L 9 KA 1/17

Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 15 KA 135/13
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
L 9 KA 1/17
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 30. November 2016 wird abgeändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Beschlusses vom 5. Juni 2013 verpflichtet, über den Widerspruch des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens für beide Rechtszüge.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert beträgt 704.580 €.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung im Wege der Sonderbedarfszulassung.

Der Kläger ist 1959 geboren und Facharzt für Innere Medizin mit Schwerpunkt Hämatologie und Onkologie. Der Zulassungsausschuss für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung N. stellte mit Beschluss vom 19. Mai 2011 aufgrund der Beendigung eines Anstellungsverhältnisses die Beendigung seiner Beschäftigung in einem MVZ mit Wirkung zum 1. Juni 2011 fest.

Mit einem am 28. November 2012 bei dem Zulassungsausschuss für die vertragsärztliche Tätigkeit Sachsen-Anhalt eingegangenen Schreiben beantragte der Kläger eine Sonderbedarfszulassung für das Versorgungsgebiet Hämatologie und Internistische Onkologie unter Hinweis auf § 24b Bedarfsplanungsrichtlinie Ärzte (BedarfsplRL in der bis zum 31.12.2012 geltenden Fassung; im weiteren a.F.) mit Sitz in W. in der N. Straße. Er trug vor, im gesamten Gebiet B.kreis mit insgesamt knapp 190.000 Einwohnern bestehe keine fachärztliche hämato-onkologische ambulante Betreuung. Diese werde ausschließlich durch ermächtigte Ärzte der Krankenhäuser und stationär gewährleistet. Weiter legte er das Auftreten von Tumor- und Bluterkrankungen im Land Sachsen-Anhalt, deren Mortalität und den Anstieg der Erkrankungsrate dar.

Mit Beschluss des Zulassungsausschusses Sachsen-Anhalt vom 9. Januar 2013 lehnte dieser die Zulassung des Klägers zur vertragsärztlichen Versorgung im Wege der Feststellung eines Sonderbedarfs ab. Zur Begründung wies er darauf hin, dass der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen Sachsen-Anhalt gem. § 103 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) im Planungsbereich W. in dem Fachbereich fachärztlich tätige Internisten eine Überversorgung festgestellt und Zulassungsbeschränkungen angeordnet habe. Die Voraussetzungen des § 24b BedarfsplRL a.F. seien hier nicht erfüllt. Insbesondere sei eine Sonderbedarfszulassung hier nicht unerlässlich (vgl. § 101 Satz 1 Nr. 3 SGB V). Es bestehe keine Versorgungslücke in der gesamten Breite eines Versorgungsbereiches. Zwar seien die eingeholten Stellungnahmen der behandelnden Internisten und Hausärzte im Planungsbereich überwiegend positiv gewesen. Soweit lediglich einzelne spezielle Leistungen, die eine Vertragsarztpraxis in freier Niederlassung nicht sinnvoll ausfüllen könnte, von den im Planungsbereich bereits niedergelassenen Vertragsärzten nicht oder nicht ausreichend erbracht würden, komme anstelle der Sonderbedarfszulassung ggf. die Erteilung einer Ermächtigung in Betracht. Maßgeblich sei, dass der von den bereits zugelassenen Vertragsärzten nicht abgedeckte Versorgungsbedarf zumindest den Umfang einer wirtschaftlich tragfähigen Vertragsarztpraxis erreiche. Dies sei hier nicht der Fall. An der vertragsärztlichen Versorgung im Planungsbereich W. nähmen zurzeit acht fachärztliche Internisten teil (drei Nephrologen, drei Pneumologen, ein Gastroenterologe sowie ein weiterer Internist). Weiterhin bestehe eine Ermächtigung für das Fachgebiet Innere Medizin, Schwerpunkt Hämatologie und Internistische Onkologie. Diese sei für die Diagnostik und Therapie hämatologischer Systemerkrankungen sowie für die Durchführung ambulanter Chemotherapien erteilt worden. Hier seien in den Quartalen Februar 2011 bis Januar 2012 zwischen 336 und 400 Patienten/Quartal behandelt worden. Dies genüge nicht für eine wirtschaftlich tragfähige Praxis.

Gegen diese Entscheidung legte der Kläger Widerspruch ein und führte aus, weder die Stadt N. noch der B.kreis noch S-A S. verfügten über eine ambulante oder stationäre Versorgungsmöglichkeit für Tumorpatienten. Von den fachärztlich niedergelassenen Internisten sei keiner onkologisch tätig. Aus der genannten durchschnittlichen Fallzahl von onkologisch tätigen Internisten sei abzuleiten, dass eine Unterversorgung bestehe. Denn die durchschnittliche Zahl der Behandlungsfälle in einer onkologischen Praxis betrage 550 bis 650 und entspreche dem Regelleistungsvolumen. Selbst bei einer Patientenzahl von 400 liege die Vergütung weit über der einer Hausarztpraxis im entsprechenden Zeitraum. Schließlich beantragte er mit Schreiben vom 28. März 2013 alternativ einen jeweils hälftigen Versorgungsauftrag in W. und in N.

Eine Nachfrage der Beklagten bei zwei in H. tätigen internistischen Onkologen (Privatdozent - PD - Dr. R. und Dr. M.) ergab, dass diese Patienten aus dem B.kreis mit versorgten. Für eine Sonderbedarfszulassung sahen beide keinen Bedarf. PD Dr. R. wies darauf hin, dass er diese Patienten gerne weiterhin versorgen würde, da ansonsten eine Lücke entstehe.

Die Beigeladene zu 7. (Kassenärztliche Vereinigung S-A) wies darauf hin, dass bei ihr im Tätigkeitsbereich Patientenservice täglich eine Vielzahl von Problemen und Fragestellungen geschildert würden. Anfragen, Berichte oder Beschwerden über die ambulante hämatologische oder onkologische Versorgung in S-A seien nicht dabei. Auch würden keine Problemfälle in Bezug auf Wartezeiten oder unzureichende Versorgungsangebote geschildert.

Mit Beschluss vom 5. Juni 2013 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses vom 9. Januar 2013 zurück. Abgelehnt wurde dabei auch der Hilfsantrag des Klägers auf Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit mit einem halben Versorgungsauftrag in N. und einem halben Versorgungsauftrag mit Praxissitz in W. Gegen die Annahme eines lokalen Versorgungsbedarfes spreche, dass § 24a BedarfsplRL a.F. Teilbereiche wie den Schwerpunkt Hämatologie und internistische Onkologie nicht erfasse.

Es bestehe aber auch kein Anspruch auf eine Sonderbedarfszulassung nach § 24b BedarfsplRL a.F. Bei der Feststellung einer Versorgungslücke seien auch andere Planungsbereiche, insbesondere die Stadt H., einzubeziehen. Denn bei hämatoonkologischen Leistungen handele es sich nicht um solche, die typischerweise wohnortnah zu erbringen seien. Die Wegstrecken aus dem südlichsten Bereich von S-A nach H. betrügen unter einer Stunde. Von W. sei die Fahrzeit noch deutlich kürzer. Je spezieller die in Rede stehende Leistung, desto längere Fahrzeiten müssten Patienten in Kauf nehmen. Hinzu komme, dass die Behandlung krebskranker Patienten nicht durch eine Fachgruppe allein, sondern durch eine ganze Reihe Fachgruppen, wie Chirurgen, Schmerztherapeuten, Onkologen, Strahlen- und Nuklearmediziner zusammen wahrgenommen werde. Gerade letztere fänden sich lediglich im Raum H. Unter Berücksichtigung aller Stellungnahmen sei keine Versorgungslücke zu erkennen. Angesichts der von der ermächtigten Ärztin (Dr. T.) in W. abgerechneten Fälle sei kein Sonderbedarf zu erkennen, der für eine wirtschaftlich tragfähige Vertragsarztpraxis ausreiche. Die beiden Schwerpunktpraxen in H. hätten noch nicht mitgeteilt, dass sie keine Aufnahmekapazität mehr hätten. Im Gegenteil hätten sie ausgeführt, dass bei Zulassung einer weiteren Schwerpunktpraxis in ihrer Praxis eine Lücke entstehe.

