L 9 AL 214/22

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 1 AL 90/22
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 AL 214/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 25.10.2022 geändert.

Die Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 13.01.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.01.2022 verurteilt, dem Kläger ab 01.01.2022 Arbeitslosengeld iHv 89,69 Euro täglich zu zahlen.

Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt höheres Arbeitslosengeld unter Einbeziehung einer Einmalzahlung im November 2021.

Der N01 geborene Kläger war seit 2008 bis zum 31.12.2021 Fraktionsgeschäftsführer der Fraktion H. in der Z. N.. Das Arbeitsverhältnis war zuletzt bis zum 31.12.2021 befristet. Ursprünglich war eine wöchentliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden vereinbart. Mit Änderungsvertrag vom 21.06.2021 wurde die wöchentliche Arbeitszeit ab August 2021 auf 30 Stunden reduziert, das Gehalt verringerte sich entsprechend. Im November 2021 erhielt der Kläger eine Einmalzahlung (Weihnachtsgeld) iHv 3.491,54 €. Der Kläger hat ein im Jahr 2007 geborenes Kind, für das er Kindergeld bezieht.

Von Januar 2021 bis Dezember 2021 erzielte der Kläger ein Gehalt von insgesamt 66.929,60 €. Von Januar 2021 bis Juli 2021 (212 Tage) erzielte der Kläger 40.856,06 €. Rechnet man zu diesem Zeitraum noch den November 2021 mit der Einmalzahlung hinzu (insgesamt 242 Tage), erhöht sich das Gehalt auf 48.864 €.

Der Kläger meldete sich im Mai 2021 arbeitsuchend und am 19.11.2021 mit Wirkung zum 01.01.2022 persönlich arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Nach der Arbeitsbescheinigung vom 13.12.2021 waren zu diesem Zeitpunkt die Monate Januar 2021 bis November 2021 abgerechnet. Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 06.01.2022 vorläufig Arbeitslosengeld vom 08.01.2022 bis 29.12.2023 iHv 86,08 € kalendertäglich.

Mit Bescheid vom 13.01.2022 bewilligte die Beklagte Arbeitslosengeld vom 01.01.2022 bis zum 30.12.2023 iHv 86,08 € kalendertäglich. Der Berechnung liegt ein Bemessungsentgelt von 192,72 € zugrunde, daraus ergebe sich nach Abzug der Sozialversicherungspauschale iHv 38,54 € und der Lohnsteuer iHv 25,70 € ein Leistungsentgelt iHv 128,48 €. Dies führe bei dem erhöhten Leistungssatz von 67% zu einem Anspruch auf Arbeitslosengeld iHv 86,08 € täglich.

Am 21.01.2022 legte der Kläger Widerspruch gegen die Bescheide vom 06.01.2022 und 13.01.2022 ein. Die Berechnung des Arbeitslosengeldes sei nicht zutreffend. Die Reduzierung des Entgelts aufgrund der Teilzeitvereinbarung sei nicht zu berücksichtigen, wohl aber die Einmalzahlung aus November 2021. Diese sei zudem auf eine Vollzeitstelle hochzurechnen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 31.01.2022 zurück.

Mit Schreiben vom 09.02.2022 reichte der Kläger eine korrigierte Arbeitsbescheinigung seines ehemaligen Arbeitgebers ein. Von August 2021 bis Dezember 2021 bezog der Kläger danach durchgehend ein Bruttoentgelt iHv 4.516,40 €. Die Beklagte wertete das Schreiben als Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X, den sie mit Bescheid vom 22.02.2022 ablehnte, weil sich auch bei Berücksichtigung des Gehalts für Dezember 2021 kein höherer Anspruch ergebe.

 Der Kläger hat am 24.02.2022 Klage erhoben. Er hat geltend gemacht, die Einmalzahlung aus November 2021 müsse anteilig berücksichtigt werden, soweit sie auf den Zeitraum 01.01.2021 bis 31.07.2021 entfalle.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Änderung der Bescheide vom 06.01.2022 und 13.01.2022 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31.01.2022 zu verurteilen, ihm ab 01.01.2022 Arbeitslosengeld unter Berücksichtigung einer anteiligen Einmalzahlung zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat ihre Bescheide für rechtmäßig gehalten.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 25.10.2022, dem Kläger zugestellt am 09.11.2022, abgewiesen. Die Beklagte habe das Arbeitslosengeld zutreffend berechnet. Der Bemessungszeitraum reiche entgegen den Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 01.01.2021 bis 31.07.2021, denn aufgrund der Teilzeitvereinbarung sei der Zeitraum vom 01.08.2021 bis 31.12.2021 gem. § 150 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 SGB III nicht zu berücksichtigen. Im Bemessungszeitraum habe der Kläger ein Bruttoentgelt von insgesamt 40.856,02 € erzielt, das zu einem Bemessungsentgelt von 192,72 € führe. Die Einmalzahlung im November 2021 könne nicht, auch nicht anteilig, berücksichtigt werden, da sie außerhalb des Bemessungszeitraums liege. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vorschrift des § 150 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 SGB III bestünden nicht, denn die Regelung diene dazu, ein atypisch geringes Gehalt aufgrund einer Teilzeittätigkeit unberücksichtigt zu lassen. Wenn man die Vorschrift im vorliegenden Verfahren nicht anwende und den Bemessungszeitraum bis zum 31.12.2021 erweitere, führe dies zu einem geringeren Anspruch des Klägers.

