L 9 AS 975/22

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 9 As 975/22
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 AS 975/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Auch im Rahmen der abschließenden Feststellung des Leistungsanspruches gemäß § 41 a Abs. 3 SGB II trägt der Antragsteller die materielle Feststellungslast für das Vorliegen der Voraussetzungen des Leistungsanspruchs.

2. Bestehen nach Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten weiterhin Zweifel hinsichtlich der Herkunft von Bareinzahlungen, ist das Vorgehen des Leistungsträgers, diese als sonstiges, nicht privilegiertes Einkommen im Sinne von § 11 SGB II mindernd auf den Leistungsanspruch anzurechnen, nicht zu beanstanden. 

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. September 2022 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines endgültigen Festsetzungs- und Erstattungsbescheides für den Zeitraum von September 2017 bis Februar 2018 und hierbei insbesondere über die Anrechnung von Bareinzahlungen als sonstiges Einkommen.

Die im Jahr  geborene Klägerin zu 1) und ihr im Jahr  geborener Partner – der Kläger zu 2) – sind polnische Staatsangehörige und die Eltern der am .   geborenen Klägerin zu 3).

Sie bezogen von dem Beklagten seit dem Jahr 2013 ergänzende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Im Rahmen ihres Erstantrages im März 2013 gaben sie an, über kein Barvermögen zu verfügen. In den Folgeanträgen teilten sie mit, dass sich keine Änderungen in ihren Vermögensverhältnissen ergeben hätten. Im März 2015 erhielten die Kläger von dem Beklagten eine Nachzahlung in Höhe von ca. 5.500 Euro (Bescheide vom 20. März 2015), welche die Klägerin zu 1) sogleich von ihrem Konto abhob.  

Die Kläger bewohnten unter der im Rubrum benannten Adresse eine 75 qm große Wohnung, für die sie eine Nettokaltmiete in Höhe von 557,38 Euro zuzüglich Vorauszahlungen auf die Heizkosten in Höhe von 90 Euro und auf die Betriebskosten in Höhe von 117 Euro bis September 2017 und 131 Euro ab Oktober 2017 zu zahlen hatten. Aus der Betriebskostenabrechnung ihres Vermieters vom 21. August 2017 ergab sich zudem ein Guthaben in Höhe von 36,92 Euro, welches mit der Mietzahlung im Oktober 2017 verrechnet werden sollte. Die Warmwassererzeugung erfolgt dezentral mittels Boiler.

Die Klägerin zu 1) ist seit Juni 2017 selbständig als Haushalts- und Bürohilfe tätig. Sie erhielt für die Klägerin zu 3) Kindergeld in Höhe von 192 Euro monatlich bis Dezember 2017 und in Höhe von 194 Euro monatlich ab Januar 2018.

Der Kläger zu 2) war seit April 2007 aufgrund mündlicher Verträge als Barmann/Barkeeper bei der PG GmbH in unterschiedlichen Umfängen abhängig beschäftigt

Der Lohn wurde dabei bis Dezember 2017 am Ende des laufenden Monats in bar ausgezahlt. Nachdem der Kläger zu 2) zu Beginn des Leistungsbezuges angegeben hatte, im Rahmen seiner Tätigkeit Trinkgelder in Höhe von ca. 500 Euro im Monat einzunehmen, reduzierten sich die von ihm deklarierten Trinkgelder in der Zeit von Februar 2014 bis Januar 2015 auf ca. 200 bis 300 Euro im Monat, um dann bis Oktober 2015 auf Beträge zwischen 102,60 Euro und 17,80 Euro zu fallen. Ab November 2015 deklarierte der Kläger zu 2) keine Trinkgelder mehr. Seine Arbeitgeberin bescheinigte ihm, dass seine Tätigkeit am Tresen von Trinkgeld „befreit“ sei. Mit Wirkung zum 1. November 2017 schloss der Kläger mit der PG GmbH einen schriftlichen Arbeitsvertrag über eine Tätigkeit als Schichtleiter mit einer durchschnittlichen Arbeitszeit von 30 bis 35 Stunden in der Woche zu einem Stundenlohn von 10 Euro brutto. Ab dem Monat Januar 2018 wurde der Lohn dem Kläger zu 2) jeweils im Folgemonat auf sein Pfändungsschutzkonto bei der N überwiesen.

Die Klägerin zu 1) besaß ein Konto bei der B, welches nicht über Online-Banking verfügte. Auf dieses wurden die laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes des Beklagten sowie Kindergeld und bis März 2016 Elterngeld überwiesen. Zudem gingen hierauf die Einnahmen der Klägerin zu 1) aus ihrer Erwerbstätigkeit ein. Über ein gemeinsames Konto verfügten die Kläger nicht. Von dem Konto des Klägers zu 2) wurde die Zahlung der Miete der gemeinsam genutzten Wohnung einschließlich einer zusätzlich angemieteten Garage und eines Lagerraumes sowie die Strom-, Gas und Telefonrechnungen beider Kläger bestritten. Des Weiteren wurden von dem Konto des Klägers zu 2) der Kitabeitrag für die Klägerin zu 3) sowie diverse Online-Einkäufe abgebucht. EC-Kartenabbuchungen erfolgten vom Konto des Klägers zu 2) nicht. Auf das Konto des Klägers zu 2) gingen bis Dezember 2017 nur Bareinzahlungen ein, Barauszahlungen erfolgten erst ab Februar 2018. Bargeld wurde von dem Konto der Klägerin zu 1) abgehoben. Überdies wurden von dem Konto der Klägerin zu 1) die Kosten für Versicherungen, Ärzte, kleinere Einkäufe von Lebensmitteln und Drogerieartikeln sowie Einkäufe von Bekleidung, Schuhen, Spielzeug und Möbel bei lokalen Händlern mittels EC-Karte bestritten.

