingewiesen worden. Anhand der dem Prozessbevollmächtigten des Klägers vorgelegten Befunde, der Verwaltungsakte, den weiteren - nach Einwirkung auf den Kläger - herbei zu schaffenden medizinischen Unterlagen, der Vorlage des späteren neuen Pflegegutachtens und des Pflegegeldbescheides seien die Voraussetzungen für den Feststellungsanspruch substantiiert begründet worden. Ferner hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers seinen Vortrag wiederholt, dass sich die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit hier auch durch eine stark verminderte kognitive Auffassungsgabe ergebe. Insoweit habe die Ehefrau des Klägers "dolmetschen" müssen. Weiterhin sei die Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger überdurchschnittlich gewesen. Auch insoweit hat er seine Argumente aus dem Vorverfahren wiederholt. Hinsichtlich der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klages sei eine Durchschnittlichkeit anzunehmen. Selbst wenn jedoch anzunehmen sei, dass diese unterdurchschnittlich seien, komme in jedem Fall eine Kompensation mit dem subjektiven Interesse des Klägers in Betracht. Darüber hinaus habe der Beklagte auch weitere Aspekte, die durch den Prozessbevollmächtigten gem. § 14 Abs. 1 RVG für die Bestimmung der Gebühr herangezogen worden seien, ignoriert. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei der Erfolg der anwaltlichen Tätigkeit sehr wohl ein zulässiges Bemessungskriterium (Verweis u.a. auf BGH, Urteil vom 27.01.2005 - IX ZR 273/02). Auch die Kostenstruktur im Rechtsanwaltsbüro sei bei der Bemessung zu Recht berücksichtigt worden. Die Kanzlei sei in "relativer Nähe zum Kläger". Weiterhin werde das Sozialrecht als Tätigkeitsschwerpunkt ausgeübt. Die angrenzende Stadt A entspreche dem Maßstab einer Kleinstadt. Damit diese Spezialisierung im ländlichen Gebiet aufrecht erhalten bleiben könne, würden sich überdurchschnittliche Ausgaben ergeben. Darüber hinaus sei auch der Aspekt der Inflation zu berücksichtigen. Diesbezüglich hat der Kläger wiederum im Kern seine Ausführungen aus dem Vorverfahren wiederholt. Darüber hinaus hat er mehrfach angeregt, ein Gutachten der zuständigen Rechtsanwaltskammer Bamberg gem. § 14 Abs. 3 RVG einzuholen. Die Vorschrift gelte auch im Rechtsstreit über die Höhe der Kosten im isolierten Vorverfahren.
Durch Gerichtsbescheid vom 06.02.2023 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Kern ausgeführt, dass der Beklagte zu Recht eine über 505,21 Euro hinausgehende Erstattung von Aufwendungen des Vorverfahrens abgelehnt habe. Ein darüberhinausgehender Erstattungsanspruch des Klägers nach § 63 SGB X i.V.m. dem RVG bestünde nicht. Das SG folge den Ausführungen in den streitgegenständlichen Bescheiden und sehe von einer weiteren ausführlichen Begründung ab (Verweis auf § 136 SGG). Nur ergänzend weise das SG darauf hin, dass die Geschäftsgebühr mit der Schwellengebühr wohlwollend festgesetzt worden sei. Die "billige" Gebühr für das Tätigwerden eines Rechtsanwalts im sozialgerichtlichen Vorverfahren werde in einem ersten Schritt ausgehend von der Mittelgebühr bestimmt. Sie sei dann in einem zweiten Schritt in der Höhe des Schwellenwertes zu "kappen", wenn weder der Umfang noch die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit mehr als durchschnittlich seien. Vorliegend sei der Umfang und die Schwierigkeit der Tätigkeit des Klägerbevollmächtigten aber schon nicht durchschnittlich gewesen. Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) gehe (für ein Klageverfahren) davon aus, dass eine anwaltliche Tätigkeit jedenfalls dann durchschnittlich umfangreich sei, wenn Klage erhoben, Akteneinsicht genommen, die Klage begründet und zu den (z.B. medizinischen, sonstigen tatsächlichen oder auch rechtlichen) Ermittlungen des Gerichts Stellung genommen werde, einschließlich der genannten Tätigkeiten; zu berücksichtigen sei dabei der zeitliche Aufwand, den der Rechtsanwalt tatsächlich in der Sache betreibe und objektiv habe verwenden müssen (Verweis auf Beschluss des Bayerischen LSG vom 22.07.2022 - L 12 SF 39/22 - juris Rn. 28). Unter Berücksichtigung dessen, lasse sich die anwaltliche Tätigkeit des Bevollmächtigten des Klägers im Widerspruchsverfahren als nicht mehr durchschnittlich, sondern nur als unterdurchschnittlich bewerten. Hier sei insbesondere zu beachten, dass er den Kläger bereits im Verwaltungsverfahren vertreten habe. Bereits der Antrag auf Gewährung des Merkzeichens "H" sei in anwaltlicher Vertretung gestellt worden. Akteneinsicht sei durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers ebenfalls bereits im Ausgangsverfahren genommen worden. Auch habe er im Verwaltungsverfahren bereits medizinische Unterlagen des Klägers vorgelegt. Damit sei ein erheblicher Teil des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit bereits im Ausgangsverfahren geleistet worden. Der Beklagte sei hierfür aber nicht erstattungspflichtig. Die vom Umfang zu unterscheidende Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit beziehe sich auf die Intensität der Arbeit. Ausgehend von einem objektiven Maßstab sei auf einen Rechtsanwalt abzustellen, der