Der Kläger hat am 06.12.2022 Berufung eingelegt. Der November 2021 müsse in die Berechnung einbezogen werden, denn in dem Monat habe er kein aufgrund der Teilzeitvereinbarung reduziertes Gehalt erzielt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 25.10.2022 zu ändern und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 13.01.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.01.2022 zu verurteilen, ihm ab 01.01.2022 höheres Arbeitslosengeld zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Zwar sei aufgrund einer teleologischen Reduktion von § 150 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 SGB III eine Günstigkeitsprüfung durchzuführen, ob sich mit oder ohne Anwendung dieser Vorschrift ein höherer Anspruch auf Arbeitslosengeld ergebe. Die Günstigkeitsprüfung sei jedoch darauf beschränkt; den Zeitraum einer Teilzeitbeschäftigung entweder ganz einzubeziehen oder bei der Berechnung ganz unberücksichtigt zu lassen. Für die vom Kläger begehrte Berechnung gebe es keine Rechtsgrundlage.

Von Januar 2021 bis Juli 2021 und im November 2021 hatte er Kläger insgesamt 48.864,00 € verdient. Daraus errechnet sich nach eine vom Senat eingeholten Probeberechnung ein Bemessungsentgelt iHv 201,91 € täglich und ein Leistungsbetrag iHv 89,69 € täglich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist gem. §§ 143, 144 SGG statthaft und auch sonst zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben worden (§§ 151 Abs. 1, 64 Abs. 2 SGG). Die Berufungssumme des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG iHv 750 € wird erreicht, denn der Kläger begehrt höheres Arbeitslosgengeld mindestens in Höhe des sich aus der letzten Probeberechnung ergebenden Betrags von 89,69 € täglich. Die tägliche Differenz zum bewilligten Betrag iHv 86,08 € beträgt 3,61 €. Bei einer Anspruchsdauer von 720 Tagen stehen 2.599,20 € im Streit.

Die Berufung ist begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid vom 13.01.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.01.2022 ist rechtswidrig. Der Kläger hat im Zeitraum 01.01.2022 bis 30.12.2023 einen Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld iHv 89,69 € täglich.

Gegenstand des Verfahrens ist – entsprechend dem im Berufungsverfahren zuletzt gestellten Antrag des Klägers – nur der Bescheid vom 13.01.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.01.2022. Durch die endgültige Bewilligung hat sich der vorläufige Bescheid vom 06.01.2022 gem. § 39 Abs. 2 SGB X erledigt. Die ablehnenden Bescheide nach § 44 SGB X sind nicht gem. § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchs- und damit des Klageverfahrens geworden, da sie den Bescheid vom 13.01.2022 nicht abändern. Der Kläger macht seinen Anspruch zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage geltend (§ 54 Abs. 4 SGG).

Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen der §§ 136, 137 Abs. 1 SGB III. Er hatte das für die Regelaltersrente iSd SGB VI erforderliche Lebensalter noch nicht erreicht (§ 136 Abs. 2 SGB III), war arbeitslos (§ 138 SGB III), hatte sich persönlich arbeitslos gemeldet (§ 141 SGB III) und die Anwartschaftszeit (§ 142 SGB III) erfüllt.

Der Kläger hat im streitigen Zeitraum 01.01.2022 bis 30.12.2023 einen Anspruch auf Arbeitslosengeld iHv 89,69 € täglich.

Das Arbeitslosengeld beträgt gem. § 149 Nr. 1 SGB III für Arbeitslose, bei denen – wie beim Kläger – mindestens ein berücksichtigungsfähiges Kind vorhanden ist, 67 % (erhöhter Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das die oder der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Der Bemessungszeitraum umfasst gem. § 150 Abs. 1 SGB III die beim Ausscheiden aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasst ein Jahr; er endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs (§ 150 Abs. 1 Satz 2 SGB III).

Der Bemessungsrahmen reicht vorliegend vom 01.01.2021 bis zum 31.12.2021. Eine Verlängerung des Bemessungsrahmens nach § 150 Abs. 3 SGB III ist nicht geboten.

