L 2 AS 677/22

Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 29 AS 1053/22
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
L 2 AS 677/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Für die Frage, ob ein Kind einem elterlichen Haushalt zumindest zeitweilig angehört, kommt es auf die tatsächlichen (faktischen) Verhältnisse an. Entscheidend ist, ob es sich dort dauerhaft und mit nur kurzfristigen Unterbrechungen tatsächlich aufhält. Bestehen ernstliche Zweifel an der Zugehörigkeit zum elterlichen Haushalt, kann die Haushaltszugehörigkeit nicht allein mit Hinweisen auf das elterliche Sorge- und Aufenthaltsbestimmungsrecht und auf den gegenüber der Meldebehörde verlautbarten Wohnsitz belegt werden.
2. Machen die Eltern als gesetzliche Vertreter Ansprüche des Kindes mit der Begründung geltend, es gehöre ihrem Haushalt an, sind sie für diese anspruchsbegründende Tatsache darlegungs- und beweispflichtig. Mangelnde Mitwirkung bei der Aufklärung eines zweifelhaften Aufenthalts des Kindes geht danach zu Lasten der Leistungsbegehrenden.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger und Berufungsführer (im Folgenden: Kläger) begehren Leitungen bzw. höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende, jetzt Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für die Zeit von November 2022 bis Mai 2023.

Der 1980 geborene Kläger zu 1. lebte zunächst zusammen mit seiner Ehefrau, Frau H. Z. (geb. 1984), und den gemeinsamen vier Kindern, dem 2012 geborenen Kläger zu 2., dem 2014 geborenen Kläger zu 3. und zwei Töchtern unter der Anschrift B. 35 in M.

Am 30. April 2021 teilte eine Mitarbeiterin des Frauen- und Kinderschutzhauses M. dem Beklagten mit, dass die Ehefrau und die beiden Töchter des Klägers dort am Vortag Zuflucht gesucht hätten. Sie würden sich nunmehr als eigenständige Bedarfsgemeinschaft melden.

Am 19. Mai 2021 teilte eine Mitarbeiterin des Frauen- und Kinderschutzhauses dem Beklagten telefonisch mit, dass der Kläger zu 1. bislang kein Kindergeld an seine Ehefrau weitergeleitet habe. Vielmehr habe er ihre und auf ihr eigenes Konto gezahlten SGB II-Leistungen mit Hilfe ihrer Kontokarte auf sein Konto überwiesen. Die Ehefrau sei einverstanden, dass wegen der bereits erfolgen Zahlungen für Mai 2021 erst ab Juni 2021 Zahlungen an sie wiederaufgenommen würden. Die Kläger zu 2. und 3. seien derzeit nicht beim Kläger zu 1. untergebracht, sondern bei dessen Eltern.

Am 10. Juni 2021 führte eine Mitarbeiterin des Beklagten beim Kläger zu 1. einen unangekündigten Hausbesuch durch. In einem Vermerk hielt sie dazu u.a. fest, der Kläger zu 1. habe ihr keinen Zutritt zur Wohnung gewährt. Er habe angegeben, seine beiden Söhne wohnten bei ihm. Sie habe ihm erläutert, dass er Gelegenheit habe zu zeigen, dass dies tatsächlich der Fall sei. Dazu habe er angegeben, die Kinder seien in der Schule bzw. im Hort. Die Wohnsituation habe er nicht zeigen wollen. Zum Abschied habe er einen großen Beutel mit Lego-Bausteinen aus dem Fenster gehalten und gefragt, ob dies Beweis genug sei.