sich bei der Wahrnehmung des Mandats darauf beschränken könne, den Fall mit den einschlägigen Rechtsvorschriften, gegebenenfalls unter Heranziehung von Rechtsprechung und Kommentarliteratur, zu bearbeiten. Unter Berücksichtigung dieser Umstände habe es sich bei objektiver Betrachtung vorliegend um einen Routinefall gehandelt. Unabhängig von der Frage, ob und inwieweit Besonderheiten in der Person des Klägers zu berücksichtigen sein könnten, seien diese vorliegend nicht ersichtlich. Relevante persönliche Auffälligkeiten des Klägers seien der Aktenlage nicht zu entnehmen. Ausführungen zu einer vermeintlich schwierigen Persönlichkeit des Klägers würden vom Bevollmächtigten des Klägers nahezu in jedem Kostenverfahren formelhaft verwendet. Bei der Beurteilung der Bedeutung der Angelegenheit sei auf die unmittelbare tatsächliche, ideelle, gesellschaftliche, wirtschaftliche oder rechtliche Bedeutung für den Auftraggeber, nicht aber für die Allgemeinheit, abzustellen. Dabei werde Streitigkeiten über Leistungen, die das soziokulturelle Existenzminimum sichern, in der Regel überdurchschnittliche Bedeutung beigemessen. Der Bevollmächtigte des Klägers verkenne vorliegend wiederholt, dass hier existenzsichernde Leistungen auch nicht ansatzweise streitgegenständlich gewesen seien. Zwar handle es sich bei dem Merkzeichen "H" um das Merkzeichen, welches grundsätzlich die meisten Vergünstigungen für den Berechtigten mit sich bringe, womit man von einer durchschnittlichen Bedeutung der Angelegenheit ausgehen könne. Nicht ersichtlich oder vorgetragen sei aber, welche konkreten Vergünstigungen sich im Fall des Klägers ergeben hätten. Nach Aktenlage stehe der Kläger nicht in einem Arbeitsverhältnis, was die Effektivität steuerlicher Vergünstigungen eher unwahrscheinlich mache. Nachdem der Kläger nach dem eigenen Vortrag Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung erhalte, seien dessen finanzielle Verhältnisse ohne jeden Zweifel unterdurchschnittlich. Ein besonderer Erfolg der anwaltlichen Tätigkeit des Bevollmächtigten des Klägers, eine besondere Kostenstruktur in dessen Rechtsanwaltsbüro aufgrund einer Spezialisierung oder eine besondere Reputation seien weder konkret dargelegt noch unter Beweis gestellt worden. Soweit der Bevollmächtigte des Klägers meine, hier sei der Erfolg des konkreten Verfahrens zu berücksichtigen, gehe dies fehl. Einem Obsiegen oder Unterliegen werde in der Kostengrundquote Rechnung getragen. Nach einem Beschluss des Bayerischen LSG vom 22.04.2020 (L 12 SF 71/20) sei die Lage einer Kanzlei am Rande einer Kleinstadt kein schlüssiges Argument für erhöhte Kosten. Bei Bürokosten handle es sich nicht um individuell anfallende Kosten und Merkmale des Einzelfalls, sondern um Gemeinkosten. Soweit ersichtlich sei die Klage hinsichtlich des Anfalls einer Erledigungsgebühr vom Kläger nicht begründet worden. Die Voraussetzungen des Anfalls einer solchen Gebühr würden auch offensichtlich nicht vorliegen. Ein vom Bevollmächtigten vorgetragenes Einwirken auf den Kläger, sich über seine Einstufung im Recht der Pflegeversicherung zu informieren, reiche hierzu sicherlich nicht aus (ausweislich des Empfangsbekenntnisses der Klägerbevollmächtigten hat er das Urteil am 07.02.2023 erhalten).
Dagegen hat der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, am 07.02.2023 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er, neben der Wiederholung seines bisherigen Vortrages im Kern sinngemäß ausgeführt, dass das SG von den rechtlichen Maßstäben des BSG in seinem Urteil vom 12.12.2019 (B 14 AS 48/18) hinsichtlich des Kriteriums des Umfanges der anwaltlichen Tätigkeit abweiche. Es würden hier vier Einzeltätigkeiten vorliegen, die den Sachverhalt im Urteil des BSG zur Prüfung des Umfanges der Tätigkeit erfüllen würden. Zu Unrecht beziehe sich das SG auf eine Vortätigkeit im Verwaltungsverfahren. Streitig sei allein die Tätigkeit im Vorverfahren. Verwaltungs- und Vorverfahren seien gem. § 17 Nr. 1a RVG verschiedene Angelegenheiten. Auch hinsichtlich des Bemessungskriteriums der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit weiche das SG von der genannten Entscheidung des BSG sowie von einer Entscheidung des Bayerischen LSG (Beschluss vom 24.03.2020 - L 12 SF 271/16 E) ab. In der genannten Entscheidung erkenne das Bayerische LSG korrekt, dass seelische Erkrankungen des Mandanten, die eine Korrespondenz über Dritte erfordern, die Schwierigkeit auf ein überdurchschnittliches Level heben könnten. Der Verweis des SG bzw. des Beklagten auf das Schwerbehindertenrecht, zur Entkräftung der Annahme einer schwierigen Tätigkeit, seien vor diesem Hintergrund nicht überzeugend. Dass das SG die relevanten persönlichen Auffälligkeiten des Klägers nicht nach Aktenlage habe erkennen können, liege daran, dass es durch Gerichtsbescheid entschieden habe. Es hätte insoweit die Möglichkeit bestanden sich im Termin einen persönlichen Eindruck vom Zustand des Klägers zu verschaffen. Die Aussage, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers nahezu in jedem Verfahren Ausführungen zu einer vermeintlichen schwierigen Persönlichkeit