Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 27. März 2024 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.
Der 1956 geborene Kläger hat eine Ausbildung als Maschinenschlosser begonnen, jedoch nicht abgeschlossen. Er war zuletzt bis April 2015 als Fabrik-/Lagerarbeiter im Bereich Mineralguss versicherungspflichtig beschäftigt. Ab März 2016 bezog der Kläger Arbeitslosengeld, ab März 2018 Arbeitslosengeld II. Auf seinen Antrag vom 3. Dezember 2019 bezieht der Kläger seit 1. Januar 2020 eine Altersrente für langjährig Versicherte (Bescheid der Beklagten vom 22. Januar 2020).
Aus einer vom 19. Januar 2016 bis 12. Februar 2016 im ZAPR – Zentrum für ambulante psychosomatisch Rehabilitation durchgeführten ambulanten Rehabilitationsmaßnahme wurde der Kläger arbeitsfähig entlassen.
Am 16. August 2018 beantragte der Kläger bei der Beklagten eine Erwerbsminderungsrente. Zur Begründung führte er Gesundheitsstörungen in Form von psychischen Störungen, akuten Entzündungen im Oberbauch, chronischer Funktionseinschränkung der Lunge, Überblähung, Funktionsstörungen im Verdauungstrakt, Schmerzen im Brustkorb und einer Lungenfunktionsstörung an, wegen der er sich für erwerbsgemindert seit Anfang 2015 halte.
Der von der Beklagten beauftragte Gutachter P1, stellte in seinem Gutachten vom 21. November 2018 (Untersuchung am 7. November 2018) folgende Diagnosen:
chronisch obstruktive Lungenerkrankung (chronische, die Bronchialwege einengende Lungenerkrankung), klinisch mittelgradig, GOLD-Stadium 2 bislang ohne kontinuierliche bronchialkrampflösende Medikation, fortbestehende Zigarettenrauchbelastung,
fortbestehend hochfrequentes Zigarettenrauchen (Nikotinabhängigkeit),
chronisches Lendenwirbelsäulensyndrom mit reduzierter Wirbelsäulenauslenkbarkeit im Vorbeugetest, kein neurologisches Defizit, keine höhergradige Funktionseinschränkung,
vordokumentierte Alkoholkrankheit, derzeit anamnestisch kontrollierter Alkoholgebrauch, labordiagnostisch bestätigt,
Fettlebererkrankung (Steatosis hepatis), bilddiagnostisch ohne Zeichen eines fortgeschrittenen Lebergewebeumbaus, labordiagnostisch keine Lebersyntheseleistungsstörung,
vorbeschriebene leichte depressive Episode, derzeit in Remission ohne medikamentöse Behandlung oder psychiatrische Konsultation,
Rot-Grün-Farbdifferenzierungsstörung,
zurückliegendes Magengeschwürleiden (Ulkus ventrikuli) mit entzündlicher Magenausgangseinengung (Duodenitis), derzeit weitgehend beschwerdefrei.
Der Gutachter kam zum Ergebnis, dass zwar qualitative, aber keine quantitativen Leistungseinschränkungen für körperlich leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt abzuleiten seien. Die letzte Tätigkeit als Lagerarbeiter-Hilfskraft sei nicht mehr leidensgerecht.
Mit Bescheid vom 10. Dezember 2018 lehnte die Beklagte daraufhin den Rentenantrag ab, weil die medizinischen Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente gemäß § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht erfüllt seien. Auch eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit sei nicht zu gewähren. Der Versicherte könne im bisherigen Beruf als Lagerarbeiter-Hilfskraft zwar nicht mehr mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein. Er könne aber andere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausüben, was ihm aufgrund seines beruflichen Werdegangs auch zumutbar sei.
Den vom Kläger gegen den Bescheid eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26. September 2019 zurück.
Mit einer am 31. Oktober zum 2019 zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhobenen Klage (Aktenzeichen S 14 R 4322/19) verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Er gab an, dass die ab 1. Januar 2020 bezogene Altersrente wegen langjähriger Versicherung hohe Abschläge beinhalte. Sofern zum Zeitpunkt der Antragstellung die medizinischen Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente vorgelegen hätten, sei ihm diese rückwirkend zu gewähren. Zudem wolle er eine Umwandlung von Erwerbsminderungsrente in Altersrente erst zu dem Zeitpunkt, zu dem er abschlagsfrei Altersrente beziehen könne, was im Oktober 2022 der Fall sei.