Aufgrund ihres Antrages vom 2. August 2017 gewährte der Beklagte den Klägern mit Bescheid vom 22. August 2017 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 21. September 2017 und 25. November 2017 vorläufige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (in Euro) wie folgt:

 

Monat

Klägerin zu 1)

Kläger zu 2)

Klägerin zu 3)

Insgesamt

Bescheid

9/2017

308,33

308,33

147,36

764,02

22.08.17

10/2017

313,50

313,50

151,03

778,03

21.09.17

11/2017

299,85

299,85

141,39

741,09

21.09.17

12/2017

313,50

313,50

151,03

778,03

21.09.17

1/2018

319,25

319,25

152,84

791,34

25.11.17

2/2018

319,25

319,25

152,84

791,34

25.11.17

 

Dabei rechnete der Beklagte das Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung in Höhe von 36,92 Euro im Monat November 2017 mindernd auf die Bedarfe für Unterkunft und Heizung an. Wegen der Einzelheiten der Leistungsberechnung wird auf Bl. 441 ff. und 458 ff. der Verwaltungsakte und Bl. 138 ff. der Gerichtsakte verwiesen.

Mit Bescheid vom 3. November 2017 setze der Beklagte auf Basis des tatsächlichen Einkommens des Klägers zu 2) den Leistungsanspruch für die Zeit von September 2016 bis August 2017 endgültig fest. Es ergab sich ein Nachzahlungsbetrag zugunsten der Kläger in Höhe von 8.230,54 Euro, welcher am 8. November 2017 dem Konto der Klägerin zu 1) gutgeschrieben wurde.

Am 26. März 2018 reichte die Klägerin zu 1) ihre abschließenden Angaben zur ihrem Einkommen aus selbständiger Tätigkeit für die Zeit von September 2017 bis Februar 2018 ein. Sie gab Gesamteinnahmen in Höhe von 4.320,17 Euro und Ausgaben in Höhe von 307,47 Euro an. Die von der Klägerin angegebenen Betriebsausgaben setzten sich zusammen aus Telefonkosten in Höhe von 210,74 Euro und 94 Euro KFZ-Steuer, welche am 15. Februar für das Auto der Klägerin zu 1) vom Konto des Klägers zu 2) eingezogen wurde.

Ausweislich der vorliegenden Kontoauszüge erzielte die Klägerin tatsächlich Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von 4.320,00 Euro. Telefonkosten fielen in Höhe von 34,80 Euro monatlich in den Monaten September 2017, Dezember 2017 und Januar 2018 sowie in Höhe von 72,37 Euro im Monat November 2017 an.

Der Kläger zu 2) erzielte in der Zeit von September 2017 bis Februar 2018  Einkommen aus seiner Beschäftigung wie folgt:

 

Monat

Brutto in Euro

Netto in Euro

Zuflusszeitpunkt

9/2017

770

594,17

28.9.2017

10/2017

770

594,17

31.10.2017

11/2017

1305

960,56

30.11.2017

12/2017

1305

960,56

29.12.2017

1/2018

1400

1060,97

6.2.2018

 

Auf den Kontoauszügen des Klägers zu 2) sind in der Zeit von September 2017 bis Februar 2018 folgende Bareinzahlungen ersichtlich:

 

 

Monat

Datum

Betrag in Euro

09/2017

27.9.

150

10/2017

2.10.

30.10.

950

850

11/2017

10.11.

13.11.

14.11.

27.11.

30.11.

100

100

100

100

1200

12/2017

7.12.

12.12.

18.12.

29.12.

100

200

200

250

1/2018

2.1.

15.1.

22.1.

900

20

20

2/2018

1.2.

2.2.

6.2.

300

700

50

 

Zudem erhielt der Kläger zu 2) im Oktober 2017 eine Überweisung in Höhe von 50 Euro von seinem Bruder, Herrn MS. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 78 bis 96 der Gerichtsakte verwiesen.

Mit Bescheid vom 13. Juni 2018 setzte der Beklagte den Leistungsanspruch der Kläger abschließend fest. Er errechnete dabei einen Gesamtanspruch der Kläger im Monat September 2017 in Höhe von 569,78 Euro und im Monat Januar 2018 in Höhe von 907,82 Euro. Im Übrigen stellte der Beklagte fest, dass ein Leistungsanspruch der Kläger mangels Hilfebedürftigkeit nicht bestehe. Der Berechnung legte er das Einkommen aus der Erwerbstätigkeit des Klägers zu 2) im Zeitpunkt des jeweiligen Zuflusses sowie ein Einkommen der Klägerin zu 1) aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von 705,30 Euro im Monat zu Grunde. Für die Berechnung des Einkommens aus selbständiger Tätigkeit berücksichtigte der Beklagte bei den Betriebsausgaben lediglich 50 Prozent der tatsächlich angefallenen Telefonkosten. Zusätzlich rechnete der Beklagte die auf den Kontoauszügen des Klägers zu 2) ersichtlichen Bareinzahlungen abzüglich der Gehaltszahlung, sofern die Einzahlung unmittelbar nach Gehaltszahlung erfolgte, sowie die Überweisung des Bruders des Klägers zu 2) in Höhe von 50 Euro als sonstiges Einkommen jeweils im Zuflusszeitpunkt an.