Am 17. Juni 2021 telefonierte eine Mitarbeiterin des Beklagten mit dem dortigen Jugendamt. Ausweislich eines Gesprächsvermerks wurde ihr u.a. mitgeteilt, der Kläger zu 1. wolle Unterhaltsvorschussleistungen für die Kläger zu 2. und 3. beantragen. Gleichzeitig habe er aber diverse Lebensumstände angegeben, die einen tatsächlichen Aufenthalt der Jungen bei ihm unglaubhaft erschienen ließen. Nach einer Rücksprache mit der Mitarbeiterin des Frauen- und Kinderschutzhauses teilte die Mitarbeiterin des Jugendamtes in einem weiteren Telefonat mit, sie habe die Auskunft erhalten, die Kläger zu 2. und 3. seien zwar polizeilich beim Kläger zu 1. gemeldet, hielten sich aber tatsächlich bei ihren Großeltern auf. Nach Auskunft der Mitarbeiterin des Frauen- und Kinderschutzhauses bestehe dazu eine Vereinbarung zwischen den Großeltern und dem Jugendamt.

Der Beklagte bat das dortige Jugendamt mit Schreiben vom 13. Juli 2021 um Auskunft über den Aufenthaltsort der Kläger zu 2. und 3. Dieses Ersuchen lehnte das Jugendamt mit Schreiben vom 9. August 2021 unter Hinweis auf datenschutzrechtliche Bestimmungen ab. Auf erneute Anfrage des Beklagten verwies das Jugendamt mit Schreiben vom 10. September 2021 auf § 64 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Achtes Buch - Kinder und Jugendhilfe (SGB VIII). Das Jugendamt leiste der betroffenen Familie persönliche und erzieherische Hilfe. Nach seiner Einschätzung würde die Erteilung der begehrten Auskunft den Erfolg der Leistungsgewährung nach dem SGB VIII gefährden, da der erforderliche Vertrauensschutz erheblich beeinträchtigt würde. Es liege auch keine Einwilligung der betroffenen Personen vor.