der Kläger mache, werde bestritten. Erneut hat der Kläger zudem vorgetragen, dass in sozialrechtlichen Streitigkeiten typische Dauerleistungen, die den wesentlichen Lebensunterhalt des Leistungsberechtigten sicherstellten, im Hinblick auf eine außergewöhnliche Bedeutung geeignet seien, eine über der Mittelgebühr liegende Verfahrensgebühr zu begründen. Das Merkzeichen "H" habe auch eine Dauerwirkung. Die daraus erwachsenden Vorteile seien insbesondere ein Anspruch auf kostenlose Benutzung des öffentlichen Personennahverkehrs und eine kostenlose Wertmarke, ein Behindertenpauschbetrag in Höhe von 3.700 Euro, die Übernahme der Fahrtkosten zu ambulanten Behandlungen in besonderen Fällen, eine Befreiung von Fahrverboten in Umweltzonen sowie eine Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer. Ferner sei die Entscheidung des SG auch bezüglich der Bemessungskriterien des Erfolges der anwaltlichen Tätigkeit, der Kostenstruktur sowie der Inflation rechtsfehlerhaft. Hinsichtlich des Kriterium des Erfolges weiche das SG vom Urteil des BSG vom 12.12.2019 ab, denn das BSG verweise bezüglich weiterer in Frage kommender Kriterien auf die Kommentierung von Mayer (Gerold/Schmidt, RVG, § 14). In jener sei wiederum dieses Kriterium als ein zulässiges genannt. Schließlich sei das SG dem Beweisangebot, auf Einholung eines Gutachtens bei der Rechtsanwaltskammer Bamberg nach § 14 Abs. 3 RVG zu Unrecht nicht gefolgt. Das SG Regensburg habe in einem analogen Klageverfahren (S 7 AS 235/21) dazu bewogen werden können, ein solchen Gutachtens einzuholen. Im Sinne einheitlicher Rechtsprechung sowie gleichwertiger Lebens- und Rechtsverhältnisse sei auch im Gerichtsbezirk des Klägers von dieser Ermittlungsmöglichkeit Gebrauch zu machen, auch wenn sich § 14 Abs. 3 RVG grundsätzlich auf das Verhältnis zwischen Mandant und Rechtsanwalt konzentriere. Wegen der weiteren Begründung wird gem. § 153 Abs. 1 i.V.m. § 136 Abs. 2 Satz 1 SGG auf die Schriftsätze des Klägers vom 14.11.2023 und 14.03.2024 in der Verfahrensakte Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 06.02.2023 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides des Beklagten vom 07.04.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2022 zu verurteilen, den Kläger von einer weiteren Kostenerstattung im isolierten Vorverfahren in Höhe von 1.357,79 Euro durch Zahlung an den Bevollmächtigten Rechtanwalt K freizustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zunächst beruft er sich zur Begründung auf die aus seiner Sicht zutreffenden Ausführungen des SG in dessen Entscheidung. Auch wenn der Kläger umfangreich Rechtsprechung zitiere, ändere dies nichts daran, dass vorliegend hinsichtlich Umfang, Bedeutung und Schwierigkeit der Angelegenheit von einem sogenannten Durchschnittsfall auszugehen sei. Ergänzend sei anzumerken, dass es sich beim vorliegendem Fall um eine Widerspruchssache handelte, wie sie jährlich allein in Bayern zehntausendfach vorkomme. Bei der Bemessung der Gebühren komme hier regelmäßig die sogenannte Schwellengebühr in Ansatz, es sei denn, die Angelegenheit sei besonders umfangreich oder schwierig gewesen. Beides sei hier nicht erkennbar. Weiterhin sei auch keine Erledigungsgebühr angefallen. Neben der Geschäftsgebühr könne eine Einigungs- oder Erledigungsgebühr nach Nr. 1005 i.V.m. Nr. 1002 VV-RVG VV entstehen, wenn der Bevollmächtigte an der Erledigung eines isolierten Vorverfahrens mitgewirkt habe. Die Entstehung der Erledigungsgebühr setze nach Nr. 1006 und Nr. 1005 i.V.m. Nr. 1002 VV-RVG voraus, dass sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt habe. Das Gleiche gelte, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledige. Die anwaltliche Mitwirkung erfordere dabei nach ständiger Rechtsprechung des BSG ein qualifiziertes, auf Erledigung gerichtetes Tätigwerden des Rechtsanwalts, das über das Maß desjenigen hinausgehe, welches bereits durch den allgemeinen Gebührentatbestand für das anwaltliche Auftreten im sozialrechtlichen Widerspruchs- bzw. Klageverfahren abgegolten werde (Verweis auf BSG, Urteil vom 14.02.2013 - B 14 AS 62/12 R). Das Entstehen der Erledigungsgebühr setze daher regelmäßig eine besondere Tätigkeit des Rechtsanwalts voraus, die über die bloße Einlegung und Begründung des Rechtsmittels hinausgehe. Eine Tätigkeit, die schon eine andere Gebühr, etwa die Verfahrensgebühr oder die Terminsgebühr auslöse, reiche nicht aus, um die Erledigungsgebühr entstehen zu lassen. Ein solches qualifiziertes, auf einen Erfolg gerichtetes Tätigwerden sei vorliegend nicht erkennbar. Dem Widerspruch sei vielmehr nach Auswertung des Pflegegutachtes, das von Amts wegen beigezogen worden sei, abgeholfen worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verfahrensakte sowie die beigezogenen Akten des SG und des Beklagten verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten ausdrücklich zugestimmt haben (§ 153 Abs. 1, § 124 Abs. 2 SGG; dazu, dass diese Möglichkeit für das LSG im Berufungsverfahren auch dann besteht, wenn das SG durch Gerichtsbescheid entschieden hatte, siehe BSG, Beschluss vom 04.11.2021 - B 9 SB 76/20 B - juris Rn. 8).