Im Einzelnen rechnete der Beklagte folgende Beträge als sonstiges Einkommen des Klägers zu 2) an:

 

Monat

Betrag in Euro

09/2017

150

10/2017

355,83 + 50 + 850 = 1.255,83

11/2017

400 + 293,44 = 693,44

12/2017

100 + 200 + 200 = 500

1/2018

189,44 + 40 = 229,44

2/2018

300 + 700 + 50= 1.050

 

Der verbliebene Leistungsanspruch in den Monaten September 2017 und Januar 2018 verteilte sich auf die Kläger wie folgt:

 

Monat

Klägerin zu 1)

Kläger zu 2)

Klägerin zu 3)

Insgesamt

9/2017

229,24

229,24

109,90

569,78

1/2018

366,24

366,24

175,34

907,82

 

Mit Erstattungsbescheid vom 13. Juni 2018 forderte der Beklagte von der Klägerin zu 1) und dem Kläger zu 2) jeweils einen Betrag von 1.277,50 Euro und von der Klägerin zu 3) einen Betrag in Höhe von 611,25 Euro erstattet. Wegen der Einzelheiten wird auf 606 bis 618 der Verwaltungsakte verwiesen.

Gegen den endgültigen Festsetzungs- und Erstattungsbescheid vom 13. Juni 2018 erhoben die Kläger mit Schreiben vom 28. Juni 2018 Widerspruch. Die Einzahlung eigener Mittel auf das Konto stelle kein anrechenbares Einkommen dar, das leistungsmindernd angerechnet werden dürfe. Die Erstattungsforderung sei daher nicht rechtmäßig.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26. September 2018 wies der Beklagte die Widersprüche der Kläger als unbegründet zurück. Die regelmäßigen Bareinzahlungen seien als sonstiges Einkommen ohne Freibeträge anzurechnen. Gründe, die eine Privilegierung dieses Einkommens darstellen könnten, seien weder vorgetragen noch nachgewiesen. Die Berechnungen des endgültigen Leistungsanspruchs und die Erstattungsbescheide seien daher nicht zu beanstanden.

Die hiergegen von den Klägern am 22. Oktober 2018 erhobene Klage hat das Sozialgericht Berlin nach Anhörung der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung mit Urteil vom 22. September 2022 abgewiesen. Die angegriffenen Bescheide seien rechtmäßig. Der Beklagte habe die Bareinzahlungen auf dem Konto des Klägers zu 2) zutreffend als sonstiges Einkommen angerechnet. Die Kläger hätten nicht belegen können, dass diese Einzahlungen aus vorhandenem Vermögen stammten.

Die Angaben der Kläger hierzu seien widersprüchlich und nicht glaubhaft. Insbesondere könne nicht erkannt werden, dass die Einzahlungen aus Nachzahlungen des Beklagten erfolgt seien. Hiergegen spreche der teilweise erhebliche Zeitablauf zwischen Nachzahlung und Einzahlung. Auch sei für die Kammer nicht nachvollziehbar, warum der Kläger zu 2) der Klägerin zu 1) nicht beim Online-Banking geholfen habe, wenn sie sich damit nicht so auskenne. Der Zwischenweg über die Barabhebung und die Bareinzahlung sei mit erheblichem Aufwand verbunden.

Gegen das ihnen am 28. September 2022 zugestellte Urteil haben die Kläger am 25. Oktober 2022 Berufung eingelegt.

Sie behaupten, dass die Einzahlungen auf dem Konto des Klägers zu 2) aus bereits vorhandenem Einkommen und Vermögen getätigt worden seien. Sie hätten die Nachzahlungen des Beklagten aus dem März 2015 und vom 8. November 2017 abgehoben und zu Hause in bar aufbewahrt. Zudem seien von den Leistungen des Beklagten monatlich 50 bis 60 Euro in bar angespart worden. Von dem Barbestand, dessen konkrete Höhe sie nicht benennen könnten, seien dann notwendige Ausgaben des täglichen Bedarfs bestritten worden. Zudem sei bei Bedarf Geld auf das Konto des Klägers zu 2) eingezahlt worden, um die laufenden unbaren Kosten sowie zusätzliche Ausgaben für Einkäufe im Internet zu decken. Die Einzahlungen seien überdies auch aus dem Bareinkommen des Klägers getätigt worden. Zudem habe die Klägerin zu 1) im streitigen Zeitraum von ihrem Konto Geld abgehoben, welches aus ihrer Erwerbstätigkeit herrühre, und dieses dem Kläger zu 2) in bar gegeben, der dieses dann auf sein Konto eingezahlt habe. Bei der Überweisung des Bruders des Klägers zu 2) handele es sich um seinen Anteil an einem gemeinsamen Geburtstagsgeschenk aller Kinder für die Mutter des Klägers zu 2).

Die Kläger sind daher der Ansicht, dass der Beklagte zu Unrecht die Einzahlungen auf dem Konto des Klägers zu 2) als Einkommen auf den Hilfebedarf der Kläger angerechnet habe. Richtigerweise hätten nur die Einkommen aus abhängiger Beschäftigung des Klägers zu 2) und selbständiger Tätigkeit der Klägerin zu 1) sowie das Kindergeld für die Klägerin zu 3) angerechnet werden dürfen. Dann wäre es zu keiner bzw. zu einer niedrigeren Erstattung gekommen.

 

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. September 2022 aufzuheben sowie den Beklagten unter Abänderung der endgültigen Festsetzungs- und Erstattungsbescheide vom 13. Juni 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 2018 zu verpflichten, den Klägern für die Zeit von September 2017 bis Februar 2018 endgültige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ohne Anrechnung eines sonstigen Einkommens aus den auf dem Konto des Klägers zu 2) erfolgten Einzahlungen zu gewähren.

 

Der Beklagte beantragt,

 

                        die Berufung zurückzuweisen.

 

Er verweist auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils.

Die Kläger haben zum Nachweis ihrer Behauptungen ihre vollständigen und ungeschwärzten Kontoauszüge für die Zeit von April 2015 bis Februar 2018 sowie Erklärungen der Geschwister zum Erwerb eines gemeinsamen Geburtstagsgeschenkes für die Mutter vorgelegt. Wegen der Einzelheiten wird auf den von den Klägern eingereichten Aktenordner sowie auf Bl. 254 bis 257, 273 GA verwiesen.

