S 8 AS 68/22

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 8 AS 68/22
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze


1. Die Fiktion des § 41a Abs. 5 SGB II tritt ein, wenn binnen eines Jahres nicht wirksam über die abschließende Leistungsfestsetzung entschieden ist. Voraussetzung für eine wirksame abschließende Entscheidung ist nach § 39 Abs. 1 SGB X auch, dass diese Entscheidung der leistungsberechtigten Person gegenüber bekanntgegeben wurde. 

2. Da es sich bei der öffentlichen Zustellung nach § 10 VwZG um eine ultima-ratio-Vorschrift handelt, muss die Behörde zunächst alle anderen zumutbaren Möglichkeiten ergreifen, um den Aufenthaltsort der Adressatin des Verwaltungsaktes zu ermitteln. 
 


Der Bescheid vom 6.2.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7.9.2022 wird aufgehoben. 

Der Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. 


Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Erstattungsbescheides sowie um die zugrundeliegende abschließende Festsetzung des Leistungsanspruchs der Klägerin für den Zeitraum 1.4.2018 bis 31.8.2018. 

Die Klägerin stand im streitgegenständlichen Zeitraum im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bei dem Beklagten. 

Die Klägerin stellte am 30.5.2018 einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II. Ausweislich des Antrages wohnte die Klägerin zu diesem Zeitpunkt in der C-Straße, C-Stadt. Auf dem Antrag gab die Klägerin zudem eine Telefonnummer an. 

Mit Bescheid vom 30.5.2018 bewilligte der Beklagte für den Zeitraum 1.4.2018 bis 30.9.2018 vorläufig Leistungen in Höhe von monatlich 416,00 Euro. Als Grund für die Vorläufigkeit gab der Beklagte an, dass noch angeforderte Unterlagen fehlen würden und deshalb keine Unterkunftskosten gewährt werden könnten.

Mit weiterem Schreiben vom 30.5.2018 forderte der Beklagte noch fehlende Unterlagen an, unter anderem eine Mietbescheinigung, die Kündigung des Vermieters sowie ein Schreiben zu aktuellen Mietrückständen. Am 19.6.2018 erinnerte der Beklagte nochmal an das Schreiben vom 30.5.2018 und wies darauf hin, dass nicht abschließend entschieden werden könne, ob ein Anspruch besteht. 

Daraufhin teilte die Klägerin mit Schreiben vom 6.7.2018 mit, dass sie noch keine Mietbescheinigung von ihrem Vermieter erhalten habe. Er würde sie ständig kündigen, da sie die Miete gekürzt habe. Die Unterlagen befänden sich bei ihrer Rechtsanwältin. 

Mit Schreiben vom 19.7.2019 forderte der Beklagte die Klägerin auf, einen Nachweis aller Mietzahlungen an den Vermieter ab April 2018 sowie den Schriftverkehr zwischen der Klägerin und der Rechtsanwältin vorzulegen. Daran wurde die Klägerin mit Schreiben vom 14.8.2018 nochmal erinnert. 

Am 15.8.2019 erklärte der zu diesem Zeitpunkt von ihr getrenntlebende Ehemann der Klägerin, dass er die Miete für die Klägerin an den Vermieter zahle und sie zusätzlich noch mindestens 600,00 Euro Unterhalt in bar von ihm erhalte. 

Daraufhin forderte der Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 16.8.2018 auf, einen Termin am 23.8.2018 wahrzunehmen, um leistungsrechtliche Fragen zu klären. In diesem Schreiben wurde der Klägerin zudem mitgeteilt, dass die Leistungen ab September 2018 bis zur Vorsprache einbehalten werden. Zu dem Termin ist die Klägerin nicht erschienen. 

Mit Schreiben vom 13.12.2018 bat der Beklagte die Klägerin, schriftlich zu erklären und nachzuweisen, in welcher Höhe ihr getrenntlebender Ehemann Unterhaltszahlungen im Zeitraum April bis September 2018 geleistet hat.

Auf einem Beiblatt, das am 13.12.2018 erstellt wurde, wurde am 11.1.2019 vermerkt, dass das Schreiben mit dem Vermerk „Empfänger unter der angegebenen Adresse nicht zu ermitteln“ zurückgekommen sei. Die Klägerin sei laut einer Anfrage beim Einwohnermeldeamt aber noch unter der Adresse gemeldet. Am 6.2.2019 sei der Brief zum zweiten Mal zurückgekommen. Auch zu diesem Zeitpunkt sei die Klägerin noch unter der bekannten Adresse gemeldet gewesen.