Dem Hilfsantrag auf Zulassung mit zwei hälftigen Versorgungsaufträgen könne erst recht nicht stattgegeben werden, da der Kläger dann eine Zweitpraxis insbesondere mit Technik und Personal ausstatten müsste und sich die Kosten damit verdoppeln dürften, die Einnahmen hingegen nicht. Schließlich sei der Antrag auch deshalb abzulehnen, weil der Bedarf Leistungen beinhalten müsse, die die gesamte Breite des spezialisierten Versorgungsbereiches ausfüllten (§ 24b Satz 3 BedarfsplRL a.F.). Allein die mögliche Erbringung von Chemotherapieleistungen vermittele keinen offenen Bedarf für die gesamte Breite der Leistungen auf dem hämato-onkologischen Fachgebiet. Schließlich habe der Kläger in Bezug auf das Stadtgebiet N. keine Adresse angegeben, was für einen Zulassungsantrag aber notwendig sei.

Hiergegen hat der Kläger am 29. August 2013 Klage am Sozialgericht Magdeburg erhoben und vorgetragen, es liege ein lokaler Versorgungsbedarf im Planungsbereich W. nach § 24a BedarfsplRL a.F. und auch nach § 36 BedarfsplRL (in der Fassung des Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses - GBA - vom 16.5. 2013, BAnz AT 3.7.2013 B 5; im weiteren neue Fassung - n.F.) vor. Es handele sich um einen großräumigen Landkreis. Der Beklagte habe hier keine Feststellung zu Struktur, Zustand, Lage, Infrastruktur, geographischen Besonderheiten, Verkehrsanbindung und Verteilung der niedergelassenen Ärzte vorgenommen. Insoweit sei der Sachverhalt unzureichend ermittelt. Indem der Beklagte auf Behandlungsmöglichkeiten in H. verweise, ignoriere er letztlich das Vorhandensein des Planungsbereichs B. bzw. W. und N. Hier sei von einem lokalen Versorgungsbedarf auszugehen, da weder im Planungsbereich W. noch im Planungsbereich B.kreis ein Onkologe niedergelassen sei. Im Übrigen sei nunmehr die bisher ermächtigte Ärztin nicht mehr im Krankenhaus in W. tätig. Der Kläger hat weiter betont, dass er über die Chemotherapie hinaus auch Diagnostik und Nachsorge anbieten wolle.

Der Beklagte hat eingewandt, es gebe in S-A nach dem nun geltenden Bedarfsplan in der Fassung vom 25. Juni 2013 für fachärztlich tätige Internisten nur noch vier Planungsbereiche, nämlich A, A-B-W, H. und M. Der gesamte B. sowie der ehemalige Landkreis W. gehörten zum Planungsbereich H. Insbesondere die von dem Kläger angeführten Nachsorgeleistungen und Diagnostikleistungen könnten in H. wahrgenommen werden, wie die dortigen Schwerpunktpraxen ausdrücklich dargelegt hätten. In H. seien sieben Internisten mit dem Schwerpunkt „Hämatologie und Internistische Onkologie“ zugelassen. Die Fallzahlen der in H. niedergelassenen Hämato-Onkologen lägen teilweise deutlich unter den Durchschnittsfallzahlen. Deutliche Kapazitäten weise die Gemeinschaftspraxis Dr. R. mit Fallzahlen von rund 500 je Arzt auf. Die Durchschnittsfallzahlen seien mit zwischen 866 und 926 Behandlungsfällen ermittelt. Im MVZ M-M gGmbH seien die Kapazitäten jüngst aufgestockt worden. Der Kläger hat entgegnet, man könne hier nicht auf die Ärzte in H. abstellen.

Der Beklagte hat darauf hingewiesen, dass die Überversorgung im früheren Planungsbereich W. in der Fachgruppe der fachärztlich tätigen Internisten bei 340 % gelegen habe. Im Übrigen gelte, dass soweit nur ein Teilbereich des gesamten spezialisierten Versorgungsbereichs zu versorgen sei (hier Chemotherapien), auf eine Ermächtigung und nicht auf eine Sonderbedarfszulassung auszuweichen sei.

Mit Urteil vom 30. November 2016 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, im maßgeblichen Planungsbereich H. bestände zum Zeitpunkt der Urteilsfindung weder ein lokaler noch ein qualifikationsbezogener Versorgungsbedarf, wie der Beklagte zutreffend festgestellt habe.

Gegen das ihm am 28. Dezember 2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am Montag, den 30. Januar 2017 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er erneut auf die schlechte Verkehrsanbindung hingewiesen. Teilweise (z. B. H.) bestehe kein Anschluss an öffentliche Verkehrsmittel.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 30. November 2016 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten,

ihm unter Aufhebung des Beschlusses vom 5. Juni 2013 die Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit als Facharzt für Innere Medizin mit dem Praxissitz 06XXX W., N. Straße, im Wege eines qualifikationsbezogenen Sonderbedarfs für das Gebiet Hämatologie und internistische Onkologie mit vollem Versorgungsauftrag, hilfsweise mit einem halben Versorgungsauftrag in N., B.str., und halbem Versorgungsauftrag in W., N. Str., zu erteilen, höchst hilfsweise, seinen Widerspruch unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Der Beklagte beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die Beigeladene zu 7. hat dargelegt, zurzeit seien in der Raumordnungsregion H. Fachärzte für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Hämatologie/Onkologie im Umfang von 6,25 Versorgungsaufträgen tätig. Damit versorge ein Arzt rund 119.826 Personen. In der Raumordnungsregion A./B./W. betrage diese Relation rund 188.000 Einwohner/Arzt. Bundesweit bestehe eine Arztdichte von 0,8 Fachärzten für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Hämatologie/Onkologie je 100.000 Einwohner. Dies entspreche dem Verhältnis in der Raumordnungsregion H.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat im Sinne der Verurteilung der Beklagten zur Neubescheidung über den Widerspruch des Klägers bezüglich der beabsichtigten Niederlassung in W. unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts Erfolg.

Der Senat entscheidet nach § 33 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit je einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Krankenkassen und der Vertragsärzte (ähnlich LSG NRW, 7.6.2017, L 11 KA 50/16 KL, Rn. 36, juris).

Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und unter Heranziehung von § 64 Abs. 3 SGG fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Sie ist nach § 143 Abs. 1 SGG statthaft.

Die Berufung ist teilweise unbegründet, soweit der Kläger mit seinem Hauptantrag und ersten Hilfsantrag die Verpflichtung des Beklagten begehrt, ihn zuzulassen. Der Senat hat aber entsprechend dem zweiten Hilfsantrag des Klägers den Bescheid des Beklagten aufgehoben sowie diesen zur Neubescheidung verpflichtet. Der Bescheid vom 5. Juni 2013, mit dem der Antrag des Klägers auf eine Sonderbedarfszulassung abgelehnt worden ist, ist nicht rechtmäßig. Der Beklagte hat hierüber unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden (vgl. zur Zulässigkeit der Anträge etwa BSG, Urt. v. 6.2.2008 – B 6 KA 40/06 R- und v. 23.6.2010 – B 6 KA 44/06 R – beide zit. nach juris).

1. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist allein der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf eine qualifikationsbezogene (Sonderbedarfs-)Zulassung in W. und hilfsweise mit halbem Versorgungsauftrag in N. und halbem Versorgungsauftrag in W. (bzw. die Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung).

Unerheblich ist, dass der Zulassungsausschuss über den Hilfsantrag noch nicht entschieden hatte. Bei dem Verfahren vor dem Berufungsausschuss handelt es sich nicht um das Widerspruchsverfahren nach dem SGG, das lediglich als Vorverfahren dem gerichtlichen Verfahren grundsätzlich vorauszugehen hat, aber unter Umständen auch entbehrlich ist (§§ 78 ff. SGG). Die Bestimmung, dass das Verfahren vor dem Berufungsausschuss als Vorverfahren i.S. des § 78 SGG gilt (§ 97 Abs. 3 Satz 2 SGB V), bedeutet nur, dass mit ihm diese Voraussetzung für eine gerichtliche Sachentscheidung erfüllt wird. Darin erschöpft sich aber seine Bedeutung nicht. Der Berufungsausschuss ist vielmehr, wie die ihn betreffenden gesetzlichen Regelungen zeigen, diejenige Zulassungsinstanz, auf die es letztlich ankommt und die die Entscheidung zu verantworten hat (BSG, 15.4.1986, 6 RKa 25/84, SozR 1500 § 96 Nr. 32, Rn. 10).