 

Auf den eingereichten Kontoauszügen der Klägerin zu 1) sind in der Zeit von September 2017 bis Februar 2018 folgende Barabhebungen (in Euro) ersichtlich:

 

8/2017

29.8.2017

800

9/2017

 

 

10/2017

21.10.2017

200

11/2017

30.11.2017

600

12/2017

18.12.2017

19.12.2017

23.12.2017

27.12.2017

29.12.2017

31.12.2017

250

100

300

2000

2000

2000

1/2018

1.1.2018

11.1.2018

15.1.2018

25.1.2018

430

40

20

1000

2/2018

7.2.2018

200

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten, der – soweit erforderlich – Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. September 2022 ist zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist neben dem Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. September 2022 der endgültige Festsetzungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 13. Juni 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 2018, mit welchem der Beklagte den Leistungsanspruch der Kläger für die Zeit vom 1. September 2017 bis 28. Februar 2018 endgültig festgesetzt und eine teilweise Erstattung der vorläufig gewährten Leistungen geltend gemacht hat.

Die Kläger verfolgen ihr Begehren, welches auf die Gewährung höherer endgültiger Leistungen ohne Anrechnung eines sonstigen Einkommens des Klägers zu 2) sowie die Reduzierung der Erstattungsforderungen und überdies für den Monat Januar 2018 sogar auf die Gewährung höherer endgültiger Leistungen als zunächst vorläufig bewilligt gerichtet ist, zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 in Verbindung mit § 56 SGG (vgl. zur Klageart ausführlich, BSG, Urteil vom 11. November 2021, B 14 AS 41/20 R, zitiert nach juris, dort Rn. 11).

Die Klage ist jedoch unbegründet. Der endgültige Festsetzungs- und Erstattungsbescheid vom 13. Juni 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 2018 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Festsetzung höherer endgültiger Leistungen in den Monaten September 2017 bis Februar 2018 und auf Aufhebung des korrespondierenden Erstattungsbescheides.

Rechtsgrundlage des streitgegenständlichen Festsetzungs- und Erstattungsbescheides ist § 41a Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 6 Satz 3 Zweites Buch Sozialgesetzbuch - SGB II (in der Fassung des Neunten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Rechtsvereinfachung – sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vom 26. Juli 2016, BGBl. I, 1824). Hiernach entscheiden die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende abschließend über den monatlichen Leistungsanspruch, sofern die vorläufig bewilligte Leistung nicht der abschließend festzustellenden entspricht oder die leistungsberechtigte Person eine abschließende Entscheidung beantragt und Überzahlungen, die nach der Anrechnung der vorläufigen auf die abschließend festgesetzten Leistungen fortbestehen, zu erstatten sind.

Die Voraussetzungen dieser Rechtsgrundlage liegen hier vor. Die den Klägern mit vorläufigem Bewilligungsbescheid vom 22. August 2017 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 21. September 2017 und 25. November 2017 gewährten Leistungen für den Zeitraum vom 1. September 2017 bis Februar 2018 stimmen nicht mit dem endgültigen Leistungsanspruch der Kläger für diesen Zeitraum überein.

Materiell-rechtlich beurteilt sich der Anspruch der Kläger nach §§ 19 ff. in Verbindung mit §§ 7 ff., 20 ff. SGB II.

Die Kläger zu 1) und 2) erfüllten bei Antragstellung im August 2017 unstreitig die allgemeinen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes, denn sie hatten das 15. Lebensjahr vollendet und noch nicht die Altersgrenze gemäß § 7a SGB II erreicht (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II).

Darüber hinaus waren sie tatsächlich und rechtlich erwerbsfähig (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II i.V.m. § 8 Abs. 2 SGB II) und hatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II). Die Kläger zu 1) und 2) waren als polnische Staatsangehörige auch nicht gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ausgeschlossen, da sich die Klägerin zu 1) als selbständig Erwerbstätige und der Kläger zu 2) als Arbeitnehmer auf ein Aufenthaltsrecht aus § 2 Abs. 2 Nr. 2 bzw. Nr. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU) berufen können. Das Aufenthaltsrecht der Klägerin zu 3) folgt aus § 2 Abs. 2 Nr. 6 FreizügG/EU. Ihre grundsätzliche Anspruchsberechtigung ergibt sich aus § 19 Abs. 1 Satz 2 SGB II in Verbindung mit § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II als dem Haushalt angehörendes, gemeinsames Kind der Kläger zu 1) und 2).

Die Kläger konnten jedoch ihre Hilfebedürftigkeit im streitigen Zeitraum nicht belegen. Gemäß § 9 SGB II ist hilfebedürftig, wer den Lebensunterhalt seiner Bedarfsgemeinschaft nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

Den Bedarf der Kläger hat der Beklagte zutreffend ermittelt. Als Regelbedarf war für die Kläger zu 1) und 2) gemäß § 20 Abs. 4 SGB II der Regelbedarf der Bedarfsstufe 2 anzusetzen, der im Jahr 2017 368 Euro und im Jahr 2018 374 Euro monatlich betrug. Für die Klägerin zu 3) war gemäß §§ 19 ff. SGB II, § 28 SGB XII in Verbindung mit der Anlage zu § 28 SGB XII die Regelbedarfsstufe 6 in Höhe von 237 Euro im Jahr 2017 und 240 Euro im Jahr 2018 zugrunde zu legen. Hinzu kommt jeweils ein Mehrbedarf für die dezentrale Warmwassererzeugung (Warmwassererzeugung mittels Boiler) in Höhe von monatlich 8,46 Euro im Jahr 2017 und 8,60 Euro im Jahr 2018 für die Kläger zu 1) und 2) und in Höhe von 1,90 Euro monatlich im Jahr 2017 und 1,92 Euro monatlich im Jahr 2018 für die Klägerin zu 3) gemäß § 21 Abs. 7 SGB II.