Das SG befragte den den Kläger behandelnden O1 schriftlich als sachverständigen Zeugen. Unter dem 26. Juni 2020 gab dieser an, bei Erstvorstellung am 12. August 2013 habe eine chronisch-obstruktive Lungenerkrankung nach GOLD IIb mit einer zu diesem Zeitpunkt lungenfunktionell leicht- bis mittelgradigen Atemwegserkrankung mit einem Atemstoß von 2,7 l, entsprechend 72 % der Norm, vorgelegen. Dieser Kennwert der atemwegsverengenden (obstruktiven) Atemwegserkrankung habe sich im Verlauf der Untersuchungen auf 1,6 l am 31. März 2020, entsprechend 49 % der Norm, verschlechtert, so dass jetzt von einer COPD III nach Gold ausgegangen werden müsse.
Sodann hat das SG den B1 mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Im Gutachten vom 28. Mai 2021 kam der Gutachter zum Ergebnis, dass eine schwere COPD vorliege. Die Lungenfunktionswerte hätten sich unter fortgesetztem Nikotinabusus seit 10/2018 FEV1 2,2 l (66 % vom Soll), Tiffeneau 60 % und 05/2017 FEV1 2,54 l (76 % vom Soll), Tiffeneau 64 % deutlich verschlechtert. Aktuell bestehe ein FEV1 1,36 l (42 % vom Soll), Tiffeneau 66 %. Insgesamt bedingten die FEV1 unter 50 % der Norm, der Abfall des Sauerstoffpartialdruckes auf unter 55 mmHg unter Belastung und das Erreichen der ventilatorischen Limitierungsgrenze bei 50 Watt gemäß den Leitlinien der Deutschen Rentenversicherung für COPD-Patienten ein Leistungsvermögen von unter drei Stunden. Den anamnestischen Angaben zufolge bestünden die aktuellen Einschränkungen seit gut einem Jahr. Genauer könne er es nicht benennen.
Die Beklagte legte die sozialmedizinische Stellungnahme des F1 vom 26. Juni 2021 vor, wonach sich aus dem Gutachten des B1 ein aufgehobenes Leistungsvermögen für jegliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ableite. Angesichts der sachverständigen Zeugenaussage des O1 vom 26. Juni 2020, wonach eine schwere chronisch-obstruktive Lungenkrankheit erstmals am 31. März 2020 dokumentiert sei, bestehe die Leistungsminderung seit dem 31. März 2020.
Die Beklagte wies darauf hin, dass nach bindender Bewilligung der Rente wegen Alters ab 1. Januar 2020 nach § 34 Abs. 4 SGB VI ein Wechsel in eine Rente wegen Erwerbsminderung ausgeschlossen sei.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 5. Oktober 2021 nahm der Kläger die Klage zurück.
Am 3. Februar 2022 beantragte der Kläger bei der Beklagten sinngemäß die Überprüfung des Bescheides vom 10. Dezember 2018, wobei er geltend machte, dass die vorhandenen Unterlagen der pneumologischen Praxis O1, in denen u.a. von einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung Stadium III nach GOLD berichtet werde, im Gutachten des Sachverständigen P1 vom 21. November 2018 und bei der Entscheidung der Beklagten nicht berücksichtigt worden seien.
Nach Einholung einer Stellungnahme des Sachverständigen P1 vom 25. März 2022, der darauf verwies, dass der lungenfachärztliche Bericht des O1 vom 10. Oktober 2018 im Gutachten ausführlich dokumentiert und in die Leistungsbeurteilung einbezogen worden sei, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28. März 2022 die Rücknahme des Bescheids vom 10. Dezember 2018 ab. Der Bericht vom 10. Oktober 2018 von O1 sei in die Leistungsbeurteilung einbezogen worden. Im Sozialgerichtsverfahren sei festgestellt worden, dass eine rentenrelevante Leistungsminderung eingetreten sei. Als Leistungsfall sei jedoch der 31. März 2020 zugrunde gelegt worden. Eine Änderung im Hinblick auf einen früheren Eintritt der Erwerbsminderung ergebe sich auch nach erneuter Prüfung der medizinischen Unterlagen nicht. Da der Kläger bereits seit 1. Januar 2020 eine Altersrente für langjährig Versicherte beziehe, sei ein Wechsel in eine Rente wegen Erwerbsminderung ausgeschlossen.
