Ein Unfallversicherungsschutz als Betreuer/in erfordert kein Handeln im unmittelbar rechtsgeschäftlichen Bereich
Das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 24. Februar 2023 und der Bescheid der Beklagten vom 8. April 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. November 2019 werden aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass die Platzwunde am Kopf des Klägers Folge eines Arbeitsunfalls vom 15. Februar 2016 ist.
Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten für das Vorverfahren und beide Gerichtszüge zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass er am 15. Februar 2016 einen Arbeitsunfall erlitten hat.
Der Kläger ist gesetzlicher Betreuer seines 1978 geborenen Sohnes. Nach dem Betreuerausweis des Klägers umfasste sein Aufgabenkreis als Betreuer:
Sorge für die Gesundheit,
Aufenthaltsbestimmung,
Vermögensfürsorge,
Wahrnehmung der Rechte als Arbeitnehmer,
Rechts-, Antrags- und Behördenangelegenheiten.
Weiterhin hatte der Kläger seinen Sohn im Rahmen seines Aufgabenkreises gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten (vergleiche auch Beschluss des Amtsgerichts M. vom 26. März 2013).
Nach dem vorgelegten Gutachten der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. K. am 8. Januar 2001 war dem Betreuten aufgrund der geistigen Behinderung eine freie Entscheidung nicht mehr möglich.
Im Rahmen einer Strafanzeige gegen seinen Sohn gab der Kläger an, dieser sei geistig behindert. Am 15. Februar 2016 sei es zu einer Auseinandersetzung in der gemeinsamen Wohnung gekommen. Unter anderem habe sein Sohn mit einem Zimmermannshammer durch eine Zimmertür geschlagen. Als er (Kläger) den Notruf der Polizei gewählt habe, habe sein Sohn erneut angegriffen. Er habe ihn zunächst in einen Fesselgriff nehmen können. Dann habe sich sein Sohn aber aus diesem gelöst, eine große Vase genommen und ihm auf den Kopf geschlagen. Sein Sohn habe gesagt, dass er ihn fertigmachen wolle. Er (Kläger) sei sodann durch den Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht und dort stationär aufgenommen worden. Er habe eine Platzwunde auf dem Kopf erlitten. Außerdem habe der Schlag auf den Kopf einen Schlaganfall ausgelöst, weshalb sein linker Arm gelähmt sei.
Der Kläger führte in einem anschließenden Schreiben gegenüber der Beklagten aus, im Rahmen der Sorge für die Gesundheit seines Sohnes sei er verpflichtet gewesen, für ein Wohnumfeld zu sorgen, welches den Gesundheitszustand seines Sohnes nicht negativ beeinflusse. Da nach einer Komplettrenovierung im Zimmer seines Sohnes erneut Schimmel aufgetreten sei, habe er den Vermieter informiert. Für den 9. Februar 2016 sei bereits ein Begutachtungstermin vereinbart gewesen. Sein Sohn habe aber keinen in sein Zimmer lassen wollen, weshalb er um eine Terminverschiebung gebeten habe. Er habe anschließend eine Woche probiert, seinen Sohn zu überzeugen, die Begutachtung zu dulden sowie einen Weg zu den Schadstellen freizumachen. Da sein Sohn bis zum 15. Februar 2016 nicht tätig geworden sei, habe er ihm Hilfe bei Aufräumarbeiten angeboten. Dies habe sein Sohn abgelehnt, sei aber in sein Zimmer gegangen. Laute Klopfgeräusche aus dem Zimmer des Sohnes hätten ihn vor die Zimmertür treten lassen. Von seinem Sohn sei ein lautes Schimpfen über den Betreuungsrichter zu hören gewesen. Er habe gehofft, seinen Sohn beruhigen zu können. Schließlich seien die Klopfgeräusche und das Geschimpfe verstummt. Plötzlich habe es gekracht und ein Hammer habe die Zimmertür durchschlagen. Dass er dabei nicht getroffen worden sei, sei ein glücklicher Zufall gewesen. Er habe sich zurückgezogen, um Polizei und Notarzt zu holen. Während des Telefonates habe sich sein Sohn rasend vor Wut auf ihn gestürzt. Zuletzt habe er im Jahr 2013 einen ähnlichen Angriff erlebt. Als er dachte, dass er seinen Sohn beruhigt habe, habe dieser eine Vase ergriffen und ihm mit aller Wucht auf den Kopf geschlagen. Als sein Sohn die Wunde gesehen habe, sei er sofort in sein Zimmer gerannt und habe sich eingeschlossen. Direkt nach dem Schlag sei sein Arm nicht mehr wahrnehmbar und nutzbar gewesen.