Des Weiteren sind gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II die angemessenen tatsächlichen Unterkunftskosten in Höhe von insgesamt 764,38 Euro im Monat September 2017, 778,38 Euro für die Monate Oktober 2017 und Dezember 2017 bis Februar 2018 zu berücksichtigen. Im Monat November 2017 hat der Beklagte zutreffend das im Oktober 2017 fällig gewordene Guthaben in Höhe von 36,92 Euro gemäß § 22 Abs. 3 SGB II angerechnet, so dass abweichend im Monat November 2017 ein Bedarf an Unterkunftskosten in Höhe von 741,45 Euro zu berücksichtigen war. Der Unterkunftsbedarf ist kopfteilig auf die Kläger zu verteilen.

Den so ermittelten Bedarfen ist das vorhandene Einkommen (§ 11 ff. SGB II) sowie das Vermögen (§ 12 SGB II) gegenüber zu stellen. Nach § 11 SGB II in der hier maßgeblichen Fassung sind als Einkommen zu berücksichtigen „Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a genannten Einnahmen“. Einkommen ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG grundsätzlich alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält (BSG, Urteil vom 30. Juli 2008, B 14 AS 26/07 R; Urteil vom 30. September 2008, B 4 AS 29/07 R; zuletzt Urteil vom 8. Dezember 2020, B 4 AS 30/20 R, jeweils zitiert nach juris). Der Tag der Antragstellung bildet insoweit die maßgebliche Zäsur für die Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen (BSG, Urteil vom 14. Februar 2013, B 14 AS 51/12 R, zitiert nach juris, dort Rn. 15 m.w.N).

Zwischen den Beteiligten ist insoweit zu Recht unstreitig, dass sowohl das deklarierte Einkommen des Klägers zu 2) aus abhängiger Beschäftigung, als auch das Einkommen der Klägerin zu 1) aus selbständiger Tätigkeit sowie das Kindergeld der Klägerin zu 3) als Einkommen bedarfsmindernd zu berücksichtigen ist.

Der Beklagte hat in dem endgültigen Festsetzungsbescheid zutreffend das Einkommen des Klägers zu 2) aus abhängiger Beschäftigung im Monat des Zuflusses gemäß § 11 SGB II in Verbindung mit §§ 41a Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 SGB II, § 13 SGB II, § 3 Arbeitslosengeld II-Verordnung (ALG II-V) berücksichtigt und die Absatzbeträge gemäß § 11b SGB II zutreffend berechnet. In den Monaten September bis Oktober 2017 war ausgehend von einem Bruttoeinkommen in Höhe von 770 Euro und einem Nettoeinkommen in Höhe von 594,17 Euro ein bereinigtes Einkommen in Höhe von 360,17 Euro zu berücksichtigen.

In den Monaten November und Dezember 2017 war bei einem Bruttoeinkommen in Höhe von 1.305 Euro und einem Nettoeinkommen in Höhe von 960,56 Euro ein bereinigtes Einkommen in Höhe von 650,06 Euro zu berücksichtigen. Im Februar 2018 war bei einem Bruttoeinkommen in Höhe von 1.400 Euro und einem Nettoeinkommen in Höhe von 1.060,97 Euro ein bereinigtes Einkommen in Höhe von 740,97 Euro anzurechnen. Im Januar 2018 floss dem Kläger zu 2) kein zu berücksichtigendes Einkommen zu.

Auch die Berechnung des Einkommens der Klägerin zu 1) aus selbständiger Tätigkeit begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Zwar hat der Beklagte bei der Berechnung des anzurechnenden Einkommens aus selbständiger Tätigkeit gemäß § 11 ff. SGB II, § 13 SGB II in Verbindung mit § 3 ALG II VO zu Ungunsten der Klägerin zu 2) einen Betrag von 4.320,17 Euro zugrunde gelegt, obwohl sich aus den bereits im Verwaltungsverfahren vorgelegten Kontoauszügen Einnahmen lediglich in Höhe von 4.320 Euro ergaben; dies wirkt sich jedoch im Ergebnis nicht aus. Von den Einnahmen waren die hälftigen Telefonkosten entsprechend ihrer tatsächlichen Zahlung als Betriebsausgabe in Höhe von insgesamt ([3 x 34,80 Euro + 72,37 Euro] / 2 =) 88,39 Euro in Abzug zu bringen, so dass sich in dem Leistungszeitraum ein Einkommen aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von 4.231,61 Euro (4.320 Euro – 88,39 Euro) ergab. Monatlich war mithin ein Betrag in Höhe von 705,27 Euro als Einkommen aus selbständiger Tätigkeit der Klägerin zu 1) zu berücksichtigen. Zu Recht hat der Beklagte die im Februar 2018 fällige Kraftfahrzeugsteuer nicht als Betriebsausgabe berücksichtigt, da eine überwiegend betriebliche Nutzung des Kraftfahrzeuges nicht zu erkennen war. Von diesem Einkommen aus selbständiger Tätigkeit war gemäß § 11b SGB II der Erwerbstätigenfreibetrag in Höhe von insgesamt 221,05 Euro zu berücksichtigen, so dass sich insgesamt ein anzurechnendes Einkommen in Höhe von 484,22 Euro ergab. Zudem war das Kindergeld der Klägerin zu 3) gemäß § 11 Abs. 1 Satz 6 SGB II von ihrem Bedarf in Abzug zu bringen.

Unter Berücksichtigung des von den Klägern deklarierten Einkommens aus abhängiger Beschäftigung, selbständiger Tätigkeit und Kindergeld verbleibt in jedem Monat des streitgegenständlichen Zeitraums ein ungedeckter Bedarf.