1. Die Berufung ist zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 SGG). Zudem ist sie statthaft (§ 105 Abs. 2 Satz 1, § 143 SGG); der hier vorliegende Streit in Bezug auf die Aufwendungen eines isolierten Vorverfahrens betrifft keine Kosten des Verfahrens im Sinne von § 144 Abs. 4 SGG, bei denen eine Berufung nicht statthaft ist (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2019 - B 14 AS 45/18 R - juris Rn. 9 m.w.N.).
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG Bayreuth hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen.
2. Streitgegenstand der Klage ist der Bescheid des Beklagten vom 07.04.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2022 (§ 95 SGG), durch den der Beklagte es abgelehnt hat, den Kläger von weiteren Aufwendungen des Vorverfahrens (in Bezug auf den Bescheid vom 30.11.2021) in Gestalt von Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.357,79 Euro freizustellen. Dass der Beklagte dem Kläger die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen dieses Vorverfahrens dem Grunde nach erstatten muss und der Umstand, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts im Vorverfahren notwendig war, ist nicht mehr zu prüfen; dies hat der Beklagte bereits bestandskräftig anerkannt (Widerspruchsbescheid vom 14.02.2022; vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 12.12.2019 - B 14 AS 48/18 R - juris Rn. 9 m.w.N.).
3. Die Klage ist zulässig. Sein Begehren auf höhere Freistellung von zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen des Vorverfahrens verfolgt der Kläger zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG; vgl. hierzu z.B. BSG a.a.O.).
4. Die Klage ist jedoch unbegründet. Die streitgegenständlichen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Beklagte hat die Erstattung einer über der sog. Schwellengebühr liegenden Geschäftsgebühr (dazu d), einer Erledigungsgebühr (dazu e) sowie der anteiligen Umsatzsteuer (dazu f) zu Recht abgelehnt.
a) Der Senat durfte im Hinblick auf die Höhe der strittigen Geschäftsgebühr entscheiden, ohne zuvor ein Gutachten des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer nach § 14 Abs. 3 RVG (bis 31.12.2020: Abs. 2) einzuholen. Die Vorschrift ist nur im Rechtsstreit zwischen Mandant und Rechtsanwalt und nicht im Rechtsstreit zwischen Erstattungspflichtigem (Beklagter) und Gebührenschuldner (Kläger) anwendbar (vgl. Bundesgerichtshof - BGH -, Urteil vom 16.04.2015 - I ZR 225/12 - juris Rn. 104; BSG, Urteil vom 01.07.2009 - B 4 AS 21/09 R - juris Rn. 13; BSG, Urteil vom 12.12.2019 - B 14 AS 48/18 - juris Rn. 10; BSG, Urteil vom 12.12.2019 - B 14 AS 46/18 R - juris Rn. 9; BSG, Urteil vom 12.12.2019 - B 14 AS 45/18 R - juris Rn. 9; zur Vorgängerregelung des § 12 Abs. 2 Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte - BRAGO - bereits BSG, Urteil vom 18.01.1990 - 4 RA 40/89 - juris Rn. 12). In dem zuletzt genannten - hier vorliegenden - Fall ist es Sache des Gerichts zu prüfen, ob die vom Rechtsanwalt angesetzte und vom Auftraggeber erstattet verlangte Gebühr der Billigkeit im Sinne von § 14 Abs. 1 RVG entspricht (vgl. nur BGH a.a.O.).
b) Nach § 63 SGB X hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich ist (Abs. 1 Satz 1). Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten im Vorverfahren sind erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten - wie hier - notwendig war (Abs. 2).
Ist die Gebührenforderung des bevollmächtigten Rechtsanwaltes für das Vorverfahren - wie hier in Bezug auf die streitgegenständliche Forderung - noch nicht beglichen, besteht nach § 63 SGB X ein Anspruch des Klägers auf Freistellung von der Gebührenforderung des Rechtsanwaltes, soweit der Kläger seinem Rechtsanwalt im Innenverhältnis zur Zahlung verpflichtet und soweit die zugrundeliegende Tätigkeit des Rechtsanwaltes im Außenverhältnis zum Beklagten als notwendig zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung anzusehen ist (vgl. nur BSG, Urteil vom 12.12.2019 - B 14 AS 45/18 R - juris Rn. 11 f. m.w.N.).
c) Nach § 63 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 SGB X setzt die Behörde, die die Kostenentscheidung getroffen hat, auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Aufwendungen fest. Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts im Sinne von § 63 Abs. 2 SGB X sind die gesetzlichen Gebühren und Auslagen, die ein Rechtsanwalt seinem Mandanten in Rechnung stellt (vgl. dazu, dass die Abrechnung gegenüber dem Mandanten keine Voraussetzung der Kostenerstattung ist, BSG, Urteil vom 02.12.2014 - B 14 AS 60/13 R - juris Rn. 17 f.). Diese Vergütung bemisst sich nach dem RVG, ihre Höhe nach dem VV-RVG (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2019 - B 14 AS 48/18 R - juris Rn. 11 f.). Beides findet hier gem. § 60 RVG in der ab dem 01.12.2021 geltenden Gesetzesfassung (aufgrund der Bekanntmachung der Neufassung des RVG vom 15.03.2022, BGBl. I 2022, S. 610) Anwendung, denn der Auftrag zur Tätigkeit zum Vorverfahren konnte hier erst zu einem Zeitpunkt nach Inkrafttreten des Änderungsgesetzes zum 01.12.2021 erteilt worden sein. Das ergibt sich schon daraus, dass der Bescheid erst am 30.11.2021 erlassen und zur Post gegeben wurde. Auch der Prozessbevollmächtigte des Klägers legt in seiner Kostennote einen Zeitraum ab dem 05.12.2021 zu Grunde.
