Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 11. Juli 2022 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII) für den Zeitraum vom 27. Januar 2014 bis zum 15. Juni 2015 im Zugunstenverfahren gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) streitig.
Die am ... 1961 geborene Klägerin bezieht von der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer, im hier maßgeblichen Zeitraum mit einem Zahlbetrag in Höhe von monatlich 568,83 €, seit dem 1. Juli 2014 i.H.v. 585,13 €.
Die Klägerin ist infolge des notariell beurkundeten Kaufvertrages vom 30. Juli 2009 Alleineigentümerin eines 1.250 m² großen und mit einem - von ihr bereits langjährig bewohnten - Einfamilienhaus bebauten Grundstücks am Morgengrund in S.. Der vereinbarte Kaufpreis von 7.500,00 € ist mit der letzten Ratenzahlung im Januar 2013 bezahlt. Die Klägerin verpflichtete sich in dem o.g. Kaufvertrag, F. Z. (F.Z.), mit dem sie das Einfamilienhaus gemeinsam bewohnt, ein lebenslanges Wohnungsrecht in allen Räumen des Wohnhauses zu gewähren und bei Beendigung der Partnerschaft nur eine Miete in der Höhe Rechnung zu stellen, die der von der Klägerin gegenwärtig gezahlten Miete entspreche. Unter dem 5. August 2009 vereinbarten F.Z. und die Klägerin eine Zahlung von „150,- - 200,-“ für „Mietzuschuss bzw. Hausbelastung“.
Mit Bescheid vom 17. September 2012 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen der Hilfe zur Pflege nach §§ 19 Abs. 3 i.V.m. § 61 und als erweiterte Hilfe gemäß § 19 Abs. 5 SGB XII i.H.v. monatlich 153,40 € für den Zeitraum vom 18. Juli 2012 bis auf weiteres.
Aufgrund des vor dem Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt im Februar 2014 geschlossenen gerichtlichen Vergleichs sind bei der Klägerin seit dem 9. Juli 2013 ein Grad der Behinderung von 70 und das Merkzeichen „G“ anerkannt.
Mit Bescheid vom 19. März 2014 lehnte der Beklagte den (wiederholten) Antrag der Klägerin auf Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung vom 27. Januar 2014 ab. Die Klägerin könne mit ihrem Renteneinkommen die bei ihr bestehenden Bedarfe vollständig abdecken. Sie verwies auf die Anlage zum Bescheid, für den Zeitraum von Januar bis August 2014 ein übersteigendes Einkommen von monatlich mindestens 16,37 € (im August 2014) und höchstens 107,33 € (im Januar 2014) errechnete. Wie bereits im Ablehnungsbescheid vom 4. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2014 ausgeführt, könnten die geltend gemachten Aufwendungen für „Essen auf Rädern“ nicht als Bedarf steigernd berücksichtigt werden, da es sich hierbei nicht um unabweisbare Aufwendungen im Sinne von § 27a Abs. 4 S. 1 SGB XII handele. Höhere Aufwendungen für Fahrten zu Ärzten könnten ebenfalls nicht mehr berücksichtigt werden, da die Klägerin mit der Zuerkennung des Merkzeichens G für einen Jahresbetrag von 72,00 € eine sogenannte Wertmarke erwerben könne. Im Hinblick auf den im Februar 2014 beim LSG Sachsen-Anhalt geschlossenen Vergleich sei ab diesem Monat ein Mehrbedarfszuschlag gemäß § 30 Abs. 1 SGB XII zu berücksichtigen. Bis zur Möglichkeit des Erwerbs der Wertmarke seien Fahrtkosten in Höhe von 33,70 €/Monat anerkannt worden. Ferner sei ein weiterer Mehrbedarfszuschlag aufgrund der Warmwasserzubereitung mit elektrischem Strom nach § 30 Abs. 7 SGB XII zu berücksichtigen. Kosten für Unterkunft und Heizung (KdUH) seien gemäß § 35 SGB XII entsprechend der nachgewiesenen Kosten - jeweils zur Hälfte - zu berücksichtigen. Dem sich damit ergebenden Gesamtbedarf, der durch die unterschiedlich hohen monatlich fälligen KdUH schwanke, sei das Einkommen in Form der Erwerbsminderungsrente abzüglich der Beiträge zur Privathaftpflichtversicherung sowie zur Hausratversicherung in Höhe von jeweils maximal 4,00 € gegenüber zu stellen.
Am 1. August 2014 stellte die - seinerzeit anwaltlich vertretene - Klägerin hinsichtlich des Ablehnungsbescheides vom 19. März 2014 einen Überprüfungsantrag mit der Begründung, bei der Berechnung des Bedarfes hätten die Schornsteinfegerkosten, Gebäudeversicherung sowie Heizkosten keine Berücksichtigung gefunden.