Der nach § 150 Abs. 1 Satz 1 SGB III ermittelte Bemessungszeitraum umfasst den Zeitraum Januar 2021 bis Dezember 2021. Dies folgt aus der korrigierten Arbeitsbescheinigung vom 09.02.2022, wonach beim Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis alle Monate abgerechnet waren. In diesem Zeitraum hat der Kläger 66.929,60 € verdient, woraus sich ein Bemessungsentgelt iHv 183,37 und ein täglicher Leistungsanspruch iHv 83,13 € ergeben.

Vorliegend richtet sich die Ermittlung des Bemessungszeitraums aber nicht allein nach § 150 Abs. 1 Satz 1 SGB III, sondern auch nach § 150 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 SGB III. Nach dieser Vorschrift bleiben bei der Ermittlung des Bemessungszeitraums Zeiten außer Betracht, in denen die durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf Grund einer Teilzeitvereinbarung nicht nur vorübergehend auf weniger als 80 Prozent der durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit einer vergleichbaren Vollzeitbeschäftigung, mindestens um fünf Stunden wöchentlich, vermindert war, wenn die oder der Arbeitslose Beschäftigungen mit einer höheren Arbeitszeit innerhalb der letzten dreieinhalb Jahre vor der Entstehung des Anspruchs während eines sechs Monate umfassenden zusammenhängenden Zeitraums ausgeübt hat. Die Voraussetzungen hierfür liegen vor. Während der Vollzeitbeschäftigung hat der Kläger 38,5 Stunden wöchentlich gearbeitet. Die Teilzeitbeschäftigung von 30 Stunden beträgt wöchentlich weniger als 80 Prozent dieser durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit. Der Kläger hat innerhalb der letzten dreieinhalb Jahre vor der Entstehung des Anspruchs während eines sechs Monate umfassenden zusammenhängenden Zeitraums als Vollzeitbeschäftigter mit einer höheren Arbeitszeit gearbeitet.

Bei der Ermittlung des Bemessungszeitraums ist allerdings auch der Monat November 2021 zu berücksichtigen. § 150 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 SGB III ist über den Wortlaut hinaus nur für diejenigen Monate anzuwenden, in denen nicht nur die Arbeitszeit, sondern aufgrund der reduzierten Arbeitszeit auch das Arbeitsentgelt reduziert war. Nur Monate mit einer Arbeitszeit- und Arbeitsentgeltreduzierung bleiben bei der Ermittlung des Bemessungszeitraums außer Betracht. Dies folgt aus einer teleologischen Reduktion des Anwendungsbereichs der Vorschrift.

Die teleologische Reduktion von Vorschriften gehört zu den anerkannten, verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Auslegungsgrundsätzen (BVerfG Beschlüsse vom 19.08.2011 - 1 BvR 2473/10 und vom 07.04.1997 - 1 BvL 11/96; BSG Urteile vom 04.11.2021 – B 6 KA 16/20 R, vom 26.09.2019 - B 5 R 4/19 R und vom 18.08.2011 - B 10 EG 7/10 R). Die Befugnis zur teleologischen Reduktion steht den Gerichten nur begrenzt zu, ua dann wenn die Beschränkung des Wortsinns einer Regelung aufgrund des vom Gesetzgeber mit ihr verfolgten Regelungsziels geboten ist, die gesetzliche Regelung also nach ihrem Wortlaut Sachverhalte erfasst, die sie nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht erfassen soll, weil deren Sinn und Zweck, die Entstehungsgeschichte und der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen gegen eine uneingeschränkte Anwendung sprechen. Einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz darf auch nicht im Wege teleologischer Reduktion ein entgegengesetzter Sinn verliehen, der normative Gehalt der auszulegenden Norm neu bestimmt oder das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt werden (BVerfG Beschluss vom 07.04.1997 - 1 BvL 11/96; BGH Urteil vom 26.11.2008 - VIII ZR 200/05). Darüber hinaus setzt eine teleologische Reduktion voraus, dass sich dem Plan des Gesetzgebers mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen lässt, in welcher Weise die gesetzliche Regelung einzuschränken ist, um den Gesetzeszweck zu erreichen (BSG Urteil vom 04.11.2021 – B 6 KA 16/20 R). Die teleologische Reduktion ist vorzunehmen, wenn die auszulegende Vorschrift auf einen Teil der von ihrem Wortlaut erfassten Fälle nicht angewandt werden soll, weil Sinn und Zweck der Norm, ihre Entstehungsgeschichte und der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen gegen eine uneingeschränkte Anwendung sprechen (BSG Urteil vom 26.09.2019 – B 5 R 4/19 R).

Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.