Gegen den Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein. Der Befund von O1 vom 10. Oktober 2018 sei zwar im Gutachten dokumentiert, aber nicht in die Leistungsbeurteilung miteinbezogen worden. Auch die Zeugenauskunft des O1 vom 26. Juni 2020 sei falsch interpretiert worden, wonach sich die Befunde jetzt – nicht erstmals am 31. März 2020 – im Gegensatz zum Befund vom 12. August 2013 auf Stadium III nach GOLD verschlechtert hätten. Die Verschlechterung der Lungenfunktion bestehe bereits seit August 2016, wofür der Kläger auf Berichte des O1 vom 24. August 2016, 10. Oktober 2016, 18. November 2016 und 20. Februar 2017 verwies.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10. August 2022 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Überprüfung des Bescheides vom 10. Dezember 2018 habe ergeben, dass bei Erlass des Bescheides weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem Sachverhalt ausgegangen worden sei, der sich als unrichtig erweise. Nach nochmaliger Überprüfung der medizinischen Unterlagen ergäben sich keine Anhaltspunkte für einen früheren Leistungsfall. Insbesondere werde im sozialgerichtlichen Gutachten von B1 vom 28. Mai 2021 eine schwere Überblähung der Lunge beschrieben, die circa ein Jahr zurückreiche. Aufgrund der sachverständigen Zeugenaussage von O1 vom 26. Juni 2020 sei anhand der dort beschriebenen Untersuchungsergebnisse zum 31. März 2020 von einer rentenrechtlich relevanten Minderung der Erwerbsfähigkeit auszugehen. Eine Rücknahme des Bescheides vom 10. Dezember 2018 nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) komme daher nicht in Betracht.
Am 23. August 2022 hat der Kläger Klage zum SG erhoben. Zur Begründung hat er sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und ergänzend vorgetragen, im Gutachten vom 21. November 2018 sei von falschen Vorerkrankungen ausgegangen worden. Zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Erwerbsminderungsrente habe bereits seit 8/2016 eine schwere COPD Stadium III mit asthmoider Komponente, eine Infektexazerbation 2/2017, eine Bronchialobstruktion mit Überblähung sowie eine respiratorische Partialinsuffizienz vorgelegen. Zudem habe der B1 in seinem Gutachten darauf hingewiesen, dass eine Leistungsminderung auch bei einem Sauerstoffpartialdruck von unter 60 mmHg bestehe, was bei ihm in den Befunden ab 2016 dokumentiert sei.
Mit Gerichtsbescheid vom 27. März 2024 hat das SG die Klage abgewiesen. Als Rechtsgrundlage für eine Aufhebung des Bescheides vom 10. Dezember 2018 und Gewährung einer Erwerbsminderungsrente komme § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X in Betracht. Danach sei ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden sei, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergebe, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden sei, der sich als unrichtig erweise, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden seien. Dass die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 10. Dezember 2018 bereits Gegenstand des Verfahrens S 14 R 4322/19 gewesen sei, in dem der Kläger seine Klage zurückgenommen habe, wodurch der Ablehnungsbescheid bindend geworden sei (§ 77 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), stehe der Anwendbarkeit des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht entgegen. Beurteilungszeitpunkt für die Prüfung im Rahmen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X sei dabei nicht der Stand der Erkenntnisse der Behörde bei Erlass des Ausgangsbescheids, sondern der Kenntnisstand im Zeitpunkt seiner Überprüfung. Erforderlich sei hierzu eine rückschauende Betrachtungsweise im Lichte einer – eventuell geläuterten – Rechtsauffassung zu der bei Erlass des zu überprüfenden Verwaltungsaktes geltenden Sach- und Rechtslage. Die Beklagte habe in dem überprüften Bescheid vom 10. Dezember 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 2019 weder das Recht unrichtig angewandt noch sei sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich nach Erlass des Bescheids als unrichtig erwiesen hätte. § 43 Abs. 2 Abs. 1 Satz 1 SGB VI bestimme, dass Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung hätten, wenn sie voll erwerbsgemindert seien (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit hätten (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt hätten (Nr. 3). Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI seien voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande seien, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die Beurteilung des Leistungsvermögens beziehe sich dabei auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Dieser umfasse jede nur denkbare Tätigkeit, für die es in nennenswertem Umfang Beschäftigungsverhältnisse gebe, und damit auch ungelernte Tätigkeiten. Bezugspunkt sei damit eine leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, nicht die derzeit oder zuletzt ausgeübte Beschäftigung. Die Erwerbsminderung müsse auf nicht absehbare Zeit bestehen. Diese Voraussetzung sei erfüllt, wenn sie sich voraussichtlich über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten erstrecke. Über den Wortlaut des § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI hinaus liege eine volle Erwerbsminderung bereits dann vor, wenn das Leistungsvermögen gesundheitsbedingt so weit reduziert sei, dass nur noch Teilzeitarbeit – d.h. weniger als sechs Stunden täglich – verrichtet werden könne, ohne dass der Versicherte einen Teilzeitarbeitsplatz tatsächlich innehabe. Insofern sei die konkrete Arbeitsmarktsituation zu berücksichtigen (konkrete Betrachtungsweise), so dass die teilweise Erwerbsminderung, wenn der allgemeine Arbeitsmarkt verschlossen sei, in eine volle Erwerbsminderung „durchschlage“. Davon ausgehend habe die Beklagte zu Recht die Rücknahme des Rentenablehnungsbescheides vom 10. Dezember 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 2019 und die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente abgelehnt. Zwar stehe fest, dass der Kläger jedenfalls zum Zeitpunkt der Untersuchung beim gerichtlichen Sachverständigen B1 am 21. Mai 2021 nicht mehr in der Lage gewesen sei, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts noch mindestens drei Stunden täglich zu arbeiten. Davon sei das Gericht aufgrund des Sachverständigengutachtens des B1, das im vorliegenden Verfahren im Rahmen des Urkundenbeweises verwertbar sei, überzeugt. B1 habe aus den Gesundheitsstörungen des Klägers auf lungenfachärztlichem Gebiet eine entsprechende quantitative Leistungseinschränkung des Klägers schlüssig abgeleitet. Er führe aus, dass die von ihm bei der gutachterlichen Untersuchung festgestellten Werte eines FEV1 unter 50 % der Norm, eines Transferfaktors von unter 50 %, eines Abfalls des Sauerstoffpartialdrucks auf unter 55 mmHg unter Belastung und das Erreichen der ventilatorischen Limitierungsgrenze bei 50 Watt insgesamt ein Leistungsvermögen von unter drei Stunden bedingten. Diese Schlussfolgerung erscheine nachvollziehbar. Da dem Kläger ab 1. Januar 2020 eine Altersrente für langjährig Versicherte bewilligt worden sei und er diese seither beziehe, könne ihm eine Rente wegen Erwerbsminderung jedoch nur dann gewährt werden, wenn die Erwerbsminderungsrente vor Bewilligung bzw. Bezug der Altersrente beginnen würde. Gemäß § 34 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI sei nämlich ein Wechsel in eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach bindender Bewilligung einer Altersrente ausgeschlossen. Ein Anspruch des Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI bestünde deshalb nur dann, wenn der Leistungsfall der Erwerbsminderung vor Gewährung bzw. dem tatsächlichen Bezug der Altersrente, also vor dem 1. Januar 2020 eingetreten und im Vollbeweis nachgewiesen wäre. Dies sei jedoch nicht der Fall. Der Sachverständige B1 habe in seinem Sachverständigengutachten im Verfahren S 14 R 4322/19 ausgeführt, dass das von ihm festgestellte verminderte Leistungsvermögen seit gut einem Jahr bestehe und er einen genaueren Zeitpunkt nicht benennen könne. Der Gutachter habe sich dabei u.a. auf die Angaben des Klägers im Rahmen der Anamnese gestützt. Danach habe der Kläger angegeben, dass seit 2015 die Dyspnoe begonnen habe. Zu diesem Zeitpunkt habe er keinen Husten und keinen Auswurf gehabt. Ab 2017 habe er dann bemerkt, dass die Dyspnoe