Den nachfolgend am 16. Juni 2015 gestellten weiteren Antrag auf Bewilligung von Grundsicherungsleistungen lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 20. Juli 2015 ab. Er verwies in der Anlage auf die Berechnung der Bedarfe für den Zeitraum von Juni 2015 bis Mai 2016 und eines Einkommensüberhangs von mindestens 38,35 € (für April 2016) und höchstens von 117,93 € (für September 2015 und März 2016).
Mit Bescheid vom 25. April 2019 lehnte der Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 19. März 2014 ab. Schornsteinfegerkosten seien bereits einmalig im Monat der Fälligkeit, im Dezember 2013, als Bedarf berücksichtigt worden. Kosten für eine Gebäudeversicherung könnten nicht berücksichtigt werden, da diese zu keinem Zeitpunkt nachgewiesen worden seien und davon auszugehen sei, dass eine solche Versicherung nicht bestanden habe. Auch bezüglich der Heizkosten hätten sich keine neuen Erkenntnisse ergeben. Soweit Kosten in Höhe von 685,80 € geltend gemacht worden seien, seien keine Nachweise erbracht worden, dass die Klägerin für die Hälfte der Heizkosten, d. h. für 342,90 €, habe aufkommen müssen. Für den Zeitraum von Oktober 2013 bis September 2014 habe sich ein übersteigendes Einkommen der Klägerin i.H.v. 774,18 € errechnet, das ausgereicht habe, den tatsächlichen Bedarf an Heizkosten zu decken.
Hiergegen legte die Klägerin am 29. Mai 2019 Widerspruch ein und zur Begründung am 5. September 2019 Nachweise für Brikettlieferungen in den Jahren 2014 bis 2016, insbesondere für Lieferungen am 11. Dezember 2014 für insgesamt 127,48 € und am 11. Juni 2015 für insgesamt 84,64 € vor.
Nach Anhörung der Klägerin mit Schreiben vom 11. Oktober 2019 wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29. November 2019 als unbegründet zurück. Streitgegenständlicher Zeitraum sei die Zeit ab Antragstellung, d. h. vom 27. Januar 2014, bis zum Tag vor der Neuantragstellung am 16. Juni 2015, d. h. bis zum 15. Juni 2015. Ein Anspruch auf Übernahme der Brennstoffkosten vom 11. Dezember 2014 über 127,48 € und vom 11. Juni 2015 über 84,64 € ergebe sich nicht. Ausweislich des Ablehnungsbescheides vom 15. Juli 2015 habe sich für den Monat Juni 2015 ein übersteigendes Einkommen von 86,60 € ergeben, das ausreichend sei, die nunmehr nachgewiesenen und im Juni 2015 fälligen Brennstoffkosten zu begleichen. Für den Monat Dezember 2014 sei nicht ermittelt worden, wie hoch das übersteigende Einkommen tatsächlich ausgefallen wäre. Da der Bedarf aber seinerzeit bereits gedeckt gewesen sei, komme insbesondere ein Darlehen für Dezember 2014 nicht mehr in Betracht. Schließlich sei davon auszugehen, dass - wie in den Urteilen des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 16. Juni 2015 in den Verfahren S 29 SO 6/13 und S 29 SO 34/11 ausgeführt und vom LSG Sachsen-Anhalt bestätigt - im hier streitgegenständlichen Zeitraum das Einkommen von F.Z. mit einzubeziehen gewesen wäre.
Hiergegen hat die Klägerin am 18. Dezember 2019 Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau erhoben und zur Begründung zunächst vorgetragen, sie müsse ohne Heizung, Warmwasser und Gas leben. Im Februar 2020 hat sie angegeben, mit Strom zu heizen und das Wasser mit einem Wasserkocher zu erhitzen. Sie verfolge die Aufhebung der Ablehnungsbescheide und eine Entschädigung sowie eine Bewilligung von Heizungsbeihilfe. Insgesamt betrage ihre Forderung 24.143,00 € für Grundsicherung, Heizung, Essensgeld, Mehrbedarf und Zuckerteststreifen.
