Die Klagen werden abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Kläger machen mit der Klage ihre vollen Kosten der Unterkunft für die Kalenderjahre 2020 und 2021 für ihre Wohnung in A-Stadt im Landkreis F-Stadt geltend.
Die Klägerin zu 1. ist die Mutter des im Jahr 2013 geborenen Klägers zu 2.
Bevor sie in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten zogen wohnten sie in Gifhorn und bezogen dort ebenfalls Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Nach Angaben der Klägerin zu 1. sind sie und der Kläger zu 2. bereits am 5. November 2019 in die Wohnung in A-Stadt gezogen. Am 23. Dezember 2019 habe sie (die Klägerin zu 1.) beim Beklagten vorgesprochen. Hintergrund des Umzuges sei gewesen, dass sie eine Arbeitsstelle in der Gastronomie in Aussicht gehabt habe. Wegen der Corona-Pandemie sei es dann dazu nicht gekommen. Mittlerweile befinden sich die Kläger schon seit einiger Zeit nicht mehr im Leistungsbezug nach dem SGB II.
Vor Einzug in die Wohnung in A-Stadt holten sich die Kläger beim Beklagten keine Zusicherung und informierten sich auch nicht über die im Zuständigkeitsbereich des Beklagten üblicherweise gewährten Kosten der Unterkunft. Seit dem 1. Januar 2020 bezogen die Kläger Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II vom Beklagten. Die Grundmiete für die Wohnung betrug 420 €. Des Weiteren waren 80 € Nebenkosten zu entrichten, also insgesamt 500 €. Der Heizkostenabschlag betrug 90 € und wurde vom Beklagten durchgehend voll übernommen.
I.
Für das Jahr 2020 wurden den Klägern mit Bescheid vom 27. Januar 2020 Kosten der Unterkunft in Höhe von 380 € monatlich gewährt. Die Gewährung beruhte auf dem Wohnungsmarktkonzept 2019 des Beklagten. Der Bescheid wurde bestandskräftig. Die Kläger legten dann einen Überprüfungsantrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ein. Dieser wurde abgelehnt mit Bescheid vom 26. April 2021. Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2021 zurückgewiesen.
Hiergegen haben die anwaltlich vertretenen Kläger am 27. Mai 2021 Klage erhoben ( S 45 AS 237/21).
II.
Für das Jahr 221 wurden den Klägern monatliche Unterkunftskosten in Höhe von 392 € gewährt. Die Gewährung beruhte auf einer Fortschreibung des Wohnungsmarktkonzeptes für das Jahr 2021. Die Gewährung erfolgte mit Bescheiden vom 6. November 2020 und vom 21. November 2020. Die Bescheide wurden bestandskräftig. Bezüglich des Bescheides vom 6. November 2020 stellten die Kläger einen Überprüfungsantrag, der mit Bescheid vom 20. Januar 2021 zurückgewiesen wurde. Ein weiterer Überprüfungsantrag, noch einmal gerichtet gegen den Bescheid vom 6. November 2020 und gegen einen Bescheid vom 21. November 2020 wurde mit Bescheid vom 18. März 2021 zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegten Widersprüche wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. März 2021 zurück.
Hiergegen haben die anwaltlich vertretenen Kläger am 1. April 2021 Klage erhoben (S 45 AS 152/21).
Die beiden Verfahren wurden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Die Prozessbevollmächtigte der Kläger trägt vor, eine günstigere Wohnung nicht zu finden gewesen. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin zu 1. ausgeführt, dass sie sich um eine günstigere Wohnung unter anderem auf eBay-Kleinanzeigen bemüht habe etwa seit August 2022 und erst recht seit Mai 2023 infolge einer unbefristeten Anstellung. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin zu 1. erläutert, dass sie sich nicht um eine Zusicherung bemüht habe, weil sie davon ausgegangen sei aufgrund ihrer Anstellung in der Gastronomie nicht mehr auf staatliche Transferleistungen angewiesen zu sein. Einen Vorvertrag/Vertrag habe sie nicht erhalten.