Danach berücksichtigte der Beklagte die Kläger zu 2. und 3. für den Zeitraum ab dem Juni 2021 bis November 2022 nicht mehr als Teil der Bedarfsgemeinschaft des Klägers zu 1. und gewährte ihnen auch sonst keine Leistungen. Wegen der für diesen Zeitraum erhobenen Ansprüche der Kläger ist ein gesondertes Berufungsverfahren (Az. L 2 AS 593/22) geführt worden. In dem zuvor anhängigen Klageverfahren vor dem Sozialgericht Halle (SG, Az. S 7 AS 1066/21) hat die Kindesmutter schriftliche Fragen zum Aufenthalt der Kläger zu 2. und 3. unter Verweis auf ein vermeintliches Zeugnisverweigerungsrecht abgelehnt. Trotz Anforderung des SG hat der Kläger zu 1. keine weiteren Belege zum tatsächlichen Aufenthaltsort der weiteren Kläger erbracht. In den ebenfalls vorangehenden Klage- und Eilverfahren (Az. S 7 AS 770/21 und S 7 AS 769/21 ER sowie dem Beschwerdeverfahren beim Senat zum Az. L 2 AS 583/21 B ER) haben die Kläger im Wesentlichen ausgeführt, dass die Söhne beim Vater lebten und dass das Kindergeld nicht Einkommen des Klägers zu 1. sei, sondern das seiner Kinder. Im Verfahren machten sie insbesondere Verletzungen des Sozialgeheimnisses und von Persönlichkeitsrechten geltend. Durch die Meldebescheinigung sei bewiesen, dass die Kläger zu 2. und 3. beim Kläger zu 1. wohnten. Die Kindesmutter gab an: „meine Söhne leben und haben schon immer im Haushalt meines Mannes gewohnt". Mit Beschluss vom 14. Oktober 2021 hat das SG den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt, wogegen der Kläger zu 1. Beschwerde unter Berufung auf zahlreiche gesetzliche Vorschriften erhoben hat. Der Berichterstatter in diesem Beschwerdeverfahren hat sich am 10. November 2021 telefonisch beim Jugendamt nach den dort vorliegenden Erkenntnissen zum Aufenthaltsort der Kläger zu 2. und 3 erkundigt. Die für die Gewährung von Unterhaltsvorschussleistungen zuständige Stelle teilte mit, die dortige Kenntnis, dass die Söhne sich bei ihren Großeltern aufhielten, resultiere aus den Angaben der Kindesmutter. Der Soziale Dienst gab an, man wäre zwar in der Lage, Auskunft über den Aufenthaltsort der Söhne und ein gerichtliches Verfahren zu geben; dies setze aber die Vorlage von Einverständniserklärungen beider Elternteile voraus. Nachdem die Kläger die erbetene Einverständniserklärung wegen Auskünften des Jungendamts nicht erteilten, wies der Senat die Beschwerde zurück (Beschluss vom 7. Dezember 2021). Die für die nachfolgenden Bewilligungszeiträume geführten einstweiligen Rechtsschutzverfahren blieben für die Kläger erfolglos (Az. der Beschwerdeverfahren L 2 AS 195/22 B ER, L 2 AS 328/22 B ER). Nachdem es die für den Zeitraum ab Juni 2021 bis November 2022 erhobenen Klagen (S 7 AS 770/21, S 7 AS 1066/21, S 7 AS 417/22 und S 7 AS 495/22) verbunden hatte, wies das SG die Klage ab (Urteil vom 17. Oktober 2022), weshalb die Kläger das oben genannte Berufungsverfahren führten. Zur mündlichen Verhandlung am 17. Oktober 2022 hatte das SG Frau H. Z. sowie die Eltern des Klägers zu 1., Frau E. und Herrn H.-J. K., als Zeugen geladen. Die Zeugen Z. und H.-J. K. haben von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Die Zeugin K. hat nach entsprechender Belehrung vor dem SG angegeben, die Mutter des Klägers zu 1. und die Großmutter der Kläger zu 2. und 3. zu sein. Weiterhin hat sie ausgeführt, dass den Klägern zu 2. und 3. ein Verfahrensbeistand bestellt worden sei. Diesem gegenüber hätten sie den Wunsch geäußert, bei den Großeltern zu leben. Es gebe hierzu aber noch keine Entscheidung des Familiengerichts. Die Kläger zu 2. und 3. lebten ihn ihrem Haushalt, schliefen dort, gingen zur Schule und würden abends wieder zurückkommen. Es gebe auch Kontakte zum Kindsvater, aber diese fänden auf neutralem Boden statt. Dieser Zustand sei seit dem letzten Jahr unverändert. Es gebe Zahlungen, die der Kindesvater leiste und es gebe auch Zahlungen, die sie leisteten. Kindergeld erhielten sie nicht weitergeleitet. Der Kläger zu 3. sei durch das Jugendamt im März 2021 in Obhut genommen worden. Der Kläger zu 2. befände sich schon seit längerer Zeit, d.h. seit Dezember 2017, in ihrem Haushalt.

Die Miete für die 64 qm große Wohnung mit drei Zimmern betrug ab dem 1. Dezember 2021 550,56 Euro (Grundmiete unverändert, Betriebskostenvorauszahlung 146,00 Euro monatlich, Heizkostenvorauszahlung 82 Euro monatlich). Der Kläger zu 1. bezog bis zum Jahr 2022 das Kindergeld für seine beiden Söhne in Höhe von je 219,00 Euro monatlich. Sonstige Einnahmen bestanden in der Bedarfsgemeinschaft nicht. Im Januar 2023 hatte der Kläger zu 1. für seine Kfz-Haftpflichtversicherung einen Jahresbeitrag in Höhe von 232,76 Euro zu entrichten.

Auf einen Fortzahlungsantrag bewilligte der Beklagte erneut nur dem Kläger zu 1. Hilfe zum Lebensunterhalt für den Monat Dezember 2022 610,34 Euro und für den Zeitraum Januar bis Mai 2023 monatlich 610,96 Euro (Bescheid vom 18. November 2022). Mit weiterem Bescheid vom selben Tag lehnte der Beklagte die Leistungen für Bildung und Teilhabe an die weiteren Kläger ab.

