Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 25. März 2024 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist (noch) die Kostentragung für Reparaturen, Teilenachlieferungen und Wartungen eines Therapierades sowie nunmehr auch die Anschaffung eines neuen Therapiedreirades streitig.
Der 1961 geborene, auf Dauer voll erwerbsgeminderte Kläger steht bei der Beklagten seit Langem im Bezug von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Auch erhielt er von der Beklagten am 4. Dezember 2020 ein Therapiedreirad auf Leihbasis – welches demgemäß im Eigentum der Beklagten verblieb – als Teilhabeleistung.
Mit Schreiben vom Tag der Übergabe des Therapierades zeigte er der Beklagten an, dass insbesondere ein zweiter Seitenspiegel, ein Nässeschutz und ein Gepäckkorb fehlten.
Mit Schreiben vom 15. Dezember 2020 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass, wenn es sich bei den Mängeln um Reparaturen handele, er einen Kostenvoranschlag einholen könne, mit dem er auf sie zukommen könne. Reparatur- und Wartungskosten würden selbstverständlich übernommen. Bezüglich der angezeigten Mängel müsse das Angebot genau angesehen werden und ggf. mit dem Verkäufer in Kontakt getreten werden. Eine Rechtsbehelfsbelehrung war dem Schreiben nicht beigefügt.
Mit einem am 16. Dezember 2020 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben beantragte der Kläger eine neue Fahrradklingel, eine Luftpumpe, ein Paar wasserdichte Gepäcktaschen à 20 Liter und weiterhin einen zweiten Spiegel rechts nebst Montage.
Mit Schreiben vom 16. Dezember 2020 wies die Beklagte darauf hin, dass sie dem Kläger bezüglich Reparaturen und Mängeln bereits mitgeteilt habe, wie vorzugehen sei und dass er wegen der beantragten Utensilien Kostenvoranschläge vorlegen möge, damit eine Kostenübernahme geprüft werden könne.
Am 25. Februar 2021 fragte der Kläger schriftlich bei der Beklagten nach, was aus der Nachbestellung des zweiten Spiegels, der Gepäcktaschen und des Nässeschutzes geworden sei.
Im März 2021 teilte der Kläger mit, das Dreirad müsse dringend zur Inspektion, und führte eine Reihe zu erledigender Arbeiten auf. Ein Termin sei für den 9. April 2021 vereinbart worden (Schreiben vom 12. März 2021). Mit Schriftsatz vom 29. März 2021 teilte der Kläger der Beklagten nochmals Details zur geplanten Inspektion mit und verwies auch darauf, dass der zweite Spiegel dringend erforderlich sei. Er gehe davon aus, dass der zweite Spiegel, der Nässeschutz und die Gepäcktaschen beim Transport des Therapiedreirads verloren gegangen seien.
Am 12. April 2021 hat der Kläger eine – als Untätigkeitsklage bezeichnete – Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben, mit der er die Verpflichtung der Beklagten zur Nachlieferung der fehlenden Teile, der Bezahlung des Einbaus sowie der regelmäßigen Wartung nebst Austausch notwendiger Teile bei Verschleiß begehrt hat.
Mit Bescheid vom 30. April 2021 hat die Beklagte die Kosten der Inspektion vom 9. April 2021 übernommen. Sie hat darauf hingewiesen, dass zukünftige Aufträge für Reparaturen und Inspektionen vorab mit ihr abzusprechen seien oder sie den Auftrag direkt vergeben werde. Mit Schreiben vom 30. Juli 2021 hat die Beklagte – nach einer von ihr bei dem Kläger angeforderten Stellungnahme, weswegen die gewünschten Teile benötigt würden – auch den zweiten Spiegel, den Nässeschutz und die beiden Satteltaschen bewilligt.
Nachdem der Kläger im Verlauf einen Verkehrsunfall mit dem Therapiedreirad erlitt, als er auf einer Kreuzung von einem PKW angefahren wurde, wobei im Nachgang das Kettenschloss seines Therapiedreirades – nach Angaben des Klägers während des Abtransports durch die Polizei – verloren ging, ist dem Kläger im Weiteren das Therapiedreirad am 11. März 2024 gestohlen worden. Hierzu führte der Kläger u.a. gegenüber der Beklagten aus, dass der Schaden nur 80,00 Euro betragen hätte, wenn die Beklagte ein Kettenschloss rechtzeitig bewilligt hätte (Schreiben vom 11. März 2024, Bl. 34 ff. SG-Akte).