bei Belastung zugenommen habe. Damals habe er sicherlich noch 500 Meter in der Ebene gehen und zwei Stockwerke langsam laufen können. Seit gut einem Jahr seien in der Ebene lediglich noch 100 bis 200 Meter möglich. Nach Zurücklegung der Treppe in den ersten Stock bestehe extreme Kurzatmigkeit und Druck im Unterbauch. Damit habe der Kläger zum Zeitpunkt der Begutachtung selbst eine deutliche Verschlechterung seines Gesundheitszustands seit gut einem Jahr, bei gutachterlicher Untersuchung am 21. Mai 2021 also in etwa seit dem Frühjahr 2020, beschrieben. Der Sachverständige im Verwaltungsverfahren P1 habe in seinem Gutachten vom 21. November 2018 noch ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bei qualitativen Einschränkungen festgestellt, wobei er u.a. auf die Ergebnisse der lungenfachärztlichen Untersuchung bei O1 am 10. Oktober 2018 zurückgegriffen habe. Diese Einschätzung, wonach im November 2018 noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leidensgerechte Tätigkeiten bestanden habe, ziehe auch der gerichtliche Sachverständige B1 nicht in Zweifel. Vielmehr gebe er an, dass seit 10/2018 eine richtungsweisende Verschlechterung der Lungenfunktion des Klägers eingetreten sei. Eine solche sei auch anhand der vorliegenden Befunde des O1 nachvollziehbar. Wie sich aus dem Befund des O1 vom 10. Oktober 2018 sowie dem von diesem übersandten Verlaufsbogen (Bl. 44 und 26 der Gerichtsakte im Verfahren S 14 R 4322/19) ergebe, habe am 10. Oktober 2018 keine relevante Obstruktion sowie eine mittel- bis höhergradige periphere Obstruktion, ein FEV1 2,2 l, entsprechend 66 % vom Soll, Tiffeneau-Index 60 %, sowie eine progrediente, leicht- bis mäßiggradige Überblähung bestanden. Demgegenüber habe sich bei der nächsten, am 31. März 2020 durchgeführten Untersuchung bei O1 mit großer Lungenfunktionsmessung eine mittelschwere Obstruktion mit einem FEV1 von nur noch 1,6 l, entsprechend 49 % der Norm, und bei der Begutachtung durch B1 eine weitere Verschlechterung auf FEV1 auf 1,36 l, entsprechend 42 % des Solls gefunden. Aufgrund des Befundes vom 31. März 2020 könne zum Zeitpunkt dieser Untersuchung der Eintritt einer quantitativen Leistungsminderung nachvollziehbar festgestellt werden, was mit der Einschätzung durch den Sachverständigen B1 hinsichtlich eines Leistungsfalls im Frühjahr 2020 übereinstimme und durch die anamnestischen Angaben des Klägers bei der Begutachtung gestützt werde. Ein früherer Eintritt einer zeitlichen Minderung des Leistungsvermögens des Klägers, insbesondere vor dem 1. Januar 2020, sei zur Überzeugung des Gerichts jedoch nicht belegt. Ein abgesunkenes Leistungsvermögen bereits im Oktober 2018 oder davor lasse sich weder aus dem Befund des O1 vom 10. Oktober 2018 noch den Gutachten der Sachverständigen P1 und B1 ableiten. Nachdem im Zeitraum zwischen den Untersuchungen am 10. Oktober 2018 und am 31. März 2020 keine ausführliche lungenfachärztliche Diagnostik erfolgt sei, lasse sich erst aufgrund der Ergebnisse der Untersuchung am 31. März 2020 zweifelsfrei eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens feststellen. Soweit der Kläger rüge, dass der Gutachter P1 in seinem Gutachten und in der Folge die Beklagte im ablehnenden Bescheid vom 10. Dezember 2018 nach seiner Ansicht fehlerhaft von einer COPD nach GOLD-Stadium II (statt III) ausgegangen seien, führe dies nicht zu einer anderen Beurteilung. Ob aufgrund der von O1 bei der Untersuchung am 10. Oktober 2018 erhobenen Befunde und Messungen zu diesem Zeitpunkt von einer COPD nach GOLD-Stadium II oder III auszugehen gewesen sei, sei nicht entscheidend. Für die Beurteilung einer Erwerbsminderung komme es nicht auf die genaue Bezeichnung einer Erkrankung, sondern auf die daraus resultierenden Funktionseinschränkungen an. Wie sich aus dem Gutachten des Sachverständigen P1 ergebe, habe dieser den Befund von O1 vom 10. Oktober 2018 und insbesondere die dort genannten Messwerte detailliert und korrekt wiedergegeben und bei seiner Beurteilung berücksichtigt. Seine Einschätzung, dass sich aus den festgestellten Funktionseinschränkungen eine Minderung des zeitlichen Leistungsvermögens zu diesem Zeitpunkt nicht ableiten lasse, sei