d) Der Beklagte hat zu Recht eine Erstattung einer über der sog. Schwellengebühr (359,00 Euro) liegenden Geschäftsgebühr abgelehnt.
aa) Die Geschäftsgebühr u.a. für das Betreiben der Angelegenheit einschließlich der Information bemisst sich nach Nr. 2302 VV-RVG in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen - wie hier (§ 3 Abs. 1 Satz 1 RVG) - im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2019 - B 14 AS 48/18 R - juris Rn. 15). Nach Nr. 2302 VV-RVG umfasst die Geschäftsgebühr einen Betragsrahmen von 60,00 € bis 768,00 Euro. Eine Gebühr von mehr als 359,00 Euro kann indes nach Nr. 2302 VV-RVG nur dann gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war (sog. Schwellengebühr).
Innerhalb dieses Gebührenrahmens bestimmt der Rechtsanwalt nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Hiermit ist dem Rechtsanwalt ein Beurteilungs- und Entscheidungsvorrecht eingeräumt, dass mit der Pflicht zur Berücksichtigung jedenfalls der in § 14 RVG genannten Kriterien verbunden ist. Zudem ist ihm nach § 14 Abs. 1 RVG bei Rahmengebühren wie der Geschäftsgebühr ein Ermessensspielraum von 20 Prozent (sog. Toleranzgrenze) zuzugestehen, der von Dritten wie von den Gerichten zu beachten ist (vgl. BSG, Beschluss vom 17.08.2020 - B 14 AS 240/19 B - juris Rn. 4). Ist die Gebühr - wie hier - von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 Satz 4 RVG; vgl. BSG a.a.O. Rn. 16).
Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sind objektive Kriterien. Zu diesen treten die Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber sowie dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse als subjektive Kriterien hinzu. Darüber hinaus ist nach § 14 Abs. 1 Satz 3 RVG in Verfahren, in denen Betragsrahmengebühren entstehen, für deren Bemessung ergänzend das Haftungsrisiko als weiteres Kriterium zu berücksichtigen, ohne dass ein besonderes Haftungsrisiko des Rechtsanwalts einen eigenen Gebührentatbestand begründet. Die Aufzählung der Bemessungskriterien in § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG ist nach dem Wortlaut der Vorschrift ("vor allem") nicht abschließend, sodass weitere, unbenannte Kriterien mit einbezogen werden können. Sämtliche heranzuziehende Kriterien stehen selbständig und gleichwertig nebeneinander und vermögen sich bei Abweichungen vom Durchschnitt untereinander zu kompensieren (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2019 - B 14 AS 48/18 R - juris; vgl. BSG a.a.O. Rn. 17).
Bei der konkreten Ermittlung ist grundsätzlich wie folgt vorzugehen. Die Geschäftsgebühr ist in einem ersten Schritt ausgehend von der sog. Mittelgebühr zu bestimmen. Diese errechnet sich aus dem Gebührenrahmen von 60,00 bis 768,00 Euro, beträgt 414,00 Euro und ist in Verfahren zugrunde zu legen, in denen sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts nicht nach oben oder unten vom Durchschnitt abhebt. Die ausgehend von der Mittelgebühr bestimmte Gebühr ist in einem zweiten Schritt in Höhe der Schwellengebühr zu kappen, wenn weder der Umfang noch die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit mehr als durchschnittlich sind (grundlegend BSG, Urteil vom 01.07.2009 - B 4 AS 21/09 R - juris Rn. 22 ff.; vgl. BSG a.a.O. Rn. 18).
bb) Nach Maßgabe dessen ist die durch den Prozessbevollmächtigten bestimmte Geschäftsgebühr in Höhe von 750,00 Euro unbillig und damit unverbindlich (§ 14 Abs. 1 Satz 4 RVG); stattdessen ist die Gebührenhöhe durch das Gericht zu bestimmen (§ 315 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB - analog; vgl. dazu z.B. Bundesverwaltungsgericht - BVerwG -, Beschluss vom 06.11.2019 - 1 WDS-KSt 2/19 - juris Rn. 15 m.w.N.; BGH, Urteil vom 28.05.2013 - XI ZR 421/10 - juris Rn. 49; BGH, Urteil vom 26.02.2013 - XI ZR 345/10 - juris Rn. 61 m.w.N.). Die anwaltliche Tätigkeit war weder schwierig noch umfangreich, weshalb die Gebührenhöhe nicht über die Schwellengebühr von 359,00 Euro hinausgehen darf.
(1) Die Tätigkeit war vorliegend nicht schwierig.
Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit meint die Intensität der Arbeit, wobei ausgehend von einem objektiven Maßstab auf einen Rechtsanwalt abzustellen ist, der sich bei der Wahrnehmung des Mandats darauf beschränken kann und darf, den Fall mit den einschlägigen Rechtsvorschriften, ggf. unter Heranziehung von Rechtsprechung und Kommentarliteratur, zu bearbeiten (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2019 - B 14 AS 48/18 R - juris Rn. 21).
