L 1 KR 477/21 KL

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1.
1. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 477/21 KL
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 45/24 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Die Anhebung der Mindestmenge in den Mindestmengenregelungen für die Behandlung von Früh- und Reifgeborenen mit einem Aufnahmegewicht von < 1250 g von 14 auf 25 Fälle pro Krankenhaus und Jahr durch Beschluss des G-BA vom 17.12.2020 ist nicht zu beanstanden. 

 

Die Klagen werden abgewiesen.

 

Die Klägerinnen tragen die Kosten des Verfahrens.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

Tatbestand

 

Die Klägerinnen wenden sich gegen den Beschluss des Beklagten vom 17. Dezember 2020 (BAnzAT vom 25. Januar 2021 B 7), soweit darin die Mindestmenge für die Versorgung von Früh- und Reifgeborenen mit einem Geburtsgewicht von <1250 g jährliche Mindestmenge pro Standort eines Krankenhauses mit ausgewiesenem Level 1 entsprechend der Qualitätssicherungs-Richtlinie Früh- und Reifgeborene (QFR-RL) von 14 auf 25 Fälle pro Jahr und Standort eines Krankenhauses geändert wurde.

 

Die Klägerinnen betreiben nach § 108 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zugelassene Krankenhäuser. Sie stehen teilweise im Eigentum konfessioneller Träger und nehmen nach eigener Angabe alle an der Versorgung von Früh- und Reifgeborenen mit einem Geburtsgewicht <1250 g (Level 1) teil. Ihre eigenen Prognosen für das voraussichtliche Erreichen bzw. Überschreiten einer Mindestmenge von 14 im Jahr 2022 sind in keinem Fall widerlegt worden. Hinsichtlich der entsprechenden Fallzahlen der einzelnen Klägerinnen wird auf GA Bl. 11 ff. verwiesen. Ausweislich der Mindestmengen-Transparenzliste 2024 (https://www.aok.de/pp/hintergrund/mindestmengen/mindestmengen-transparenz-karte-2024) gibt es für die Klägerinnen zu 9 und 26 Ausnahmegenehmigungen. Der Senat hat mit Beschluss vom 24. Juni 2024 (Az. L 1 KR 125/24 B ER) im vorläufigen Rechtsschutzverfahren entschieden, dass eine der Klägerin zu 27 erteilte Ausnahmegenehmigung nach § 137 Abs. 3 S. 3 SGB V alte Fassung (a. F.) fortgilt.

 

Mit Beschluss vom 5. Oktober 2016 beschloss der Unterausschuss Qualitätssicherung des Beklagten, seine Arbeitsgruppe Mindestmengen (AG Mindestmengen) mit der Vorbereitung der Wiederaufnahme der Beratungen zu einer Änderung der Anlage 1 Nr. 8 der Vereinbarung des Gemeinsamen Bundesausschusses gemäß § 137 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 SGB V für nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser (Mindestmengenvereinbarung vom 20. Dezember 2005 in der Neufassung vom 21. März 2006, zuletzt geändert am 17. Dezember 2009 [BAnzAT 2009]; Mm-R) zu beauftragen, mit welchem für die Versorgung von Früh- und Neugeborenen mit einem Geburtsgewicht <1250 g einer jährlichen Mindestmenge pro Krankenhaus mit ausgewiesenem Level 1 entsprechend der Qualitätssicherungs-Richtlinie Früh- und Reifgeborene von 14 festgelegt war.

Am 20. Juni 2019 beschloss das Plenum des Beklagten, das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) im Rahmen seiner Aufgaben nach § 137a Abs. 3 SGB V zu beauftragen, eine Auswertung von vorhandenen Daten zur Versorgung von Frühgeborenen mit einem Aufnahmegewicht von unter 1250 g vorzunehmen (Anlage 4 der Tragenden Gründe zum Beschluss des Beklagten vom 17. Dezember 2020; nachfolgend nur noch: „Tragende Gründe“). Das Institut legte unter dem 22. Juni 2020 seine „Datenauswertung zu Mindestmengen in der Versorgung von Frühgeborenen mit einem Aufnahmegewicht unter 1250 g Abschlussbericht“ vor (Anlage 6 der Tragenden Gründe). Ferner reichte das Institut unter dem 15. Dezember 2020 eine im Auftrag des Unterausschusses erstellte „Folgenabschätzungen zu Mindestmengen Früh-und Neugeborene mit einem Aufnahmegewicht von < 1250 g Datenanalysen im Rahmen der Beratungen zu Mindestmengen ergänzende Beauftragung“ ein (Anlage 7 der Tragenden Gründe).

 

In seiner Sitzung am 17. Dezember 2020 beschloss der Beklagte, die Regelungen gemäß § 136b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB V für nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser (Mindestmengenregelungen, Mm-R) in der Fassung vom 21. März 2006, zuletzt geändert am 16. Juli 2020 in der Anlage zu ändern und die Nr. 8 wie folgt zu fassen:

 

8. Versorgung von Früh- und Reifgeborenen mit einem Aufnahmegewicht von < 1.250 g – jährliche Mindestmenge pro Standort eines Krankenhauses: 25

Der Mindestmengenregelung unterliegt die gesamte Versorgungs- und Behandlungsleistung des Früh- oder Reifgeborenen < 1.250 g von der Geburt bis zum Erreichen der Gewichtsgrenze von 1.249 g. Einrichtungen, die ein Früh- oder Reifgeborenes < 1.250 g im Rahmen einer Verlegung gemäß § 5 der Richtlinie über Maßnahmen zur Qualitätssicherung der Versorgung von Früh- und Reifgeborenen aufnehmen, unterliegen nicht der Mindestmengenregelung.

Berechnung der Leistungsmenge

Zur Ermittlung der erbrachten Leistungsmenge gemäß § 3 Absatz 2 werden alle Behandlungsfälle von Kindern mit einem Aufnahmegewicht unter 1.250 g, die am Geburtstag oder am darauffolgenden Kalendertag im betreffenden Krankenhausstandort aufgenommen wurden, gezählt.

Maßgeblich für die Berechnung der Leistungsmenge sind gemäß § 3 Absatz 2 Satz 1 Buchstabe c Mm-R

1.das Aufnahmegewicht gemäß § 301 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 SGB V,

2.der Aufnahmetag gemäß § 301 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 SGB V und der Geburtstag gemäß § 301 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 SGB V i. V. m. § 291a Absatz 2 Nummer 3 SGB V.

 

Übergangsregelung

In den Kalenderjahren 2021 und 2022 gilt übergangsweise jeweils eine Mindestmenge von 14 Leistungen pro Standort eines Krankenhauses. Im Kalenderjahr 2023 gilt übergangsweise eine Mindestmenge von 20 Leistungen pro Standort eines Krankenhauses.“

 

Der Beschluss trat mit Wirkung vom 1. Januar 2021 in Kraft (BAnzAT 25.01.2021 B 7).

 

Am 30. Dezember 2021 haben die Klägerinnen hiergegen Klage beim hiesigen Gericht erhoben.

 

Zur Klagebegründung führen sie aus, ihre Klagen seien als so genannte Normenfeststellungsklagen nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Die Klägerinnen seien klagebefugt für die Feststellung, dass die festgesetzte Erhöhung der Mindestmenge auf 24 Level-1-Geburten je Krankenhausstandort und Jahr nichtig sei. Diese verletze sie jedenfalls in ihren einfachgesetzlich verankerten Rechten aus § 108 SGB V i. V. m. § 136b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB V. Ihre Fallzahlen seien sehr volatil. Dies zeige sich bereits anhand der Klägerin zu 12, deren Fallzahl 2022 als Spitzenwert bei 40 gelegen habe, im Jahr 2023 jedoch nur bei 27. Im laufenden ersten Halbjahr 2024 (Stand 28. Juni 2024) belaufe sich die Zahl auf 11, mithin hochgerechnet für 2024 auf lediglich 22.

 

In der Sache tragen die Klägerinnen vor, der Beklagte habe vor Gericht die vollständige Normsetzungsdokumentation vorzulegen, wie sich bereits aus der Verfahrensordnung des Beklagten ergebe, § 20 Kap. 8 Abschn. 2 seiner Verfahrensordnung (VerfO). § 20 Kap. 8 Abschn. 2 VerfO verlange auch bei Überarbeitungsverfahren in Satz 2 Nr. 3 der Vorschrift die Einstellung der im Beratungsprozess zugrunde liegenden Unterlagen. Dabei seien nach S. 3 insbesondere die unterschiedlichen Positionen der Träger und der Patientenvertretung darzustellen. Darüber hinaus seien nach § 20 S. 4 Kap. 8. Abschn. 2 VerfO abweichende Beschlussentwürfe zusammen mit ihrer Begründung in die zusammenfassende Dokumentation aufzunehmen. Ausweislich der auf der Mediathek des Beklagten anzuhörenden Plenumssitzung vom 17. Dezember 2020 habe es tatsächlich mindestens vier Beschlussvorschläge gegeben, über die einzeln abgestimmt worden sei. Diese mindestens vier Beschlussvorschläge müssten daher Bestandteil der Normsetzungsvorgänge sein. Bedenklich sei es deshalb, wenn der Beklagte behaupte, dass es „keinen abweichenden Beschlussentwurf“ gegeben habe. Auch sei eine ordnungsgemäße Beteiligung gemäß § 136b Abs. 1 S. 3 SGB V nicht ansatzweise nachgewiesen. Ausweislich des Mitschnittes habe die Ländervertretung den streitgegenständlichen Beschluss nicht mitgetragen, sondern ihm ausdrücklich widersprochen. Demgegenüber heiße es in den Tragenden Gründen (S. 31) nur, dass die Patientenvertretung und die Ländervertretung den Beschluss mittrügen. Zur erforderlichen Beteiligung des Verbandes der privaten Krankenversicherung, der Bundesärztekammer sowie der Berufsorganisation der Pflegeberufe gemäß § 136b Abs. 1 S. 3 SGB V finde sich in den vom Beklagten vorgelegten Unterlagen nichts. Zu vermuten sei, dass die genannten Institutionen tatsächlich nicht beteiligt worden seien. Vorzulegen sei die Empfehlung des Unterausschusses oder der Antrag der Person oder Organisation, aufgrund dessen nach § 21 Abs. 2 und Abs. 3 Kap. 8. Abschn. 2 VerfO die Wiederaufnahme der Beratung zustande komme.

 

Die Klägerinnen beantragen in diesem Zusammenhang die Einholung und Auswertung der vollständigen Normsetzungsdokumentation i. S. d. Mm-VerfO, insbesondere die jeweiligen Begründungen der vier unterschiedlichen Beschlussentwürfe (zwei von der GKV, eine von der PatV und eine von der DKG). Änderungen der jeweiligen Beschlussentwürfe seien Teil der Normsetzungsdokumentation (vgl. § 20 insbesondere S. 4 Mm-VerfO). Aus den Begründungen der Beschlussentwürfe seien weitere Hinweise im Hinblick auf die Recht- bzw. Unrechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Mindestmengenanhebung zu erwarten.

 

Der Beklagte habe bereits früher versucht, für die streitgegenständlichen Level-1-Geburten die Mindestmenge von 14 auf 30 anzuheben. Sein entsprechender Beschluss sei rechtswidrig und nichtig gewesen (Bezugnahme auf Bundessozialgericht – BSG, Urteil vom 18. Dezember 2012 – B 1 KR 34/12 R - juris). Es sei nicht ersichtlich, dass der Beklagte zu irgendeinem Zeitpunkt eine Evaluation der Mindestmenge 14 und der komplexen Versorgungsrealität in der Frühgeborenenversorgung durchgeführt habe. Es gebe auch – soweit ersichtlich – keine differenzierte umfassende Folgenabschätzung. Ausnahmetatbestände, welche die drohenden Folgen einer regionalen Qualitätsminderung verhindern könnten, seien nicht geschaffen worden.

 

Die streitgegenständliche Mindestmengenanhebung scheitere bereits an einer unzureichenden Sachverhaltsermittlung. Die Voraussetzungen des § 136b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB V für eine Mindestmengenregelung lägen nicht vor. § 136b Abs. 1 Nr. 2 SGB V verlange das Vorliegen einer planbaren Leistung, deren Ergebnisqualität von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig sei. Eine Abhängigkeit der Ergebnisqualität von der Leistungsmenge habe der Beklagte jedoch nicht dargelegt. Mit statistischen Methoden ermittelte und risikoadjustiert bewertete Korrelationen alleine reichten beim Fehlen eines statistischen Kausalitätsbeweises nicht aus, um einen Fallzahlenmangel als Ursache schlechterer Behandlungsergebnisse zu identifizieren. Das Fazit der Stellungnahme der beklagten internen Abteilung Fachberatung Medizin vom 8. Dezember 2017 (Anl. 2 der Tragenden Gründe) bleibe zurückhaltend und weise unter anderem darauf hin, dass die analysierten Studien durch Heterogenität und methodische Limitationen in der Studien- und Berichtsqualität geprägt seien. Konkrete Mindestmengen ließen sich anhand der vorliegenden Studien nicht ableiten. Der IQTIG-Bericht (Anlage 6 der Tragenden Gründe) gebe an, die unter www.perinatalzentren.org zentral erfassten Ergebnisdaten für 2018 betrachtet zu haben. Auch hier würden konkrete Mindestmengen nicht abgeleitet. Es sei vielmehr auf die externe Beratung von Prof. Dr. Ht K zurückgegriffen worden (IQTIG-Bericht S. 24). Dieser Bericht zeichne sich durch eine vergleichsweise hohe mathematische Formalisierung aus, was Verständnis und Prüfung nicht vereinfache. Der IQTIG-Bericht bestätige ausdrücklich, dass es bei den fallstarken Einrichtungen große Qualitätsunterschiede gebe (a. a. O. S. 60). Es werde auf die Untersuchung von Trotter verwiesen (Trotter, Qualität der Versorgung sehr kleiner Frühgeborenen in Deutschland – Auswertung öffentlich verfügbarer Daten der Perinatalzentren von 2014 bis 2018; Kopie Anlage K2). Eine sehr hohe mengenunabhängige Variabilität der Ergebnisse zeige sich deutlich in den Abb. 1 und 2 dieser Studie. Zusammenfassend habe Trotter signifikante Effekte erst ab einer adjustierten Fallzahl von mehr als 170 Frühgeborene pro Jahr und Zentrum (Überleben) bzw. 100 (Überleben ohne schwere Erkrankungen) gefunden. Im Bereich darunter erkläre die Fallzahl keinen Anteil der Streuung. Zusammenfassend finde sich nur ein schwacher linearer und nichtlinearer Zusammenhang zwischen adjustierter Fallzahl und relativer Überlebenswahrscheinlichkeit, der maßgeblich durch wenige sehr große Zentren getrieben sei. Das größte deutsche Perinatalzentrum habe sogar eine unterdurchschnittliche Ergebnisqualität aufgewiesen. Bereits daraus folge, dass es insbesondere im hier streitgegenständlichen Bereich von 14 bis 25 – oder auch von 14 bis 35 – keinen signifikanten Volumen-Outcome-Zusammenhang gebe.