Mit Bescheid vom 6.2.2019 wurden die Leistungen gegen die Klägerin endgültig festgesetzt und festgestellt, dass für die Zeit vom 1.4.2018 bis 30.9.2018 ein Leistungsanspruch nicht bestanden habe. Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass angeforderte Unterlagen trotz Aufforderung nicht eingereicht worden seien. Mit Erstattungsbescheid vom 6.2.2019 forderte der Beklagte die Klägerin auf, einen Betrag von 2.080,00 Euro zu erstatten. 

Die Bescheide vom 6.2.2019 wurden ausweislich einer Benachrichtigung vom 6.2.2019 im Rahmen einer öffentlichen Zustellung nach § 10 Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) bekanntgegeben und vom 7.2.2019 bis 20.2.2019 im Jobcenter Landkreis Kasel Hofgeismar ausgehangen. 

Mit Schreiben vom 14.3.2022 teilte das Hauptzollamt Gießen der Klägerin mitgeteilt, dass eine Vollstreckung an diesem Tag gescheitert und ein erneutes Aufsuchen für den 5.4.2022 geplant sei. 

Mit Widerspruchsschreiben vom 22.3.2022 wandte sich die Klägerin vorsorglich gegen den in dem Schreiben vom 14.3.2022 genannten Bescheid vom 6.2.2019 und beantragte mangels Zustellung des Bescheides Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung führte sie aus, dass sie sich nicht erinnern könne, in dem Zeitraum SGB II Leistungen erhalten zu haben. Sie sei zu dem Zeitpunkt noch verheiratet gewesen. 

Mit Schreiben vom 3.8.2022 bat der Beklagte um Mitteilung, gegen welchen Bescheid sich der Widerspruch richte. Rein vorsorglich sei darauf hinzuweisen, dass der Widerspruch gegen den Bescheid vom 6.2.2019 verfristet sein dürfte. Ein Überprüfungsantrag komme nicht in Betracht, da eine eventuelle Neuberechnung nur für einen Zeitraum von einem Jahr rückwirkend erfolgen könne. Die Klägerin habe bei der Leistungsfeststellung nicht mitgewirkt. Da keine gültige Anschrift bekannt gewesen sei, sei der Bescheid durch öffentliche Zustellung wirksam bekanntgegeben worden. Der Aushang der Benachrichtigung sei vom 7.2.2019 bis 20.2.2019 in der Geschäftsstelle Hofgeismar des Jobcenters erfolgt. 

Die Klägerin äußerte sich nicht mehr. 

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 7.9.2022 als unzulässig verworfen. Der Widerspruch sei unzulässig, da der Bescheid seit dem 7.3.2019 als bekanntgegeben gelte. Die Widerspruchsfrist habe daher am 8.4.2019 geendet, der Widerspruch sei aber erst am 13.4.2022 eingegangen. Es seien keine Gründe erkennbar, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen würden. Insbesondere habe der Bescheid eine ordnungsgemäße Belehrung über Form und Frist des Widerspruchs enthalten. 

Die Klägerin hat am 5.10.2022 Klage zum Sozialgericht Marburg erhoben. Der Bescheid sei der Klägerin nicht zugegangen und deshalb rechtswidrig. Die Klägerin habe im streitgegenständlichen Zeitraum auch keine Unterhaltsleistungen von ihrem Mann erhalten. 

Die Klägerin beantragt, 
den Bescheid vom 6.2.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7.9.2022 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, 
die Klage abzuweisen.  

Zur Begründung hat der Beklagte im Wesentlichen darauf verwiesen, dass der Bescheid vom 6.2.2019 sachlich nicht mehr zu prüfen sei. Bis September 2018 habe der Beklagte alle Schriftstücke unter der bekannten Anschrift in C-Stadt zustellen können. Die Anforderung von Unterlagen sei dann aber zweimal zurückgekommen und hätte nicht mehr zugestellt werden können. Daraufhin habe die zuständige Leistungssachbearbeiterin telefonisch bei dem Einwohnermeldeamt in C-Stadt die Adresse der Klägerin erfragt. Sie habe dort die Auskunft erhalten, dass die Klägerin dort noch gemeldet gewesen sei. Es sei deshalb davon auszugehen, dass die Klägerin sich nicht umgemeldet hat.  

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen, die Gegenstand der Entscheidung waren.


Entscheidungsgründe

Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten das gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erforderliche Einverständnis erklärt haben.

Die Klage ist zulässig. 

Streitgegenstand ist der Erstattungsbescheid vom 6.2.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7.9.2022. Statthafte Klageart ist die Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG

Die Klage ist auch begründet. 