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 25. März 2024 abgewiesen. Die vom sehr gerichtserfahrenen Kläger explizit als „Untätigkeitsklage“ erhobene Klage sei bei Klageerhebung bereits nicht zulässig gewesen, da das Schreiben vom 15. Dezember 2020 einen Bescheid darstelle, mit dem die Beklagte den Antrag des Klägers vom 4. Dezember 2020 (im Nachtrag konkretisiert durch Schreiben vom 16. Dezember 2020) auf einen weiteren Spiegel, einen Nässeschutz und eine Gepäcklösung dahingehend beschieden habe, dass der Kläger einen Kostenvoranschlag für dieses Zubehör vorlegen solle, damit über eine konkrete Kostenübernahme entschieden werden könne. Damit sei der Antrag des Klägers auf direkte Bewilligung des beantragten Zubehörs abweisend beschieden worden. Zwar habe der Kläger mehrfach bei der Beklagten hinsichtlich des Zubehörs nachgefragt; Kostenvoranschläge habe er jedoch in diesem Zusammenhang nicht vorgelegt. Eine Untätigkeit der Beklagten habe zum Zeitpunkt der Erhebung der als Untätigkeitsklage bezeichneten Klage somit nicht vorgelegen, so dass die Klage nicht zulässig gewesen sei. Ähnliches gelte für die Wartungs- und Inspektionskosten. Diese habe die Beklagte in ihrem Schreiben vom 15. Dezember 2020 unaufgefordert zugesichert, so dass auch insoweit keine Untätigkeit gegeben gewesen sei. Auch als – entweder direkt erhobene oder von der Untätigkeitsklage umgestellte – Anfechtungs- und Verpflichtungsklage respektive Anfechtungs- und Leistungsklage sei die Klage nicht zulässig. Zwar könne grundsätzlich eine Untätigkeitsklage in eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage bzw. eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage umgestellt werden. Dies allerdings nur, wenn alle Sachurteilsvoraussetzungen vorlägen. Vorliegend fehle es sowohl an einem durchgeführten Widerspruchsverfahren als auch an einem Rechtsschutzbedürfnis. Zum einen habe die Beklagte am 30. Juli 2021 den zweiten Spiegel, den Nässeschutz und die beiden Satteltaschen bewilligt. Ein Bedürfnis für gerichtlichen Rechtsschutz habe daher nicht mehr bestanden. Auch die regelmäßigen Wartungs- und Inspektionskosten seien von der Beklagten übernommen worden. Dass nunmehr das Therapierad zudem gestohlen worden sei, stelle einen weiteren Aspekt des mangelnden Rechtsschutzbedürfnisses dar. Da dieses jedoch bereits vor dem Diebstahl des Rades nicht gegeben und damit der Diebstahl nicht entscheidungserheblich gewesen sei, habe es keiner erneuten Anhörung des Klägers vor Erlass des Gerichtsbescheids bedurft.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 4. April 2024 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Nachdem er zunächst u.a. vorgetragen hatte, dass die Beklagte noch immer eine Rechnung seiner Fahrradwerkstatt – beziffert mit 299,70 Euro zuzüglich Mahnkosten und -zinsen – wegen einer Spurstangenreparatur infolge eines Verkehrsunfalls nicht bezahlt habe und deshalb die Beklagte zur entsprechenden Zahlung sowie zur Kostentragung für ein neues Kettenschloss, zur schnellstmöglichen Versorgung mit einem Ersatzrad nebst Verpflichtung zur Tragung sämtlicher diesbezüglicher Kosten einschließlich Reparatur und Wartung zu verpflichten sei sowie „ein Betriebssystem festzulegen zum Betrieb des Therapierades des [Klägers] und dann die [Beklagte] darauf zu verpflichten“, führt er nach der Klarstellung der Beklagten, dass die vorgenannte Rechnung bereits beglichen sei, zuletzt aus, dass die Beklagte mit ihrer Zahlung völlig verfristet sei. Die Zahlung werde als sehr spätes Anerkenntnis gewertet. Die Kettenschlosssache habe das Verwaltungsgericht Karlsruhe erledigt.