Mit Schreiben vom 24. November 2022 erhob der Kläger Widerspruch gegen die Bescheide vom 18. November 2022.

Am 25. November 2022 hat der Kläger zu 1. beim SG Klage erhoben (S 29 AS 1053/22). Beigelegt waren die Bescheide vom 18. November 2022, gerichtet an den Kläger zu 1. wegen der Ablehnung von Leistungen für die gemeinschaftliche Mittagsverpflegung für den Kläger zu 2. und für den Kläger zu 3. sowie der Bescheid vom 18. November 2022 wegen der Leistungen für den Kläger zu 1. für die Monate Dezember 2022 bis Mai 2023. Nach einem Hinweis auf die Unzulässigkeit der Klage ohne durchgeführtes Vorverfahren und entsprechender Ankündigung hat das SG die Klage „verworfen“ (Gerichtsbescheid vom 6. Dezember 2022).

Nach Zustellung des Gerichtsbescheides am 8. Dezember 2022 haben die Kläger am 12. Dezember 2022 Berufung eingelegt. Ihnen sei die begehrte Akteneinsicht nicht gewährt worden und sie hätten daher kein rechtliches Gehör erhalten. Das Urteil sei nicht unterschrieben gewesen. Es liege eine Ausnahme vom Vorverfahrenszwang vor. Im Übrigen entspricht der Vortrag der Kläger, weil sie sich mit jeweils gleichlautenden Schreiben zu jeweils allen Verfahren (d.h. zu L 2 AS 667/22 B ER, L 2 AS 593/22 sowie später zum Eilverfahren L 2 AS 51/23 ER) geäußert haben, dem in den anderen Verfahren.

Mit Schreiben vom 26. Januar 2023 hat der Kläger zu 1. eine von der Kindesmutter unterschriebene undatierte Erklärung vorgelegt, wonach sie erkläre, „das meine Söhne C.-K. und F. K. ihren Aufenthalt, Wohnsitz, Wohnung usw. - unanfechtbar - beim Kindesvater haben“. Der Kläger zu 1. hat zudem mehrfach (einmal datierend auf den 13. Februar 2023) eine von der Kindesmutter und seinen Söhnen unterschriebene Erklärung vorgelegt, worin sie und er bestätigen, „vor und ab sowie seit Mai 2021 bis zum heutigen Tage“ und auch zukünftig im Haushalt des Kindesvaters zu leben und dass er ihnen jeden Monat „das Kindergeld bar auf die Hand zahle“ bzw. es direkt an sie weiterleite.

Ein Nachweis für den Wohnsitz seiner Söhne sei die Meldebescheinigung. Des Weiteren hat er sich zum Beweis auf ein Aktenvorblatt des Beigeladenen zu einem Verfahren beim Verwaltungsgericht H. bezogen, in dem als Adresse des Klägers zu 3. dieselbe wie seine eingetragen ist. Das Protokoll des SG „unterliegt dem Recht nach der Beweisfälschung“. Was die Großmutter ausgesagt habe, sei rechtlich gar nicht möglich. Sie sei rechtlich nur umgangsberechtigt, was von den Eltern bestimmt werde. Dass die Kinder „mal bei den Großeltern übernachten, ein paar Stunden zu Weihnachten ohne die Kindeseltern etc. oder vom Hort oder einer Schulveranstaltung abgeholt oder ausnahmsweise mal mit ausdrücklicher Erlaubnis und Vollmacht der Eltern zum Doktor gehen können“, sei bekannt.

Es habe im Juni 2021 lediglich eine Vollmacht für die Großmutter in Bezug auf den Kläger zu 3. gegeben, wobei es um einen möglichen Arztbesuch gegangen sei. Es gebe familiäre Spannungen mit der Großmutter der Söhne. Regelungen zum Umgang (für sie) seien längst vom Familiengericht geklärt; ebenso Vollmachten usw. Das Familiengericht habe festgestellt, dass die Großmutter und das Jugendamt rechtswidrig agiert hätten und dass zukünftige Verstöße zum Umgangsentzug bei der Großmutter führen würden. Den Umgang und Aufenthalt der Kinder bestimmten die Eltern.