 

Jedenfalls fehle es, selbst wenn ein statistisch signifikanter Zusammenhang als wahrscheinlich unterstellt werde, an diesen untermauernden medizinischen Erfahrungssätzen. Das BSG habe im Urteil vom 18. Dezember 2012 (B 1 KR 34/12 R – juris Rdnr. 58, 60) ausdrücklich und unmissverständlich ausgeführt, dass es zwar einen Erfahrungssatz gebe, dass eine kontinuierliche Befassung eines Perinatalzentrums Level 1 mit der Behandlung sehr geringgewichtigter Früh- und Neugeborener durch das ganze Jahr hindurch notwendig sei, der für eine Mindestmenge von 14 streite, nicht hingegen für eine – damals versuchte – Erhöhung auf 30 Level-1-Geburten pro Jahr. Der Beklagte habe von einer Begleitevaluation der bestehenden Mindestmenge 14 abgesehen. Angesichts dieser Rechtsprechung des BSG wäre es zwingend nötig gewesen, eine aktuelle Untersuchung wie die von Kutschmann et. al. (DÄBl. 2012, 512, Bezugnahme auf BSG, a. a. O. Rdnr. 61) vorzunehmen, um überhaupt nachweisen zu können, dass der sich daraus ergebende massive Einwand gegen eine Mindestmengenerhöhung nunmehr angeblich nicht mehr vorliege. Diese Datenlage habe sich seither nicht zu Ungunsten der Klägerinnen verändert. Dies räume auch das vom Beklagten beauftragte IQTIG unter Hinweis auf Kutschmann ausdrücklich ein (Anlage 6 der Tragenden Gründe, Fazit S. 60). Mit den Worten des BSG könne die streitgegenständliche Erhöhung der Mindestmenge dazu führen, dass in einzelnen Regionen Deutschlands durch den Ausschluss von Perinatalzentren mit überdurchschnittlicher Qualität die Behandlungsqualität insgesamt mit der Folge sinke, dass den in einer Region zusätzlich überlebenden Patienten solche in nennenswerter Zahl gegenüberstünden, die in einer anderen Region zusätzlich stürben. Dies sei letztlich die Folge davon, dass eine Mindestmengenregelung blind für die tatsächliche Qualität vor Ort sei und letztlich nur einen abstrakten Surrogatparameter darstelle. Grundsätzlich sei eine Steuerung über die beobachtete Mortalität bzw. auch über die Morbidität anhand der landesweiten Qualitätssicherung deutlich effektiver als eine Steuerung über die Menge. Dies sei das gravierende konzeptionelle Manko jeder Mindestmengenregelung und bei der Überprüfung stets sorgfältig zu berücksichtigen. Es sei mit Art. 3 und Art. 12 Grundgesetz (GG) unvereinbar, ein überdurchschnittlich „gutes“ Haus zu Gunsten eines durchschnittlich oder sogar unterdurchschnittlich agierenden Zentrums alleine deshalb auszuschließen, weil das letztere mehr Patienten behandele. Entsprechendes müsse gelten, wenn ein durchschnittlich agierendes kleineres Zentrum zu Gunsten eines unterdurchschnittlich größeren Zentrums geschlossen werden solle. Der Beklagte habe dies weder untersucht noch Ausnahmetatbestände geschaffen. Er missachte die Vorgabe des BSG, dass eine Regelung, die ein überdurchschnittlich leistungsfähiges Krankenhaus von der Leistungserbringung durch eine Mindestmenge ausschließe, als erheblicher Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit nur dann gerechtfertigt sei, wenn dieser Eingriff in die Berufsfreiheit nicht weitergehe, als dies die rechtfertigenden Gemeinwohlbelange erforderten.

 

Durch die im IQTIG-Report prognostizierten Standortkonzentrationen von 168 Standorten auf 131 nach Einführung der Mindestmenge von 25 liege es auf der Hand, dass es in den deutlich weniger Zentren einerseits zu großen qualitätsrelevanten Problemen kommen werde und andererseits die Expertise in der Peripherie verkümmere. In den verbleibenden Zentren werde es an der dort erforderlichen höheren Anzahl qualifizierter Pflegekräfte fehlen. Die Grenzen der Intensivkapazitäten würden überschritten. Gerade das Pflegepersonal folge nicht automatisch einer Zentralisierung, auch weil Wohnraum in Ballungszentren immer teurer werde. Schon jetzt führe der Mangel an qualifiziertem Pflegepersonal auf den Neonatal Intensiv Care Units (NICUs) zu Versorgungsengpässen, vorübergehenden Bettensperrungen und riskanten Verlegungen von Risikoschwangeren bzw. Frühgeborenen. Auf einer NICU würden nicht nur die sehr untergewichtigen Frühgeborenen versorgt, sondern auch etwa zehnmal mehr Früh- und Reifgeborene mit einem Geburtsgewicht von mehr als 1.500 g und ältere Kinder betreut. Alle diese Kinder profitierten von der Struktur eines Perinatalzentrums Level 1. Mit dem Wegfall von mindestens einem Fünftel oder gar eines Viertels dieser Zentren werde die gute Versorgung auch dieser größeren Kinder gefährdet, insbesondere in strukturschwachen Regionen. Sowohl die Weiterbildung als auch die wichtige Gewinnung von Weiterbildungsassistenten werde massiv erschwert Die getroffene Mindestmengenanhebung sei überdies unverhältnismäßig. Nach der Rechtsprechung des BSG (Bezugnahme auf Urteil von 12. September 2012 – B 3 KR 10/12 R – juris Rdnr. 38) seien Mindestmengengrenzen nur aus Gründen der Qualitätssicherung nach Maßgabe des Art. 12 Abs. 1 GG erlaubt, soweit sie Qualitätsvorteile zu gewährleisten versprächen, die mit vertretbarem Aufwand anderweitig nicht erreichbar erschienen. Der Beklagte habe die Frühgeborenenversorgung durch die Qualitätsrichtlinie bereits extensiv reguliert. Seit längerem gebe es die Mindestmenge 14. Warum nunmehr eine Mindestmengenanhebung als schwerer objektiver Eingriff in die Berufsfreiheit geeignet, erforderlich und angemessen sein solle, erschließe sich nicht.

 

Es fehle darüber hinaus an der Planbarkeit der Krankenhausleistung im Sinne des § 136b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB V. Dies ergebe sich aus der neuen Analyse des IQTIG Stand 14. Juni 2024 („Zur Struktur der perinatologischen Versorgung in Deutschland – Analysen zur kleinen Anfrage der Gruppe Die Linke des Deutschen Bundestages vom 28. Mai 2024“; Anlage zum Schriftsatz vom 27. Juni 2024).

 

Der von der Beklagten zur Ermittlung der Fahrtzeiten eingeholte Bericht des IQTIG sei bereits nicht verwertbar, da er inhaltlich nicht von diesem stamme. Die dortigen Mitarbeiter hätten lediglich Daten in eine dem IQTIG zur Nutzung vom Beklagten vorgegebene Fremdsoftware eingegeben und die von der Software ausgeworfenen Ergebnisse dargestellt. Die dieser Software zu Grunde liegenden Algorithmen der Umverteilung und der Berechnung von Wegstrecken und Fahrtzeiten seien dem Institut nicht bekannt. Dies habe es auch kritisiert und letztlich die Verantwortung für den Bericht und dessen Ergebnisse abgelehnt. Es sei deshalb unklar, wie der Umverteilungsalgorithmus und die Berechnungen genau aussähen, wie etwa der Durchschnitt berechnet sei und welche Streuung bestehe, ob sich die Fahrtzeiten wirklichkeitsnah gestalteten etc. Hinzu komme, dass es im Hinblick auf die Vermeidung von Patientenrisiken nicht nur auf die Risikoschwangerschaften ankomme, bei denen sich das Risiko einer Level-1-Geburt tatsächlich realisiere, sondern auch auf die zahlreichen weiteren Risikoschwangerschaften, bei welchen ein solches Risiko ex ante ebenfalls bestehe und die daher zunächst in eines der verbleibenden Perinatalzentren Level 1 verbracht bzw. verlegt werden müssten, auch wenn sich dieses Risiko letztlich nicht realisiere. Auch hinsichtlich dieser weiteren zahlreichen Risikoschwangerschaften fehlten jegliche Feststellungen und Untersuchungen des Beklagten dazu, ob und inwieweit die Aufnahme und Durchführung gebotener und stationärer Behandlung von Risikoschwangerschaften in einem der verbleibenden Zentren unter Berücksichtigung der dort vorhandenen Ressourcen und der zu überwindenden räumlichen und zeitlichen Distanzen ohne unzumutbares Risiko für die Patientinnen erfolgen könne.

 

Zu den Limitationen der Folgenabschätzung durch das IQTIG gehöre auch der Umstand, dass diesem mit der ihm gestellten Fremdsoftware eine realitätsferne Umverteilungsfiktion aufgegeben worden sei, die zu einer fiktiv errechneten Ausschlussquote führe, die viel geringer sei, als tatsächlich zu erwarten Die Folgen der Erhöhung der Mindestmenge von 14 über 20 im Jahr 2023 auf 25 ab 2024 seien vom Beklagten nicht ansatzweise adäquat ermittelt und berücksichtigt worden. Die jetzige Mindestmenge von 25 dürfte der vom BSG für nichtig erklärten Mindestmenge von 30 entsprechen, weil der Beklagte das Geburtsgewicht der auf die Mindestmenge anrechenbaren Zahl an Frühgeborenen auf <1250 g reduziert habe. Der Beklagte habe hierzu eine „Änderung der Operationalisierung der Leistung“ vorgenommen, nämlich eine Beschränkung bei der Zählweise der Behandlungsfälle von Kindern mit einem Aufnahmegewicht unter 1250 g, die am Geburtstag oder am darauffolgenden Kalendertag im betreffenden Krankenhaus aufgenommen würden. Schon die am nächsten Kalendertag aufgenommenen Kinder sollten – anders als bisher – nicht mehr zählen. Dies sei nicht nachvollziehbar. Der Beklagte selbst räume ein (Tragende Gründe S. 3 unten), dass im Unterschied zu anderen Mindestmengen die hier adressierte Versorgung nicht aus einer Operation bestehe, welche auf einen Tag eingegrenzt werden könne, sondern aus einer Summe vieler, zeitlich über die Dauer des Aufenthalts verteilten Einzelleistungen. Die Folgenabschätzung des IQTIG berücksichtige die tatsächlichen Konsequenzen schon aufgrund ihrer Konzeption nicht im Ansatz. Im Methodik-Teil weise das IQTIG darauf hin, dass die von ihm vorgegebene Folgenabschätzung eine „sekundäre Umverteilung“ berücksichtige (S. 10). Diese sei eine Fiktion, welche die tatsächlichen Folgen einer abrupten Erhöhung der Mindestmenge von 14 auf 25 nicht ansatzweise prognostizieren könne. Die (fiktive) „sekundäre Umverteilung“, die in Einerschritten ansteige und bis zur angegebenen Mindestmenge iterativ erfolge, führe – so das IQTIG – zu „niedrigeren Ausschlüssen“, als die Fallzahlen vor der Umverteilung erwarten ließen. Das IQTIG dokumentiere auch eine chaotische und zugleich unter hohem Zeitdruck verlangte Umsetzung, die große Fehlerrisiken aufweise (Bezugnahme auf S. 9).

 

Der Beklagte habe auch die vom BSG aufgegriffene Evaluationsanforderung des IQWiG schlichtweg ignoriert. Das IQWiG habe in seinem Abschlussbericht vom 14. August 2008, auf den der Beklagte auch im jetzigen Verfahren Bezug nehme und ihn als Anlage 1 den Tragenden Gründen beigefügt habe, auf die „komplexe Versorgungsrealität“ hingewiesen und Elemente für die Geburtenevaluation formuliert. Dazu gehöre bspw. die Belastung vor allem des Pflegepersonals. Der Beklagte räume in diesem Zusammenhang in den Tragenden Gründen (S. 26 unten) selbst ein, dass die Patientensicherheit potenziell beeinträchtigt werde und durch die Umverteilung der Fälle zwar Pflegekräfte an den ausscheidenden Standorten frei würden, die Auswirkungen für die Zentren, insbesondere aufgrund der bereits jetzt bestehenden Schwierigkeiten, ausreichend qualifiziertes Personal auf dem Arbeitsmarkt anzuwerben (S. 23 Mitte), jedoch nicht hinreichend abgeschätzt werden könnten. Angesichts der vom Beklagten selbst erkannten Gefahren sei es schlechterdings nicht nachvollziehbar, dass er nicht im Einzelnen genau geprüft und insbesondere negative Zentralisierungseffekte prognostiziert habe. Zu beachten sei, dass auch die Versorgung der Risikoschwangerschaften selbst jedenfalls zentralisiert werde und zahlenmäßig auf ein Vielfaches der tatsächlich dann als Level-1-Kinder Geborenen hinauslaufe. Der erhöhte Personalbedarf in den Geburtskliniken, der sich zusätzlich aus der Zentralisierung auch der Risikoschwangerschaften ergebe, werde vom Beklagten soweit ersichtlich nicht beachtet. Erhebungen hätten ergeben, dass neben den Arbeitsbedingungen vor allem die Distanz zum Wohnort ein Hauptgrund sei, warum Pflegekräfte den Beruf verließen.

 

Die fehlende Verhältnismäßigkeit der Regelung ergebe sich auch daraus, dass einer minimalen Risikoreduktion zusätzliche Risiken durch Ausschalten der „guten“ kleinen bzw. intermediären Perinatalzentren des Level 1 sowie eine schlechtere Versorgung der late preterms (späten Frühgeborenen) und der Risikoschwangerschaften gegenüber stünden. Die Warnungen aus der Versorgungspraxis würden missachtet.

 

Dem Beklagten fehle zuletzt die demokratische Legitimation und nunmehr auch die Bundesgesetzgebungskompetenz. Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG möge nach bisherigem Recht auf Grund § 136b Abs. 5 SGB V a. F. beachtet gewesen seien, weil die Länder als planerische Entscheidungen Ausnahmen zur Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung hätte treffen können. Mit dem Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz sei diese Möglichkeit entfallen. Nach § 136b Abs. 5a SGB V neuer Fassung könne ein Land nur noch im Einvernehmen mit allen zuständigen Landesverbänden der Krankenkassen und Ersatzkassen einen Dispens erteilen. Dies sei so gut wie ausgeschlossen. Somit greife der Beklagte rechtswidrig in die Planungshoheit der Länder ein

 

Die Klägerin zu 2 hat ihre Klage am 26. Juni 2024 zurückgenommen.