Jedoch ist der Beklagte nach Auswertung der ihm vorgelegten Kontoauszüge zutreffend zu der Einschätzung gelangt, dass den Klägern über die deklarierten und nachgewiesenen Einnahmen hinaus weitere Mittel zur Verfügung standen, die es ihnen ermöglichten, ihren Bedarf eigenständig zu decken. Die Vorgehensweise des Beklagten, die auf den Kontoauszügen des Klägers zu 2) ersichtlichen Bareinzahlungen im jeweiligen Zuflussmonat als sonstiges, nicht privilegiertes Einkommen anzurechnen, verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, denn der Beklagte ist letztlich zugunsten der Kläger davon ausgegangen, dass die Bareinzahlungen - bereinigt um das nachgewiesene Bareinkommen des Klägers zu 2) - einen wertmäßigen Zuwachs während des Leistungszeitraums darstellen. Für die Annahme, dass die nach der Antragstellung am 2. August 2017 auf dem Girokonto des Klägers zu 2) erfolgten Bareinzahlungen als Einkommen zu berücksichtigen sind, spricht, dass die Kläger in ihrem Leistungsantrag keinerlei Vermögenswerte deklariert haben, aus deren Umschichtung die erfolgten Einzahlungen stammen könnten. Die Behauptung der Kläger, dass es sich bei den Einzahlungen zumindest zum Teil um bei Antragstellung noch vorhandene Gelder aus der im Jahr 2015 erfolgten Nachzahlung des Beklagten in Höhe von 5.500 Euro handele, konnte im Verfahren nicht belegt werden. Den vorgelegten Kontoauszügen kann ein bei Antragstellung noch vorhandenes Vermögen aus der Nachzahlung des Beklagten vom März 2015 nicht entnommen werden. Das Konto der Klägerin zu 1) wies im Zeitpunkt der Antragstellung am 2. August 2017 einen Kontostand in Höhe von 889,34 Euro aus, auf dem Konto des Klägers zu 2) befand sich ein Guthaben in Höhe von 152,42 Euro. Den Kontoauszügen ist zu entnehmen, dass sich die Klägerin zu 1) im März 2015 unmittelbar nach Zufluss der Nachzahlung in mehreren Teilabhebungen insgesamt 5.400 Euro in bar auszahlen ließ. Der Verbleib dieses Geldes ist unklar. Gegen die Annahme, dass dieser Betrag bei Antragstellung am 2. August 2017 als nicht angegebenes Barvermögen noch vorhanden war, spricht jedoch der Umstand, dass die Kläger im unmittelbar vorhergehenden Leistungszeitraum von September 2016 bis August 2017 vom Beklagten keine bedarfsdeckenden Leistungen erhalten haben. Das der vorläufigen Bewilligung zugrunde gelegte prognostizierte Einkommen aus der abhängigen Beschäftigung des Klägers zu 2) überstieg das tatsächlich erzielte Einkommen des Klägers deutlich. In der Folge kam es im Rahmen der endgültigen Leistungsberechnung zu einer Nachzahlung in Höhe von über 8.200 Euro (Bescheid vom 3. November 2017).

Trotz dieser massiven Bedarfsunterdeckung in der Zeit von September 2016 bis August 2017 ist eine Vorsprache der Kläger beim Beklagten nicht aktenkundig. Die Bedarfsunterdeckung spiegelt sich auch in den vorgelegten Kontoauszügen der Kläger wider. So finden sich auf den Kontoauszügen der Klägerin zu 1) ab September 2016 nur noch extrem wenige Ausgaben für die Bedarfe des täglichen Lebens. Beispielsweise gab die Klägerin im Durchschnitt lediglich 60 Euro unbar für Lebensmittel aus. In den Monaten November 2016 und Dezember 2016 können ihren Kontoauszügen zudem keinerlei Ausgaben für Lebensmittel entnommen werden. Von dem Konto des Klägers zu 2) wurden nur die laufenden Fixkosten wie Miete, Strom, Gas- und Telefonrechnungen bestritten. Im Zeitraum von September 2016 bis August 2017 verfügten die Kläger über nachgewiesene Gesamteinnahmen in Höhe von 16.888,30 Euro, aus denen sie ihren Lebensunterhalt bestreiten konnten. Demgegenüber erfolgten Bareinzahlungen auf das Konto des Klägers zu 2) zur Bestreitung der laufenden Fixkosten in Höhe von 15.420 Euro, so dass bei Annahme, dass diese Bareinzahlungen aus den Gesamteinnahmen erfolgten, den Klägern rein rechnerisch nur 1.448,30 Euro für die sonstigen notwendigen Ausgaben des täglichen Bedarfs für 12 Monate verblieben. Dies ist ersichtlich nicht ausreichend. Die Kläger müssen im Zeitraum von September 2016 bis August 2017 weitere Mittel wie die Nachzahlung aus dem Jahr 2015 verwertet haben, um ihre Existenz zu sichern. Es kann daher nicht angenommen werden, dass die Bareinzahlungen im hier streitigen Zeitraum von September 2017 bis Februar 2018 ihren Ursprung noch in der Nachzahlung des Jahres 2015 haben. Zudem kann für die Einzahlungen in den Monaten von September bis Dezember 2017 ausgeschlossen werden, dass diese aus der Nachzahlung von November 2017 stammen, da die Kläger diese Nachzahlung erst Ende Dezember 2017 von dem Konto der Klägerin zu 1) abgehoben haben.