Damit ist auf der einen Seite unerheblich, ob der Rechtsanwalt wegen geringer Berufserfahrung Schwierigkeiten bei der Bewältigung der Aufgabe hat. Andererseits spielt es keine Rolle, dass der Anwalt z.B. auf Grund vertiefter Fachkenntnisse oder Erfahrung das Mandat leichter als andere Rechtsanwälte bewältigen kann (vgl. BSG, Urteil vom 01.07.2009 a.a.O. Rn. 32 m.w.N.).
Überdurchschnittlich schwierig ist die Tätigkeit etwa dann, wenn erhebliche, sich üblicherweise nicht stellende Probleme auftreten; diese können sowohl im tatsächlichen als auch im juristischen Bereich liegen. Beispielhaft lassen sich für überdurchschnittliche tatsächliche Schwierigkeiten nennen: der Umgang mit einem problematischen Mandanten, sprachliche oder akustische Verständigungsprobleme, die eingehende Auseinandersetzung mit medizinischen oder anderen Fachgutachten oder eine umfangreiche Beweiswürdigung. Eine über dem Durchschnitt liegende tatsächliche Schwierigkeit kann sich auch daraus ergeben, dass der Rechtsanwalt nicht nur die Verhältnisse des Mandanten, sondern auch diejenigen weiterer Personen zu berücksichtigen hat (vgl. BSG a.a.O. Rn. 33 f.).
Hinsichtlich der Einordnung, ob die rechtliche Schwierigkeit durchschnittlich, über- oder unterdurchschnittlich ist, ist jedoch nicht nach einzelnen Rechtsgebieten zu differenzieren. Von einer nur durchschnittlich schwierigen anwaltlichen Tätigkeit ist dann nicht mehr auszugehen, wenn der zu bearbeitende Fall unter Berücksichtigung des aufgezeigten Maßstabs von einem Normal- bzw. Routinefall abweicht; und zwar bezogen auf jedes Rechtsgebiet (z.B. Sozialrecht), nicht aber jedes Teilrechtsgebiet (z.B. Schwerbehindertenrecht). Damit ist gewährleistet, dass in Rechtsgebieten, die gemeinhin nur deshalb als schwierig empfunden werden, weil kein Fall dem anderen gleicht, überwiegend eine überdurchschnittliche Schwierigkeit angenommen werden kann. Der Routinefall auf dem Gebiet des Sozialrechts ist danach etwa die Darlegung eines Anspruchs auf Leistungen mittels Subsumtion unter die Tatbestandsmerkmale der einschlägigen Rechtsvorschriften, aber ohne umfangreichere Beweiswürdigung und eingehende Auseinandersetzung mit Rechtsprechung und Literatur. In einer Anfechtungssituation wäre dies die vergleichbare Begründung, warum die Voraussetzungen der Rechtsgrundlage, auf die sich der Leistungsträger stützt, nicht vorliegen. Dass eine Teilrechtsmaterie einer sehr dynamischen Entwicklung unterliegt, besagt dann für sich aber noch nicht, dass die rechtliche Schwierigkeit überdurchschnittlich ist. Auch das Tätigwerden in einem "neuen Teilrechtsgebiet", mithin die Anwendung von Normen kurz nach ihrem Inkrafttreten, genügt für sich allein nicht, eine mehr als durchschnittliche rechtliche Schwierigkeit anzunehmen (vgl. BSG a.a.O. Rn. 35).
Ob der Rechtsanwalt die "richtige Lösung" tatsächlich erarbeitet, erkannt bzw. im Verfahren vorgebracht hat, ist insoweit nicht von Bedeutung. Weder eine den Anforderungen nicht entsprechende Leistung des Rechtsanwaltes noch eine über das Erforderliche hinausgehende Leistung wirken sich auf die Einschätzung der Schwierigkeit aus (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16.10.2018 - L 3 AS 41/18 - juris Rn. 57).
Zu bearbeiten war vorliegend im Hinblick auf den mit dem Widerspruch angefochtenen Ablehnungsbescheid vom 30.11.2021 ein Mandat im Bereich des Schwerbehindertenrecht. Ausgehend vom Begehren des Klägers auf Zuerkennung des Merkzeichens "H" handelte es sich um einen typischen Routinefall des Sozialrechts; worauf der Klägerbevollmächtige im Übrigen sinngemäß selbst in seiner Klageschrift gegenüber dem SG hingewiesen hat. Vom einem Rechtsanwalt war insoweit gefordert, dass er die rechtlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "H" prüft (was das einfache Sichten der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen - hier der Versorgungsmedizinischen Grundsätze - sowie ggf. auch von Rechtsprechung und Kommentarliteratur umfasst), sodann durch Besprechung mit dem Mandanten den unter die rechtlichen Voraussetzungen zu subsumierenden Sachverhalt klärt und er den Widerspruch erhebt und begründet. Die Verfahrensdauer war mit weniger als zweieinhalb Monaten für einen Fall des Sozialrechts eher unterdurchschnittlich. Weder die eingehende Auseinandersetzung mit medizinischen oder anderen Fachgutachten noch eine sonstige umfangreiche Beweiswürdigung war erforderlich. Auch sonst gibt es keine Umstände des Falls, die es rechtfertigen würden, von einem überdurchschnittlich schwierigen Fall des Sozialrechts auszugehen (vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.03.2010 - L 6 SB 64/09 - juris Rn. 27).