Mit Bescheid vom 8. April 2019 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Vorfalles als Versicherungsfall gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 10, § 8 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebentes Buch (SGB VII) ab und führte zur Begründung aus, zwar gehöre der Kläger als Betreuer grundsätzlich zum versicherten Personenkreis. Die von ihm zum Unfallzeitpunkt ausgeübte Tätigkeit habe jedoch keinen Bezug zum rechtlichen Aufgabenkreis des Betreuers, so dass ein Versicherungsschutz ausscheide.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 18. April 2019 Widerspruch ein und wies darauf hin, dass die Besichtigung des Zimmers des Betreuten aus Gründen der Sorge für die Gesundheit des zu Betreuenden angezeigt gewesen sei. § 1901 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) beschränke den Aufgabenkreis nicht auf rechtliche Besorgungen, sondern beziehe alle Tätigkeiten ein, die mit der Wahrnehmung der rechtlichen Interessen zusammenhingen. Versicherungsschutz müsse auch dann bestehen, wenn der Betreute aufgrund seiner Krankheit den Betreuer angreife.
Mit Widerspruchsbescheid vom 6. November 2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und vertiefte ihre bisherige Begründung. Der Aufgabenbereich „Sorge für die Gesundheit“ umfasse nicht jedes gesundheitsfördernde Tätigsein des Betreuers, sondern nur ärztliche Angelegenheiten. Ein Zusammenhang zwischen dem Betreuungsauftrag und dem Vorfall lasse sich nicht feststellen.
Hiergegen hat der Kläger im selben Monat Klage erhoben und nochmals vertieft, die Beseitigung von Schimmel im Wohnraum stelle eine gesundheitliche Gefährdung des Betreuten dar, die den Betreuer zum Handeln verpflichte.
Der Kläger hat weiter angegeben, dass der betreute Sohn ebenfalls als Mieter im Mietvertrag genannt werde. Er hat betont, der Begutachtungstermin sei auf den 16. Februar 2016, den auf den Unfall folgenden Tag angesetzt gewesen. Er hat darauf verwiesen, aus dem Betreuungsverhältnis ergebe sich die Verpflichtung, angezeigte Vorsorgeuntersuchungen (Zahnarzt, Routineuntersuchung) wahrzunehmen. Ähnliches gelte, wenn der Betreuer von gesundheitsgefährdenden Umständen erfahre. Hier sei er Garant.
In der mündlichen Verhandlung am 24. Februar 2023 hat der Kläger ergänzt, der Betreute habe Lego sicherlich im Wert von 20.000 €. Er sei Autist. Das ganze Zimmer sei mit Legosteinen überhäuft gewesen und kein Stein hätte bewegt werden dürfen. Sie hätten das teilweise heimlich gemacht, wenn er in der Werkstatt für behinderte Menschen gewesen sei. Dann habe man auch die Räumlichkeiten gelüftet. Mit Urteil vom gleichen Tage hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und ausgeführt, die Aufgabe des Betreuers bestehe in der rechtlichen Besorgung der Angelegenheiten des Betreuten. Es habe keine Situation bestanden, in der ein vergleichsweise zu betrachtender berufsmäßiger Betreuer eine vergütungsfähige Geschäftsbesorgung vornehmen könnte. Hier habe der Vater seinen Sohn anhalten wollen, das Zimmer aufzuräumen. Dies stelle einen alltäglichen Ablauf innerhalb einer Familie dar. Insbesondere sei dies keine rechtliche Besorgung der Angelegenheiten des Betreuten.
Gegen das ihm am 21. April 2023 zugestellte Urteil hat der Kläger noch im selben Monat Berufung eingelegt und seinen bisherigen Vortrag wiederholt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 24. Februar 2023 und den Bescheid der Beklagten vom 8. April 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. November 2019 aufzuheben und das Ereignis vom 15. Februar 2016 als Versicherungsfall in der Form eines Arbeitsunfalls mit der Folge einer Platzwunde festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
In einer mündlichen Verhandlung hat der Kläger den Vorfall noch einmal geschildert. Sodann haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten ergänzend verwiesen. Diese sind Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und begründet.
Im Einverständnis der Beteiligten konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Nach der formlosen Rückübertragung auf den vollständig besetzten Senat durch den Berichterstatter aufgrund der verwickelten Sach- und Rechtslage entscheidet der Senat in der vom Gesetz grundsätzlich vorgesehenen Besetzung mit drei Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Zur Überzeugung des Senats ist der Vorfall am 15. Februar 2016 als Arbeitsunfall mit der Folge einer Platzwunde festzustellen.
Rechtliche Grundlage für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII. Danach sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten (dazu bei 1.) „infolge“ (dazu bei 3.) einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (dazu bei 2.). Dies setzt voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb „Versicherter“ ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (dazu bei 4.; allgemein BSG, 27.11.2018, B 2 U 15/17 R, SozR 4-2700 § 2 Nr. 49, Rn. 11).
