Die Statthaftigkeit der Berufung beurteilt sich auch bei einer Untätigkeitsklage nach § 144 Abs 1 S 1 Nr 1 Alt 2 SGG, wenn sie auf den Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtet ist, der Geld-, Dienst- oder Sachleistungen betrifft, die einen Wert von 750 Euro nicht übersteigt (vgl BSG, Urteil vom 6.10.2011 B 9 SB 45/11 B).
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 6. Mai 2024 wird verworfen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Im Berufungsverfahren streitig ist eine zwischenzeitlich erledigte Untätigkeitsklage.
Der Kläger und Berufungskläger (Kläger) steht bzw stand beim Beklagten und Berufungsbeklagten (Beklagter) im laufenden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Am 8.10.2022 beantragte der Kläger beim Beklagten die Erstattung von Kosten aus zwei Widerspruchsverfahren in Höhe von insgesamt 30 Euro.
Nachdem der Beklagte diesen Antrag zunächst nicht beschieden hatte, erhob der Kläger am 31.7.2023 sinngemäß beim Landessozialgericht Untätigkeitsklage, die an das Sozialgericht München verwiesen worden ist. An dieser hat der Kläger ausdrücklich festgehalten, obgleich der Beklagte mit Bescheid vom 21.9.2023 (Widerspruch gegen den Aufhebungsbescheid vom 28.6.2022) die vom Kläger geltend gemachten Kosten des Widerspruchsverfahrens teilweise bzw mit weiterem Bescheid vom 21.9.2023 (Widerspruch gegen den vorläufigen Bewilligungsbescheid vom 15.9.2022) vollständig erstattete. Soweit der Beklagte eine vollständige Kostenerstattung abgelehnt hatte, ist unter dem Az S 41 AS 132/24 ein Klageverfahren beim Sozialgericht München registriert.
Das Sozialgericht München hat nach entsprechender Anhörung der Beteiligten die Untätigkeitsklage abgewiesen; die Rechtsmittelbelehrung geht von der Statthaftigkeit der Berufung aus (Gerichtsbescheid vom 6.5.2024).
Am 15.5.2024 hat der Kläger gegen den Gerichtsbescheid vom 6.5.2024 Berufung eingelegt.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Gerichtsbescheid sei nicht zu beanstanden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vorliegenden Akten verwiesen, auch soweit diese vom Beklagten und dem Sozialgericht München beigezogen worden sind.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die Berufung ist unzulässig, da sie nicht statthaft ist. Der Senat konnte in Abwesenheit des Klägers verhandeln und entscheiden, da dieser über den Termin zur mündlichen Verhandlung informiert und dabei auf die Folgen seines Ausbleibens hingewiesen worden war (§ 110 Abs 1 S 2, § 153 Abs 1 SGG).
1. Streitig ist in der Sache die Verbescheidung des Antrags vom 10.8.2022, mit dem der Kläger die Erstattung von Kosten iHv insgesamt 30 Euro verfolgte, die ihm im Rahmen von zwei Widerspruchsverfahren entstanden sind.
2. Die Berufung ist nicht statthaft.
a) Abweichend von § 143 SGG bedarf die Berufung gegen Urteile der Sozialgerichte der Zulassung, ua wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro nicht übersteigt (§ 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG). Der Wert des Beschwerdegegenstandes bemisst sich danach, was das Sozialgericht dem Rechtsmittelkläger versagt hat und was er davon mit seinen Berufungsanträgen weiterverfolgt (vgl Keller in Meyer-Ladewig ua, SGG, 13. Aufl 2020, § 144 Rn 14 mwN).
Diese Berufungsbeschränkung ist im vorliegenden Fall zu beachten. Auch Untätigkeitsklagen werden von der Berufungsbeschränkung des § 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG erfasst, weil sie entweder auf die Vornahme eines beantragten Verwaltungsaktes (§ 88 Abs 1 SGG) oder den Erlass eines Widerspruchsbescheides (§ 88 Abs 2 SGG) gerichtet sind. Betreffen die zu erlassenden Verwaltungsakte Geld-, Dienst- oder Sachleistungen, die einen Wert von 750 Euro nicht übersteigen, unterliegt auch die Untätigkeitsklage der Berufungsbeschränkung (vgl BSG Beschluss vom 6.10.2011 - B 9 SB 45/11 B -, Rn 10 f; Urteil vom 10.10.2017 - B 12 KR 3/16 R -, Rn 13).
Da die Untätigkeitsklage vorliegend auf Bescheidung des klägerischen Antrags auf Erstattung von Kosten des Widerspruchsverfahrens iHv insgesamt 30 Euro gerichtet war, ist dieser Betrag maßgebend (vgl BSG, Urteil vom 10.10.2017 - B 12 KR 3/16 R -, Rn 14); er übersteigt den für die Zulässigkeit der Berufung kraft Gesetzes nach § 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG erforderlichen Betrag bei weitem nicht.
b) Auch eine Zulässigkeit der Berufung nach § 144 Abs 1 S 2 SGG kommt vorliegend nicht Betracht, da nicht Leistungen für mehr als ein Jahr streitig sind bzw jemals streitig waren.
c) Eine Zulassung der Berufung erfolgte schließlich weder im angefochtenen erstinstanzlichen Urteil noch auf Beschwerde durch das Landessozialgericht. Dass mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid der Kläger unzutreffend dahingehend belehrt worden ist, die Berufung sei statthaft, ist in Ermangelung weitergehender Anhaltspunkte nicht als gleichsam konkludente Zulassung der Berufung zu werten (BSG, Urteil vom 10.10.2017 - B 12 KR 3/16 R -, Rn 17).
d) Wird trotz nicht statthafter Berufung - wie hier - über eine Berufung belehrt, liegt darin zwar eine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung, jedoch ohne dass die Möglichkeit einer Umdeutung in eine Nichtzulassungsbeschwerde besteht; es ergibt sich vielmehr die Folge, dass das falsche Rechtsmittel (hier Berufung) als unzulässig zu verwerfen ist (vgl BSG, Urteil vom 4.7.2018 - B 3 KR 14/17 R -, Rn 15) (§ 158 S 1 SGG). Eine Prüfung in der Sache erfolgt durch das Rechtsmittelgericht nicht.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für eine Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.