schlüssig und nachvollziehbar. Soweit der Kläger zur Begründung einer (bereits vor Beginn der Altersrente) eingetretenen Erwerbsminderung auf seine Messwerte des Sauerstoffpartialdrucks von unter 60 mmHg abstelle, sei darauf hinzuweisen, dass dem Sachverständigen B1 die relevanten Befunde des Lungenfacharztes O1 und insbesondere der Bericht vom 10. Oktober 2018 im Rahmen der Begutachtung vorgelegen hätten, er insbesondere diesen Befund auch berücksichtigt habe und er gleichwohl ein abgesunkenes Leistungsvermögen bereits vor dem 1. Januar 2020 nicht haben feststellen können. Es lasse sich vor dem 1. Januar 2020 auch keine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen feststellen, die ausnahmsweise auch bei vollschichtigem Leistungsvermögen die Pflicht zur Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit und, falls dies nicht möglich sei, einen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung nach sich ziehen könnten. Insbesondere sei angesichts der Ausführungen im Sachverständigengutachten des B1 nicht feststellbar, dass die Wegefähigkeit des Klägers vor dem 31. März 2020 nicht gegeben gewesen sei. Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI sei ebenfalls nicht gegeben. Als letzte Tätigkeit des Klägers sei die zuletzt bis 2015 im Rahmen von Leiharbeit für einen Zeitraum von mehr als vier Jahren ausgeübte Tätigkeit eines Fabrik-/Lagerarbeiters anzusehen. Weil der Kläger keine Ausbildung abgeschlossen habe und in der zuletzt ausgeübten Tätigkeit nicht dem Bereich der Facharbeiter oder zumindest dem oberen Bereich der angelernten Arbeiter zuzuordnen sei, könne er auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts verwiesen werden. Da sich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ein Leistungsfall im Sinne einer Erwerbsminderung vor dem 1. Januar 2020 nicht feststellen lasse, bestehe auch ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht.
Gegen den ihm am 3. April 2024 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 11. April 2024 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung führt er aus, dass nach den Ausführungen des Gutachters B1 auch bei einem Sauerstoffpartialdruck unter 60 mmHg eine Leistungsminderung bestehe. In dem Bericht vom 10. Oktober 2018 sei eine respiratorische Partialinsuffizienz mit einer Blutgasanalyse in Ruhe von p02 54 mmHG und pc02 41 mmHg diagnostiziert worden; ebenso in den Befunden von 2013, 2016 und 2017. Somit bestehe nach dem Gutachten vom 28. Mai 2021 eine Leistungsminderung seit dem 10. Oktober 2018. Mittlerweile habe sich sein Gesundheitszustand so verschlechtert, dass jetzt eine Langzeit-Sauerstofftherapie benötigt werde und ein Lungenkarzinom diagnostiziert worden sei.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 27. März 2024 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28. März 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2022 zu verurteilen, ihm unter teilweiser Rücknahme des Bescheides vom 10. Dezember 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 2019 eine Rente wegen Erwerbsminderung ab 1. November 2018 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Einen vom Kläger am 2. Mai 2024 gestellten Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hat der Senat mit Beschluss vom 28. Mai 2024 mangels Anordnungsgrund abgelehnt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, die Akten des Verfahrens S 14 R 4322/19 sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG), aber unbegründet.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 28. März 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2022 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte die teilweise Rücknahme des Bescheides vom 10. Dezember 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 2019 und die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente abgelehnt hat. Sein Überprüfungsbegehren verfolgt der Kläger zulässigerweise im Wege der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage nach §§ 54 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 4, 56 SGG (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 28. Februar 2013 – B 8 SO 4/12 R – juris Rdnr. 9).