Dafür spricht bereits seine Zusammensetzung. Diese weicht von der des Zulassungsausschusses insofern ab, als dem Ausschuss ein Vorsitzender mit der Befähigung zum Richteramt angehört (§ 97 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Die Ergänzung der fachkundigen Vertreter der Ärzte und der Krankenkassen durch einen rechtskundigen Vorsitzenden, der weder der einen noch der anderen Gruppe zuzurechnen ist, lässt den Schluss zu, dass ausnahmslos bei allen auftretenden Meinungsverschiedenheiten dieser Ausschuss die maßgebliche Verwaltungsentscheidung treffen soll. Die ungerade Zahl der Mitglieder macht nun auch - anders als beim Verfahren vor dem Zulassungsausschuss - in jedem Falle eine Mehrheitsentscheidung möglich.

Schließlich bestätigt § 70 Nr. 4 SGG, der die ausschließliche Prozessführungsbefugnis des Berufungsausschusses in seinem Aufgabenbereich begründet (vgl. Arndt in: Breitkreuz/Fichte, § 70, Rn. 14), dass der Berufungsausschuss die im Streitfall maßgebende Verwaltungsentscheidung zu treffen und zu verantworten hat. Daraus folgt, dass hier Gegenstand der Klage nicht der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist (§ 95 SGG), sondern der Bescheid des Berufungsausschusses, der jedoch den Bescheid des Zulassungsausschusses einschließt, soweit er diesen bestätigt (BSG, 15.4.1986, 6 RKa 25/84, SozR 1500 § 96 Nr. 32, Rn. 10). Der Zulassungsausschuss bildet zusammen mit dem Berufungsausschuss die Entscheidungsinstanzen eines einheitlichen Verwaltungsverfahrens, auch wenn es sich um zwei selbständige Ausschüsse handelt (BSG, a.a.O., Rn. 12). Allein der Bescheid des Beklagten ist Gegenstand dieses Klageverfahrens; der Bescheid des Zulassungsausschusses ist nach der Entscheidung des Beklagten „rechtlich nicht mehr existent“ (BSG, 22.10.2014, B 6 KA 36/13 R, SozR 4-2500 § 95 Nr. 28, Rn. 12).

2. Gesetzliche Grundlage für die vom Kläger begehrte ausnahmsweise Zulassung von Ärzten in Planungsbereichen, für die der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen gemäß § 103 Abs. 1 und 2 SGB V wegen Überversorgung Zulassungsbeschränkungen angeordnet hat, ist § 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V in der seit dem 1. Januar 2012 geltenden Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2983). Danach beschließt der GBA in Richtlinien Vorgaben für die ausnahmsweise Besetzung zusätzlicher Vertragsarztsitze, soweit diese zur Gewährleistung der vertragsärztlichen Versorgung in einem Versorgungsbereich unerlässlich sind, um einen zusätzlichen lokalen oder einen qualifikationsbezogenen Versorgungsbedarf insbesondere innerhalb einer Arztgruppe zu decken. Die Ausnahmeregelung gewährleistet, dass angeordnete Zulassungssperren die Berufsausübung nicht unverhältnismäßig beschränken und die Versorgung der Versicherten gewährleistet bleibt (vgl. BVerfG, 27.4.2001, 1 BvR 1282/99, juris Rn. 10).

Gegen diese Übertragung der Befugnis zur Normkonkretisierung auf den GBA bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken, zumal der Gesetzgeber Inhalt, Zweck und Ausmaß der Regelung präzise vorgegeben und damit die wesentlichen Fragen selbst entschieden hat (st. Rspr. BSG; vgl. BSG, 4.5.2016, B 6 KA 24/15 R, SozR 4-2500 § 103 Nr. 19 Rn. 25 m.w.N.).

Der GBA ist der ihm übertragenen Aufgabe zum Erlass konkretisierender Vorgaben in Bezug auf § 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V durch die BedarfsplRL nachgekommen. Maßgebend sind hier die §§ 36, 37 BedarfsplRL n.F.. Die Anwendung der genannten Neufassung der BedarfsplRL folgt daraus, dass für das Zulassungsbegehren des Klägers die Grundsätze über Vornahmeklagen anzuwenden sind. Danach sind grundsätzlich alle Tatsachenänderungen bis zur mündlichen Verhandlung der letzten Tatsacheninstanz und alle Rechtsänderungen bis zum Abschluss der Revisionsinstanz zu berücksichtigen (BSG, 28.6.2017, B 6 KA 28/16 R, SozR 4-2500 § 101 Nr. 19, Rn. 18; BSG, 2.9.2009, B 6 KA 21/08 R, SozR 4-2500 § 101 Nr. 6 Rn. 25 m.w.N.).

In Ausnahmefällen kann allerdings die Berücksichtigung nachteiliger Änderungen verwehrt sein, wenn nämlich ein Arzt auf eine Entscheidung aufgrund einer früheren bestimmten Sach- und Rechtslage, die ihm Zulassungschancen bot, vertrauen durfte (BSG, 2.9.2009, B 6 KA 21/08 R, SozR 4-2500 § 101 Nr. 6, Rn. 25; vgl. auch BSG, 2.9.2009, B 6 KA 34/08 R, juris Rn. 28 m.w.N.). Das entspricht dem Grundsatz, dass bei einer durch Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz geschützten Berufszulassung auf die jeweils für den Antragsteller günstigste Rechtslage abzustellen ist. Ebenso wie in den Fällen der Drittanfechtung ist auch dann, wenn eine Zulassung erstrebt wird, regelmäßig nach der für den Anspruch günstigsten Rechtslage zu urteilen (vgl. BSG, 29.11.2017, B 6 KA 31/16 R, juris Rn. 31). Insoweit sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sich die Rechtslage zu Lasten des Klägers verändert haben könnte (vgl. Wahrendorf KrV 2014, 241 ff). Anders ist die Lage, soweit sich (auch als Folge der Änderung der BedarfsplRL) die Planungsbereiche verändert haben (dazu unten bei b ii).

a) Nach § 36 Abs. 4 BedarfsplRL n.F. hat der Zulassungsausschuss bei der Ermittlung aller entscheidungsrelevanten Tatsachen eine umfassende Ermittlungspflicht. Die Feststellung soll der Zulassungsausschuss auch unter Zuhilfenahme von geografischen Informationen, die die räumlichen Interaktionen zwischen Ärzten und Patienten abbilden, treffen. Ein lokaler oder qualifikationsbezogener Sonderbedarf setzt voraus, dass aufgrund von durch den Zulassungsausschuss festzustellenden Besonderheiten des maßgeblichen Planungsbereichs (z.B. in Struktur, Zuschnitt, Lage, Infrastruktur, geografische Besonderheiten, Verkehrsanbindung, Verteilung der niedergelassenen Ärzte) ein zumutbarer Zugang der Versicherten zur vertragsärztlichen Versorgung nicht gewährleistet ist und aufgrund dessen Versorgungsdefizite bestehen. Bei der Beurteilung ist den unterschiedlichen Anforderungen der Versorgungsebenen der §§ 11 bis 14 BedarfsplRL n. F. Rechnung zu tragen.

Die Ermittlung des Sachverhalts durch den Beklagten muss das nach pflichtgemäßem Ermessen erforderliche Maß ausschöpfen, d.h. sich so weit erstrecken, wie sich Ermittlungen als erforderlich aufdrängen (§ 21 Abs. 1 Satz 1 SGB X, § 36 Abs. 4 Satz 1 BedarfsplRL n. F., vgl. BSG, 8.12.2010, B 6 KA 36/09 R, SozR 4-2500 § 101 Nr. 9, Rn. 19; BSG, 2.9.2009, B 6 KA 34/08 R, SozR 4-2500 § 101 Nr. 7, Rn. 16 m.w.N.).