1. Ein Unfallversicherungsschutz folgt aus § 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe a) SGB VII. Danach sind unter anderem Personen unfallversichert, die für Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts in deren Auftrag ehrenamtlich tätig sind. Hierunter fallen auch Betreuer i.S. des § 1901 BGB, die gerichtlich gemäß den Vorschriften des BGB bestellt wurden (Bieresborn in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 3. Aufl., § 2 SGB VII [Stand: 14.12.2023], Rn. 359). Sie sind nicht etwa auf privatrechtlicher Grundlage, sondern im öffentlichen Interesse für ein Land - hier Sachsen-Anhalt - tätig. Ihrer Tätigkeit liegt das staatliche Interesse an der Fürsorge für den schutzbedürftigen Einzelnen zugrunde; zur Durchführung dieser Fürsorge bedient sich der Staat jeweils einer Privatperson (so für den damaligen Vormund entmündigter Volljähriger: BVerfG, 10.2.1960, 1 BvR 526/53, BVerfGE 10, 302, 311, 312, 324). Sofern - wie beim Kläger - das Amt des Betreuers ehrenamtlich ausgeübt wird, wird dem Betreuer auch nicht durch Gesetz eine laufende Entschädigung zur Sicherstellung seines Lebensunterhalts gewährt, weil die Betreuung unentgeltlich geführt wird.
2. Weiter stand die Verrichtung des Klägers zur Zeit des Unfallereignisses im sachlichen Zusammenhang mit der Betreuungstätigkeit. Eine versicherte Tätigkeit wird ausgeübt, wenn, solange und soweit der Versicherte den jeweiligen Versicherungspflichttatbestand erfüllt. Eine Verrichtung ist jedes konkrete Handeln, das objektiv seiner Art nach von Dritten beobachtbar und subjektiv - zumindest auch - auf die Erfüllung des Tatbestands der jeweiligen versicherten Tätigkeit ausgerichtet ist. Diese innere Tatsache der subjektiven Ausrichtung des objektiven konkreten Handelns des Verletzten wird auch als „Handlungstendenz“ bezeichnet (vgl. BSG, 26.6.2014, B 2 U 4/13 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 52 Rn. 14; BSG, 5.7.2016, B 2 U 5/15 R, SozR 4-2700 § 2 Nr. 35, Rn. 15).
Zum Zeitpunkt des Angriffs telefonierte der Kläger und wollte so einen Notarzt anrufen (vgl. erste Beschreibung des Klägers; Seite 33 Verwaltungsakte; TelNr 112 = Rettungsdienst). Wie er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat konkretisiert hat, sollte so zugleich auch die Polizei benachrichtigt werden, da die ärztliche Behandlung des Betreuten regelmäßig erzwungen werden musste.
Dies ist eine versicherte Tätigkeit, da der Kläger als Aufgabenkreis als Betreuer auch die Sorge für die Gesundheit sowie die Aufenthaltsbestimmung zugewiesen bekommen hatte.
Die vorangegangene Tätigkeit (Aufforderung zum Aufräumen des Zimmers) war beendet. Der Kläger hatte seinen Standort vor der Tür des Zimmers des Betreuten verlassen und wollte „nur“ noch telefonieren. Nach Eintreffen von Polizei und Arzt wäre eine Behandlung des Betreuten erfolgt. Ob und wann dieser wieder zum Aufräumen seines Zimmers aufgefordert worden wäre, kann nicht festgestellt werden.
Im Übrigen kann die Tätigkeit eines Betreuers angesichts von § 1901 Abs. 2 BGB (hier noch in der Fassung des Gesetzes vom 17.12.2008, BGBl. I 2586) nicht auf reine Rechtsgeschäfte reduziert werden (vgl. zum damaligen Recht auch BSG, 23.3.1999, B 2 U 15/98 R, SozR 3-2200 § 539 Nr 46, SozR 3-7610 § 1901 Nr 1, Rn. 12 - 14). Um die subjektive Sicht des Betreuten festzustellen, werden Gespräche unverzichtbar sein, die in § 1901 Abs. 3 BGB sogar ausdrücklich genannt werden. Genannt wird in der einschlägigen Kommentarliteratur auch z.B. die Nachforschung zu regelmäßiger Medikamentengabe (Staudinger/Bienwald [2017] BGB § 1901, Rn. 20). Zu den Aufgaben des Betreuers gehört nach der Rechtsprechung und Literatur die Überprüfung der Wohnverhältnisse des Betroffenen zur Vermeidung von Vermüllung und Gesundheitsgefahren, wenn der Betreuer weiß, dass der Betroffene zur Verwahrlosung neigt (bezüglich der Aufgabenkreise Vermögenssorge, Zuführung zur ärztlichen Behandlung und Aufenthaltsbestimmung: Bayerisches Oberstes Landesgericht, 16. Oktober 2003, 3 Z BR 192/03, juris; zustimmend Schmid, FamRZ 2013, 1706; Sonnenfeld, FamRZ 2006, 653, 655; siehe auch OLG F., 28.11.1995, 20 W 507/95, juris Rn. 4; Bayerisches Oberstes Landesgericht, 19.6.2001, 3 Z BR 125/01, juris). Der Begriff Wohnungsangelegenheiten umfasst vielmehr auch tatsächliche Maßnahmen wie Reinigung, Renovierung, Entmüllung und Entrümpelung einschließlich etwa erforderlich werdender Entwesung und Desinfektion der Wohnung (LG Freiburg/Breisgau, 25.2.2000, 4 T 349/99, juris Rn. 42).