Des Weiteren hat der Kläger zu 1. eine Bescheinigung vom 26. Januar 2023 über die Zahlung von Schulgeld für den Schulbesuch des Klägers zu 2. vorgelegt, wonach er einen Kostenbeitrag i.H.v. 750 Euro für den Zeitraum August bis Dezember 2022 entrichtet habe. Seine Mutter könne sich nicht um die Enkel kümmern, weil sie zunächst mit der Pflege ihres Ehemanns beschäftigt gewesen sei. Er selbst sei alleinerziehend und dies begründe einen Mehrbedarf. Sein Vater sei mittlerweile verstorben. Der Beklagte müsse nachweisen, dass seine Kinder nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehörten und müsse hierfür Urkunden vorlegen.

Betreffend die Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe (SGB XII) oder dem SGB VIII bestehe gegenüber den Vorgerichten und dem Beklagten ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch. Der Beklagte hätte von sich aus Leistungen gemäß den Sozialgesetzbüchern beantragen müssen. Das Jugendamt habe aus Kinderschutzinteressen von sich selbst Leistungen beantragen müssen. Seine Söhne hätten ihren Lebensunterhalt mit dem Kindergeld bestreiten müssen. Betreffend die Sozialhilfe sei der Beklagte, bedingt durch einen sozialhilferechtlichen Herstellungsanspruch, zuständig. Der Beklagte müsse stellvertretend einen Antrag stellen. Personen mit einem gewöhnlichen Aufenthalt bzw. Sesshaften sei Bürgergeld zu gewähren. Personen mit nur einem tatsächlichen Aufenthalt sei Sozialhilfe zu gewähren. Seine Kinder hätten einen gewöhnlichen Aufenthalt; das schließe Sozialhilfe aus.

Der Kläger zu 1. hat in der Berufungsinstanz erneut Akteneinsicht begehrt und Mittellosigkeit in Bezug auf Fahrtkosten bzw. Vervielfältigungskosten geltend gemacht. Ihm ist mit Schreiben vom 23. Dezember 2022 in einem parallel geführten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (Az. L 2 AS 667/22 B ER) die Einsichtnahme auf der Geschäftsstelle gestattet worden und er ist um Glaubhaftmachung seiner Mittellosigkeit gebeten worden (Schreiben vom 8. Dezember 2022). Eine Glaubhaftmachung ist nicht erfolgt. Der Kläger zu 1. hat lediglich auf die Bedürftigkeit nach dem SGB II verwiesen. Er hat bestätigt, dass der Beklagte ihm die Verwaltungsvorgänge zugesandt hat.

Die Kläger meinen, die Auskünfte des Beigeladenen dürften nicht verwendet werden, weil er mit diesem in Rechtsstreitigkeiten stehe und diese sich auf Angaben nach dem SGB VIII bezögen, welche ohne Zustimmung der Eltern nicht erlaubt seien.

Der Kläger zu 1. hat sich auf Anfrage des Senats vom 29. März 2023 in einem das vorliegende Berufungsverfahren betreffenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (L 2 AS 51/23 ER) nicht bereit erklärt, die Mitarbeiter des Jugendamts zu Auskünften zum gewöhnlichen Aufenthalt seiner Söhne seit dem Jahr 2021 zu ermächtigen. Ebenso hat er trotz Nachfrage keine Belege zur Weiterleitung des Kindergeldes eingereicht. Weiter hat er es auf das gerichtliche Schreiben vom 17. April 2023 hin abgelehnt, den Schulbegleiter des Klägers zu 2. zu benennen oder vom Sozialgeheimnis zu befreien.