Der Kläger beantragt sinngemäß zuletzt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 25. März 2024 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm ein neues Therapiedreirad zu gewähren, die Kosten für Reparatur und Wartung zu übernehmen und eine zügige Bearbeitung sicherzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Der Berichterstatter hat den Kläger darauf hingewiesen, dass die Berufung unzulässig sein dürfte.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze und hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts auf die Prozessakten beider Instanzen sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte in Abwesenheit des Klägers den Rechtsstreit mündlich verhandeln und entscheiden, denn der Kläger ist in der ihm ordnungsgemäß zugestellten Terminsmitteilung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden. Der Senat hat ihm zudem trotz der Nichtanordnung seines persönlichen Erscheinens auf seinen Wunsch, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen, vorab eine Bahnfahrkarte übersandt.
Die Berufung ist bereits unzulässig und daher gemäß § 158 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu verwerfen.
Die Berufung des Klägers ist bereits nicht statthaft, soweit der Kläger mit dieser noch die Kostenübernahme für ein neues Therapiedreirad nebst Reparaturen, Teilenachlieferungen und Wartung sowie eine zügige Bearbeitung durch die Beklagte begehrt, da dies nicht Gegenstand der erstinstanzlichen Entscheidung gewesen ist. Die Berufung findet jedoch gemäß § 143 SGG nur gegen Urteile bzw. gemäß § 143 i.V.m. § 105 Abs. 2 Satz 1 SGG gegen Gerichtsbescheide statt. Selbst bei einer ansonsten zulässigen Klageerweiterung im Berufungsverfahren handelt es sich um einen neuen Gegenstand im Sinne einer erstinstanzlichen Klage, der bei der Ermittlung des Beschwerdewerts außer Betracht bleibt (Wehrhahn in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 144 SGG, Stand: 21. November 2023, Rdnr. 23). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Beteiligten zwar auch in erster Instanz über Ansprüche des Klägers auf Kostenübernahme für – im Verlauf konkretisierte – Wartungen, Reparaturen bezüglich seines Therapiedreirades gestritten haben, welches jedoch bereits vor Erlass des Gerichtsbescheides vom 25. März 2024 gestohlen worden ist. Soweit der Kläger nunmehr auch in zweiter Instanz die Kostenübernahme für Wartung, Reparatur etc. begehrt, ist dies denklogisch als auf das von ihm zugleich begehrte neue Therapiedreirad bezogen anzusehen und damit als neuer Streitgegenstand zu qualifizieren. Dies ist von dem Kläger selbst klargestellt worden, in dem er in der Berufungsschrift diese Begehren dahingehend zusammengefasst hat, dass die Beklagte verpflichtet werden möge, „alle Kosten betreffs Neuanschaffung, Reparatur und Wartung […] zu zahlen[.]“ Diese neuen Gegenstände können auch nicht im Wege der Klageänderung Gegenstand des Berufungsverfahrens werden, denn dies setzt die Zulässigkeit der Berufung bereits voraus (vgl. Wehrhahn a.a.O.). Vorliegend ist die Berufung jedoch auch im Hinblick auf die von dem Kläger ursprünglich in zweiter Instanz weiterverfolgten Streitgegenstände aus erster Instanz unzulässig.
Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 Euro nicht übersteigt. Diese Regelung findet nur dann keine Anwendung, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Für die Frage, ob die Berufung der Zulassung bedarf, ist der Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels entscheidend (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 8. Oktober 1981 – 7 RAr 72/80 – juris Rdnr. 16 m.w.N.; BSG, Urteil vom 23. Februar 2011 – B 11 AL 15/10 R – juris Rdnr. 13; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Juli 2015 – L 4 R 3257/13 – juris Rdnr. 41; Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 14. Aufl. 2023, § 144 Rdnr. 19). Der Beschwerdewert bemisst sich ausschließlich nach der Höhe des Geldbetrages, um den unmittelbar gestritten wird (BSG, Beschluss vom 22. Juli 2010 – B 4 AS 77/10 B – juris Rdnr. 6). Etwaige wirtschaftliche Folgewirkungen und auch Nebenforderungen wie Zinsen bleiben außer Betracht (vgl. Wehrhahn, a.a.O., Rdnr. 25). Der Kläger hat insoweit ursprünglich mit der Berufung noch die Begleichung einer Reparaturrechnung sowie die Kostenübernahme für ein Kettenschloss geltend gemacht. Die Reparaturrechnung hat er mit 299,70 Euro und das Kettenschloss mit 80,00 Euro beziffert, so dass der Beschwerdewert von 750,00 Euro nicht überschritten wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG) liegen nicht vor.
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7.
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 3 SO 976/21
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 1055/24
Datum
3. Instanz
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Aktenzeichen
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Datum
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Kategorie
Urteil
Rechtskraft
Aus
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