In § 150 Abs. 2 SGB III werden atypische Beschäftigungssachverhalte genannt, die bei der Leistungsbemessung außer Betracht bleiben sollen, um unbillige Bemessungsergebnisse zu vermeiden (BT-Drs. 15/1515 S. 85). Allen Sonderregelungen gemeinsam ist die Überlegung, dass das tatsächliche Entgelt aus diesen Beschäftigungen nicht das versicherte Risiko von Arbeitslosigkeit abdeckt, das im Hinblick auf eine frühere Erwerbsbiographie oder auf zukünftige Erwerbschancen mit der Zahlung von Arbeitslosengeld als Entgeltersatzleistung ausgeglichen werden soll (Valgolio in Hauck/Noftz, SGB III, § 150 Rn. 77). Die Regelung soll davor schützen, dass in die Ermittlung des Bemessungsentgelts Entgeltabrechnungszeiträume versicherungspflichtiger Beschäftigungen einfließen, in denen das erzielte Arbeitsentgelt atypisch niedrig und daher nicht repräsentativ war (BSG Urteil vom 25.08.2011 – B 11 AL 19/10 R mwN).

In Anbetracht dieses Gesetzeszwecks müssen entgegen dem Wortlauft von § 150 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 SGB III Zeiträume in den Bemessungszeitraum einfließen, in denen zwar eine entsprechende Teilzeittätigkeit ausgeübt worden ist, aber dennoch ein gleichbleibendes oder sogar höheres Entgelt erzielt worden ist.

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Schutzvorschrift wie § 150 Abs. 2 SGB III nur anzuwenden ist, wenn dies für den Betroffenen nicht zu einem ungünstigeren Ergebnis führt (BVerfG Beschluss vom 14.03.2011 – 1 BvL 13/07; BSG Urteil vom 18.08.2011 – B 10 EG 7/10 R mwN und Urteil vom 16.12.2009 – B 7 AL 39/08 R [jeweils obiter dictum]). Diese Maßgaben hat die Beklagte beachtet, indem sie den Günstigkeitsvergleich durchgeführt hat.

Aber auch bei grundsätzlicher Anwendung des § 150 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 SGB III ist es im Wege der teleologischen Reduktion geboten, nur Zeiten außer Acht zu lassen, in denen nicht nur die Arbeitszeit, sondern auch das Arbeitsentgelt reduziert waren.

Bei Einbeziehung des Monats November 2021 in den Bemessungszeitraum ergibt sich ein Anspruch auf Arbeitslosengeld iHv 89,69 € täglich, denn die Einmalzahlung im November 2021 (Weihnachtsgeld) ist bei der Berechnung des Bemessungsentgeltes gem. § 151 SGB III zu berücksichtigen (Valgolio in Hauck/Noftz SGB III, § 151 Rn. 31). Insgesamt hat der Kläger von Januar 2021 bis Juli 2021 und im November 2021 48.864 € verdient. Daraus ergibt sich an 242 Tagen ein Bemessungsentgelt iHv 201,91 € täglich. Abzüglich der Sozialversicherungspauschale iHv 40,38 € und der Lohnsteuer iHv 27,67 € verbleibt ein Leistungsentgelt iHv 133,86 €. Daraus errechnet sich beim Leistungssatz von 67% ein Anspruch auf Arbeitslosengeld iHv 89,69 € täglich. Die Nichtberücksichtigung des im November 2021 erzielten Entgelts würde den Kläger gegenüber einer Person, die ihre Arbeitszeit in diesem Monat nicht reduziert hat, benachteiligen. Wäre der Monat (etwa aufgrund einer kurzfristigen Aufstockung der Arbeitszeit aufgrund erhöhten Arbeitsanfalls) zu berücksichtigen, würde sich der Anspruch auf Arbeitslosengeld von 86,08 € täglich auf 89,69 € täglich erhöhen. Die Bestimmung in § 150 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 SGB III dient – wie dargelegt – dazu, Nachteile einer Arbeitszeitreduzierung auf den Anspruch auf Arbeitslosengeld zu vermeiden. Sie ist als reine Schutzvorschrift daher nicht anzuwenden, wenn gerade ihre Anwendung stattdessen für den Betroffenen nachteilig ist.

Der Einbeziehung des Monats November 2021 steht nicht entgegen, dass der Monat sich nicht nahtlos an die Monate anschließt, in denen der Kläger noch keine Teilzeitbeschäftigung ausgeübt hatte. Nach dem Wortlaut des § 150 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 SGB III bleiben die dort erwähnten „Zeiten“ außer Betracht, die Vorschrift stellt nicht auf einen zusammenhängenden „Zeitraum“ ab. Der Wortlaut der Vorschrift lässt daher eine monatsweise Betrachtung zu. Praktische Schwierigkeiten stehen dem nicht entgegen, denn es ist lediglich zu ermitteln, ob das Entgelt in dem betreffenden Monat über oder unter dem Durchschnittsentgelt der Vollzeitbeschäftigung lag.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zuzulassen.

Rechtskraft
Aus
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