Des Weiteren konnten die Kläger auch nicht belegen, dass die vom Beklagten als sonstiges Einkommen angerechneten Bareinzahlungen auf dem Konto des Klägers zu 2) aus ihrem Einkommen aus Erwerbstätigkeit und Kindergeld herrühren und mithin lediglich interne Umbuchungen darstellen. Ein direkter Zusammenhang zwischen den Einzahlungen des Klägers und seinen deklarierten Einnahmen aus der abhängigen Beschäftigung als Barmann/Schichtleiter im Restaurant ist nicht zu erkennen. Insbesondere stehen die Einzahlungen nicht in einem zeitlichen Zusammenhang mit den quittierten Auszahlungszeitpunkten des Barlohnes.

Es ist daher nicht zu beanstanden, dass der Beklagte den Bareinzahlungen auf dem Konto des Klägers zu 2) dessen Bargehalt aus seiner Erwerbstätigkeit als Barkeeper bei der P GmbH gegenübergestellt und angenommen hat, dass die Bareinzahlungen aus dem Erwerbseinkommen herrühren, sofern diese in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang stehen. Die anzurechnenden Beträge wurden von dem Beklagten insoweit zutreffend ermittelt. Eine weitere Bereinigung der Bareinzahlungen musste mangels ungeklärter Herkunft nicht vorgenommen werden. Insbesondere lässt sich nicht nachvollziehen, in welcher Höhe die Bareinzahlungen ggf. eine Weiterleitung der auf dem Konto der Klägerin zu 1) eingehenden Einnahmen zu dem Konto des Klägers zu 2) darstellen. Zwar ist den Klägern zuzugeben, dass sich anhand der vorgelegten Kontoauszüge ergibt, dass bei dem von den Klägern gewählten Wirtschaftsmodell eine Notwendigkeit der Einkommensumschichtung zwischen den Konten besteht; ob und im welchem Umfang eine solche stattgefunden hat, kann aus den vorhandenen Unterlagen jedoch nicht nachvollzogen werden. Aus den vorgelegten Kontoauszügen ergibt sich, dass auf das Konto der Klägerin zu 1) neben ihrem Einkommen aus selbständiger Tätigkeit auch die Zahlungen des Beklagten für die gesamte Bedarfsgemeinschaft sowie das Kindergeld für die Klägerin zu 3) eingingen. Gleichwohl erfolgte die Abbuchung der regelmäßigen fixen monatlichen Ausgaben für die Bedarfsgemeinschaft von dem Konto des Klägers zu 2). Er beglich die Miete in Höhe von über 700 Euro, die Kosten für eine angemietete Garage, die Strom, Gas- und Telefonrechnungen, den Kitabeitrag für die Klägerin zu 3) etc. sowie zusätzliche Ausgaben für Online-Einkäufe. Die von dem Konto des Klägers zu 2) bestrittenen gemeinsamen Ausgaben der Bedarfsgemeinschaft überstiegen jedoch der Höhe nach das Nettoeinkommen des Klägers zu 2) deutlich. Der Transfer von Geldern vom Konto der Klägerin zu 1) zum Konto des Klägers zu 2) erscheint daher naheliegend. Jedoch kann den Kontoauszügen kein unmittelbarer Geldtransfer vom Konto der Klägerin zu 1) zum Konto des Klägers zu 2) entnommen werden. Auch die Auswertung der Barauszahlungen vom Konto der Klägerin zu 1) und der Bareinzahlungen auf dem Konto des Klägers zu 2) ergibt keinen Anhaltpunkt für eine Regelmäßigkeit, aus der sich weitergehende Rückschlüsse für die Höhe des Transfers von Geldern zwischen den Konten ergeben. So besteht weder in zeitlicher Hinsicht noch der Höhe nach eine Korrelation zwischen den Barabhebungen der Klägerin zu 1) und den Bareinzahlungen des Klägers zu 2).

In dem Zeitraum vom 1. April 2015 bis zum 28. Februar 2018 können den Kontoauszügen Monate entnommen werden, in welchen die Auszahlungen der Klägerin zu 1) mit den Einzahlungen des Klägers zu 2) der Höhe nach übereinstimmen, aber auch Monate, in denen die Klägerin keine Barauszahlungen vornimmt, der Kläger zu 2) aber Bareinzahlungen und umgekehrt. Ein Zusammenhang in zeitlicher Hinsicht und der Höhe nach ergibt sich jedoch zwischen den Bareinzahlungen und den Ausgaben auf dem Konto des Klägers zu 2). Der Kläger zu 2) stellte durch seine Bareinzahlungen sicher, dass sein Konto kurz vor der ihm bekannten Abbuchung in der notwendigen Höhe (aber auch nicht wesentlich mehr) gedeckt war. Diese Korrelation zwischen Einzahlung und Ausgabe deckt sich mit den Angaben des Klägers, dass es sich bei seinem Konto um ein Pfändungsschutzkonto gehandelt hat. Der Kläger zu 2) hat mit seinem Zahlungsverhalten sichergestellt, dass zum einen die Ausgaben gedeckt waren, zum anderen aber auf dem Konto kein wesentliches pfändbares Guthaben bestand; hierauf war die Bewirtschaftung des Kontos ausgerichtet. Des Weiteren ergibt sich aus der Auswertung der Kontoauszüge der Kläger aber auch, dass die Kläger über einen größeren Bestand an Bargeld verfügten, aus welchem sie ihren Lebensunterhalt finanzierten. Zwar kann den Kontoauszügen entnommen werden, dass dieser Barbestand auch mit dem Bareinkommen des Klägers zu 2) und den Barauszahlungen der Klägerin zu 1) befüllt wurde. Unklar bleibt jedoch, ob der Barbestand sich – wie die Kläger behaupten - allein aus diesen Geldern speiste. Zwar hat der Kläger zu 2) insgesamt nicht mehr Geld auf sein Konto eingezahlt, als ihm rein rechnerisch Bargeld aus Erwerbseinkommen und Bargeldauszahlung vom Konto der Klägerin zu 1) zur Verfügung stand, jedoch bleiben weiterhin gravierende Zweifel zur Herkunft dieser Gelder bestehen. Es konnte weder durch die Kläger noch nach gründlicher Prüfung aller Kontoauszüge durch den Senat im Einzelnen bestimmt werden, aus welchen Quellen die Bareinzahlungen stammen und ggf. in welcher Höhe in diesen Bareinzahlungen lediglich die Umschichtung bekannter Einnahmen vom Konto der Klägerin zu 1) auf das Konto des Klägers zu 2) liegen. Aufgrund des Umstandes, dass die Bargeldeinzahlungen auf dem Konto des Klägers zu 2) allein mit der Höhe der über dieses Konto abgewickelten Ausgaben korrelieren, kann aus der Höhe der Bargeldeinzahlung auch kein Rückschluss auf den Bargeldbestand gezogen werden.