Nach ständiger Rechtsprechung müssen sich die Zulassungsgremien bei der Entscheidung über Sonderbedarfszulassungen ein möglichst genaues Bild der Versorgungslage im betroffenen Planungsbereich machen und ermitteln, welche Leistungen in welchem Umfang zur Wahrung der Qualität der vertragsärztlichen Versorgung im Sinne des § 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V im Planungsbereich erforderlich sind, von den dort zugelassenen Ärzten aber nicht angeboten werden (BSG, 5.11.2008, B 6 KA 56/07 R, SozR 4-2500 § 101 Nr. 3, Rn. 18; BSG, 28.10.2015, B 6 KA 43/14 R, SozR 4-5540 § 6 Nr. 2 Rn. 38, jeweils m.w.N.). Danach trifft die Zulassungsgremien die Pflicht zur umfassenden Ermittlung aller entscheidungserheblichen Tatsachen (§ 36 Abs. 4 Satz 1 BedarfsplRL n. F.).

Bei der Konkretisierung und Anwendung der für die Anerkennung eines Sonderbedarfs maßgeblichen Tatbestandsmerkmale steht den Zulassungsgremien ein der gerichtlichen Nachprüfung nur eingeschränkt zugänglicher Beurteilungsspielraum zu (st. Rspr. BSG, 28.6.2017, B 6 KA 28/16 R, SozR 4-2500 § 101 Nr. 19, Rn. 21; BSG, 13.8.2014, B 6 KA 33/13 R, SozR 4-2500 § 101 Nr. 16 Rn. 19 m.w.N.). Ihre Beurteilung ist durch das Zusammenspiel einer Vielzahl von Faktoren geprägt.

Einen Beurteilungsspielraum haben die Zulassungsgremien zunächst bei der Frage nach dem Umfang der erforderlichen Ermittlungen im Zusammenhang mit der Bewertung, Gewichtung und Abwägung der ermittelten Tatsachen. Sie haben einen Beurteilungsspielraum aber auch - und vor allem - bei der schlussfolgernden Bewertung, ob und inwieweit der Versorgungsbedarf bereits durch das Leistungsangebot der zugelassenen Ärzte gedeckt ist oder ob noch ein Versorgungsbedarf besteht (BSG, 2.9.2009, B 6 KA 21/08 R, SozR 4-2500 § 101 Nr. 6, Rn. 15; auch Wahrendorf KrV 2014, 241, 243).

Ausschlaggebend für die Zuerkennung dieses Beurteilungsspielraums ist der Umstand, dass es sich bei den Zulassungs- und Berufungsausschüssen um sachverständige, gruppenplural zusammengesetzte Gremien handelt, die bei der Entscheidung über das Vorliegen eines besonderen Versorgungsbedarfs eine Vielzahl unterschiedlicher Faktoren zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen haben (vgl. BSG, 23.6.2010, B 6 KA 22/09 R, SozR 4-2500 § 101 Nr. 8 Rn. 16, 18).

b) Diesen Anforderungen wird der angefochtene Beschluss nicht vollständig gerecht, weil der Beklagte die von Patienten einer hämatologisch/internistisch-onkologischen Versorgung im Süden von S-A nach H. zurückzulegenden Wege nicht mehr vertretbar als zumutbar gewertet hat. Er ist weiterhin fehlerhaft davon ausgegangen, dass eine hämatologisch/internistisch-onkologische Praxis in W. wirtschaftlich nicht tragfähig sei.

aa) Nach § 37 Abs. 1, 2 BedarfsplRL n. F. erfordert die Anerkennung eines qualifikationsbezogenen Sonderbedarfs (§ 101 Abs. 1 Nr. 3 SGB V) die Prüfung und Feststellung einer bestimmten Qualifikation und die Prüfung und Feststellung eines entsprechenden besonderen Versorgungsbedarfs in einer Region durch den Zulassungsausschuss. Gemäß § 37 Abs. 2 BedarfsplRL n. F. ist eine besondere Qualifikation i.S. von Abs. 1 anzunehmen, wie sie durch den Inhalt des Schwerpunktes, einer fakultativen Weiterbildung oder einer besonderen Fachkunde für das Facharztgebiet nach der Weiterbildungsordnung beschrieben ist.

Dies ist hier der Fall, da Hämatologie/internistische Onkologie eine als Basisweiterbildung für die Facharztkompetenzen genannte Ausrichtung ist (13.6 Weiterbildungsordnung der Ärztekammer S-A).

bb) Anders als bei Antragstellung und Erlass des angefochtenen Bescheides gibt es für die Arztgruppe der (fachärztlich tätigen) Fachinternisten in S-A nur noch vier Planungsbereiche (Raumordnungsregionen), nämlich A., A.-B.-W., H. und M. Hier besteht durchweg eine Überversorgung. Der gesamte B.kreis sowie der ehemalige Landkreis W. gehören zum Planungsbereich H. (Bedarfsplan in der Fassung vom 25. Juni 2013; siehe zuletzt Beschluss des Landesausschusses vom 19.06.2018).

cc) Im Bereich der spezialisierten fachinternistischen Versorgung sind zurzeit im Planungsbereich H. 92,25 Versorgungsaufträge niedergelassen. Erforderlich sind insgesamt nur 41,35. Damit ist der Planungsbereich H. bezüglich dieser Internisten deutlich überversorgt (245 %; vgl. 15. Versorgungsstandmitteilung). Bezüglich der Überversorgung war die Sachlage allerdings bei Antragstellung im Planungsbereich W. (und im B.) nicht wesentlich anders.

dd) Die Beurteilungsspielräume, die nach den oben genannten Grundsätzen den Zulassungsgremien bei der Bewertung eingeräumt sind, hat der Beklagte nicht in sachgerechter Weise ausgefüllt. Die vom Beklagten vorgenommene Subsumtion stellt sich vielmehr als nicht vertretbare Ausfüllung des Rechtsbegriffs des zumutbaren Zugangs der Versicherten zur vertragsärztlichen Versorgung dar (vgl. allgemein BSG, 23.6. 2010, B 6 KA 22/09 R, SozR 4-2500 § 101 Nr. 8, Rn. 19). Denn die Wegstrecke W. - H. liegt schon an der Grenze eines zumutbaren Weges; die Strecke N - H. ist auch unter Berücksichtigung des Beurteilungsspielraumes des Beklagten den Patienten nicht mehr zumutbar. Dies gilt auch und erst recht für Wege, die von kleineren Orten in der Umgebung der genannten Städte oder dem Großteil anderer Stellen im heutigen B. zurückzulegen sind.

Der Senat folgt nicht der in der mündlichen Verhandlung vertretenen Rechtsansicht des Beklagten, dass die Entfernungen und Verkehrsanbindungen nur bei der Feststellung des lokalen Sonderbedarfs, nicht aber bei dem qualifikationsbezogenen Sonderbedarf Berücksichtigung finden dürften. Diese Auffassung findet in dem Wortlaut der BedarfsplRL keine Stütze. Ausdrücklich bestimmt § 36 Abs. 4 BedarfsplRL n.F. für beide Sonderbedarfsfälle: „Die Feststellung soll der Zulassungsausschuss auch unter Zuhilfenahme von geografischen Informationen, die die räumlichen Interaktionen zwischen Ärzten und Patienten abbilden, treffen. Ein lokaler oder qualifikationsbezogener Sonderbedarf setzt voraus, dass aufgrund von durch den Zulassungsausschuss festzustellenden Besonderheiten des maßgeblichen Planungsbereichs (z.B. in Struktur, Zuschnitt, Lage, Infrastruktur, geografische Besonderheiten, Verkehrsanbindung, Verteilung der niedergelassenen Ärzte), ein zumutbarer Zugang der Versicherten zur vertragsärztlichen Versorgung nicht gewährleistet ist und aufgrund dessen Versorgungsdefizite bestehen. Bei der Beurteilung ist den unterschiedlichen Anforderungen der Versorgungsebenen der §§ 11 bis 14 Rechnung zu tragen.“

Ausdrücklich sieht § 37 BedarfsplRL n. F. („Ergänzende Vorgaben für qualifikationsbezogene Sonderbedarfstatbestände“) in Abs. 4 Bedingungen „zur Sicherstellung der wohnortnahen Dialyseversorgung“ vor (vgl. auch § 24e BedarfsplRL a.F.).