 

Die verbleibenden Klägerinnen beantragen,

 

festzustellen, dass der Beschluss des Beklagten vom 17. Dezember 2020, der insbesondere die Erhöhung der Mindestmenge für die Versorgung von Früh- und Reifgeborenen mit einem Aufnahmegewicht von weniger als 1250 g von 14 auf 25 Fälle pro Jahr und Standort eines Krankenhauses zum Gegenstand hat, rechtswidrig und nichtig ist.

 

Der Beklagte beantragt,

 

die Klagen abzuweisen.

 

Die Klagen seien bereits unzulässig. Feststellungsklagen, mit denen die Nichtigkeit einzelner Normen festgestellt werden sollten, seien nur in eng umrissenen Ausnahmefällen zulässig. Dies gelte u. a. dann, wenn die Normbetroffenen ansonsten keinen effektiven Rechtsschutz erreichen könnten, weil ihnen beispielsweise unzumutbar sei, Vollzugsakte zur Umsetzung der untergesetzlichen Normen abzuwarten oder die Wirkung der Norm ohne anfechtbare Vollzugsakte eintrete (Bezugnahme auf BSG Urteil vom 18. Dezember 2012 – B 1 KR 34/12 RBSGE 112, 257 bis 277, Rdnr. 11 m. w. N.; Urteil vom 17. November 2015 – B 1 KR 15/15 R- juris Rdnr. 9 m. w. N.). Ein solcher Ausnahmefall liege nicht vor. Den Klägerinnen fehle es für die begehrte Feststellung an der notwendigen Klagebefugnis. Die erforderliche zumindest mögliche Verletzung in eigenen subjektiven Rechten liege nur vor, wenn eine Verfassungsbeschwerde gegen den beanstandeten Beschluss des Beklagten zulässig sei (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 28. April 1999 – B 6 KR 52/98 R – juris Rdnr. 15; Urteil vom 3. Februar 2010 – B 6 KA 31/09 R -, BSGE 105, 243 – 257 Rdnr. 25). Eine gegenwärtige und unmittelbare Betroffenheit in eigenen Rechten könnten die Klägerinnen jedoch nicht darlegen. Zum einen fehle es an einem hinreichend überschaubaren und bestimmbaren Sachverhalt und damit an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Der streitgegenständlichen Mindestmengenregelung könne zum anderen keine Rechtsnorm entnommen werden, welche eine unmittelbare konkrete Rechtsfolge begründe und geeignet sei, geschützte Rechtspositionen der Klägerinnen zu deren Nachteil zu verändern. Seit dem Gesetz zur Reform der Struktur und der Krankenhausversorgung (Krankenhausstrukturgesetz – KHSG vom 10. Dezember 2015, BGBl. I S. 229) seien in § 136b Abs. 4 SGB V die gesetzlichen Rechtsfolgen konkret ausgestaltet und mit einem Verfahren für die Zulässigkeit der Leistungserbringung verbunden, um eine verbindliche Klärung der Berechtigung eines Krankenhauses zur Erbringung und Abrechnung mindestmengenbelegter Leistungen vor Beginn des maßgeblichen Kalenderjahres herbeizuführen. Die entsprechende Regelung sei durch das GVWG modifiziert worden und nunmehr in § 136b Abs. 5 SGB V verortet. § 136b Abs. 5 S. 1 SGB V regele jetzt ein gesetzliches Leistungsbewirkungsverbot und § 136b Abs. 5 S. 2 SGB V das damit korrespondierende Vergütungsverbot. Bereits deshalb zeige der streitgegenständliche Beschluss keine unmittelbaren Rechtsfolgen. Der Zweck der gesetzlichen Verfahrensregelungen bestehe gerade darin, eine verbindliche Klärung der Berechtigung eines Krankenhauses zur Erbringung und Abrechnung der mindestmengenbelegten Leistungen jeweils vor Beginn des maßgeblichen Kalenderjahres im Einzelfall herbeizuführen. Darüber hinaus stehe die offene Ausgestaltung des Verfahrens der Prognoseregelung in § 4 Abs. 2 Mm-R einer notwendigen Beeinträchtigung der Klägerinnen entgegen. Denn erst dessen Vorgaben ermöglichten, die aus Sicht der Krankenhäuser maßgeblichen Umstände zur Beurteilung der voraussichtlichen Leistungsentwicklung zu berücksichtigen, um gegenüber den Kassenverbänden darzulegen, dass die erforderliche Mindestmenge im jeweils nächsten Kalenderjahr aufgrund berechtigter mengenmäßiger Erwartungen voraussichtlich erreicht werde. Des Weiteren gebe es den Ausnahmetatbestand des § 136b Abs. 5a SGB V, aufgrund dessen nicht hinreichend absehbar sei, dass und inwieweit die Klägerinnen in der Zukunft von dem streitgegenständlichen Beschluss betroffen sein werden.

 

Auch soweit die Klägerinnen nicht in kommunaler Trägerschaft stünden und Art. 19 Abs. 3 GG auf sie Anwendung finden sollte, sei nicht hinreichend klar absehbar, dass und in welchen Grundrechten sie verletzt seien. Insbesondere sei eine Verletzung von Art. 14 GG nicht erkennbar. Gleichzeitig fehle es jedenfalls an einem berechtigten Interesse an der begehrten baldigen Feststellung gemäß § 55 Abs. 1 Halbsatz 2 SGG. Den Klägerinnen sei es im Übrigen zuzumuten, das Verfahren nach § 136b Abs. 5a SGB V zu durchlaufen. Die Klägerinnen seien auch im Kalenderjahr 2023 nach 136b Abs. 5 S. 3 SGB V berechtigt gewesen, Leistungen im Bereich der Versorgung von Früh- und Reifgeborenen mit einem Aufnahmegewicht von <1250 g zu erbringen. Dies ergebe sich aus der AOK Mindestmengen-Transparenzliste 2023 (Stand 2. Dezember 2022; Anlage B2 zum Schriftsatz vom 13. Januar 2023). Vor diesem Hintergrund seien die Feststellungsklagen unzulässig, mit Ausnahme der Klägerinnen zu 21 und 27, die bisher den maßgeblichen Sachverhalt nicht dargelegt hätten. Dieser ergebe sich jedenfalls bislang auch nicht aus der Mindestmengen-Transparenzliste 2023.

 

Die Klagen seien auch unbegründet.

Der Beschluss sei formell rechtmäßig. Er sei im Rahmen eines Überarbeitungsverfahrens nach § 21 Abs. 5 Kap. 8 Abschn. 2 VerfO erfolgt. Einen Antrag gemäß § 15 Kap. 8. Abschn. 2 VerfO gebe es nicht (§ 20 S. 2 Nr. 1 Kap. 8. Abschn. 2 VerfO). Die streitgegenständlichen Beratungen seien durch den Beklagten am 5. Oktober 2016 wieder aufgenommen worden. Der streitgegenständliche Beschluss sei folglich ein Überarbeitungsverfahren zu einer durch den Beklagten bereits in der Mindestmengenrichtlinie festgelegten Mindestmenge gewesen und keine Aufnahme einer neuen Mindestmenge gemäß § 15 Kap. 8. Abschn. 2 VerfO. Die nach § 20 S. 2 Nr. 3 Kap. 8. Abschn. 2 VerfO vorgesehenen Unterlagen und Bewertungen seien dokumentiert. Die Dokumentation der Unterlagen erfolge unter dem Gliederungspunkt „7. Literaturverzeichnis“ und „8. Zusammenfassende Dokumentation“. Die maßgeblichen Bewertungen seien in den Tragenden Gründen unter dem Gliederungspunkt 3. zu den Änderungen im Einzelnen dargelegt. Dies gelte insbesondere für den vorgesehenen Abwägungsprozess nach § 17 Abs. 2 Kap. 8 Abschn. 2 VerfO, der ebenfalls in den Tragenden Gründen dargestellt werde. Im Übrigen sei ein Stellungnahmeverfahren nach dem Dritten Abschnitt des 1. Kapitels („gesetzlich vorgesehene Stellungnahmeverfahren“) vorliegend nicht erforderlich gewesen.

 

Die angegriffene Mindestmengenregelung sei auch materiell rechtmäßig. Die einbezogenen Leistungen seien mindestmengenfähig. Es handele sich um planbare Leistungen gemäß § 136b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB V, bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses von der Menge der erbrachten Leistung abhängig sei. Die einbezogenen Leistungen seien seltene Krankenhausleistungen, bei denen es im Hinblick auf den Aspekt der Qualitätssicherung bereits an einer ausreichenden Menge zu erbringender Leistungen fehle, da Entbindungen von Früh- und Reifgeborenen mit einem Aufnahmegewicht von <1250 g bundesweit selten seien und deren Versorgung nur selten erbracht werden könne. Die einbezogenen Leistungen seien auch hochkomplex. Sie höben sich in ihrem Schweregrad deutlich von den Leistungen der medizinischen bzw. (fach-) ärztlichen Grundversorgung ab. Die Versorgung von Neugeborenen mit einem solch geringen Gewicht stelle überdurchschnittliche fachliche Anforderungen sowohl an das ärztliche als auch an das nichtärztliche Personal. Die einbezogenen Prozeduren seien planbare Leistungen im Sinne des § 136b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB V. Nach den allgemein anerkannten Erkenntnissen und einer Analyse der mit der Mindestmenge verbundenen Transport- und Verlegungsrisiken sei eine Aufnahme bzw. Entbindung und Durchführung der stationären Behandlung in den dafür vorgesehenen Krankenhäusern ohne unzumutbares Risiko für die Schwangere oder für das Neugeborene möglich (Bezugnahme auf Tragende Gründe S. 9 ff.). Die Geburt und Versorgung von Früh- und Reifgeborenen mit einem Aufnahmegewicht von <1250 g erfolge in der Regel nicht notfallmäßig. Ihr gehe regelmäßig eine erhebliche Entscheidungsphase voraus, weil die drohende Frühgeburt in aller Regel Folge einer Erkrankung der werdenden Mutter in der Schwangerschaft sei, welche in der Regel erkannt und einer adäquaten Therapie zugeführt werden könne. Der Umstand, dass es auch Situationen geben könne, in denen im Vorfeld nicht bekannt sei, dass es zu einer Frühgeburt kommen könne, stehe der Qualifizierung als planbare Leistung nicht entgegen (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 17. November 2015 – B 1 KR 15/15 – juris Rdnr. 35).

 

Die Beauftragung des IQTIG sei gemäß § 21 Abs. 3a Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) erforderlich gewesen, um Analysen auf Grundlage ausgewählter Leistungsdaten nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 KHEntgG durchführen zu können. Dessen Folgenabschätzung sei auch verwertbar. Methodische Mängel lägen nicht vor. Dass aus Sicht des IQTIG Limitationen der softwarebasierten Datenanalysen verblieben, stehe der Verwertbarkeit nicht entgegen.

 

Entgegen dem Vortrag der Klägerinnen sei die streitgegenständliche Mindestmenge nicht „abrupt“ erhöht worden. Vielmehr existierten Übergangs- und Ausnahmeregelungen, so etwa die Ausnahmeregelung in § 4 Abs. 5 Mm-R i. d. F. vom 16.06.2022 für Leistungen im Notfall oder für medizinisch nicht vertretbare Verlegungen. Im Übrigen gebe es § 136b Abs. 5a SGB V, der ausweislich der Gesetzesbegründung die Landesverbände zu einem Einvernehmen zur Nichtanwendung der Mindestmengen-Regelungen verpflichte, wenn aufgrund des drohenden Leistungsausschlusses konkrete Nachteile für die Patientinnen oder Patienten insbesondere durch verlängerte Transport- oder Anfahrtswege entstünden, welche die mit der Mindestmenge verbundenen Vorteile überwögen (Bezugnahme auf BT-Drucksache 19/35060 S. 46). Der Beklagte habe mittlerweile eine Evaluation beauftragt.

 

Die Qualität des Behandlungsergebnisses sei auch von der Menge der in einem Krankenhaus durchgeführten Versorgungen der Neugeborenen mit einem Aufnahmegewicht von <1250 g abhängig. Es bestehe eine Studienlage, die einen wahrscheinlichen Zusammenhang zwischen der Leistungsmenge und der Qualität der Behandlungsergebnisse in Bezug auf Mortalität und therapiebedingte Komplikationen aufzeige. Der Beklagte habe nach § 16 Abs. 5 Nr. 1 Kap. 8 Abschn. 2 VerfO seine Fachberatung Medizin mit der Durchführung einer systematischen Literaturrecherche zur Untersuchung von Volume-Outcome-Beziehungen bei der Versorgung Früh- und Reifgeborener beauftragt, um die Erkenntnisse des IQWiG-Berichts vom 14. August 2008 zu aktualisieren. Im Ergebnis zeige die Studienlage weiterhin eine nach wissenschaftlichen Maßstäben belegte Wahrscheinlichkeit des Zusammenhangs zwischen Leistungsmenge und Qualität des Behandlungsergebnisses (Anlage 3 der Tragenden Gründe S. 14). Die Fachberatung Medizin der Geschäftsstelle des Beklagten leite wie das IQWiG anhand der nach strengen methodischen Anforderungen eingeschlossenen Studien nur dann einen Zusammenhang ab, wenn die Ergebnisse statistisch signifikant seien. Elf der zwölf eingeschlossenen Studien zeigten statistisch signifikante Unterschiede bei der Ergebnisqualität zu Gunsten der Krankenhäuser mit hoher Leistungsmenge im Vergleich zu Krankenhäusern mit niedriger Leistungsmenge. Soweit die Fachberatung Medizin (selbst) darauf hinweise, dass die analysierten Studien durch Heterogenität und methodische Limitationen geprägt seien, ändere dies nichts am deutlichen Ergebnis. Die Qualität des Behandlungsergebnisses einer planbaren Leistung sei nach der Rechtsprechung des BSG bereits dann von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig, wenn eine Studienlage bestehe, die nach wissenschaftlichen Maßstäben einen Zusammenhang zwischen Behandlungsmenge und –qualität wahrscheinlich mache. Ein im naturwissenschaftlichen Sinne voll beweisender Kausalzusammenhang sei nicht erforderlich.