Der Bescheid vom 28. März 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2022 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf (teilweise) Rücknahme des die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente ab dem Monat der Antragstellung August 2018 ablehnenden Bescheides vom 10. Dezember 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 2019 und Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente – ausgehend von dem vom Kläger geltend gemachten Leistungsfall im Oktober 2018 – ab 1. November 2018.
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheides zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die vom Kläger beanspruchte Rücknahme des Bescheides vom 10. Dezember 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 2019 sowie die begehrte Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung dargelegt und im Wesentlichen gestützt auf die im Wege des Urkundenbeweises verwerteten (vgl. BSG, Beschluss vom 14. November 2013 – B 9 SB 10/13 B – juris Rdnr. 6; BSG, Urteil vom 5. Februar 2008 – B 2 U 8/07 R – juris Rdnr. 51) Gutachten des P1 und des B1 ausgeführt, dass der Kläger jedenfalls vor Beginn der Altersrente für langjährig Versicherte die Voraussetzungen für die von ihm beanspruchte Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung nicht erfüllt hat, weil er trotz seiner bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen noch in der Lage war, leichte Tätigkeiten zumindest sechs Stunden täglich zu verrichten und er mit diesem zeitlichen Leistungsvermögen nicht erwerbsgemindert war (§ 43 Abs. 3 SGB VI) und auch einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) nicht erfüllt hat. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der Entscheidung zurück.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass maßgeblicher Zeitpunkt der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Ablehnungsbescheides vom 10. Dezember 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 2019 der Zeitpunkt seines Erlasses ist. Der Bescheid wäre demnach nur dann (teilweise) rechtswidrig und gemäß § 44 SGB X zurückzunehmen, wenn eine Erwerbsminderung beim Kläger bis zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides am 26. September 2019 eingetreten wäre. Da jedoch jedenfalls vor März 2020 der Eintritt einer für die Gewährung einer Erwerbsminderung relevanten Leistungsminderung nicht nachgewiesen ist, wie das SG dargelegt hat, ist ebenso bzw. erst recht der Eintritt einer Erwerbsminderung bis zum 26. September 2019 und damit eine Rechtswidrigkeit des ablehnenden Bescheides über Erwerbsminderungsrente nicht erwiesen.
Zum Vortrag des Klägers ist ergänzend auszuführen, dass – soweit er darauf verweist, dass in den Berichten des O1 bereits seit August 2016 eine COPD im Stadium GOLD III angegeben ist – es für die Feststellung einer rentenberechtigenden Erwerbsminderung nicht auf Diagnosen, sondern das Ausmaß der negativen Beeinflussung von – dauerhaften – Gesundheitsbeeinträchtigungen auf das verbliebene Leistungsvermögen ankommt (BSG, Beschluss vom 12. Dezember 2003 – B 13 RJ 179/03 B – juris Rdnr. 6; BSG, Beschluss vom 8. Oktober 2018 – B 5 R 112/18 B – juris Rdnr. 10). Maßgeblich sind somit alleine Funktionsbeeinträchtigungen anhand der festzustellenden objektiv-klinischen Befunde (Senatsurteil vom 17. März 2016 – L 7 R 1752/14 – n.v.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. September 2012 – L 13 R 6087/09 – juris Rdnr. 22).