Auch in den „Tragenden Gründen zum Beschluss des GBA über eine Änderung der BedarfsplRL: zusätzlicher lokaler Versorgungsbedarf und Sonderbedarf“ vom 16. Mai 2013 wird ausgeführt: „Der Absatz 3 legt klare Kriterien fest, die bei der Prüfung eines Antrags auf lokalen oder qualifikationsbezogenen Sonderbedarf zu prüfen sind. Diese beziehen sich vor allem auf die räumliche Konstellation des Antrags auf Sonderbedarf. Für den qualifikationsbezogenen Sonderbedarf sind gemäß Absatz 2 jedoch zudem qualifikationsbezogene Kriterien zu prüfen, die in § 37 genauer beschrieben sind (S. 9 zu § 36 Abs. 3).“

Die daher relevante Entfernung ist von dem Beklagten unzureichend berücksichtigt worden. Im Rahmen eines Rechtsstreits um die Erteilung einer Ermächtigung für MRT-Leistungen hat das Bundessozialgericht (BSG) festgestellt, dass Patienten bei solchen allgemeinen Leistungen nicht auf Versorgungsangebote verwiesen werden dürfen, die mehr als 25 km entfernt sind (BSG, 19.7.2006, B 6 KA 14/05 R, SozR 4-2500 § 116 Nr. 3, Rn. 19; siehe ebenfalls zu MRT-Leistungen auch BSG, 16.12.2015, B 6 KA 37/14 R, SozR 4-5520 § 24 Nr. 12). In diesem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, dass das BSG bei einer Entfernung von 30 km zwischen zwei Praxen die Prüfung für erforderlich gehalten hat, ob eine Überschneidung der Einzugsbereiche möglich ist. Dies impliziert, dass das Leistungsangebot einer Praxis nicht ohne Weiteres 30 km weit reicht (BSG, 23.6.2010, B 6 KA 22/09 R, SozR 4-2500 § 101 Nr. 8, Rn. 23). Ferner ist zu beachten, dass nach der Rechtsprechung des BSG (Instituts-)Ermächtigungen nur eine begrenzte örtliche Reichweite haben, nämlich die Leistungserbringung nur solcher weiteren Einrichtungen mit abdecken, die mit dem (Zentral-)Institut hinreichend räumlich verbunden sind; wofür eine Entfernung von 35 bis 40 km zu groß ist (so BSG a.a.O. unter Hinweis auf BSG vom 21.6.1995, RKa 49/94, SozR 3-2500 § 118 Nr. 2, S. 8 f betreffend Außenstelle in R. mit organisatorischer Anbindung an Klinik in L.).

In einem weiteren Verfahren zu einer Honorarbegrenzungsregelung für belegärztlich erbrachte Leistungen hat das BSG entschieden, dass es sich bei Entfernungen von 33 km für normale stationäre Behandlungsfälle noch um vertretbar festgelegte räumliche Versorgungsbereiche handelt, die in ländlich strukturierten Gebieten lebenden Versicherten abzuverlangen sind (BSG, 12.12.2001, B 6 KA 5/01 R, SozR 3-2500 § 121   Nr. 4, SozR 3-2500 § 85 Nr. 43, Rn. 26).

Hieraus lassen sich Rückschlüsse auf zumutbare Wegstrecken ziehen (so auch BSG, 23.6.2010, B 6 KA 22/09 R, SozR 4-2500 § 101 Nr. 8, Rn. 24 m.w.N.). So hat das BSG hinsichtlich psychotherapeutischer Leistungen entschieden, dass die Versicherten nicht auf Versorgungsangebote verwiesen werden dürfen, die mehr als 25 km entfernt sind (BSG, a.a.O.).

Auch § 1 Abs. 3 der Onkologievereinbarung (Anlage 7 zum Bundesmanteltarifvertrag Ärzte) betont die Notwendigkeit einer wohnortnahen Versorgung. Zwar kann diese Vereinbarung keine subjektiven Rechte schaffen. Allerdings ist sie als Auslegungsgesichtspunkt beachtlich.

Jedoch ist den unterschiedlichen Anforderungen der Versorgungsebenen Rechnung zu tragen. Nach st. Rspr. des BSGs sind den Versicherten weitere Wege umso eher zuzumuten, je spezieller die erforderliche Qualifikation ist (vgl. BSG, 8.12.2010, B 6 KA 36/09 R, SozR 4-2500 § 101 Nr. 9, Rn. 18; BSG, 2.9.2009, B 6 KA 21/08 R, SozR 4-2500 § 101 Nr. 6, Rn. 15; siehe auch SG Marburg, 5.7.2013, S 12 KA 283/13 ER, juris; vgl. Wahrendorf KrV 2014, 241, 245; Pawlita KrV 2014, 229-231). Dem schließt sich der Senat an. Auch eine heterogene Verteilung von Ärzten innerhalb eines Planungsbereiches begründet allein keinen zusätzlichen Bedarf. Dies gilt auch für die Verteilung der unterschiedlichen Fachgruppen oder Schwerpunkte innerhalb einer gemeinsamen bedarfsplanerischen Arztgruppe (vgl. Tragende Gründe zum Beschluss des GBA über eine Änderung der BedarfsplRL: zusätzlicher lokaler Versorgungsbedarf und Sonderbedarf vom 16. Mai 2013, S. 3, 5 zu lokalem Sonderbedarf). Die dadurch gezogenen Toleranzgrenzen sind hier aber überschritten, zumal es sich nicht um eine Spezialisierung handelt, die – wie etwa im Bereich bestimmter radiologischer Leistungen – durch umfangreiche Investitionen in Großgeräte gekennzeichnet ist.

Aus W. (Entfernung 57 km) gelangt man mit dem PKW in rund 40 min nach H.; aus N. (Entfernung 76 km) kommend dauert die Fahrt rund eine Stunde, wie der Beklagte zutreffend ausführt. Beide Zeitangaben setzen aber unbeeinträchtigten Verkehr voraus, wie er bei zunehmender Entfernung umso seltener für die gesamte Strecke zu erwarten ist. Soweit die Beigeladene zu 7. auf Fahrtzeiten nach H. mit der Bahn von jeweils 24 bzw. 33 Minuten verweist, ist dies zwar zutreffend. Da aber Fahrtzeiten zu den Bahnhöfen und Umsteigezeiten zu berücksichtigen sind, spiegeln diese Zahlen bei weitem nicht den realen Zeitaufwand wieder (siehe die Bedarfsermittlungen des Beklagten, der zutreffend rund 1 Stunde einkalkuliert). Auch insoweit kann nicht ausschließlich von einem pünktlichen, unbeeinträchtigten Verkehr ausgegangen werden.

Aus H. am südlichen Rand des Planungsbereichs beträgt die Fahrzeit mit dem PKW nach H. bei einer Entfernung von 83 km sogar über eine Stunde. Ähnliches gilt für L. am westlichen Rand mit einer Entfernung von 76 km. Bereits N. (repräsentativ für den B.) ist dreimal weiter als im Rahmen der fachärztlichen Versorgung sonst zumutbar. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass Patienten mit einer hämatologischen oder onkologischen Erkrankung vielfach geschwächt sind. Dieser besonderen Patientengruppe sind lange Fahrten weniger zuzumuten.

Es handelt sich bei dem angestrebten Praxissitz auch nicht um eine „exzentrische Lage“, die nicht als geeigneter Standort für einen Vertragsarztsitz anzusehen wäre (vgl. SG München, 24.1.2018, S 38 KA 971/16, Rn. 20, juris).