 

Darüber hinaus habe der Beklagte am 20. Juni 2019 das IQTIG mit einer Datenanalyse zum Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Qualität des Behandlungsergebnisses in Bezug auf die für die konkrete Beschlussfassung maßgebliche Versorgung von Früh- und Reifgeborenen mit einem Aufnahmegewicht von <1250 g beauftragt. Im Ergebnis habe das IQTIG einen signifikanten Volume-Outcome-Zusammenhang festgestellt (Bezugnahme auf Anlage 6 der Tragenden Gründe S. 58 und Abb. 5 S. 32). Diesem Ergebnis stehe die von den Klägerinnen vorgelegte Studie von Trotter et. al. nicht entgegen. Diese nach der Beschlussfassung veröffentlichte Studie aus dem Jahr 2021 bleibe schon aufgrund der verwendeten Datengrundlage und den damit einhergehenden Limitationen bei der nach wissenschaftlichen Maßstäben unbedingt erforderlichen Risikoadjustierung hinter derjenigen, welche das IQTIG vorgenommen habe, zurück. Soweit das IQTIG unter Bezugnahme auf die Studie Kutschmann et. al. 2012 die Aussage treffe, dass auch bei fallstarken Einrichtungen große Qualitätsunterschiede bestünden, sei dies im Zusammenhang mit der nach den Ergebnissen der Datenanalyse theoretisch zu empfehlenden möglichst hohen Mindestmenge zu sehen. Im Übrigen sei bei dieser Studie zu berücksichtigen, dass sie auf älteren Daten der Jahre 2007 bis 2009 aus lediglich fünf Bundesländern, ca. 68 % aller Geburten in Deutschland, basiere und verschiedene Leistungsmengengruppen im Sinne einer kategoriellen Analyse untersuche. Das IQTIG hingegen sei mit der Auswertung der aktuellen bundesweit vollständigen Datenbasis beauftragt worden. Die Berechnungen des IQTIG seien auch belastbar und verwertbar. Bei der Datenauswertung durch das IQTIG zum Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Qualität des Behandlungsergebnisses handele es sich um eine der größten Auswertungen zu der Versorgung von Früh- und Reifgeborenen unter 1250 g in Deutschland, bei der 29.048 Fälle ausgewertet worden seien.

 

Die konkrete Festlegung der Höhe der Mindestmenge auf 25 Behandlungsfälle pro Jahr und je Krankenhausstandort liege innerhalb der Bandbreite geeigneter Mengen von 10 bis 50 und unterliege dem normativen Gestaltungsspielraum des Beklagten. Dass weder die Fachberatung Medizin noch das IQTIG einen konkreten Schwellenwert hätten erkennen können, sei unerheblich. Denn es liege ein annähernd linearer Verlauf mit nicht bloß unwesentlich ansteigendem Behandlungserfolg bei steigender Menge vor und eben keine Schwellenwerte (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 17. November 2015 – B 1 KR 15/15 – juris Rdnr. 32). Im Bericht des IQTIG (Anlage 6 der Tragenden Gründe) zeige sich bei steigender Fallzahl in einem nahezu linearen Zusammenhang mit hoher Sicherheit eine signifikante Reduktion der Sterbewahrscheinlichkeit. Unter Einbeziehung der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse und nach Abwägung sei die Höhe der Mindestmenge nachvollziehbar und widerspruchsfrei auf 25 festgesetzt worden. Der Beklagte habe auf Grundlage des dargelegten Erkenntnisfortschritts durch die neueren Studien und vor allem durch die Datenauswertung des IQTIG vom 22. Juni 2020 die Mindestmenge neu justiert im Sinne der Rechtsprechung des BSG (Bezugnahme auf Urteil vom 14. Oktober 2014 – B 1 KR 33/13 R - juris Rdnr. 26; Urteil vom 18. Dezember 2012 – B 1 KR 34/12 R – juris Rdnr. 21). Der Beklagte habe auch besonders berücksichtigt, dass sich bei den verbleibenden Leistungserbringern ein zusätzlicher Bedarf an sachlicher und personeller Ausstattung ergeben könnte, auf die sich Leistungserbringer mit gewissen Vorlaufzeiten einstellen müssten. Die Konsequenzen für die zu erfüllenden Personalanforderungen nach der QFR-RL und ein erhöhter Bedarf an Pflegepersonal sei mitbedacht worden. Im Ergebnis habe der Beklagte davon ausgehen können, dass mit der im mittleren Bereich der Bandbreite festgelegten Mindestmenge eine Verbesserung der Ergebnisqualität auch im Hinblick auf die damit für die Versorgung einhergehenden Verteilungswirkungen unter Berücksichtigung einer QFR-RL-konformen Personalausstattung an den in der Versorgung verbleibenden Standorten zu erwarten sei (Bezugnahme auf Tragende Gründe S. 22ff).  Um den betroffenen Interessen Rechnung zu tragen, sei neben den bestehenden Ausnahmetatbeständen u. a. eine stufenweise Übergangsregelung geschaffen worden, nach der während einer Übergangsfrist von mehreren Jahren die neue Mindestmenge noch nicht in vollem Umfang erfüllt werden musste. Darüber hinaus habe der Beklagte die Mindestanforderungen nach der QFR-RL im Hinblick auf die Belastungen der Krankenhäuser durch Covid-19 im Allgemeinen und die angespannte personelle Situation in Kinderkliniken gerade im Bereich der Pflege im Besonderen reagiert.

 

Die Festsetzung der Mindestmenge sei auch verhältnismäßig (Bezugnahme auf Tragende Gründe S. 25). Dem Interesse an einer besseren Versorgungsqualität für die Patienten sei der Vorrang einzuräumen gegenüber den Interessen der Krankenhäuser an der uneingeschränkten Erbringung solcher Leistungen. Begründete Anhaltspunkte für eine über die festgelegten Übergangsregelungen hinausgehende Notwendigkeit von Ausnahmetatbeständen seien nicht zu erkennen. Die vom Beklagten festgelegte Mindestmenge werde von den maßgeblichen medizinischen Fachgesellschaften und Organisationen von Geburtshilfe und Neonatologie auf Bundesebene sowie dem Bundesverband „Das frühgeborene Kind“ ausdrücklich befürwortet. Der Anwendungsbereich der Mindestmenge werde auf 0,83% der Geburten beschränkt. Darüber hinaus seien vom Anwendungsbereich des Beschlusses von vornherein Einrichtungen ausgenommen, die ein Früh- und Reifgeborenes der maßgeblichen Gewichtsklasse im Rahmen einer Risiko-adaptierten Verlegung gemäß § 5 QFR-RL aufnähmen. Diese Vorschrift sehe insbesondere auch die Möglichkeiten wohnortnaher Verlegungen von Mutter und Kind vor, und trage dem Umstand Rechnung, dass es in seltenen Ausnahmefällen geboten sein könne, ein Neugeborenes an einen Krankenhausstandort zu verlegen, der nicht berechtigt sei, die in den Mindestmengenbeschluss einbezogenen Frühgeburten zu versorgen und nicht zwingend die Anforderungen an die Struktur, Prozess- und Ergebnisqualität für Level-1-Perinatalzentren nach der QFR-RL erfülle.

 

Auf Aufforderung des Senats hat der Beklagte die nachfolgenden Unterlagen übersandt:

  • Beschlussentwurf des Unterausschusses zur Sitzung am 17. Dezember 2020 (Anlage B 4),
  • Entwurf der Tragenden Gründe zur Plenumssitzung am 17. Dezember 2020 (Anlage B 5),
  • Ergebnisniederschrift des Plenums für den streitgegenständlichen Tagesordnungspunkt (Anlage B 6),
  • Mitteilung der Ländervertretung vom 17. Dezember 2020 (Anlage B 7),
  • Einladung zur Sitzung des Plenums vom 17. Dezember 2020 an den Deutschen Pflegerat, die Bundesärztekammer und den Verband der privaten Krankenversicherung (Anlage B 8),
  • Einladung zur Sitzung des Unterausschusses vom 4. November 2020 an den selben standardisierten Verteiler (Anlage B 9),
  • die Benennung der privaten Krankenversicherung für die Gremien des Beklagten einschließlich seiner Arbeitsgruppen (Anlage B 11),
  • die maßgebliche Benennung der Bundesärztekammer für die Arbeitsgruppe Mindestmengen (Anlage B 12) sowie
  • die maßgebliche Benennung des Deutschen Pflegerates für die Arbeitsgruppe Mindestmenge (Anlage B 13).

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die ausgetauschten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gerichtsakte sowie die vom Beklagten vorgelegte Normsetzungsdokumentation verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung des Senates gewesen sind.

 

Entscheidungsgründe

 

Die verbliebenen Klagen sind zulässig, jedoch unbegründet.

 

I. Die Klagen sind zulässig.

 

Die Klagen sind als (Normen-) Feststellungsklagen für die begehrte Feststellung, dass die Erhöhung der Mindestmenge auf 25 je Krankenhaus und Jahr nichtig ist, statthaft (§ 55 Abs. 1 Hs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 54 Abs. 1 S. 2 SGG).

 

Streitgegenstand ist das jeweilige Begehren der Klägerinnen festgestellt zu erhalten, dass die im Klageantrag genannte Mindestmengenerhöhung unwirksam ist. Die Rechtsschutzgarantie des Art 19 Abs. 4 GG gebietet es, die Feststellungsklage gegen untergesetzliche Rechtsnormen als statthaft zuzulassen, wenn die Normbetroffenen ansonsten keinen effektiven Rechtsschutz erreichen könnten, etwa, weil ihnen nicht zuzumuten ist, Vollzugsakte zur Umsetzung der untergesetzlichen Norm abzuwarten, oder die Wirkung der Norm ohne anfechtbare Vollzugsakte eintritt (Senatsurteil vom 8. Juni 2023 – L 1 KR 475/21 KL – juris Rdnr. 38, Senatsurteil vom 3. Dezember 2021 – L 1 KR 425/14 KL – juris Rdnr. 83 – unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. Urteil vom 18. Dezember 2012, Rdnr. 11 mit Rechtsprechungsnachweisen und Bezugnahme auf BVerfG, BVerfGE 115, 81, 92 f und 95 f).

Diese Situation liegt vor. Die Klägerinnen können ein berechtigtes Interesse an baldiger Feststellung geltend machen. Für die Mindestmengenregelungen auf Grundlage von § 137 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB V a. F. ist die Zulässigkeit der Feststellungsklage aus diesem Grund durch das BSG bereits geklärt (zuletzt Urteil vom 17. November 2015 – B 1 KR 15/15 R – juris Rdnr. 9 mit weiteren Nachweisen). Auch der heutige § 136 b Abs. 5 S. 1 SGB V verbietet den Krankenhäusern die entsprechenden Leistungen, wenn die erforderliche Mindestmenge bei planbaren Leistungen voraussichtlich nicht erreicht wird. Nach Satz 2 steht dem Krankenhaus, das die Leistungen dennoch bewirkt, kein Vergütungsanspruch zu. Wie bereits der Beklagte selbst ausgeführt hat, muss das Krankenhaus gemäß § 136 b Abs. 5 S. 3 SGB V gegenüber den Kassenverbänden jährlich darlegen, dass die erforderliche Mindestmenge im jeweils nächsten Kalenderjahr aufgrund berechtigter mengenmäßiger Erwartungen voraussichtlich erreicht werde. Ohne entsprechende Prognose-Darlegung durch das Krankenhaus besteht keine Leistungsberechtigung für das nächste Kalenderjahr. Das Verfahren nach § 136 b Abs. 5 S. 3 ff. SGB V zur Prognose für das jeweils nächste Jahr und auch die Regelungen des Beklagten in § 4 Abs. 2 der Mm-RL (nunmehr in der zuletzt am 17. Juni 2021 geänderten Fassung, BAnz AT 28.07.2021 B5, in Kraft getreten am 29. Juli 2021) setzen allesamt das Vorliegen von Umständen voraus, aufgrund welcher das Krankenhaus eine entsprechend positive Prognose aufstellen kann (Erfüllung der Mindestmenge im Vorjahr, Erfüllung in den letzten vier Quartalen nach § 4 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 Mm-R oder personelle bzw. strukturelle Veränderungen positiver Art nach § 4 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 oder 4 Mm-R, weitere Umstände <§ 4 Abs. 2 S. 3 Mm-R> bzw. die Covid-19-Pandemie <§ 4 Abs. 2 S. 4 Mm-R>). Das Damoklesschwert, dass aufgrund einer Unterschreitung der Mindestmenge im laufenden Jahr ohne positive Umstände im nächsten Jahr „Schluss ist“, besteht dauerhaft. Das Überprüfungsverfahren des § 136b Abs. 5 S. 6 SGB V und der Rechtsschutz dagegen betreffen ausschließlich den engen und rein tatsächlichen Ausschnitt der Prognose bzw. ihre Widerlegung (BSG, Urteil vom 25. März 2021 – B 1 KR 16/20 R). Eine inzidente Überprüfung der Rechtmäßigkeit des konkreten Beschlusses des Beklagten über die Erhöhung der Mindestmenge im Rahmen des Rechtsstreits gegen die Widerlegungsentscheidungen der Landesverbände der Krankenkassen und der Ersatzkassen dürfte im Übrigen ausscheiden.

 

Es ist auch von einer gegenwärtigen Betroffenheit der Klägerinnen auszugehen (vgl. BSG, Beschluss vom 27. Oktober 2023 – B 1 KR 15/22 B – juris Rdnr. 14). Die Klägerinnen betreiben keine Popularklagen, auch wenn sie teilweise derzeit noch Fallzahlen von 25 und mehr vorweisen können. Angesichts der starken Schwankungen und einer aktuellen Höchstfallzahl von 40 ist ihnen auch unter Beachtung des Gebotes effektiven Rechtsschutzes durch Art. 19 Abs. 4 GG nicht zuzumuten, ein künftiges Leistungsverbot riskieren zu müssen (vgl. hierzu auch BSG, Urteil vom 17. November 2015 – B 1 KR 15/15 R – juris Rdnr. 10). Die derzeit bestehenden Ausnahmen nach § 136b Abs. 5a SGB V sind nach der Gesetzeslage jährlich befristet (§ 136b Abs. 5a S. 4 SGB V) bzw. widerrufbar und führen deshalb ebenfalls nicht zu fehlender Betroffenheit.

 

Die Klägerinnen sind auch in eigenen Rechten betroffen und klagebefugt. Die begehrte Feststellung ist auf ein Rechtsverhältnis gerichtet (§ 55 Abs. 1 Hs. 1 Nr. 1 SGG), in dem sie Verletzungen eigener Rechte vortragen, die für einige von ihnen grundrechtlicher Natur sind (Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs.1 GG), jedenfalls aber für alle einfachrechtlich (§ 108 i. V. m. § 136b Abs. 1 Nr. 2 SGB V; vgl. Senatsurteil vom 8. Juni 2023 – L 1 KR 475/21 KL - juris Rdnr. 40 unter Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 17. November 2015 – B 1 KR 15/15 R – jurisRdnr. 10 noch zu § 137 SGB V a. F.).