Die Prozessbevollmächtigte der Kläger beantragt,
- die Bescheide des Beklagten vom 6. November 2020 und vom 21. November 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2021 dahingehend zu ändern, das monatlich Kosten der Unterkunft von 500 € im Jahr 2021 berücksichtigt werden sollen,
- den Bescheid des Beklagten vom 21. Januar 2020 in Gestalt des Bescheides vom 26. April 2021 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2021 zu ändern und die Beklagte zu verpflichten für den streitbefangenen Zeitraum (Kalenderjahr 2020) monatliche Kosten der Unterkunft von 500 € zu berücksichtigen.
Der Beklagte beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Der Beklagte führt aus, dass die Klägerin unter anderem ohne Zusicherung umgezogen sei. Die Wohnung sei deutlich zu teuer. Hierbei beruft sich der Beklagte auf sein Wohnungsmarktkonzept, welches er in der mündlichen Verhandlung erläutert hat.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten, insbesondere bezüglich der Detailfragen zum Wohnungsmarktkonzept, wird auf den Inhalt der mündlichen Verhandlung sowie insgesamt auf die Gerichtsakte und Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen zulässigen Klagen sind nicht begründet.
I.
Der Bescheid des Beklagten vom 27. Januar 2020 sowie der Bescheid vom 26. April 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2021 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten.
Die Kläger haben keinen Anspruch auf höhere Kosten der Unterkunft.
Leistungen für Unterkunft und Heizung werden gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Um vorab über die Angemessenheitsgrenzen informiert zu sein ist der Hilfebedürftige gehalten sich hierüber beim zuständigen Träger vorab zu informieren, als bevor er eine Wohnung anmietet. Hierbei handelt es sich um eine Schutzvorschrift zugunsten des Hilfebedürftigen, der nicht von hohen und ungedeckten Unterkunftskosten überrascht werden soll. Die Kläger haben sich vor dem Umzug in die Zuständigkeit des Beklagten nicht informiert. Insofern sind sie ins Risiko gegangen, ob ihre vollen Unterkunftskosten übernommen werden.
Ungeachtet dessen, dass sich die Kläger nicht vorab informiert haben bleibt es bei den Vorgaben des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB zwei, wonach nur die angemessenen Unterkunftskosten übernommen werden.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist die Angemessenheit von Unterkunftskosten in mehreren Schritten zu prüfen (s. nur Bundessozialgericht, Urteile v. 17.12.2009, Az.: B 4 AS 27/09 R, B 4 AS 50/09 R, B 4 AS 19/09 R): Zunächst ist danach in einer abstrakten Angemessenheitsprüfung die angemessene Wohnungsgröße zu bestimmen. Anschließend ist der nach den örtlichen Verhältnissen angemessene Mietzins je Quadratmeter zu ermitteln. Die Prüfung der abstrakten Angemessenheit muss die örtlichen Verhältnisse erfassen und beurteilen, damit auf dieser tatsächlichen Grundlage eine Mietpreisspanne für die im unteren Bereich der für vergleichbare Wohnungen am Wohnort des Hilfebedürftigen marktüblichen Wohnungsmieten festgesetzt werden kann.
Sofern örtliche Mietspiegel oder andere Mietdatenbanken für den zugrunde zu legenden Vergleichsraum nicht existieren, hat der Grundsicherungsträger nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Zwecke der Ermittlung der abstrakt angemessenen Wohnkosten ein schlüssiges Konzept einschließlich entsprechender Tabellen mit grundsicherungsrelevanten Daten zu erstellen. Diese dürfen auf einer schwächeren Datenbasis als ein Mietspiegel nach § 558 d Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) beruhen. Gleichwohl müssen sie den maßgeblichen örtlichen Wohnungsmarkt nachvollziehbar abbilden. Die vom Grundsicherungsträger gewählte Datengrundlage muss auf einem schlüssigen Konzept beruhen, das eine hinreichende Gewähr dafür bietet, die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarktes wiederzugeben. Folgende Anforderungen an die Schlüssigkeit sind dabei nach Auffassung des Bundessozialgerichts einzuhalten (s. Urteil v. 22.9.2009, Az.: B 4 AS 18/09 R; Urteil v. 17.12.2009, Az.: B 4 AS 50/09 R):
Hierbei sind zunächst ordnungsgemäß Vergleichsräume festzulegen, um eine Gettosbildung zu vermeiden. Des Weiteren ist ein bestimmter Wohnstandard zu definieren und es müssen Angaben über die Beobachtungszeitraum/Zeitraum der Datenerhebung vorhanden sein. Außerdem sind die Erkenntnisquellen zu benennen.