Nicht überzeugend ist der Verweis des Beklagten auf den Umstand, dass für Spezialbehandlungen ohnehin Fahrten nach H. notwendig seien, da im Rahmen der Nachsorge eine Zusammenarbeit von verschiedenen Disziplinen (Strahlentherapie, Psychotherapie, Onkologie, Pathologie, Chirurgie) notwendig sei. Dazu legt der Beklagte nicht dar, dass Behandlungen in nennenswertem Umfang oder gar notwendig im Rahmen einer Fahrt vorgenommen werden können. Soweit er Fahrten von der Dauer her nur vergleichen will, verkennt er, dass auch insoweit unzumutbare Fahrtstrecken zum Vergleichsmaß gemacht werden. Dies gilt nach der oben dargestellten Rechtsprechung ausdrücklich für den Bereich der Psychotherapie. Das Gleiche dürfte für Leistungen der Chirurgie gelten; auch wird bei Erkrankungen aus dem Bereich der Hämatologie und Internistischen Onkologie der Bedarf für chirurgische Leistungen selten sein. Für pathologische Untersuchungen sind regelmäßig keine Fahrten notwendig; vielmehr werden gewöhnlich Gewebeproben übersandt. Zudem gehört die Pathologie ebenso wie die Strahlentherapie und Nuklearmedizin zur gesonderten fachärztlichen Versorgung. Planungsbereich ist dabei das Land Sachsen-Anhalt, so dass der Maßstab des Beklagten die unterschiedlichen Versorgungsebenen ausblendet.

Im Übrigen überzeugt der Verweis auf anderweitig notwendige Fahrten schon deshalb nicht ohne weiteres, da häufigere längere Fahrten die Patienten zusätzlich belasten. Im Gegenteil führt die Vielzahl der von dem Beklagten angesprochenen Fahrten dazu, dass die Länge der zumutbaren Wegstrecken eher sinkt.

Der Senat hat offen zu lassen, ob eine Versorgung auch in J. oder L. möglich wäre. Diese Bereiche liegen nicht im Zuständigkeitsbereich des Beklagten, sind jedoch teilweise deutlich einfacher zu erreichen als die Stadt H. G. mit einem entsprechenden Fachklinikum (SRH W.-Klinikum) ist von H. nur rund 20 km entfernt. Allerdings fehlen - wohl zu Recht - Feststellungen zu der Versorgungssituation in diesen Städten (gegen eine solche Berücksichtigung BSG, 8.12.2010, B 6 KA 36/09 R, SozR 4-2500 § 101 Nr. 9, Rn. 36).

dd) Gegen die Feststellung derzeit häufig unzumutbarer Entfernungen spricht nicht ausschlaggebend das Ergebnis der vom Beklagten durchgeführten Ärztebefragung. Zur Ermittlung der konkreten Bedarfssituation ist es nach ständiger Rechtsprechung regelmäßig geboten, die bereits niedergelassenen Ärzte nach ihrem Leistungsangebot und der Aufnahmekapazität ihrer Praxen zu befragen (vgl. BSG, 19.3.1997, 6 RKa 43/96, SozR 3-2500 § 101 Nr. 1). Eine Nachfrage des Beklagten bei zwei in H. tätigen internistischen Onkologen (PD Dr. R. und Dr. M.) ergab, dass diese Patienten aus dem B.kreis mit versorgten. Für eine Sonderbedarfszulassung sahen beide keinen Bedarf. PD Dr. R. wies darauf hin, dass er diese Patienten gerne weiterhin versorgen würde, da ansonsten eine Lücke entstehen würde. Letzteres könnte aber zeigen, dass zumindest dieser Arzt das in der Rechtsprechung des BSG oft angeführte kommerzielle Interesse an einer Ablehnung einer Zulassung des Klägers hat, welches seine Antwort verfälschen kann (vgl. BSG, 5.11.2008, B 6 KA 56/07 R, SozR 4-2500 § 101 Nr. 3, Rn. 19). Daher fordert das BSG in ständiger Rechtsprechung, dass die Zulassungsgremien die Antworten kritisch würdigen und sie objektivieren und verifizieren (vgl. BSG, 2.9.2009, B 6 KA 34/08 R, SozR 4-2500 § 101 Nr. 7, Rn. 15, 31; BSG, 29.6.2011, B 6 KA 34/10 R, SozR 4-2500 § 119 Nr. 1 Rn. 28 m.w.N.); auf jeden Fall sind die Aussagen der befragten Ärzte nicht ohne Weiteres als Entscheidungsgrundlage ausreichend (BSG, 5.11.2008, B 6 KA 56/07 R, SozR 4-2500 § 101 Nr. 3, Rn. 19). Die Stellungnahmen der niedergelassenen Hausärzte im Planungsbereich waren überwiegend positiv; diese stehen nicht in dem genannten Konkurrenzverhältnis und können die Verhältnisse in W. als ortsansässige Ärzte eventuell besser beurteilen als Ärzte in H.

ee) Die Beurteilung, ob der für eine Sonderbedarfszulassung erforderliche Versorgungsbedarf vorliegt, kann auch anhand der bei den Vertragsärzten bestehenden Wartezeiten erfolgen (BSG, 2.9.2009, B 6 KA 21/08 R, SozR 4-2500 § 101 Nr. 6). An der Verwertbarkeit der Auskünfte in diesem Zusammenhang bestehen aber erhebliche Zweifel. Die Beigeladene zu 7. (Kassenärztliche Vereinigung Sachsen-Anhalt) hat dargelegt, Anfragen, Berichte oder Beschwerden über die ambulante hämatologische oder onkologische Versorgung in S-A seien nicht bekannt, obwohl sie täglich eine große Zahl von Nachfragen erreiche. Dies gelte besonders in Bezug auf Wartezeiten oder unzureichende Versorgungsangebote.

Wie sich aus den Darlegungen der Beigeladenen zu 7. ergibt, werden aber viele Patienten im Rahmen erteilter Ermächtigungen in der A.klinik W. behandelt. Von diesen sind keine Beschwerden zu erwarten. Weiterhin fahren viele Patienten notgedrungen zur Behandlung nach H. Der Umstand, dass nach Meinung des Senats dadurch Zumutbarkeitsgrenzen überschritten werden, lässt sich aber nicht daran messen, wie viele Patienten daraus die Folgerung von Beschwerden ziehen, zumal der nicht unerhebliche Anteil an schwerkranken Patienten solche auch bei unzuträglichen Zuständen nicht in auffälligem Maße erwarten lässt.

gg) Der Senat kann dem Beklagten auch insoweit nicht folgen, als er die erwarteten Patientenzahlen in W. als nicht für eine wirtschaftlich tragfähige Vertragsarztpraxis ausreichend ansieht.

Allerdings überzeugt es, wenn der Beklagte davon für den Hilfsantrag des Klägers ausgeht, der eine Zulassung mi einem jeweils halben Versorgungsauftrag in W. und in N. vorsieht. Denn insoweit stützt sich der Beklagte zu Recht auf die Erwägung, die doppelte Praxishaltung stehe der Aussicht wirtschaftlicher Tragfähigkeit entgegen. Dazu bedarf es auch keiner zusätzlichen Erwägungen, weil der auf räumliche Gesichtspunkte gestützte Sonderbedarf sich nach den obigen Darlegungen von W. aus jedenfalls sachgerecht decken lässt.

Im Übrigen setzt der Beklagte bei seinen Erwägungen die zur Verfügung stehenden Zahlen nicht überzeugend zu einer Prognose der Wirtschaftlichkeit um.

Dies zeigt zunächst die praktische Handhabung der Ermächtigungen für Ärzte der A.klinik in W. Zum Zeitpunkt der Antragstellung durch den Kläger wurde die ambulante Versorgung von hämato-onkologischen Patienten von Dr. T. als ermächtigter Ärztin sichergestellt. Heute ist die Versorgung im Raum W. durch einen anderen in der A.klinik W. angestellten Arzt (Prof. Dr. L.) im Rahmen von Ermächtigungen sichergestellt. Insoweit hat sich die Sachlage nicht in relevantem Umfang verändert. In den Quartalen 2/2011 bis 4/2012 sind so zwischen 336 und 462 Patienten/Quartal ambulant behandelt worden. Die im Schriftsatz der Beigeladenen zu 7. vom 20. Dezember 2017 genannte aktuellere Zahl von 475 Patienten/Quartal unterscheidet sich nicht substantiell.