II. Den Klagen bleibt jedoch der Erfolg versagt. Der streitgegenständliche Änderungsbeschluss ist rechtmäßig. Ob und inwieweit die Klägerinnen bei einer Rechtswidrigkeit tatsächlich in eigenen Rechten verletzt wären, kann vor diesem Hintergrund dahingestellt bleiben.

 

1. Durchgreifende formelle Mängel sind nicht ersichtlich.

 

Eine Begleitevaluation gemäß § 136b Abs. 3 S. 3 SGB V (neu eingeführt durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung [Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz – GVWG] vom 19. Juli 2021 mit Wirkung vom 20. Juli 2021) soll der Beklagte nach § 19 Abs. 1 S. 1 Kap. 8 Abschn. 2 VerfO möglichst zeitnah mit Festlegung einer neuen Mindestmenge in Auftrag geben. Hier bestand eine alte Mindestmengenregelung nach § 137 Abs. 3 SGB V a. F. (vgl. näher LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16. Januar 2015 – L 1 KR 258/12 KL – juris Rdnr. 2). Für bereits bestehende Mindestmengenregelungen bestimmt § 19 Abs. 3 Kap. 8 Abschn. 2 VerfO lediglich, dass die grundsätzliche Verpflichtung zur Evaluation bereits bestehender Mindestmengen gemäß § 136d SGB V hiervon unberührt bleibe. Nach § 136d SGB V in der Fassung vom 10. Dezember 2015 hat der Beklagte den Stand der Qualitätssicherung im Gesundheitswesen festzustellen, einen sich daraus ergebenden Weiterentwicklungsbedarf zu benennen, eingeführte Qualitätssicherungsmaßnahmen auf ihre Wirksamkeit hin zu bewerten und Empfehlungen für eine an einheitlichen Grundsätzen ausgerichtete sowie sektoren- und berufsgruppenübergreifende Qualitätssicherung im Gesundheitswesen einschließlich ihrer Umsetzung zu erarbeiten. Vorgaben für die Abänderung einer bestehenden Mindestmengenregelung lassen sich daraus nicht ableiten. Dass sich diese allgemeine Beobachtungspflicht des Beklagten hier zuvor in einer Weise verdichtet haben könnte, dass vor Anhebung der streitgegenständlichen Mindestmenge von 14 auf 25 zwingend eine Evaluation hätte durchgeführt werden müssen, ist für den Senat nicht ersichtlich.

 

Auch eine Verletzung der Dokumentationspflichten nach § 20 Kap. 8 Abschn. 2 VerfO, die sich auch nur möglicherweise auf das Ergebnis ausgewirkt haben könnte, ist nicht ersichtlich. Die Tragenden Gründe enthalten mit der Darstellung des Verfahrensablaufs, der zusammenfassenden Dokumentation und den wiederholt zitierten Anlagen die wesentlichen Unterlagen:

Nach § 20 Kap. 8 Abschn. 2 VerfO in der Fassung vom 18. Dezember 2008, zuletzt geändert am 16. Juli 2020 (BAnzAT 15.12.2020 B 2 in Kraft getreten am 16.12.2020) hat der Beklagte über das Verfahren eine zusammenfassende Dokumentation zu erstellen (Satz 1). Die zusammenfassende Dokumentation enthält:

  1. den Antrag nach § 15,
  2. eine Beschreibung des formalen Ablaufs der Beratungen,
  3. die dem Beratungsprozess zugrundeliegenden Unterlagen und ihre Bewertung, insbesondere betreffend die Information nach § 16 Abs. 5, den Abwägungsprozess nach § 17 Abs. 2 sowie die Auseinandersetzung mit den Stellungnahmen nach dem 3. Abschnitt des 1. Kapitels,
  4. der Beschluss und die tragenden Gründe (Satz 2).

Unterschiedliche Positionen der Träger nach § 91 Abs. 1 S. 1 SGB V und der Patientenvertretung werden bei der Dokumentation der Abschnitte Zusatz 1 Nr. 3 dargestellt (Satz 3). Abweichende Beschlussentwürfe werden zusammen mit ihrer Begründung in die zusammenfassende Dokumentation aufgenommen (Satz 4).

 

Die zusammenfassende Dokumentation ist nicht nach § 20 S. 1 Nr. 1 Kap. 8 Abschnitt 2 VerfO unvollständig, weil der Antrag nach § 15 fehlt. Eines solchen bedurfte es nicht. § 15 Kap. 8 Abschn. 2 VerfO bezieht sich nach Wortlaut und Systematik auf die (erstmalige) Festlegung einer Mindestmenge und nicht auf Abänderungen bereits bestehender Mindestmengenregelungen. Insbesondere enthält § 21 Kap. 8 Abschn. 2 VerfO speziellere Regelungen für die Überprüfung der Regelungen für bestehende Mindestmengen. Nach § 21 Abs. 1 Kap. 8 Abschn. 2 VerfO prüft der Unterausschuss (von Amts wegen) regelmäßig einen etwaigen Änderungsbedarf. Daneben kann eine Wiederaufnahme nach § 21 Abs. 3 der Vorschrift auch durch Personen oder Organisationen gemäß § 15 Abs. 1 Kap. 8 Abschn. 2 beantragt werden. Ein solcher Antrag ist vorliegend nicht gestellt worden. Entgegen § 20 S. 3 und 4 Kap. 8 Abschn. 2 VerfO lässt sich der Dokumentation zwar nicht entnehmen, dass es zur entscheidenden Plenumssitzung des Beklagten andere Positionen zur festzulegenden Mindestmenge durch einen der Träger des Beklagten nach § 91 Abs. 1 S. 1 SGB V, der Deutschen Krankenhausgesellschaft (Mindestmenge 20), sowie der Patientenvertretung (Mindestmenge 30) gegeben hat. Insoweit ist (auch) von abweichenden Beschlussentwürfen auszugehen, da die konkrete Zahl der Mindestmenge Teil des rechtsgestaltenden Ausspruchs des Beschlusses ist. Allerdings scheidet eine Verletzung der Rechte der Klägerinnen spätestens mit Einreichung des entsprechenden Beschlussentwurfs unter Einbeziehung der dissenten Auffassungen durch den Beklagten vor Gericht aus. Der Beklagte muss eine zusammenfassende Dokumentation erstellen, um den Vorgang transparent und überprüfbar zu machen (vgl. Hauck in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, G-BA, 1. Aufl., § 1 Mm-R (Stand: 22.08.2023), Rdnr. 18). Transparenz und Überprüfbarkeit können – wie hier - auch noch im gerichtlichen Verfahren hergestellt werden. Dass auch der Verband der privaten Krankenversicherung beteiligt wurde (§ 136b Abs. 1 S. 3 SGB V) hat der Beklagte durch Einreichung der Einladung zur Sitzung des Plenums hinreichend nachgewiesen. Eine Verkürzung der Verfahrensrechte der Klägerinnen durch den Umstand, dass entgegen der richtigen Protokollierung in der Ergebnisniederschrift der Sitzung am 17. Dezember 2020 der Dissens der Ländervertretung nicht richtig im Fazit der Tragenden Gründe (S. 31) übernommen wurde, ist ebenfalls ausgeschlossen, da sie die wahre Position der Länder seit längerem kennen.

 

Dem als Ermittlungsanregung auszulegenden Beweisantrag, (etwaige weitere) Teile der Normsetzungsdokumentation beizuziehen und auszuwerten, war nicht nachzukommen. Es ist nicht einmal in Ansätzen ersichtlich, dass der Sachverhalt im Hinblick auf das materielle Prüfprogramm des Senats auch nur möglicherweise in relevanter Weise unvollständig sein könnte.

 

2. Der streitgegenständliche Beschluss ist auch materiell rechtmäßig.

 

2.1 Zum Zeitpunkt des Erlasses des hier streitgegenständlichen Beschlusses galt noch § 136 b Abs. 5 SGB V in der Fassung vom 15.11.2019, gültig ab 01. September 2020 bis 19. Juli 2021. Alleine deshalb kann selbst nach Auffassung der Klägerinnen die bundesrechtliche Normsetzungskompetenz – noch - nicht gefehlt haben.

 

§ 136b Abs. 1 Nr. 2 SGB V ermächtigt den Beklagten zur Aufstellung eines Kataloges planbarer Leistungen, bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist, sowie von Mindestmengen für die jeweiligen Leistungen je Arzt oder Standort eines Krankenhauses oder je Arzt und Standort eines Krankenhauses und Ausnahmetatbestände [letzteres in der aktuellen Fassung gestrichen]. Nach § 136b Abs. 3 SGB V soll er bei den Mindestmengenfestlegungen nach Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Ausnahmetatbestände und Übergangsregelungen vorsehen, um unbillige Härten insbesondere bei nachgewiesener, hoher Qualität unterhalb der festgelegten Mindestmenge zu vermeiden (Satz 1, in der aktuellen Fassung gestrichen). Näheres ist in der VerfO zu regeln, insbesondere zur Auswahl einer planbaren Leistung nach Abs. 1 S. 1 Nr. 2 sowie zur Festlegung der Höhe einer Mindestmenge (Satz 2 in oben genannter Fassung).

 

Die in § 136b SGB V geregelte Kompetenz des Beklagten zur Qualitätssicherung im Krankenhaus war ursprünglich im Wesentlichen in § 137 Abs. 3 SGB V a. F. geregelt (vgl. R. Klein in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 136b SGB V [Stand: 27.02.2023] Rdnr. 1). Ihm ist die Aufgabe übertragen worden, einen Katalog planbarer Leistungen zu erstellen, bei denen „die Qualität des Behandlungsergebnisses von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist (…).“ Dabei ist die alte Gesetzesformulierung, wonach bei der Festlegung einer Mindestmenge die Behandlungsqualität „in besonderem Maße“ von der erbrachten Leistungsmenge abhängig sein soll, ersatzlos gestrichen worden (vgl. R. Klein, a. a. O. Rdnr. 16).

 

§ 136b Abs. 1 Nr. 2 SGB V gibt dem Beklagten ein rechtlich voll überprüfbares Programm vor: In tatsächlicher Hinsicht ist die Ermittlung planbarer Leistungen, die Feststellung, dass die Qualität des Behandlungsergebnisses einer planbaren Leistung von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist, und die konkrete Eignung von festgesetzten Mindestmengen zur Verbesserung der Qualität der Behandlungsergebnisse sowie in rechtlicher Hinsicht die zutreffende Erfassung der Tatbestandsmerkmale durch den Beklagten vom Gericht uneingeschränkt zu überprüfen. Der Gesetzgeber belässt dem Beklagten bei der Auslegung dieser Regelungselemente keinen Gestaltungsspielraum. Das gilt auch für die Vollständigkeit der vom Beklagten zu berücksichtigenden Studienlage. Erst bei Erfüllung dieser Voraussetzungen ist er befugt, als Normgeber zu entscheiden. Soweit diese letztere Kompetenz reicht, darf die sozialgerichtliche Kontrolle ständiger Rechtsprechung des BSG zufolge ihre eigenen Wertungen nicht an die Stelle der vom Beklagten getroffenen Wertungen setzen. Vielmehr beschränkt sich die gerichtliche Prüfung in diesen Segmenten darauf, ob die Zuständigkeits- und Verfahrensbestimmungen sowie die gesetzlichen Vorgaben nachvollziehbar und widerspruchsfrei Beachtung gefunden haben, um den Gestaltungsspielraum auszufüllen. Die Entscheidungen über die Auswahl und den Zuschnitt der Leistungen für den Katalog planbarer Leistungen sowie die genaue Festlegung der Mindestmenge innerhalb der Bandbreite geeigneter Mengen unterliegen in diesem Sinne dem normativen Gestaltungsspielraum des Beklagten. Der Beklagte kann dabei in einem zeitlich gestreckten Verfahren vorgehen, um den Katalog planbarer Leistungen allmählich zu entwickeln, um insbesondere weitere Erkenntnisse zu sammeln und zu bewerten und um Mindestmengen je nach Erkenntnisfortschritt neu zu justieren (BSG, Urteil vom 17. November 2015 – B 1 KR 15/15 R –, SozR 4-2500 § 137 Nr. 6, SozR 4-5510 Kap 1 § 5 Nr. 1, Rdnr. 16 noch zu § 137 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB V a. F. mit Bezugnahme auf BSGE 112, 257 Rdnr. 21 m. w. N. und Urteil vom 14. Oktober 2014 – B 1 KR 33/13 R –, BSGE 117, 94-117, Rdnr. 26).

 

Der Beklagte ist - entgegen der Auffassung der Klägerinnen - ermächtigt, zur Konkretisierung des sich aus § 136b Abs. 1 Nr. 2 SGB V (früher § 137 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB V in der Fassung durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung, GKV-Modernisierungsgesetz vom 14. November 2003, BGBl. I S. 2190) ergebenden Regelungsprogramms außenwirksame Normen im Range untergesetzlichen Rechts zu erlassen. Der Senat folgt in ständiger Rechtsprechung dem BSG, das die Verfassungsmäßigkeit dieser Art der Rechtsetzung nicht mehr grundlegend in Zweifel zieht (vgl. BSG, Urteil vom 17. November 2015 – B 1 KR 15/15 R – juris Rdnr. 17).

 

2.2 Die Behandlungen der geringstgewichtigen Neugeborenen sind planbare Leistungen.

Eine planbare Leistung liegt vor, wenn die für sie vorgesehenen Krankenhauszentren sie in der Regel medizinisch sinnvoll und für die Patienten zumutbar erbringen können. Erforderlich ist, dass die Aufnahme und Durchführung gebotener stationärer Behandlung in einem Zentrum - trotz ggf. längerer Anfahrt - unter Berücksichtigung zu überwindender räumlicher und zeitlicher Distanzen ohne unzumutbares Risiko für die Patienten erfolgen kann (BSG, a.a.O. Rdnr. 25 unter Bezugnahme auf BSGE 112, 257 Rdnr. 28 ff). Dementsprechend ist auch nach § 16 Kap. 8. Abschn. 2 VerfO eine Leistung planbar, wenn sie in der Regel in dafür vorgesehenen Krankenhäusern medizinisch sinnvoll und für die Patientinnen und Patienten zumutbar erbracht werden kann. Dies setzt voraus, dass die Aufnahme und Durchführung der gebotenen stationären Behandlung in einem dafür vorgesehenen Krankenhaus unter Berücksichtigung zu überwindender räumlicher und zeitlicher Distanzen ohne unzumutbares Risiko für die Patientinnen und Patienten erfolgen kann.