Die Datenerhebung muss repräsentativ sein und sowohl die Erhebung als auch die Auswertung mathematisch-statistischen Grundsätzen entsprechen. Außerdem muss schlüssig erläutert sein wie die Verfasser des Wohnungsmarktkonzeptes von der Datenbasis zu den abschließenden Zahlen, welche die Angemessenheit der Unterkunftskosten ausmachen, gelangt sind. Dabei gilt es auch zu beachten, dass sogenannte Ausreißer nicht übermäßig sich auf das Ergebnis auswirken dürfen. So sollen etwa Wohnungen mit einer Gemeinschaftstoilette nicht einbezogen werden und auch Wohnungen die kostenmäßig deutlich außerhalb des gefundenen Rahmens liegen sollen herausgelassen werden (sogenannte Extremwertkappung).
Vorliegend wurden die Daten für das Wohnungsmarktkonzept 2019 aus dem Internet, Zeitungen und sonstigen Aushängen erhoben und es wurden Vermieter angeschrieben. Es wurden etwa 3000 kleinere Vermieter angeschrieben (vergleiche Seite 20 des Konzeptes unten). Bei den restlichen Daten handelt es sich um die Angaben von größeren Vermietern (vergleiche Seite 25 des Konzeptes). Dabei wurde festgehalten, dass größere Vermieter in der Regel nur probeweise eine oder ein paar Wohnungen inserieren etwa aus einem großen Wohnungsblock (vergleiche Seite 34 des Konzeptes).
Der Stand der Bestandsmieten datiert vom 1. Juni 2018. Die Angebotsmieten wurden im Zeitraum Mai bis Oktober 2018 erhoben (vergleiche Seite 22 des Konzeptes). Insgesamt wurden 4421 Bestandsmieten erhoben. Um Substandardwohnungen zu vermeiden sind auf Seite 18 des Konzeptes einige Kriterien aufgezählt. Nach Berücksichtigung dieser Kriterien blieben 2562 Datensätze verwendbar. Bezüglich der Angebotsmieten wurden 812 Datensätze erhoben, von denen 774 Verwendung gefunden haben (vergleiche Seite 25 und 26 des Konzeptes). Damit ergeben sich für den Landkreis F-Stadt, inklusive der Stadt F-Stadt, 3336 Datensätze. Die Kammer hält diesen Wert für repräsentativ genug um den Wohnungsmarkt abzubilden, da sich im zu erfassenden Raum 33.428 vermietete Wohnungen und 3.724 leerstehende Wohnungen befinden.
Außerdem wurde sichergestellt, dass bei den Bestandsmieten nicht nur Angaben von Grundsicherungsempfängern berücksichtigt wurden. Dies wäre unzulässig gewesen, weil dann nur die günstigsten der günstigen Wohnungen Berücksichtigung gefunden hätten, was den Wohnungsmarkt nicht hätte bilden können.
Bei vorangegangenen Fassungen des Wohnungsmarktkonzeptes fiel auf, dass Angebotsmieten unterrepräsentiert waren. Dies ist hier nicht mehr der Fall. Die Kammer hält namentlich Angebotsmieten für relevant, weil einem Hilfebedürftigen nicht damit geholfen ist, wenn er weiß, dass andere Personen (Bestandsmieten) günstig wohnen. Für den Hilfebedürftigen kommt es namentlich darauf an welche Wohnungen am Markt angeboten werden. Hier wurden 2562 Bestandsmieten und 774 Angebotsmieten ausgewertet, was insgesamt 3336 Datensätze ergibt. Setzt man diese 3336 Datensätze ins Verhältnis zu den 774 Angebotsmieten so ergibt sich eine Quote von 23,2 % zugunsten der Angebotsmieten. Dies dürfte genügen, um die am Markt verfügbaren Wohnungen abzubilden.