Solche Versorgungsangebote von Krankenhausärzten, die gemäß §§ 116 SGB V, 31a Zulassungsverordnung für Kassenärzte (Ärzte-ZV) ermächtigt wurden, müssen bei der Prüfung eines Versorgungsbedarfs für Sonderbedarfszulassungen außer Betracht bleiben, weil die Versorgung aufgrund solcher Ermächtigungen nachrangig ist gegenüber der Versorgung durch niedergelassene Vertragsärzte (BSG, 17.6.2009, B 6 KA 38/08 R, Rn. 19, juris). Solche Ermächtigungen dürfen dann im Fall der Erteilung einer Sonderbedarfszulassung nicht mehr erneuert werden (BSG, 2.9.2009, B 6 KA 34/08 R, SozR 4-2500 § 101 Nr. 7, Rn. 32; vgl. ausdrücklich § 116 Satz 2 SGB V). Hiervon geht auch der Beklagte aus.

Die Ermächtigung von Dr. T. ist auch nicht auf Chemotherapien begrenzt, wie einige Passagen des Bescheides des Beklagten nahe legen (z.B. drittletzter Absatz). Nach der Veröffentlichung in PRO 3/2010 (Offizielles Mitteilungsblatt der KV Sachsen-Anhalt, S. 114) galt folgendes: „Dr. med. G. T., Fachärztin für Innere Medizin/Hämatologie und Onkologie, Klinik für Innere Medizin an der A. Klinik W., wird ermächtigt zur Durchführung der ambulanten intravasalen und oralen Chemotherapie bei Patienten mit soliden Tumoren, für die Diagnostik und Therapie hämatologischer Systemerkrankungen sowie zur Durchführung ambulanter Chemotherapien (d. h. auch für orale Chemotherapien) auf Überweisung von niedergelassenen Vertragsärzten sowie im Zusammenhang mit der Ermächtigung die Leistungen nach den Nummern 01321 und 01602 des EBM befristet vom 02.12.2009 bis zum 30.11.2011. Davon ausgenommen sind die Leistungen, die auf der Grundlage des § 115 a SGB V erbracht werden können.“ (siehe ähnlich für den anschließenden Zeitraum auch Anlage 4 des Schreibens der Beklagten vom 30. Mai 2013).

Ähnlich ist heute Prof. Dr. L. ermächtigt für die „Diagnostik und Therapie hämatologischer Systemerkrankungen sowie zur Durchführung ambulanter Chemotherapien“ (Schreiben der Beigeladenen zu 7. vom 20. Dezember 2017; genauer „für die Diagnostik und Therapie hämatologischer Systemerkrankungen sowie zur Durchführung ambulanter Chemotherapien (d. h. auch für orale Chemotherapien) - zur Durchführung der ambulanten oralen und intravasalen Chemotherapie einschließlich der Gabe von Antikörpern und neuerer Substanzen der Signaltransduktionsinhibition bei Patienten mit soliden Tumoren sowie im Zusammenhang mit der Ermächtigung die Leistungen nach den Nummern 01321 und 01602 des EBM“).

Damit wird ein großer Teil des vom Kläger erstrebten Behandlungsspektrums abgedeckt. Auch dies wird von dem Beklagten nicht gewürdigt, sondern sogar im angefochtenen Bescheid dem Umfang nach verkannt.

Zu berücksichtigen ist dabei, dass nach § 36 Abs. 6 BedarfsplRL n. F. die Zulassung wegen qualifikationsbezogenen Sonderbedarfs mit der Maßgabe zu erfolgen hat, dass der zugelassene Vertragsarzt nur die ärztlichen Leistungen, welche im Zusammenhang mit dem Ausnahmetatbestand stehen, abrechnen darf. Hier verweist der Beklagte insoweit auf 26 weitere, im Bedarfsplan ebenso berücksichtigte vertragsärztliche Leistungserbringer anderer Fachrichtungen (Fachärzte für Strahlentherapie, Urologie, Dermatologie, Gynäkologie sowie Ärzte mit der Zusatzbezeichnung medikamentöse Tumortherapie), die lediglich überhaupt an der onkologischen Versorgung teilnehmen. Es ist weder dargelegt noch nachvollziehbar, weshalb hier Überschneidungen zur Fachrichtung Hämatologie/internistische Onkologie vorliegen.

Zu den im Rahmen von Ermächtigungen behandelten 475 Patienten/Quartal kommen die im erwähnten Schriftsatz der Beigeladenen zu 7. vom 20. Dezember 2017 genannten 265 Patienten aus dem B. hinzu, die in H. behandelt werden und die schon PD Dr. R. als Teil seiner Patienten bezeichnet hatte. Unter Berücksichtigung des Schriftsatzes ist mit knapp 740 Patienten zu rechnen, die bislang im W. Krankenhaus behandelt wurden oder jedenfalls aus dem B. stammen. Offen ist, wie viele Patienten angesichts der bislang schlechten ortsnäheren Versorgung nach L. oder J. auspendeln. Ausdrücklich weist einer der angehörten Hausärzte in W. darauf hin, dass er Patienten angesichts der Versorgungslage vor Ort nach L. überweist. Zwar kommt es grundsätzlich auf die tatsächliche Inanspruchnahme vor Ort an (vgl. BSG, 8.12.2010, B 6 KA 36/09 R, SozR 4-2500 § 101 Nr. 9, Rn. 36). Dies kann aber nicht gelten, wenn sich Patienten wegen fehlender Behandlungsmöglichkeiten notgedrungen anderweitig orientieren. Insgesamt drängt sich ein Potential von deutlich über 700 Patienten einer hämatologisch/internistisch-onkologischen Praxis in W. auf.

Nach dem beigezogenen Honorarbericht der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) für das Quartal 1/2016 (dort S. 35 f.) ergeben sich für S-A rechnerisch durchschnittliche Fallzahlen für Hämato-Onkologen für das 1. Quartal 2015 und das 1. Quartal 2016 von 735 bzw. 696 Patienten. Dies ergibt sich aus folgender Berechnung:

1. Quartal 2015: 87.772 € (Umsatz) dividiert durch 119,28 € (Umsatz/Patient) = 735 Patienten.

1. Quartal 2016: 88.643 € (Umsatz) dividiert durch 127,33 € (Umsatz/Patient) = 696 Patienten.

Damit ist der dargelegte Bedarf in W. höher als die Durchschnittszahlen in S-A. Die durchschnittlichen Patientenzahlen im Bundesdurchschnitt liegen sogar deutlich niedriger. Der Kläger hatte eingehend auf die Fallzahlen in N. hingewiesen. Warum diese bei Wirtschaftlichkeitsüberlegungen unerheblich sind, ist dem Beschluss nicht zu entnehmen. Ein Gesichtspunkt könnten z.B. die deutlich unterschiedlichen Erlöse je Patient darstellen. In B. wurden jedoch deutlich weniger Patienten in vergleichbaren Praxen behandelt (1. Quartal 2016 66.914 € (Umsatz) dividiert 126,25 (Umsatz/Patient) = 530 Patienten; vgl. Honorarbericht KBV a.a.O.). Dies liegt dicht an der Zahl, die allein schon im Wege der Ermächtigung im Krankenhaus W. behandelt werden. Auch in Thüringen liegt die Durchschnittsfallzahl niedriger. Insoweit legt der Beklagte einen nicht nachvollziehbaren Maßstab zugrunde.