 

Hier ist davon auszugehen, dass der Geburt und Versorgung der extrem leichtgewichtigen Neugeborenen regelmäßig eine Entscheidungsphase vorausgeht, weil die drohende Frühgeburt in aller Regel Folge einer Erkrankung der Schwangeren ist, welche erkannt und einer adäquaten Therapie zugeführt werden kann. Unwidersprochen führt der Beklagte dazu in den Tragenden Gründen (S. 10) aus:

„Die mütterliche Therapie zur fetalen Lungenreifung ist notwendige Voraussetzung für eine Vermeidung eines Atemnotsyndroms des frühgeborenen Kindes und stellt einen festetablierten Behandlungsstandard in Deutschland dar. Frühgeborene werden in der Regel mit abgeschlossener Lungenreife, deren Realisierung vor der Geburt stattfindet und 24 bis 48 Stunden dauert, geboren.“

 

Dass es Ausnahmen von dieser faktischen Regel gibt, die auch von den von der Klägerinnen eingeführten Zahlen des IQTIG bestätigt werden, wonach z. B. 2023 91,2% der entsprechenden Neugeborenen in Level 1-Zentren zur Welt kamen, steht dem nicht entgegen. Der Sachverhalt, dass es auch Situationen geben kann, in denen im Vorfeld nicht bekannt ist, dass es zu einer Frühgeburt kommen kann, steht der Qualifizierung als planbare Leistung nicht entgegen (BSG, Urteil vom 17. November 2015 – B 1 KR 15/15 R - juris Rdnr. 35).

 

Weiter heißt es in den Tragenden Gründen (S.10f)

„Die Kenntnis, dass es sich um ein Früh- oder Reifgeborenes <1250 g handeln wird, kann folglich im Vorfeld der Geburt grundsätzlich als gegeben vorausgesetzt werden, weil „Frühgeburtlichkeit“ häufig kein isoliertes bzw. unangekündigt auftretendes Ereignis, sondern i. d. R. die Folge von vorbestehenden und behandlungsbedürftigen Erkrankungen der Mutter ist. Im Rahmen von Schwangerschaftsuntersuchungen, respektive Hebammenhilfe und ärztliche Betreuung (…) sowie den Richtlinien über die ärztliche Betreuung während der Schwangerschaft und nach der Entbindung (…) werden solche Risikofaktoren standardmäßig erfragt, weiter abgeklärt und die Schwangere erforderlichenfalls an weitere Ärzte überwiesen und über die geeignete Geburtsklinik beraten. Es sind zahlreiche Risikofaktoren bekannt, die mit einer Frühgeburt assoziiert sind. „Prävention und Therapie der Frühgeburt“ sind in der umfassenden und aktuellen Leitlinie 015-025 der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe beschrieben. Für eine Frühgeburt disponierende Zustände sind z. B. ein hoher Blutdruck der Schwangeren, eine sich entwickelnde Infektion nach vorzeitigem Blasensprung oder vorzeitige Wehen. Liegen diese vor, werden die weiteren Kontrolluntersuchungen der Schwangeren entsprechend engmaschig und zielgerichtet veranlasst. Dies ist medizinisch erforderlich, weil die Behandlung des Frühgeborenen bereits vor der Geburt, im Körper der Mutter einsetzt. Bei drohender Frühgeburt muss eine Lungenreife-Induktionsbehandlung der Mutter mit Cortison erfolgen, um die Lungenreifung des zu erwartenden Frühgeborenen zu beschleunigen. Dies ist ein für die Prognose des Kindes entscheidendes Vorgehen. Die Durchführung einer derartigen Lungenreife-Behandlung dauert mindestens 24,  besser 48 Stunden und stellt ein durch Leitlinien abgesichertes Standardverfahren dar, das in Deutschland mit hoher Compliance realisiert wird. Das Unterlassen der Lungenreife-Behandlung in einer Situation mit Frühgeburtsbestrebungen in der Schwangerschaft wird daher mittlerweile regelhaft als Verstoß gegen geltende medizinische Standards angesehen. Zu diesem Vorgehen gehört die Einweisung der Schwangeren in ein für die Behandlung des Kindes geeignetes Zentrum, wie dies auch in der QFR-RL geregelt ist.“

 

2.3 Mit Recht geht der Beklagte davon aus, dass bei den Behandlungen eine Abhängigkeit der Qualität von der Menge besteht:

 

Damit ein Zusammenhang zwischen der Häufigkeit der Behandlungen und der Qualität bestehen kann, muss es sich zunächst um standardisierbare Krankenhausleistungen oberhalb einer Grundversorgung handeln. Sie müssen deswegen selten erbracht werden, weil entweder bundesweit die Indikation selten vorliegt (absolute Seltenheit) oder sie trotz häufiger Indikation aufgrund anderweitiger Konzentrationsprozesse und zufälliger Verteilungsschwankungen nicht in allen Krankenhäusern mit einschlägigem Versorgungsauftrag in höherer Zahl nachgefragt werden (relative Seltenheit). Bei ihnen muss die mit wissenschaftlichen Belegen untermauerte Erwartung berechtigt sein, dass die Güte der Leistungserbringung auch von der Erfahrung und Routine des mit der jeweiligen Versorgung betrauten Behandlers - Krankenhauseinheit und/oder Arzt - beeinflusst ist (BSG, Urteil vom 14. Oktober 2014 -B 1 KR 33/13 R-, BSGE 117, 94-117 Rdnr. 34).

 

Extrem geringgewichtige Neugeborene sind selten. Nach den Tragenden Gründen wurden ausweislich der Daten des Statistischen Bundesamtes (vgl. Tragende Gründe S. 33 Literaturverzeichnis Nr. 28) 2018 in Deutschland 787.523 Kinder geboren. 6.541 davon wurden als Früh- und Reifgeborene mit einem Aufnahmegewicht von kleiner als 1250 g versorgt (0,83%; Tragende Gründe S. 6 mit Bezugnahme auf den IQTIG-Bericht Dezember 2020 [Anlage 7 der Tragenden Gründe], dort S. 11 f Datenbeschreibung).

 

Für § 137 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB V a. F. hat das BSG weiter angenommen, dass die Qualität des Behandlungsergebnisses der planbaren Leistungen jedenfalls dann in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist, wenn eine Studienlage besteht, die nach wissenschaftlichen Maßstäben einen Zusammenhang zwischen Behandlungsmenge und -qualität wahrscheinlich macht. Hierbei ist nicht die Struktur- oder Prozessqualität, sondern allein die Qualität des Behandlungsergebnisses maßgeblich (BSG, Urteil vom 17. November 2015 – B 1 KR 15/15 R – juris Rdnr. 28). Der Gesetzgeber der Novelle zum 1. Januar 2016 durch das Krankenhausstrukturgesetz hat sich dies zu eigen gemacht und nimmt eine Abhängigkeit der Behandlungsqualität von der erbrachten Leistungsmenge an, wenn bei einer hochkomplexen Leistung ein nach wissenschaftlichen Maßstäben wahrscheinlicher Zusammenhang belegt werden kann.

„Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn eine Studienlage besteht, die auf einen Zusammenhang zwischen Menge und Qualität hinweist. Ein vollbeweisender Kausalzusammenhang zwischen Leistungsmenge und Ergebnisqualität ist ausdrücklich nicht erforderlich (BSG Urteil vom 12. September 2012, B 3 KR 10/12 R, Rdnr. 35 ff.; BSG Urteil vom 18. Dezember 2012, B 1 KR 34/12 R, Rdnr. 33 ff.). Neben wissenschaftlichen Studien können für die Ermittlung eines Zusammenhangs zwischen Menge und Qualität auch andere Quellen, aus denen Informationen zu relevanten Aspekten sichtbar werden, herangezogen werde“ (BT-Drucksache 18/5372 S. 85).

 

Zusammenfassend hängt die Qualität des Behandlungsergebnisses von der Menge der erbrachten Leistungen ab, wenn eine Studienlage besteht, die nach wissenschaftlichen Maßstäben einen Zusammenhang zwischen Behandlungsmenge und -qualität (hinreichend) wahrscheinlich macht. Nach Gesetzeswortlaut, Entstehungsgeschichte und Regelungssystematik ist dafür weder ein statistisch erwiesener Zusammenhang noch ein solcher nach dem Goldstandard der evidenzbasierten Medizin erforderlich (Senatsurteil vom 8. Juni 2023 – L 1 KR 475/21 KL – juris Rdnr. 59 unter Bezugnahme auf R. Klein in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 136b SGB V [Stand: 27.02.2023], Rdnr. 20). Dabei ist die Feststellung eines Zusammenhangs zwischen Leistungsmenge und Ergebnisqualität nicht hinsichtlich aller identifizierbaren Endpunkte erforderlich (vgl. BSG, Urteil vom 14. Oktober 2014 – B 1 KR 33/13 R – juris Rdnr. 42).

 

Die Abteilung Fachberatung der Medizin gelangt in ihrer Stellungnahme „AG Mindestmengen Volume-Outcome-Beziehungen bei der Versorgung Früh- und Reifgeborene: Literaturrecherche und Aufbereitung - Aktualisierung 2019 -“ (Anlage 3 der Tragenden Gründe) zu dem Ergebnis, dass bei insgesamt 12 Studien im Zeitraum von November 2007 bis April 2019 in der Gesamtschau ein Zusammenhang zwischen der Leistungsmenge (Volume) und der Ergebnisqualität (Outcome) bei der Behandlung von Frühgeborenen (VLBW-I, very low birth weight-infants) in dem Sinne existiert, dass sich bei höherer Leistungsmenge das Mortalitätsrisiko verringert. Einbezogen in die Recherchen waren dabei Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht ≤ 1500 g oder einem Gestationsalter ≤ 32igste Schwangerschaftswoche (SSW) unter besonderer Berücksichtigung derer mit einem Geburtsgewicht kleiner gleich 1250 g oder einem Gestationsalter von < 29 SSW (Anlage 3 der Tragenden Gründe S. 5). Die beiden aktuellen Studien aus Deutschland wiesen einen statistischen Zusammenhang zwischen der Leistungsmenge einerseits und der Hospitalitäts-Mortalität bzw. unterschiedlichen Morbidität-Outcomes andererseits aus. Insgesamt sei zwar zu beachten, dass die analysierten Studien durch Heterogenität und methodische Limitationen in der Studien- und Berichtsqualität geprägt seien. Die jetzt neu vorgelegten Ergebnisse stünden aber in Übereinstimmung mit den bisherigen Erkenntnissen durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) in dessen Abschlussbericht „Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Ergebnis bei der Versorgung von Früh- und Neugeborenen mit sehr geringem Geburtsgewicht“ Stand 14.08.2008 (Anlage 1 der Tragenden Gründe) sowie der eigenen Stellungnahme aufgrund des Auftrages des Beklagten vom 10. Januar 2017 (Anlage 2 der Tragenden Gründe; Anlage 3 der Tragenden Gründe S. 14).

 

Darüber hinaus hat der Beklagte das IQTIG mit einer „Datenauswertung zu Mindestmengen in der Versorgung von Frühgeborenen mit einem Aufnahmegewicht unter 1250 g“ beauftragt (Abschlussbericht Stand 22. Juni 2020, Anlage 6 der Tragenden Gründe). Das IQTIG gelangt zu dem Ergebnis, dass ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und risikoadjustierter Sterbewahrscheinlichkeit feststellbar ist. Der Zusammenhang sei monoton fallend und auf Logitebene annähernd linear. Mit einer Zunahme der Fälle sinke das Sterberisiko bei sonst identischer Fallkonstellation (Anlage 6 der Tragenden Gründe S. 58). Die einzelnen Studienergebnisse sind in den Tragenden Gründe selbst wie folgt zusammengefasst (Tragende Gründe S. 14f):

„Für die Untersuchung des Zusammenhangs zwischen der Leistungsmenge und der Qualität des Behandlungsergebnisses wurden in die aktualisierten Recherchen der Abteilung Fachberatung Medizin der G-BA Geschäftsstelle insgesamt 12 Beobachtungsstudien eingeschlossen ([5], [6], [7], [10], [14], [16], [19], [20], [21], [23], [32], [33]). Diese eingeschlossenen Studien haben Daten zur Zielgröße Mortalität, zu Zielgrößen der Morbidität oder zur Mortalität und Morbidität erhoben und mindestens zu einer Zielgröße verwertbare Ergebnisse berichtet.

In 11 der 12 eingeschlossenen Studien wurde die kurzfristige Mortalität, operationalisiert als Krankenhaussterblichkeit ([7], [10], [16], [19], [20], [21], [33]), als Tod innerhalb von 28 Tagen ([6], [5], [32]) oder als Tod innerhalb von 30 Tagen [14] nach der Geburt, untersucht. Zwei dieser Studien untersuchten als Operationalisierung der kurzfristigen Mortalität zudem die Mortalität innerhalb eines Jahres bei kontinuierlicher Hospitalisierung ([6], [5]). Die langfristige Mortalität wurde in den eingeschlossenen Studien nicht betrachtet.

In 10 dieser 11 Studien zeigte sich ein statistisch signifikanter Unterschied bei der Ergebnisqualität im Hinblick auf die Mortalität zugunsten der Krankenhäuser mit hoher Leistungsmenge im Vergleich zu Krankenhäusern mit niedriger Leistungsmenge. Eine Studie aus Italien [7] konnte in einem achtmonatigen Erhebungszeitraum bei freiwillig teilnehmenden Krankenhäusern keinen signifikanten Zusammenhang zwischen der Leistungsmenge und der Krankenhaussterblichkeit feststellen. Dieses Studienergebnis lässt sich aufgrund der eingeschränkten Berichtsqualität und dem Verzerrungsrisiko (freiwillige Teilnahme) schwer interpretieren. Drei der 11 Studien mit der Zielgröße Mortalität zeigen für die Subgruppe der Früh- und Reifgeborenen mit einem Geburtsgewicht unter 1.250 g ([10], [21]) oder einem Gestationsalter von < 29 + 0 SSW [32] ebenfalls einen signifikanten Zusammenhang zugunsten der Krankenhäuser, die eine höhere Anzahl dieser sehr kleinen Kinder versorgen.