Der Beklagte hat hierzu mitgeteilt, dass derzeit nicht nachgewiesen sei, welche Umbauten an der Heizung vorzunehmen seien und welche finanziellen Aufwendungen hierfür voraussichtlich anfielen. Er halte daran fest, dass das Einkommen von F.Z. mit zu berücksichtigen sei. Hinsichtlich der Rechnungen für Essen auf Rädern werde weiterhin davon ausgegangen, dass diese Aufwendungen nicht unausweichlich im Sinne von § 27a Abs. 4 SGB XII seien. Auch Leistungen nach §§ 70, 71 SGB XII kämen insoweit nicht in Betracht. Diesbezüglich werde auf das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 6. Februar 2019 in dem Verfahren S 10 SO 46/17 verwiesen. Aber selbst wenn die diesbezüglichen Aufwendungen im vorliegenden Einzelfall anzuerkennen wären, ergäbe sich kein Anspruch auf Leistungen der Sozialhilfe.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 11. Juli 2022 abgewiesen. Im streitgegenständlichen Zeitraum vom 27. Januar 2014 bis zum 15. Juni 2015 habe die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII. Zur Begründung nehme die Kammer gemäß § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Bezug auf die angefochtenen Bescheide, deren Ausführungen sie folge. Konkrete Einwände dagegen habe die Klägerin nicht erhoben. Die Berechnung ihrer Gesamtforderung sei nicht nachvollziehbar. Es werde schon nicht deutlich, von welchem Gesamtbedarf sie ausgehe. Ihre Kosten für Unterkunft und Heizung in den einzelnen streitgegenständlichen Monaten habe sie weder konkret benannt noch belegt. Deshalb sei für die Kammer nicht zu erkennen, dass die Klägerin weitere Bedarfe haben könnte, die der Beklagte in den streitgegenständlichen Bescheiden nicht berücksichtigt habe. Ferner habe die Klägerin bei ihren Berechnungen offenbar kein einzusetzendes Einkommen in Abzug gebracht. Ihre Rente sei aber als Einkommen zu berücksichtigen. Außerdem habe das Gericht bereits mehrfach entschieden, dass die Klägerin mit F.Z. eine eheähnliche Gemeinschaft bilde. Anhaltspunkte für eine anderweitige Entscheidung im vorliegend streitigen Zeitraum ergäben sich nicht, sodass dessen übersteigendes Einkommen und Vermögen zur Deckung des Bedarfs der Klägerin zusätzlich zu berücksichtigen sei. Soweit die umfangreichen übrigen Ausführungen der Klägerin die allgemeine politische und soziale Lage in Deutschland beträfen, seien derartige Schilderungen für die Kammer nicht einlassungsfähig.
Die Klägerin hat gegen den ihr am 16. Juli 2022 zugestellten Gerichtsbescheid am 19. Juli 2022 Berufung beim LSG Sachsen-Anhalt eingelegt. Ihr stehe ein Nachteilsausgleich, eine Aufwandsentschädigung sowie Schmerzensgeld zu, da sie von den Behörden und Gerichten nicht ernst genommen werde. Ferner hat sie Rechnungen für - nicht näher spezifiziertes - „Assietten-Essen“ für den Zeitraum vom 27. Juni bis zum 21. August 2022 vorgelegt.
Die Klägerin, die zum Verhandlungstermin beim Senat nicht erschienen und nicht vertreten gewesen ist, beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 11. Juli 2022 und den Bescheid des Beklagten vom 25. April 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. November 2019 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 19. März 2014 zurückzunehmen und ihr Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII zu bewilligen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 11. Juli 2022 zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid und seinen Bescheid für rechtmäßig.
Mit Beschluss vom 25. Januar 2024 hat der Senat die Berufung dem Berichterstatter übertragen. Der Beschluss und die Ladung zur mündlichen Verhandlung am 20. Februar 2024 sind der Klägerin am 2. Februar 2024 zugestellt worden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten des Beklagten ergänzend verwiesen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Nach der Übertragung der Berufung auf den Berichterstatter konnte der Senat in der Besetzung mit diesem und den ehrenamtlichen Richtern entscheiden (§ 153 Abs. 5 SGG).
Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung weder erschienen noch vertreten gewesen ist. Hierauf ist sie mit der ihr am 2. Februar 2024 ordnungsgemäß zugestellten Ladung hingewiesen worden (§ 126 SGG).
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 25. April 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. November 2019 ist rechtmäßig. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 19. März 2014 nicht zu.
Gemäß § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Hier haben sich keine Nachweise dafür ergeben, dass der Beklagte im streitigen Zeitraum vom 27. Januar 2014 bis zum 15. Juni 2015 der Klägerin zu Unrecht Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nicht bewilligt hat. Die Begründung der ablehnenden Entscheidung sowie die Berechnung der Bedarfe und die Gegenüberstellung der anzurechnenden Einkommen haben sich als rechtmäßig erwiesen. Zur weiteren Begründung verweist der Senat auf die zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung, die sich der Senat nach eigener Überprüfung der Sach-und Rechtslage zu eigen macht (§ 153 Abs. 2 SGG).
Das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Entscheidung. Soweit die Klägerin Zahlungsbelege aus den Jahren 2022 vorlegt, können diese bei der Bedarfsberechnung im streitgegenständlichen Zeitraum vom 27. Januar 2014 bis zum 15. Juni 2015 keine Berücksichtigung finden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, bestanden nicht.