Zumindest ist die Durchschnittsfallzahl, die der Beklagte mit 926 Patienten beziffert, wie dargelegt heute für Sachsen-Anhalt nicht mehr zutreffend. Zu berücksichtigen ist auch, dass in der Raumordnungsregion A. die zweitniedrigste Dichte an Fachärzten für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Hämatologie/Onkologie bundesweit besteht (0,2 entsprechende Fachärzte auf 100.000 Einwohner). Bundesweit beträgt nach den Darlegungen der Beigeladenen zu 7. die Arztdichte 0,8 Fachärzte für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Hämatologie/Onkologie je 100.000 Einwohner (entspricht einem Arzt auf 125.000 Einwohner). Dies führt zu deutlich erhöhten Fallzahlen in dieser Region und der angrenzenden Raumordnungsregion M., der ebenfalls bereits leicht unterdurchschnittlich versorgt ist (0,7). Damit ist es naheliegend, dass die Durchschnittsfallzahlen in S-A ausgesprochen hoch ausfallen. Aus diesen Zahlen lässt sich nicht zwingend ableiten, dass die Praxen in S-A, die eine unterdurchschnittliche Anzahl an Behandlungsfällen innerhalb S-A haben, unwirtschaftlich sind.

Soweit der Kläger weiter auf stationäre Behandlungen in der A.klinik W. verweist, so sind diese nicht zu berücksichtigen. § 36 Abs. 9 BedarfsplRL n. F. bestimmt ausdrücklich, dass bei der Prüfung auf Sonderbedarf eine mögliche stationäre Leistungserbringung in Krankenhäusern außer Betracht bleibt. Dies ist folgerichtig, weil stationäre Behandlungen nur notwendig sind, wenn sie ambulant nicht möglich sind. Das gilt sogar dann, wenn eine ambulante Behandlung nicht zur Verfügung stände. Hiervon kann der Senat im Hinblick auf die festgestellte Praxis allerdings nicht ausgehen.

Unter Berücksichtigung dieser Zahlen und der Einwohnerzahlen im Süden S-A drängt sich die Möglichkeit wirtschaftlichen Betriebs einer Praxis in W auf. Der ehemalige Landkreis W hatte zuletzt (30. Juni 2007) 73.074 Einwohner. Südwestlich davon lag der alte B. mit 131.750 Einwohnern (Stand 31. Dez. 2006).  Im Rahmen der zweiten Kreisgebietsreform in S-A wurden die beiden Kreise zum jetzigen B. zusammengelegt. Aktuell hat dieser 183.174 Einwohner (https://de.wikipedia.org/wiki/ B.kreis). Selbst wenn man berücksichtigt, dass ein Teil der Einwohner ebenso verkehrsgünstig an H. angeschlossen ist, dürften ausreichend viele Einwohner im Einzugsbereich einer hämato-onkologischen Praxis in W. verbleiben. Insoweit weist der Standort einen Einzugsbereich auf, in dem eine für das Versorgungsspektrum angemessene Zahl an Patienten zu erwarten ist (vgl. Tragende Gründe zum Beschluss des GBA über eine Änderung der BedarfsplRL: zusätzlicher lokaler Versorgungsbedarf und Sonderbedarf“ vom 16. Mai 2013, S. 10).

hh) Angesichts dieser Zahlen liegt es nahe, dass der Versorgungsbedarf dauerhaft im Sinne von § 36 Abs. 5 Satz 1 BedarfsplRL n. F. ist, so dass nicht wie bei einem vorübergehendem Bedarf von der Möglichkeit der Ermächtigung Gebrauch gemacht werden kann (vgl. § 36 Abs. 5 Satz 1 BedarfsplRL n. F.). Auf diese Möglichkeit wird nunmehr schon seit Jahren zurückgegriffen. Angesichts des Umfangs der Ermächtigung zumindest dicht an einem tragfähigen Tätigkeitsfeld der angestrebten Praxis ist die Dauerhaftigkeit der Praxisniederlassung zu erwarten.

ii) Unter der Geltung des § 24b BedarfsplRL a. F. zum Zeitpunkt der Antragstellung war im damaligen Planungsbereich W. kein Arzt mit dem Schwerpunkt des Klägers niedergelassen. Dasselbe galt für den benachbarten Planungsbereich des alten B.kreises. Dabei waren grundsätzlich auch die aus dem alten Planungsbereich B. einpendelnden Patienten zu berücksichtigen (vgl. BSG, 8.12. 2010,   B 6 KA 36/09 R, SozR 4-2500 § 101 Nr. 9, Rn. 36).

Nach dem Wortlaut des § 24b BedarfsplRL a. F. kommt es in erster Linie auf die tatsächliche Versorgungssituation in dem betreffenden Planungsbereich an (so Schleswig-Holsteinisches LSG, 8.7.1998, L 4 Ka 15/98, juris; vgl. für Ermächtigungen BSG, 25.11.1998, B 6 KA 81/97 R, SozR 3-2500 § 97 Nr. 2, S. 7 f), was nicht ausschließt, dass die sachkundigen Zulassungsgremien diesen Planungsbereich im Falle von Subspezialisierungen einzelner Fachgebiete überschreiten und auch die an den untersuchten räumlichen Bereich angrenzenden Gebiete in ihre Überlegungen mit einbeziehen (vgl. BSG, 5.11.2008, B 6 KA 10/08 R, Rn. 18, juris; BSG, 5.11.2008, B 6 KA 56/07 R, Rn. 18, juris). Einen Verweis auf einen nicht einmal angrenzenden, sondern deutlich entfernt liegenden Planbereich hält der Senat nicht für möglich. Vielmehr deutet die Fahrt vieler Patienten nach H. auf ein qualitatives Versorgungsdefizit hin (vgl. jeweils BSG, a.a.O. Rn. 20, juris).

Eine Verurteilung der Beklagten zur Zulassung des Klägers mit Sitz in W. war angesichts des mehrfachen Spielraumes des Beklagten nicht möglich (siehe dazu die Darstellung bei 2 a). Die unvollständige Sachverhaltsaufklärung und die vom Beklagten vorgenommene Subsumtion führen aber zur Aufhebung des streitbefangenen Beschlusses und der Verpflichtung des Beklagten, in der Angelegenheit neu zu entscheiden.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 2, Abs. 3, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung.

4. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).

5. Der Streitwert war auf 704.580,- € festzusetzen. Nach § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz bestimmt sich die Höhe des Streitwertes nach der sich aus dem Antrag des Klägers ergebenden Bedeutung der Streitsache. Maßgebend ist grundsätzlich dessen wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Verfahrens.

Ausgehend vom Streitgegenstand (unbefristete Sonderbedarfszulassung) wird das wirtschaftliche Interesse des Klägers durch die Höhe der in einem Zeitraum von drei Jahren zu erzielenden Einnahmen bestimmt (vgl. BSG, 12.10.2005, B 6 KA 47/04 B, juris; BSG, 1. 9.2005, B 6 KA 41/04 R, juris).

In Zulassungsangelegenheiten ist der Streitwert in der Regel in Höhe des Umsatzes anzusetzen, den der Arzt bei erlangter Zulassung innerhalb der nächsten Zeit aus vertragsärztlicher Tätigkeit erzielen könnte, abzüglich des Praxiskostenanteils (vgl. BSG, 12.09.2006, B 6 KA 70/05 B, juris; BSG, 1.9.2005, B 6 KA 41/04 R, juris; LSG Sachsen, 30.5.2016, L 1 KA 3/15 B, juris). Für die Umsätze ist in dem Regelfall einer Klage auf Zulassung - da insoweit keine individuellen Umsätze des Vertragsarztes vorliegen, die herangezogen werden könnten - auf die Beträge abzustellen, die im Durchschnitt für die Arztgruppe ausgewiesen sind, welcher der Arzt angehört (BSG, 1.9.2005, B 6 KA 41/04 R, juris).

Der Beklagte hat die durchschnittlichen Umsätze der Arztgruppe der fachärztlich tätigen Internisten mit dem Schwerpunkt Hämatologie und internistische Onkologie überprüft und mitgeteilt, diese hätten im Jahr 2013 insgesamt 472.229,14 €, 2014 insgesamt rund 474.086,15 € und 2015 rund 462.843,16 € betragen (Umsatz in drei Jahren damit 1.409.158,45 €). Üblicherweise sei ein Kostenanteil in Höhe von 50 % abzuziehen. Damit ergibt sich der im Tenor genannte gerundete Betrag.

Rechtskraft
Aus
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