Zu Zielgrößen der Morbidität werden von drei Studien Angaben gemacht. Zwei Studien ([19], [32]) zeigen neben der Mortalität für einzelne Morbiditäts-Endpunkte einen Zusammenhang mit der Leistungsmenge. Bei Jensen [19] war dies der schwer zu interpretierende kombinierte Endpunkt „Tod oder IVH“ (= Intraventrikuläre Hämorrhagie). In der Studie von Watson [32] wurde bei der Subpopulation der Kinder ≤ 26 SSW ein Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und der Bronchopulmonalen Dysplasie festgestellt. In der deutschen prospektiven Kohortenstudie von Miedaner [23] wurden ausschließlich Morbiditätsendpunkte untersucht. In dieser Studie hatten die Früh- und Reifgeborenen mit einem Geburtsgewicht von < 1500 g in Krankenhäusern mit geringerer Leistungsmenge ein signifikant höheres Risiko für eine Intraventrikuläre Hämorrhagie, Interventionen bei ROP (= Retinopathie (of prematurity)) und dem Auftreten einer Periventrikulären Leukomalazie [23]. Keine Volumeneffekte zeigten sich in dieser Studie für die anderen untersuchten Morbiditätsoutcomes (Nekrotisierende Enterokolitis, Bronchopulmonale Dysplasie, Fokale intestinale Perforation).

Eine weitere, im Oktober 2020 publizierte Studie von Heller et al. zeigte einen Zusammenhang zwischen Fallzahl pro Jahr (Früh- und Reifgeborenen mit einem Geburtsgewicht unter 1.500 g) und dem durchschnittlichen einrichtungsspezifischen Sterberisiko [15]. Inwieweit dieser Zusammenhang statistisch signifikant ist, lässt sich nicht beurteilen, da Angaben zu Konfidenzintervallen fehlen.

Über die Literaturrecherche hinausgehend hat der G-BA am 20. Juni 2019 das IQTIG mit einer Datenanalyse zum Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Qualität des Behandlungsergebnisses beauftragt. Für die Auswertungen standen dem IQTIG zwei Datengrundlagen zur Verfügung. Zum einen wurden die Daten der externen stationären Qualitätssicherung (esQS) aus dem QS-Verfahren Neonatologie verwendet. Zum anderen standen die Daten der verpflichtenden zentralen Ergebnisveröffentlichung nach der QFR-RL zur Verfügung. Hierbei wurden die Daten der letzten Ergebnisveröffentlichung, mit den Datenjahren 2014 bis 2018, deren Veröffentlichung am 1. Dezember 2019 stattfand, verwendet. Der Abschlussbericht des IQTIG wurde dem G-BA am 22. Juni 2020 vorgelegt (Anlage 6).

Während bei der Mehrzahl der aufgefundenen Literaturstellen vorwiegend Effekte in Bezug auf Frühgeborene bis zu einem Gewicht von 1.500 g untersucht wurden und diese Ergebnisse nur mittelbar auf Frühgeborene mit einem Aufnahmegewicht von bis zu 1.250 g übertragbar sind, wurde die Datenanalyse direkt mit Bezug zu der für diesen Beschluss maßgeblichen Gewichtsgrenze (unter 1.250 g) beauftragt.“

 

Die Fachberatung Medizin weist dabei selbst daraufhin, dass die analysierten Studien durch Heterogenität und methodische Limitationen geprägt sind. Durchgreifende Zweifel am deutlichen Ergebnis zeigen sich auch aus Sicht des Senates dennoch nicht. Es besteht eine Studienlage, bei der nach wissenschaftlichen Maßstäben ein Zusammenhang zwischen Behandlungsmenge und Behandlungsqualität wahrscheinlich ist.

 

Die Klägerinnen greifen diesen Schluss nicht mit Erfolg an. Soweit sie auf die Studie von A. Trotter „Qualität der Versorgung sehr kleiner Frühgeboren in Deutschland – Auswertung öffentlich verfügbarer Daten der Perinatalzentren von 2014 bis 2018 (Anlage K 2 GA Bl. 75 ff) abstellen, in der zusammenfassend signifikante Effekte erst ab einer Fallzahl von mehr als 170 (Mortalität) bzw. 100 (Morbidität) festgestellt werden, vermag dies die Studienlage nicht entscheidend zu widerlegen. Dies gilt bereits deshalb, weil es auch danach einen Zusammenhang gibt. Diskutiert werden in der Untersuchung nur adjustierte Fallzahlen, weil die nicht adjustierten keine signifikaten Regressionen zur Überlebenswahrscheinlichkeit erbracht hätten (Trotter, Z Geburth Neonatol 2021, 225. 74-79; https://www.thieme-connect.de/products/ejournals/html/10.1055/a-1350-3953, S. 76). Die Risikoadjustierung ist ein Instrument der Qualitätssicherungsrichtlinie (vgl. Anlage zum Beschluss des Beklagten über eine Änderung seines Beschlusses vom 22. November 2018 über die Veröffentlichung des Modells zur Risikoadjustierung gemäß § 7 Absatz 2 S. 3 der Anlage 4 QFR-RL vom 16. Mai 2019 lit. c):

„Die risikoadjustierte Fallzahl wird ermittelt, um ein genaueres Bild über die Anzahl und Erkrankungsschwere der behandelten Patienten eines Perinatalzentrums zu erhalten. Dazu wird ein Risikoadjustierungsmodell analog zu Abschnitt a) für das Versterben von Frühgeborenen geschätzt und die Summe der erwarteten Sterbefälle für jedes Perinatalzentrum aufsummiert. Um nicht die erwarteten Sterbefälle, sondern eine unter dem jeweiligen Risikokollektiv erwartete Fallzahl (=risikoadjustierte Fallzahl) auszuweisen, wird der so erhaltende Wert eines Perinatalzentrums mit dem Kehrwert der durchschnittlichen Gesamtsterberate multipliziert. Fälle mit einem geringeren Risiko haben daher einen geringeren Einfluss als Fälle mit einem hohen Risiko. Dieser Wert wird als risikoadjustierte durchschnittliche Anzahl der behandelten Fälle pro Jahr angegeben.“

 

Auch nach der Studie von Trotter hat sich unter der Annahme eines linearen Zusammenhangs für das Überleben ohne schwere Erkrankungen ein signifikanter Zusammenhang nachweisen lassen, wenn dieser in der Studie auch als klein bewertet wird. Danach lassen sich 9% der Variabilität der Mortalität bzw. 3% der Varianz des relativen Überlebens ohne schwere Erkrankungen über die Fallzahl erklären (Trotter, a. a. O.). Die Klägerinnen können damit den Schluss des Beklagten aus der von ihm herangezogenen Studienlage gerade nicht widerlegen. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob der Einwand des Beklagten gegen die Studie, berechtigt ist, dass die dort verwendeten Datensätze nur einer patientenseitigen Risikoadjustierung unterworfen seien und die nötige weitere Adjustierung von Einflussgrößen unterblieben sei, um Krankenhäuser adäquat im Hinblick auf den Effekt der Fallzahl miteinander vergleichen zu können.

 

Dass das IQTIG und die Fachberatung des Beklagten die Studienlage nicht vollständig ermittelt hätten, tragen die Klägerinnen nicht vor und ist auch sonst nicht ersichtlich.

 

Soweit die Klägerinnen in diesem Zusammenhang die Auffassung vertreten, eine Steuerung über die beobachtete Mortalität sei effektiver als eine Steuerung über die Menge, betrifft dies nicht den festzustellenden Zusammenhang zwischen der Leistungsmenge pro Krankenhaus und den Zielgrößen, sondern den Sinn einer konkreten Mindestmengenregelung und damit die Verhältnismäßigkeit des Beschlusses (dazu sogleich unter 2.5).

 

2.4 Aufgrund der von der Fachabteilung des Beklagten und dem IQWiG ermittelten Studienlage und ihren fachlichen Bewertungen, welche sich auch der Senat in eigener Überzeugung anschließt, spiegelt sich in dem wahrscheinlichen Zusammenhang zwischen Menge und Mortalität bzw. Morbidität die wissenschaftliche Erkenntnis wider, dass aufgrund des notwendigen interdisziplinären Zusammenwirkens, der nötigen pflegerischen Erfahrung und Geschicklichkeit und einer fortlaufenden Übung sowie entsprechend der sachlichen Ausstattung im Krankenhaus eine Reduktion der Sterblichkeit und der Erkrankungen erreichbar ist:

Wie der Beklagte in den Tragenden Gründen ausführlich dargelegt hat, ergibt sich die besondere Herausforderung und Komplexität der Versorgung aus dem besonders hohen Risiko der Sterblichkeit bzw. aus einem besonders hohen Risiko frühkindlicher Behinderungen. Zunächst ist es deshalb das Ziel, die Frühgeburt hinauszuzögern. Eine drohende Frühgeburt muss möglichst rechtzeitig erkannt und verhindert werden. In dieser Phase ist primär der Sachverstand von Gynäkologen, Hebammen und Entbindungspflegern erforderlich. Die komplexe Teamleistung beginnt zeitlich anschließend mit dem interdisziplinär, das heißt durch Geburtsmedizin und Neonatologie, festzulegenden Zeitpunkt der Geburt, der möglichst erst nach abgeschlossener Lungenreife-Behandlung oder jedenfalls nach deren Beginn erfolgen soll. Bei der unmittelbar postnatalen Versorgung des Frühgeborenen nach der Geburt soll möglichst reibungslos die Umstellung der Kreislaufverhältnisse erfolgen und die Atmung etabliert werden (Tragende Gründe S. 7). Dabei erfordert bei Frühgeborenen, deren Lungen noch nicht voll entwickelt sind, das sogenannte Atemnotsyndrom besondere Erfahrung sowohl bei der Behandlung der Schwangeren vor der Entbindung als auch bei der Versorgung des Kindes danach. Diese kritische Phase ist dadurch gekennzeichnet, dass der Beginn der Lungenatmung möglichst schonend, das heißt ohne Lungenüberdehnung und ohne unnötig hohe Sauerstoffgabe erfolgen soll. Dafür ist aufgrund der anatomischen Verhältnisse der sehr kleinen Frühgeborenen u. a. ein hohes Maß an manueller Geschicklichkeit erforderlich, z. B. bei der Anlage einer Atemhilfe, der Intubation, der ggf. erforderlichen Minimal-Invasiven Surfactant-Applikation (also der Verabreichung von Surfactant; Substanz zur Verringerung der Oberflächenspannung im Oberflächenfilm der Alveolen) und dem Legen von peripheren und/oder zentralen Zugängen (Tragende Gründe S. 8). Auch anschließend ist Erfahrung und Kenntnisreichtum von Nöten, um typische Komplikationen rechtzeitig zu erkennen (Infektionen, nekrotisierender Enterokolitis, Verschlechterung der Beatmung oder Instabilität nach Beendung der Beatmung), um eine zielgerichtete, geübte und schonende Behandlung sicher zu stellen. Die Entwicklung dieser Komplikationen wird in diesem Stadium potentiell begünstigt oder verhindert. So gestattet nur der sehr kritische und genaue Umgang mit Sauerstoff die optimale Voraussetzung für die Verhinderung einer Frühgeborenen-Retinopathie, die zwar erst wesentlich später therapiepflichtig wird, deren Entstehung aber fast immer aus den ersten Lebenswochen resultiert (Tragende Gründe S. 9 unter Bezugnahme auf die einschlägige Leitlinie, vgl. Tragende Gründe S. 31f Literaturverzeichnis Nr. 13 und einen Aufsatz Nr. 25). Die Komplikationen sind bei kleinstgewichtigen Frühgeborenen sehr viel häufiger und schwerwiegender. So können zum Beispiel Septikämien für Frühgeborene innerhalb weniger Stunden tödlich verlaufen. Das Früherkennen minimaler klinischer Anzeichen, die nur bei einschlägiger Erfahrung des gesamten Teams gelingen kann, ist entscheidend für das Überleben des Kindes (Tragende Gründe S. 9). Aufgrund des noch unreifen Immunsystems haben Früh- gegenüber Reifgeborenen ein deutlich erhöhtes Infektionsrisiko. Entscheidend ist das rechtzeitige Erkennen der sich entwickelnden Infektion. Die Laborwerte sind zwar wichtig und hilfreich, kritisch ist aber vor allem die Beachtung minimaler klinischer Zeichen wie Temperaturinstabilität, verzögerte Kapillardurchblutung oder Irritabilität, die dann ggf. eine entsprechende Diagnostik und eine unverzügliche Therapie erfordern. Für die Früh- und rechtzeitige Erkennung dieser kritischen Frühzeichen ist eine ausreichende Teamerfahrung essenziell. Das gilt in ähnlicher Weise für die nekrotisierende Enterokolitis, die bei Frühgeborenen ungleich häufiger als bei Reifgeborenen auftritt. Auch insoweit gilt es, minimale klinische Anzeichen richtig einzuordnen und rasch zu behandeln (Tragende Gründe S. 9).

 

Zusammenfassend heißt es in den Tragenden Gründe (S. 17):

„Die Versorgung von Frühgeborenen ist ein langwieriger Prozess. Sie ist durch einen im Vergleich zu mittels OPS-Codes abrechenbaren Prozeduren über Tage oder Wochen andauernden Zeitraum gekennzeichnet. Auch deswegen kann diese Leistung nicht maßgeblich von einer Einzelperson erbracht oder wesentlich in ihrem Ergebnis beeinflusst werden. Die Leistung ist außerdem wesentlich durch permanente Überwachung und Kontrolle von Vitalparametern gekennzeichnet. Diese Leistung lebt von einer reibungslosen Arbeitsaufteilung im Schichtsystem. Das hohe Ausbildungs- und Expertise-Niveau muss über alle Tages- und Nachtzeiten hinweg aufrechterhalten werden. Die Erbringung dieser Leistung setzt also wesensimmanent immer das Vorhandensein eines fachlich qualifizierten Teams voraus. An diesem Team sind zudem unterschiedliche Professionen regelhaft beteiligt, für welche die QFR-RL Mindestqualifikationen und Mindest-Besetzungsschlüssel im Detail vorschreibt.“

 

2.5 Auch die konkrete Mindestmengenfestlegung auf 25 ist nicht zu beanstanden.

 

Das Gesamtabwägungsergebnis des Beklagten, insgesamt sei die Mindestmenge von 25 innerhalb der denkbaren Bandbreite von 10 bis 50 einerseits hoch genug, um angesichts des besonderen Schwierigkeitsgrades eine Gelegenheitsversorgung auszuschließen, und andererseits niedrig genug, um eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten, stellt sich als vertretbar und verhältnismäßig dar. Die Annahme, die Mindestmenge von 25 berücksichtige die maßgeblichen betroffenen Belange angemessen, sei aber hoch genug, um mit einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit zu verbesserten Behandlungsergebnissen zu gelangen, ist beurteilungsfehlerfrei und bewegt sich daher im Rahmen des Gestaltungsspielraums des Beklagten als Normgeber.

 

Der Beklagte hat im Rahmen der Gesamtabwägung die Vorgabe seiner VerfO (§ 17 Abs. Kap. 8 Abschn. 2 VerfO) berücksichtigt, wonach bei der Festlegung der Höhe der Mindestmenge zumindest eine Gelegenheitsversorgung ausgeschlossen sein soll. Bei mindestens 25 kleinen Patienten pro Jahr, das bedeutet ungefähr zwei Geburten bzw. Aufnahmen pro Monat, kann von mehr als nur einer gelegentlichen Versorgung ausgegangen werden (Tragende Gründe S. 24).