Zwar kann sich eine Schwierigkeit der Tätigkeit - wie ausgeführt - auch aus einem Umgang mit einem problematischen Mandanten ergeben. Dies ist hier aber nicht der Fall. Die auch - im Pflegegutachten vom 11.11.2021 geschilderten - Einschränkungen des Klägers in der Kommunikation aufgrund kognitiver Beeinträchtigungen, wurden - wie der Prozessbevollmächtigte des Klägers selbst vorträgt - dadurch kompensiert, dass die Ehefrau des Klägers insoweit unterstützend tätig war. Dass bestätigt sich auch durch die aufgelistete Dauer der Besprechungen von insgesamt 65 Minuten (jedoch einschließlich der Prüfung des angegriffenen Bescheides, der erst nach der Abhilfe erfolgten Prüfung des Abhilfebescheides und einer diesbezüglichen Besprechung im Umfang von 20 Minuten), die nicht ungewöhnlich hoch ist. Im Übrigen gehört es mitunter zu einem typischen Fall des Sozialrechts, dass Mandanten an körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitseinschränkungen leiden.
Etwas Abweichendes folgt auch nicht aus dem durch den Kläger benannten Beschluss des Bayerischen LSG vom 24.03.2020 (L 12 SF 271/16 E - juris Rn. 29). In der Entscheidung wurde u.a. ein Grund für die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit darin gesehen, dass die Kommunikation über eine dritte Person mit schwieriger Persönlichkeit erfolgen musste. Dass die Ehefrau des Klägers eine schwierige Persönlichkeit hatte, wurde weder vorgetragen noch ist dies sonst ersichtlich.
(2) Die Tätigkeit war auch nicht umfangreich.
Hierbei ist der zeitliche Aufwand zu berücksichtigen, den der Rechtsanwalt tatsächlich in der Sache betrieben hat und den er davon objektiv auch auf die Sache verwenden musste (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2019 - B 14 AS 48/18 R - juris Rn. 20; BSG, Urteil vom 01.07.2009 a.a.O. Rn. 29). Bezugspunkt der anwaltlichen Tätigkeit ist das in der jeweiligen Gebührenziffer umschriebene Tätigkeitsfeld. Bei einer außergerichtlichen Tätigkeit im Bereich des Sozialrechts kann daher etwa der Aufwand für Besprechung und Beratung, mitunter außerhalb der Kanzleiräume, das Lesen der Verwaltungsentscheidung, das Aktenstudium, die Anfertigung von Notizen, allerdings nicht das Erstellen von Ablichtungen, und das Anfordern von Unterlagen beim Mandanten, deren Sichtung, die Rechtsprechungs- und Literaturrecherche sowie die Auseinandersetzung hiermit berücksichtigt werden; ferner auch das Eingehen auf von der Behörde herangezogene Beweismittel, der Schriftverkehr mit dem Auftraggeber und der Gegenseite sowie ergänzend alle Tätigkeiten, die mangels entsprechender Gebührenvorschriften nicht durch eine besondere Gebühr vergütet werden. Auch ein objektiv überflüssiger Aufwand ist beachtlich, wenn und soweit er auf dem Wunsch des Auftraggebers beruht. Der durchschnittliche Umfang lässt sich nicht exakt in Zeitstunden ausdrücken, vielmehr hat sich der durchschnittliche Umfang am Leitbild der zugehörigen Verfahrensordnung am Ablauf eines Verfahrens, hier des Vorverfahrens, zu orientieren (vgl. BSG, Urteil vom 01.07.2009 a.a.O. Rn. 28 f.).
Nach Maßgabe dessen war die notwendige Tätigkeit des den Kläger vertretenden Rechtsanwalts nicht als überdurchschnittlich zu betrachten. Insbesondere die Prüfung des Ablehnungsbescheides, die Besprechung mit dem Mandanten, die Akteneinsicht, das Weiterleiten von Schriftsätzen, die Erhebung und Begründung des Widerspruchs sowie das Stellen von Sachstandsanfragen sind typische Tätigkeiten, die in nahezu jedem sozialrechtlichen Vorverfahren durchzuführen sind. Diese erforderten hier keinen überdurchschnittlichen Umfang (vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.03.2010 - L 6 SB 64/09 - juris Rn. 27). Auch die Anzahl der Schriftsätze ist für einen Fall des Sozialrechts nicht überdurchschnittlich (vgl. z.B. auch BSG, Urteil vom 01.07.2009 a.a.O. Rn. 31). Auch die Gesamtlänge der Schriftsätze ist nicht überdurchschnittlich. Nach Abzug der allgemeinen Ausführungen (z.B. lange wörtliche Rechtssprechungszitate) beschränkt sich der individuelle fallbezogene Vortrag auf wenige Absätze. Vor diesem Hintergrund ist ein mehr als durchschnittlicher Umfang der anwaltlichen Tätigkeit weder erfolgt noch objektiv erforderlich gewesen.
(3) Auf die durch den Klägerbevollmächtigten genannten Bemessungskriterien (insbesondere Bedeutung der Angelegenheit, Kostenstruktur der Kanzlei, Inflation und Erfolg der anwaltlichen Tätigkeit) kommt es vor diesem Hintergrund nicht mehr an. Denn die Schwellengebühr von 359,00 Euro darf - da die anwaltliche Tätigkeit weder schwierig noch umfangreich war - gem. Nr. 2302 VV-RVG ohnehin nicht überschritten werden. Das anwaltliche Ermessen nach § 14 Abs. 1 RVG lässt daher nur eine Festsetzung bis zu dieser Schwelle zu. Ob die Gebühr billigerweise gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 BGB analog in geringerer Höhe als 359,00 Euro hätte festgesetzt werden müssen, ist nicht zu entscheiden. Der Beklagte hat diese Gebührenhöhe jedenfalls im Bescheid vom 07.04.2022 anerkannt und der Kläger die Regelung insoweit nicht angegriffen, sodass der Bescheid insoweit bestandskräftig (§ 77 SGG) ist. Im Übrigen wäre im Fall, dass der Bescheid auch insoweit durch den Kläger angegriffen worden wäre, dieser zwar insoweit rechtswidrig, die Klage aber gleichwohl unbegründet, weil der Kläger hierdurch (weil sich die Rechtswidrigkeit insoweit für in Günstig auswirkt) nicht in seinen Rechten verletzt wäre.
e) Zu Recht hat der Beklagte angenommen, dass eine Erledigungsgebühr nicht entstanden ist. X
Die Erledigungsgebühr nach Nr. 1005, 1002 VV-RVG entsteht (in Höhe der Geschäftsgebühr), wenn in einem Verwaltungsverfahren in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen - wie hier - im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG), sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt (vgl. BSG, Beschluss vom 12.05.2022 - B 5 R 3/22 B - juris Rn. 7).