Aus den in den Berichten von O1 genannten Befunden gehen entgegen der Auffassung des Klägers nicht derart schwere Funktionsbeeinträchtigungen hervor, dass sie bereits zum 26. September 2019 bzw. jedenfalls vor März 2020 eine zeitliche Minderung der Leistungsfähigkeit für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf weniger als sechs Stunden belegen würden. So ist in dem Bericht vom 16. November 2016 eine führende periphere Bronchialobstruktion und mäßige Überblähung und „aktuell“ eine weitgehend stabile Bronchialobstruktion bei regredienter Überblähung angegeben. Als Ergebnis der Blutgasanalyse in Ruhe und unter Belastung ist ein p02-Abfall von 54 mmHg auf 48 mmHg sowie ein pCO2‑Anstieg von 35 mm auf 36 mmHg dokumentiert. Unter dem 20. Februar 2017 hat O1 weiterhin eine führende periphere Bronchialobstruktion und mäßige Überblähung sowie „aktuell“ eine deutlich progrediente Bronchialobstruktion, am ehesten nach Infekt, beschrieben, was nur für eine vorübergehende Befundverschlechterung spricht. Für die Blutgasanalyse in Ruhe und unter Belastung wurden ein p02-Abfall von 56 auf 50 mmHg und ein pCO2-Abfall von 37 auf 36 mmHg angegeben. Im Bericht vom 10. Oktober 2018 wurde eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung mit asthmoider Komponente, ein Zustand nach Infektexazerbation 02/2017 und „aktuell“ eine progrediente Bronchialobstruktion/Überblähung angegeben. Ganzkörperplethysmographisch ist das Fehlen einer relevanten zentralen Obstruktion, eine mittel- bis höhergradige periphere Obstruktion, ein FEV1-Wert mit 66 % des Solls, ein Tiffeneau‑lndex 60 %, eine progrediente, leicht- bis mäßiggradige Überblähung und keine Restriktion angegeben. Die Blutgasanalyse in Ruhe unter Raumluft ergab Werte von p02 54 mmHg und pCO2 41 mmHg. Dagegen hat B1 im Gutachten vom 28. Mai 2021 eine chronisch-obstruktive Lungenerkrankung mit schwerer Überblähung sowie schwerer Gasaustauschstörung der Lunge festgestellt. Nach den Ausführungen in seinem Gutachten, auf die der Kläger sich beruft, ist bei einer Dauerbelastbarkeit von 50 bis 75 Watt gemäß den Leitlinien der Deutschen Rentenversicherung zur sozialmedizinischen Beurteilung der Leistungsfähigkeit bei COPD und Asthma leichte körperliche Arbeit zumutbar. Bei schwerer Dyspnoe ist das Leistungsvermögen für leichte körperliche Arbeit bei schon geringster Belastung und einer maximalen ergometrischen Belastbarkeit von unter 50 Watt, einer Einsekundenkapazität von weniger als 50 % oder der Minderung des Transferfaktors auf weniger als 50 % nicht mehr gegeben, was auch bei einem arteriellen Sauerstoffpartialdruck von unter 60 mmHg und mit weiterem Abfall unter Belastung gelte. Zwar sind, was dem Kläger zuzugeben ist, in den genannten Berichten des O1 Werte für den Sauerstoffpartialdruck von weniger als 60 mmHg angegeben. Eine schwere Dyspnoe ist in den Berichten jedoch nicht angegeben. Zudem lag insbesondere im Oktober 2018 die Einsekundenkapazität (FEV1) noch bei 66 % und der Tiffeneau-Index (relative Einsekundenkapazität) bei 60 %. Ebenso wenig ist den Berichten eine schwere Überblähung, wie bei Begutachtung durch B1 festgestellt, beschrieben. Auch die Angaben in der sachverständigen Zeugenaussage des O1 vom 26. Juni 2020 sprechen nicht für das Vorliegen derart schwerwiegender Funktionsbeeinträchtigungen wie sie von B1 für die Annahme einer zeitlichen Leistungseinschränkung für leichte Tätigkeiten angegeben wurden. In der Auskunft vom 26. Juni 2020 hat O1 für August 2016 Atembeschwerden des Klägers bei Belastung, z.B. bei längerem Treppensteigen mitgeteilt. Für Juni 2017 hat er gar weniger Belastungsatembeschwerden angegeben. Erst für die Untersuchung am 31. März 2020 hat er eine derartige Verschlechterung berichtet, dass „jetzt“ von einer COPD nach GOLD III ausgegangen werden müsse. Die von O1 für die früheren Untersuchungen des Klägers beschriebenen Atembeschwerden bei Belastungen wie längerem Treppensteigen sprechen noch nicht gegen die Verrichtung körperlich leichter Tätigkeiten ohne die Atembeschwerden verursachende Belastungen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 21 R 2404/22
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 R 1203/24
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Rechtskraft
Aus
Saved