Die angegriffenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Der Beklagte hat die Klägerin zu Unrecht zur Erstattung eines Betrages in Höhe von 2.080,00 Euro aufgefordert. 

Gemäß § 41a Abs. 6 S. 3 SGB II sind Überzahlungen zu erstatten, wenn die mit der abschließenden Entscheidung festgesetzten Entscheidungen hinter den vorläufig gewährten zurückbleiben. Es handelt sich bei einer Erstattungsverfügung zwar um einen eigenständigen Entscheidungssatz, der von der endgültigen Leistungsfestsetzung zu unterscheiden ist. Die Erstattung hängt aber inhaltlich von der endgültigen Festsetzung ab. Voraussetzung für eine Erstattungsforderung ist deshalb, dass die Erstattungsforderung auf einer rechtmäßigen abschließenden Festsetzung beruht und sich eine Differenz zwischen vorläufiger und endgültiger Bewilligung ergibt (BeckOGK/Kallert, 1.3.2022, SGB II § 41a Rn. 236). 

Das ist hier nicht der Fall. Denn die Voraussetzungen für eine abschließende Entscheidung über den Leistungsanspruch lagen zum Zeitpunkt des wirksamen Bescheiderlasses nicht mehr vor. 

Die Kammer ist zu der Überzeugung gelangt, dass die mit dem vorläufigen Bewilligungsbescheid vom Bescheid vom 30.5.2018 bewilligten Leistungen als abschließend festgesetzt galten, bevor der endgültige Festsetzungsbescheid (und der Erstattungsbescheid) gegenüber der Klägerin wirksam bekanntgegeben wurde. 

Gemäß § 41a Abs. 5 S. 1 SGB II gelten Leistungen, die durch eine vorläufige Entscheidung auf der Grundlage des § 41a SGB II gewährt wurden, als abschließend festgesetzt, wenn innerhalb eines Jahres nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes keine ausdrückliche endgültige Festsetzung nach § 41a Abs. 3 SGB II erfolgt. 

So liegt der Fall hier. Denn der endgültige Festsetzungsbescheid vom 6.2.2019 ist gegenüber der Klägerin nicht vor Eintritt der Fiktion (im Jahr 2019) wirksam bekanntgegeben worden. 

Gemäß § 39 Abs. 1 S. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) wird ein Verwaltungsakt erst in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekanntgegeben wird. 

Der Beklagte hat sich vorliegend für eine öffentliche Zustellung entscheiden. Eine Zustellung mittels öffentlicher Bekanntmachung kann gemäß § 65 Abs. 2 SGB X i.V.m. § 10 Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) aber jedenfalls nur dann rechtmäßig erfolgen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorlagen. 

Die Kammer ist zu der Überzeugung gelangt, dass diese Voraussetzungen des § 10 VwZG hier nicht vorlagen. Nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VwZG kann die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung nur erfolgen, wenn der Aufenthaltsort des Empfängers unbekannt ist und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist. 

Zu berücksichtigen ist, dass es sich bei dieser Art der Zustellung faktisch um eine Fiktion handelt und eine tatsächliche Übergabe des Verwaltungsaktes nicht erfolgt. Deshalb ist bei dieser Form der Zustellung auch am wenigsten gewährleistet, dass die betroffene Person tatsächlich Kenntnis von dem Inhalt des Verwaltungsaktes nimmt. In Kauf genommen wird, dass der Zweck der Zustellung – nämlich, dass die betroffene Person Kenntnis von dem Schriftstück nehmen kann und seine Rechtsverteidigung oder Rechtsverfolgung danach ausrichten kann – regelmäßig nicht erreicht wird. 

Die Zustellungsfiktion ist verfassungsrechtlich nur zu rechtfertigen, wenn eine andere Form der Zustellung aus sachlichen Gründen nicht oder nur schwer durchführbar ist. Sie kommt nur als ultima ratio Möglichkeit in Betracht. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 10 VwZG sind deshalb eng auszulegen (siehe zum Ganzen auch Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 9. Juli 2020 – L 7 BA 1487/19 B –, juris Rn. 10; SG Augsburg, Beschluss vom 5. Dezember 2016 – S 15 AS 980/16 –, juris Rn. 33). 