Um sicherzustellen, dass Hilfebedürftige nicht auf Substandardwohnungen verwiesen werden wurden Wohnungen, die nicht bestimmte Standards erfüllen, von vornherein aus der Berechnung herausgenommen. Dies waren etwa Wohnungen ohne zeitgemäßes Bad, mi veralteter Elektroausstattung, Toilette außerhalb der Wohnung oder ohne Sammelheizung. Bezüglich der Einzelheiten der Kriterien wird auf Seite 18 des Wohnungsmarktkonzeptes Bezug genommen. So wurde auf der einen Seite sichergestellt, dass Hilfebedürftige nicht auf Wohnungen deutlich unter Standard verwiesen werden. Zum anderen erfolgte eine Extremwertkappung. Die Berechnungsmethoden halten mathematisch-statistischen Grundsätzen stand und sind sowohl in dem schriftlichen Konzept detailliert dargelegt, als auch in der mündlichen Verhandlung umfassend erläutert worden. Damit liegt die abstrakte Angemessenheit bei 380 € monatlich im Jahr 2020.
Dies entspricht auch der konkreten Angemessenheit, denn die Kläger haben keine Gründe glaubhaft machen können, wonach in ihrem konkreten Fall eine Gewährung oberhalb von 380 € hätte erfolgen müssen. Sie haben lediglich vorgetragen, die Klägerin zu 1. sei der Annahme gewesen im Januar 2020 in der Gastronomie anfangen zu können, um dann nicht mehr auf staatliche Transferleistungen angewiesen zu sein. Zwar glaubt die Kammer diesen Angaben und die Corona-Pandemie begann in Deutschland ja auch im Januar 2020. Die Kläger waren hierdurch allerdings nicht härter betroffen als andere Personen. Die Kläger haben auch nicht glaubhaft machen können, dass sie sich vor Einzug in die Wohnung in A-Stadt um günstigeren Wohnraum bemüht hätten. Nach dem Vortrag der Klägerin zu 1. hat sie ihre Bemühungen um günstigeren Wohnraum erst im Mai 2022 überhaupt begonnen und ist dann zu der Einschätzung gelangt, dass günstigere Wohnraum als der aktuelle nicht zu finden seien.
Das Gericht vermag diesem Vortrag nicht zu folgen, denn es ist nicht ersichtlich, warum gerade Ende 2019/Anfang 2020 Wohnraum so extrem teuer hätte gewesen sein sollen, dass mit den Maximalwerten des Beklagten kein Wohnraum zu finden gewesen wäre. Damit verbleibt es bei der Obergrenze von 380 € monatlich für die Kosten der Unterkunft.
II.
Die Bescheide vom 6. November 2020 und vom 21. November 2020 sowie die Bescheide vom 20. Januar 2021 und vom 18. März 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2021 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten.
Die Kläger haben keinen Anspruch auf höhere Kosten der Unterkunft.
Auch hier hat der Beklagte in zulässiger Weise sein Wohnungsmarktkonzept herangezogen. Hierbei handelte es sich um das Wohnungsmarktkonzept 2019 in der Neufassung für das Jahr 2021. Zwar erfolgte keine komplette Neuerhebung. Es erfolgte jedoch eine Überarbeitung. Diese hat alle zwei Jahre zu erfolgen. Nach der Überarbeitung nach zwei Jahren hat nach weiteren zwei Jahren eine komplette Neuerhebung zu erfolgen.
Die Überarbeitung das Jahr 2021 betreffend ist nicht zu beanstanden. Insbesondere berücksichtigt die Überarbeitung 2021 die bereits oben genannten und vom BSG aufgestellten Grundsätze. Damit hat der Beklagte in zulässiger Weise für das Jahr 2021 die zu berücksichtigenden monatlichen Kosten der Unterkunft auf 392 € begrenzt.
Bezüglich der konkreten Angemessenheit gilt das oben Gesagte.
Ein Anspruch auf höhere Kosten der Unterkunft bestand mithin weder für das Jahr 2020 noch für das Jahr 2021.