 

Andererseits sei die Mindestmenge niedrig genug, um eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung auch unter Berücksichtigung einer QFR-RL konformen Personalausstattung an den verbleibenden Standorten zu gewährleisten. Die mit der Mindestmenge verbundenen Vorteile, nämlich die wahrscheinliche Verbesserung der medizinischen Versorgung im beschriebenen Leistungsbereich und damit vor allem die Verminderung des Mortalitätsrisikos überwögen gegenüber den Nachteilen, die für die betroffenen Leistungserbringer (fehlende Planungssicherheit, Fehlinvestition) oder für die Eltern z.B. aufgrund der verlängerten Transport- und Anfahrtswege entstünden (Tragende Gründe S. 24). Eingestellt hat der Beklagte ferner den Umstand, dass es keinen erkennbaren Schwellenwert gibt (Tragende Gründe S. 20). Er hat auch in die Erwägungen einbezogen, welche Auswirkungen eine Patientenumverteilung aufgrund der Personalanforderung der QFR-RL bewirken. Die Zentralisierungseffekte der Mm-R führten über die damit verbundene Patientenumverteilung zu einem Fallzahlanstieg bei den verbleibenden Standorten und dort zu einem erhöhten Personalbedarf. Der Beklagte hat aufgrund der absehbaren Personalengpässe eine Übergangsregelung geschaffen, um es den Zentren zu ermöglichen, sich auf die geänderten Anforderungen einzustellen.

Das IQTIG gelangt für seine Simulation einer jährlichen Mindestmenge von 25 pro Krankenhausstandort zum Ergebnis, dass die durchschnittliche Wegstrecke zum nächst gelegenen Krankenhausstandort bei 24 Minuten Fahrzeit bei einer Wegstrecke von durchschnittlich 24 Kilometer liege. Die Fahrzeiten/Wegstrecken verlängerten sich gegenüber der Ausgangslage im Durchschnitt um 7 Minuten/10 Kilometer. Dabei unterstellt das IQTIG im sogenannten „Modell A“ die Ausgangslage, es gäbe bislang gar keine Mindestmengenregelung (Anlage 7 der Tragenden Gründe S. 14, 17). Beim „Modell B“ wird berücksichtigt, dass seit 2018 eine Mindestmenge von 14 Behandlungsfällen existiert, so dass 154 Krankenhausstandorte verbleiben. Die daraus basierenden Fahrzeiten zum nächstgelegenen Krankenhausstandort liegen im Durchschnitt bei 23 Minuten bzw. einer Wegstrecke von durchschnittlich 22 Kilometern. Eine Erhöhung auf 25 führte zum Ausschluss von 18 Krankenhausstandorten, so dass 124 verbleiben. Die darauf basierenden Fahrzeiten liegen im Durchschnitt bei 25 Minuten bei einer durchschnittlichen Wegstrecke von 24 km. Die Fahrzeiten/Wegstrecken verlängern sich gegenüber der Ausgangslage im Durchschnitt um 2 Minuten/2 km (Anlage 7 der tragenden Gründe S. 24, 26). Diese verlängerte Fahrtwegstrecke bzw. Fahrzeit stellt sich auch aus Sicht des Senats als vertretbar dar. Hierzu kann auf die Stellungnahme der Patientenvertretung in der Plenumssitzung am 17. Dezember 2020 verwiesen werden.

 

Weiter heißt es bei IQTIG:

„Bei den zusätzlichen Auswertungen für das Modell B wurde zunächst eine Umverteilung ab einer Mindestmenge von 14 in Einerschritten bis zur Mindestmenge iterativ vorgenommen. Zusätzlich wurde berücksichtigt, dass Krankenhäuser, die mehr als 14 Fälle behandelt haben, aber kein Perinatalzentrum Level 1 darstellen, keine Fälle zugewiesen bekommen.“

 

Das IQTIG beschreibt das angewendete Verfahren wie folgt (Anlage 7 der Tragenden Gründe S. 10):

„Der verwendete Simulator KHSIM leitet aus einem vorgegebenen Mindestmengen-Fallvolumen ab, welche und wie viele Krankenhausstandorte von der Versorgung nach der Einführung dieser konkreten Mindestmenge ausgeschlossen würden. Dabei werden auch „sekundäre Umverteilungen“ berücksichtigt, indem die in den zu schließenden Krankenhausstandorten versorgten Patientinnen und Patienten auf umliegende Krankenhäuser umverteilt werden. Der Algorithmus der Software „verlegt“ Fälle aus Krankenhäusern unterhalb einer simulierten Mindestmenge in den jeweils nächstgelegenen Krankenhausstandort. Grundlage für die Ermittlung des Standortes der Patientinnen bzw. Patienten ist die in den §21-Daten angegebene fünfstellige Postleitzahlen (PLZ5), die dem Hauptwohnsitz der entsprechenden versicherten Person entspricht. Der KHSIM schließt bei jedem Szenario einer Mindestmenge die Krankenhäuser stets schrittweise aus und verlegt deren Patientinnen und Patienten in die nächstgelegenen Einrichtungen. Das heißt, dass in Modell A ab einer Mindestmenge von 1 in Einerschritten ansteigend bis zur angegebenen Mindestmenge iterativ umverteilt wird. Die Umverteilung beginnt mit dem Krankenhausstandort mit der geringsten Fallzahl und wird so oft durchgeführt, bis alle Fälle in Einrichtungen umverteilt wurden, dass alle verbliebenen Krankenhäuser die festgelegte Mindestmenge erfüllen. Die sekundäre Umverteilung führt demnach zu niedrigeren Ausschlüssen anhand der Mindestmenge, als die Fallzahlen vor der Umverteilung erwarten lassen.“

 

Das IQTIG selbst schildert allerdings, dass die Simulationen mit Hilfe einer vom Beklagten vorgegebenen Software („Krankenhaus-Versorgungs-Simulator“ [KHSIM] der Firma t) mit größeren Schwierigkeiten verbunden gewesen seien (vgl. Anlage 7 der Tragenden Gründe S. 9 und S. 41). Die Klägerinnen bemängeln dies und den Umstand, dass die verwendeten Algorithmen selbst nicht bekannt seien. Dass die verwendeten Daten unzutreffend sind, ist jedoch weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich.

 

Im IQTIG-Bericht sind der Umverteilungsalgorithmus und die Software recht ausführlich beschrieben (vgl. Anlage 7 der Tragenden Gründe S. 10f zum Einsatz der Raumordnungssystematik „PLZ8“ der Firma m GmbH, welche Deutschland in 82.974 Raumeinheiten aufteilt, zur Verwendung von PKW-Fahrzeiten aufgrund des angegebenen Kartenmaterials und der Ermittlung der durchschnittlichen Fahrtzeit auf der schnellsten Route und sowie zur Umrechnung der vorhandenen Daten zum Wohnort der tatsächlichen Versicherten in Form der „PLZ5“ als Teil der „§21-Daten“).

 

Das IQTIG führt aus, dass keine Validierungen oder Gegenrechnungen der Ergebnisse möglich gewesen seien. Auch habe nicht evaluiert werden können, inwieweit die Programmierung durch t fehlerfrei erfolgt sei, noch wie stark die Ergebnisse variierten, wenn ein anderer Umverteilungsalgorithmus gewählt, oder andere Datenjahre zur Berechnung herangezogen worden wären (Anlage 7 der Tragenden Gründe S. 9). Im Rahmen der Diskussion heißt es dann (S. 41):

„Es ist zu erwähnen, dass die dargestellten Ergebnisse mit Hilfe eines Excel-Plug-in in der Analysesoftware erstellt wurden. Diese wird mittels des Excel-Plug-in bedient, dessen Skript nicht einsehbar und daher nicht überprüfbar ist. Dem IQTIG ist der Algorithmus der Umverteilung und der Berechnung der Fahrzeiten somit nicht bekannt. Die Ansteuerung der Software kann nur durch vielfältige, immer wiederkehrende Parametereingabe von Hand über insg. in Modell A 12 Auswertungsstufen und in Modell B über 13 Auswertungsstufen erfolgen, was per se ein gewisses Prozessrisiko mit sich bringt. Mangels eines Protokollskripts kann das Vorgehen auch retrospektiv nicht nachvollzogen und damit auch nicht gezielt qualitätsgesichert bzw. sicher reproduziert werden.

Vor diesem Hintergrund empfiehlt das IQTIG, bei künftigen Beauftragungen, eine Umstellung bzw. Entwicklung einer skriptbasierten Ansteuerung der Analysesoftware zu beauftragen. Dies würde mögliche Fehlerquellen deutlich reduzieren wie auch perspektivisch deutliche Ressourceneinsparungen und so zeitnahe Bearbeitungen derartiger Analysen ermöglichen.“

 

Auch wenn das Institut für künftige Fälle die Umstellung bzw. Entwicklung einer skriptbasierten Ansteuerung der Analysesoftware und der Senat dem grundsätzlich beitritt, werden hierdurch die gewonnenen Ergebnisse nicht relativiert. Vielmehr geht das IQTIG selbst offenbar von einer Verwertbarkeit ohne Einschränkung aus. Dass es – wie die Klägerinnen meinen - keine Verantwortung übernehmen wolle, lässt sich seinem Bericht nicht entnehmen.

 

Der Einwand der Klägerinnen, dass der Beklagte eine Änderung vorgenommen habe, weil nur diejenigen Neugeborenen auf die Fallzahl angerechnet werden, die am Tag der Geburt oder einen Tag später aufgenommen wurden, zeigt einen relevanten Fehler nicht auf. Die Beweggründe für diese Änderung hat der Beklagte in den Tragenden Gründen dargestellt (dort S. 4). Damit soll einem ungerechtfertigten Verlegungsgeschehen von vornherein entgegengewirkt werden. Diese Anpassung ist insoweit sachlich begründet. Umgekehrt sei darauf hingewiesen, dass eine Präzisierung zugunsten der Level-1-Zentren erfolgt ist durch den Umstand, dass das Aufnahmegewicht maßgeblich ist und nicht (nur) das Geburtsgewicht.

 

Eine Unverhältnismäßigkeit der Mindestmengenanhebung liegt nach Auffassung des Senats nicht vor.

 

Mindestmengenregelungen sind selbst dann zur Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut geeignet, erforderlich und angemessen, wenn sie Eingriffe in die Berufswahlfreiheit aus Art. 12 GG darstellen sollten, soweit der Beklagte mit ihnen den Schutz von Gesundheit und Leben der Bevölkerung erstrebt (Senatsurteil vom 8. Juni 2023 – L 1 KR 475/21 – KL – juris Rdnr. 104 unter Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 17. November 2015 – B 1 KR 15/15 R - juris Rdnr. 42 –, BVerfGE 126, 112, 140). Diese Rechtfertigung greift auch hier.

 

Die etwaige Auffassung des BSG in seinem Urteil vom 12. September 2012 (- B 3 KR 10/12 R, BSGE 112, 15, juris Rdnr. 38 ff.), dass Mindestmengenregelungen, welche die einschlägigen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllten, gleichwohl durch andere Qualitätssicherungsmaßnahmen substituierbar und deswegen unverhältnismäßig sein können, hat der für das Krankenhausrecht allein zuständige Erste Senat klarstellend aufgegeben (BSG, Urteil vom 17. November 2015 – B 1 KR 17/17 R – juris Rdnr. 43).

 

Der Beklagte führt in den Tragenden Gründen zu Recht aus, bei dem mit der Mindestmengenanhebung verfolgten Zweck des Schutzes von Gesundheit und Leben der Früh- und Reifgeborenen mit einem Aufnahmegewicht von unter 1250 g durch die Verbesserung der Ergebnisqualität in Bezug auf Mortalität sowie therapiebedingte und tödliche Komplikationen handele es sich um ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut. Für Relativierungen wie sie die Klägerinnen vornehmen wollen, indem sie zuletzt eine Verringerung der jährlichen Anzahl der Sterbefälle um nur wenige Fälle nicht für geeignet halten, eine Anhebung der Mindestmenge zu rechtfertigen, ist aus Sicht des Senats angesichts der überragenden Wichtigkeit des Schutzes menschlichen Lebens kein Platz. Für die Krankenhausträger mildere, aber gleich geeignete Qualitätssicherungsmaßnahmen oder sonstige Regelungen zur Leistungserbringung sind für den Senat nicht erkennbar. Es ist auch zwanglos davon auszugehen, dass jedenfalls die große Mehrheit der Schwangeren bzw. werdenden Eltern und ihre Angehörige angesichts der großen Gefahren für Leib und Leben, Dauerschäden und Behinderungen des Frühgeborenen lieber weitere Wege ins Krankenhaus in Kauf nehmen, um das Risiko möglichst gering zu halten (vgl. auch die Stellungnahme der Patientenvertretung im Rahmen der Plenumssitzung des Beklagten am 17. Dezember 2020; S. 80 der Niederschrift zur 60. Sitzung des Plenums des Gemeinsamen Bundesausschusses am 17. Dezember 2020).

 

Dass – wie die Klägerinnen vortragen - die Simulationen des IQTIG ein Verfahren vorsehen, das nur vom Ausscheiden eines Krankenhauses aufgrund Nichterfüllung der Mindestmengenprognose pro Jahr ausgehe und nur dessen Patienten umverteile, ist nicht ersichtlich.

 

Dass die Übergangsregelungen zu kurz griffen, ist abschließend ebenfalls nicht ersichtlich. Der Beklagte konnte und kann berücksichtigen, dass mit § 136b Abs. 5a S. 1 SGB V nach wie vor ein Instrument zur Verfügung steht, mit dem die Landesbehörde Ausnahmen bestimmen kann. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die Mindestmenge nach § 136 b Abs. 5 a S. 1 SGB V gerade dann nicht angewendet werden, wenn die Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung gefährdet sein könnte, insbesondere durch verlängerte Transport- oder Anfahrtswege, welche die wahrscheinliche Verbesserung der medizinischen Versorgung voraussichtlich überwögen. Auch die Landesverbände der Krankenkassen und den Ersatzkassen haben dann das Einvernehmen zu erteilen (vgl. BT-Drucksache 19/35060 S. 46), wie vorliegend auch in Bezug auf zwei Klägerinnen geschehen.

 

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 SGG i. V. m. §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

 

IV. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor. Der Senat wendet die gesetzlichen Regelungen an und setzt die höchstrichterliche Rechtsprechung um. Im Übrigen handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung

 

Rechtskraft
Aus
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