Dies ist nur der Fall, wenn der Rechtsanwalt eine über die Einlegung und Begründung des Widerspruchs hinausgehende besondere Tätigkeit entfaltet hat. Erforderlich ist eine qualifizierte erledigungsgerichtete Mitwirkung, die über das Maß hinausgeht, das schon durch den allgemeinen Gebührentatbestand für das anwaltliche Auftreten im Widerspruchsverfahren abgegolten wird. Eine solche qualifizierte, eine Erledigungsgebühr begründende Tätigkeit liegt beispielsweise vor, wenn der Rechtsanwalt zum Zwecke des Beweises entscheidungserheblicher Tatsachen unaufgefordert neue Beweismittel, etwa während des Vorverfahrens neu erstattete Befundberichte oder fachliche Stellungnahmen, beibringt (vgl. nur BSG, Urteil vom 17.12.2013 - B 11 AL 15/12 R - juris Rn. 16 m.w.N.).
Eine solche qualifizierte erledigungsgerichtete anwaltliche Mitwirkung liegt hier nicht vor. Insbesondere stellt das Übersenden des Bescheides über die Gewährung von Pflegegeld nach dem SGB XII keine solche qualifizierte Tätigkeit dar. Einerseits gehört das Anfordern von Unterlagen und die Übersendung an die Behörde zur Substantiierung des Vortrages zu der mit der Geschäftsgebühr abgegoltenen anwaltlichen Tätigkeit. Zum anderen war die Übersandung des Bescheides kein Anlass für die Erledigung, denn in dem Bescheid sind die maßgeblichen gesundheitlichen Verhältnisse bzw. der konkret beim Kläger bestehende Hilfebedarf nicht medizinisch begründet aufgeführt. Dies ergibt sich erst aus dem Pflegegutachten vom 11.11.2021. Dieses wurde jedoch durch den Beklagten selbst beim Bezirk Oberfranken angefordert und ging am 10.01.2022 bei diesem ein. Eine durch den Prozessbevollmächtigen gefertigte Kopie ging erst am 18.02.2022 beim Beklagten - und damit nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 14.02.2022 und Erledigung des Vorverfahrens - ein.
Im Übrigen erspart es der (Widerspruchs-)Behörde zwar regelmäßig Ermittlung, wenn zum Zweck des Beweises entscheidungserheblicher Tatsachen als präsentes Beweismittel (unaufgefordert) ein als Urkunde zu verwertendes, in einem anderen Verfahren erstelltes (Privat-)Gutachten vorgelegt wird, jedoch begründet dies regelmäßig keine qualifizierte erledigungsgerichtete anwaltliche Mitwirkung. Denn insoweit hält sich die Vorlage - so wie hier die Übersendung der Kopie des Pflegegutachtens - im Rahmen der dem Mandanten obliegenden Mitwirkung (§ 21 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB X; § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 3 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - SGB I -; vgl. BSG, Urteil vom 02.10.2008 - B 9/9a SB 3/07 R - juris Rn. 16).
Auch ein besonderes Bemühen um eine Einigung - z.B. durch Einwirkung auf den Mandanten oder auf die Behörde (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 1 KR 13/06 R - juris Rn. 25) - liegt nicht vor.
Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten des Klägers genügt es insoweit nicht, dass überhaupt durch den Rechtsanwalt im Zusammenhang mit der Vorlage von Unterlagen, der Widerspruchsbegründung, oder sonst im Rahmen der Mandatsbetreuung (intellektuell) auf den Mandanten eingewirkt wirkt. Andernfalls würde nahezu jeder erfolgreiche oder (akzeptierte) erfolglose Widerspruch die Erledigungsgebühr anfallen lassen.
Erforderlich ist vielmehr eine besondere Einwirkung z.B. dergestalt, dass der Rechtsanwalt auf einen Vorschlag des Leistungsträgers den - zunächst ablehnend eingestellten - Mandanten überzeugt, der gütlichen Streitbeilegung in seinem eigenen wohlverstandenen Interesse zuzustimmen (vgl. z.B. Hessisches LSG, Beschluss vom 03.05.2011 - L 2 SF 140/10 E - juris Rn. 20; Becker in Hauck/Noftz, SGB X, Stand April 2020, § 63 Rn. 98 m.w.N.). Erforderlich ist insoweit ein besonderes Bemühen des Rechtsanwaltes um die unstreitige Erledigung, dass über den durch die Geschäftsgebühr abgegoltenen Umfang hinaus geht (vgl. auch Bayerisches LSG, Beschluss vom 08.08.2019 - L 12 SF 231/15 - juris Rn. 27), das hier nicht vorliegt.
f) Da die Geschäftsgebühr nicht über der Schwellengebühr und zudem keine Erledigungsgebühr zu erstatten ist, besteht auch kein Anspruch auf Erstattung der darauf entfallenden Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV-RVG).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
6. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG), liegen nicht vor.