Es erscheint vor dem beruflichen Hintergrund des Klägers daher auch nicht ausgeschlossen, dass die Bargeldeinzahlungen ihren Ursprung weder in dem Einkommen der Klägerin zu 1) noch in dem deklarierten Einkommen des Klägers zu 2) haben.

Angesichts dessen ist das Vorgehen des Beklagten, die Bareinzahlungen des Klägers zu 2) abzüglich des ihm zu diesem Zeitpunkt bereits zugeflossenen Barlohnes als wertmäßigen Zuwachs und damit als sonstiges Einkommen zu berücksichtigen, nicht zu beanstanden. Es ist aufgrund der Angaben der Kläger auch nicht ersichtlich, dass es sich bei den vom Beklagten als sonstiges Einkommen berücksichtigten Einzahlungen um privilegiertes Einkommen handelt, für welches weitere Freibeträge zu berücksichtigen sind. In Betracht käme angesichts der Berufes des Klägers zu 2) und dem Umstand, dass er bis zum Jahr 2015 nicht unwesentliche Einnahmen aus Trinkgeld deklarierte, eine Herkunft aus Trinkgeld und damit eine Einordnung der Einnahmen als freiwillige Zuwendung im Sinne von § 11a Abs. 5 SGB II (vgl. BSG, Urteil vom 13. Juli 0222, B 7/14 AS 75/20 R, zitiert nach juris, dort Rn. 13 ff.). Mangels entsprechender Angaben der Kläger kann dies jedoch ebenso wenig unterstellt werden wie die Möglichkeit, dass es sich bei den Einzahlungen um weiteres (nicht deklariertes) Arbeitsentgelt des Klägers handeln könnte. Hierfür könnte der zeitliche Zusammenhang zwischen der Erhöhung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit des Klägers zu 2) sowie der Umstellung von einer Barauszahlung auf eine unbare Auszahlung und der Einführung des § 149b Abgabenordnung mit Wirkung zum 1. Januar 2018 sprechen.

Die auch nach Ausschöpfung sämtlicher verfügbarer Erkenntnisquellen weiterhin insgesamt unklare Herkunft der Bareinzahlungen auf dem Konto des Klägers zu 2) wirkt sich nach den Regeln der materiellen Feststellungslast zu Lasten der Kläger aus. Nach allgemeinen Grundsätzen trägt die Feststellungslast der Verfahrens-beteiligte, der aus (der nicht feststellbaren) Tatsache einen rechtlichen Vorteil herleiten will. Daher trägt derjenige, der Leistungen für Grundsicherung für Arbeitssuchende beantragt, die Folgen einer objektiven Beweislosigkeit, wenn sich nach Ausschöpfung aller Beweismittel die Leistungsvoraussetzungen nicht feststellen lassen (BSG, Urteil vom 19. Februar 2009, B 4 AS 10/08 R, zitiert nach juris, dort Rn. 21).

Das Verwaltungsverfahren im Sinne von § 8 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), welches mit dem Antrag auf Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende gemäß § 37 SGB II beginnt, war insbesondere nicht bereits mit dem Erlass des vorläufigen Bewilligungsbescheides bzw. dem Ablauf des Leistungszeitraumes beendet, sondern dauerte vielmehr bis zu einer abschließenden Entscheidung an (vgl. BSG, Urteil vom 13. Dezember 2023, B 7 AS 24/22 R, zitiert nach juris, dort Rn. 33). Daher tragen die Kläger auch im Rahmen der abschließenden Festsetzung nach § 41a SGB II die objektive Feststellungslast für den von ihnen weiterhin geltend gemachten Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Vorliegend lässt sich die Hilfebedürftigkeit der Kläger im Zeitraum September 2017 bis Februar 2018 nicht abschließend aufklären. Weitere Ermittlungsmöglichkeiten bestehen nicht. Der Beklagte wäre daher nach Ansicht des Senats auch berechtigt gewesen, für den gesamten Zeitraum vom 1. September 2017 bis zum 28. Februar 2018 gemäß § 41a Abs. 3 Satz  SGB II festzustellen, dass ein Leistungsanspruch insgesamt nicht bestand. Die Entscheidung des Beklagten, lediglich die ersichtlichen Bareinzahlungen als sonstiges Einkommen anzurechnen, beschwert die Kläger daher nicht. Auf die Frage, ob die Überweisung des Bruders der Klägers zu 2) ebenfalls als Einkommen hätte angerechnet werden dürfen, kommt es vor diesem Hintergrund nicht mehr entscheidend an.

Ermächtigungsgrundlage für die Erstattungsforderung des Beklagten ist § 41a Abs. 6 SGB II. Soweit der Beklagte in den Monaten Oktober bis Dezember 2017 und Februar 2018 trotz Feststellung eines fehlenden Leistungsanspruches nicht die vollständigen an die Kläger vorläufig gewährten Leistungen von diesen erstattet verlangt, verletzt dies die Kläger nicht in ihren Rechten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, § 160 Abs. 2 SGG.

Rechtskraft
Aus
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