Bei Inlandszustellungen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwZG muss der Aufenthaltsort des Zustellungsadressaten deshalb allgemein, d.h. infolge gründlicher und umfassender sachdienlicher sowie zeitnaher Bemühungen, z.B. durch Anfragen bei der Polizei, Befragen von Angehörigen, Einwohnermeldebehörden oder Postamt, unbekannt sein (Danker, VwZG, 1. Aufl. 2012, § 10 Rn. 2; BeckOK VwVfG/L. Ronellenfitsch, 63. Ed. 1.10.2019, VwZG § 10 Rn. 10; SG Augsburg, Beschluss vom 5. Dezember 2016 – S 15 AS 980/16 –, juris Rn. 33). Die Behörde muss zunächst alle anderen zumutbaren Möglichkeiten ausgeschöpft haben, um das Dokument dem Empfänger zu übermitteln. 

Die Kammer ist zu der Überzeugung gelangt, dass die Behörde vorliegend keine ausreichenden Nachforschungen unternommen hat.

Es kann dabei letztlich dahinstehen, ob der Beklagte nicht gehalten gewesen wäre, zumindest einen Zustellungsversuch für die Bescheide vom 6.2.2019 zu unternehmen. Dahinstehen kann auch, ob die öffentliche Zustellung bereits daran scheitert, dass die Anfrage beim Einwohnermeldeamt nur telefonisch erfolgte und ein Auszug der jeweils aktuellen Adresse nicht in der Akte dokumentiert wurde. 

Dem Beklagten standen jedenfalls weitere Ermittlungsmöglichkeiten zur Verfügung, die vor einer öffentlichen Zustellung als ultima ratio Maßnahme hätten ergriffen werden müssen. So ist in der in der Verwaltungsakte eine Telefonnummer der Klägerin vermerkt. Es war dem Beklagten möglich – und auch zumutbar –, die Klägerin anzurufen, um sich nach ihrem aktuellen Wohnort zu erkundigen (so auch SG Augsburg, Beschluss vom 5. Dezember 2016 – S 15 AS 980/16 –, juris Rn. 38). Dass der Beklagte versucht hat, die Klägerin vor der öffentlichen Zustellung telefonisch zu erreichen, ist weder in der Verwaltungsakte dokumentiert noch konnte der Beklagte dies im Gerichtsverfahren nachweisen. 

Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass es dem Beklagten auch möglich gewesen wäre, bei dem ehemaligen Vermieter oder dem zu dieser Zeit von der Klägerin getrenntlebenden Ehemann nachzuforschen. Dies ist auch unter Einhaltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen möglich (so im Ergebnis auch BeckOK VwVfG/L. Ronellenfitsch, 63. Ed. 1.10.2019, VwZG § 10 Rn. 10). 

Die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung lagen folglich nicht vor. Der endgültige Festsetzungsbescheid wurde nicht wirksam bekanntgegeben. Heilung ist erst mit tatsächlichem Zugang eingetreten. 

Dabei ist letztlich unerheblich, ob der endgültige Festsetzungsbescheid gegenüber der Klägerin überhaupt bekanntgegeben wurde. Aus der Verwaltungsakte ist zwar lediglich ersichtlich, dass der Erstattungsbescheid im April 2022 an die Klägerin übersandt wurde. Da aber auch dieser Erstattungsbescheid erst nach Eintritt der Fiktion übersandt wurde, kann letztlich dahinstehen, ob und zu welchem Zeitpunkt der abschließende Festsetzungsbescheid der Klägerin bekanntgegeben wurde. Etwas anderes hat der Beklagte weder vorgetragen noch ist dies anderweitig ersichtlich. 

Rechtsfolge der eingetretenen Fiktion ist, dass die vorläufig bewilligten Leistungen als endgültig festgesetzt gelten. Für eine danach folgende endgültige Festsetzung ist kein Raum mehr (siehe im Ergebnis auch BeckOGK/Kallert, 1.3.2022, SGB II § 41a Rn. 208). Zu einer Differenz zwischen vorläufiger und endgültiger Leistung ist es daher nicht gekommen. 

Schließlich ist auch kein Ausnahmetatbestand nach § 41a Abs. 4 S. 2 SGB II einschlägig. Die Klägerin hat weder eine abschließende Entscheidung beantragt (Nr. 1) noch hat der Beklagte wirksam innerhalb eines Jahres nach Kenntnis der relevanten Tatsachen entschieden (Nr. 2). Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Fiktion selbst dann eintritt, wenn die leistungsberechtigte Person nicht mitwirkt. Der Beklagte hat in diesem Fall nur die Möglichkeit, innerhalb der Jahresfrist eine Sachentscheidung zu treffen (BeckOGK/Kallert, 1.3.2022, SGB II § 41a Rn. 214-215). Dies ist aber – wie bereits dargelegt – mangels Wirksamkeit der öffentlichen Zustellung nicht erfolgt.  

Nach alldem war der Klage vollumfänglich stattzugeben. 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens. 
 

Rechtskraft
Aus
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