Unerheblich ist, dass zum Zeitpunkt des Schlages mit der Vase der Kläger seinen Sohn bereits in den Flur abgedrängt hatte und das Telefonat (vorläufig) beendet war. Bei einem einheitlichen Geschehen wie dem Angriff durch eine Person ist es nicht erheblich, ob die schädigende Handlung zu Beginn des Angriffs oder erst gegen dessen Ende erfolgt.
3. Der Angriff erfolgte auch „infolge“ der versicherten Tätigkeit. Der Aufgabenkreis eines Betreuers im Aufgabenbereich der Sorge für die Gesundheit verlangt eine Kontaktaufnahme zu dem Betreuten und gegebenenfalls die anschließende Information von Ärzten. Handelt es sich dabei um eine Person, die unter Umständen gefährlich sein kann, weil sie den Betreuer angreift, so ist diese Gefahr im Rahmen des Betreuungsverhältnisses versichert. Dabei ist nicht zu untersuchen, warum der Kläger von seinem Sohn angegriffen wurde (z.B. wegen der Aufforderung, das Zimmer aufzuräumen oder wegen der Ankündigung, Polizei und ärztliche Hilfe anzufordern). Entscheidend ist hier allein, dass der Aufenthalt des Klägers in der für den Angriff erreichbaren Nähe nicht allein durch den gemeinsamen Haushalt, sondern entscheidend durch die räumlich nächste Möglichkeit bedingt war, durch telefonischen Notruf (auch) nach einem Arzt den Tobsuchtsanfall des Sohnes einzudämmen. Denn dabei handelt es sich um das Symptom einer Gesundheitsstörung, zu deren Bekämpfung der Kläger als Betreuer berufen war. Nach § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. bestellt das Betreuungsgericht einen Betreuer, wenn ein Volljähriger auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann. Gemäß § 1897 Abs. 1 BGB a.F. bestellt das Betreuungsgericht zum Betreuer eine natürliche Person, die geeignet ist, in dem gerichtlich bestimmten Aufgabenkreis die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen und ihn in dem hierfür erforderlichen Umfang persönlich zu betreuen.
Gerade wenn man sich den vorliegenden Fall mit einem Berufsbetreuer vorstellt (vgl. BSG, 17.5.2022, B 2 U 91/21 B, juris Rn. 2; LSG Sachsen-Anhalt, 26.4.2021, L 6 U 94/ 19, juris), ist ein solches Geschehen nach dem Schutzzweck des Unfallversicherungsrechts (dazu BSG, 6.10.2020, B 2 U 10/19 R, SozR 4-2700 § 73 Nr. 2, Rn. 32; LSG Sachsen-Anhalt, 21.4.2022, L 6 U 64/18, juris Rn. 62, juris; Becker, MedSach 2007, 92) sowie nach der Auffassung des praktischen Lebens (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 33) versichert. Eine engere Grenzziehung bei dem Kläger, weil es sich bei dem Betreuten um seinen Sohn handelt, ist auch mit Art. 6 Grundgesetz schwer vereinbar. Die räumliche Nähe zwischen Betreuer und Betreutem und die damit zusammenhängende Gefahr ist im Rahmen der Betreuung unvermeidbar.
Ein Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII kommt bei diesem Sachverhalt nicht in Betracht, da keine pflegerische Tätigkeit erkennbar ist. Trotz des Hinweises der Beklagten im Ablehnungsbescheid hat der Kläger nichts vorgetragen, was für einen solchen Versicherungsschutz sprechen könnte.
4. Ein Unfall im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII liegt vor. Der Schlag mit der Vase auf den Kopf ist ein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das einen Gesundheitserstschaden - die festgestellte Platzwunde - verursacht hat. Ob darüber hinaus weitere Unfallfolgen vorliegen, wird die Beklagte ermitteln müssen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Auch wenn zur Reichweite des Unfallversicherungsschutzes eines ehrenamtlichen Betreuers wenig höchstrichterliche Rechtsprechung existiert, so ergibt sich die Lösung des Falles hier direkt aus dem Gesetz.