In der mündlichen Verhandlung am 30. Mai 2023 hat der Kläger zu 1. nochmals erklärt, dass sich seine Söhne tatsächlich, d.h. auch physisch, überwiegend beim ihm aufhielten. Bei der Großmutter seien sie nur besuchsweise. Auch Frau  Z. hat angegeben, dass sich ihre Söhne beim Kläger zu 1. aufhielten. Wegen der weiteren Einzelheiten der Angaben des Klägers zu 1. und der Frau  Z. wird auf das Protokoll verwiesen.

Mit als Aufhebungs- und Erstattungsbescheid bezeichnetem Bescheid vom 1. Februar 2023 zum Bescheid vom 18. November 2022 hat der Beklagte dem Kläger zu 1. für den Zeitraum ab Dezember 2022 bis Mai 2023 Leistungen in geänderter Höhe bewilligt sowie eine Erstattung verfügt. Für Dezember 2022 bewilligte er dem Kläger zu 1. unverändert insgesamt 610,34 Euro, ab Januar 2023 nunmehr monatlich insgesamt nur 601,96 Euro. Die Änderung hat der Beklagte mit der Anhebung des Kindergeldes pro Kind auf 250 Euro (also je Kind 31 Euro, monatlich insgesamt 62 Euro mehr) ab Januar 2023 begründet. Mit dem Bescheid hat der Beklagte vom Kläger zu 1. insgesamt 124 Euro als zu erstattende Leistungen geltend gemacht. Dies berücksichtigt gemäß der in Bezug genommenen Anlage zum Bescheid eine Anpassung der Leistungsauszahlung für die Monate Januar und Februar 2023 an den ab 1. Januar 2023 für Alleinstehende geltenden Regelbedarf für das Bürgergeld in Höhe von 502 Euro (53 Euro mehr).

Während des Berufungsverfahrens hat der Beklagte den Widerspruch des Klägers zu 1. gegen den Bescheid vom 18. November 2022 in der Fassung des Bescheides vom 1. Februar 2023 und gegen die Ablehnungsbescheide vom 18. November 2022 bezüglich der Gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung für den Bewilligungszeitraum Dezember 2022 bis Mai 2023 zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 27. Februar 2023). In der Darstellung des Sachverhalts wird auf den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 1. Februar 2023 verwiesen, der die erhöhten Regelbedarfe sowie die Erhöhung des Kindergeldes umsetze. Weiter wird erwähnt, dass eine Aufhebung und Erstattung wegen der bereits erfolgten Überzahlung geregelt worden sei.

Die Kläger beantragen,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Halle vom 6. Dezember 2022 aufzuheben, die Bescheide vom 18. November 2022 in der Fassung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheids vom 1. Februar 2023 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Februar 2023 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, für die Zeit vom November 2022 bis Mai 2023 den Klägern zu 2 und 3 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sowie zur Bildung und Teilhabe für die Mittagsverpflegung und dem Kläger 1 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren; außerdem den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 1. Februar 2023 aufzuheben, soweit darin eine Erstattungsforderung geltend gemacht wird.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Bezugnehmend auf die vorangehenden Beschlüsse des Senates sowie auf das Sitzungsprotokoll zur mündlichen Verhandlung beim SG vom 17. Oktober 2022 vertritt er die Auffassung, es sei bereits festgehalten worden, dass der Kläger zu 1. nicht glaubhaft gemacht habe, dass sich seine beiden Söhne tatsächlich in seinem Haushalt aufhielten.

Mit Beschluss vom 11. April 2023 hat der Senat den Landkreis Saalekreis zu dem Verfahren sowie den weiteren Verfahren L 2 AS 593/22 und L 2 AS 51/23 ER beigeladen.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Er hat im Verfahren L 2 AS 51/23 ER mitgeteilt, dass die Kläger zu 2. und 3. seit Mai 2021 weder Leistungen nach dem SGB XII noch solche nach dem SGB VIII bezogen hätten. Der Kläger zu 2. habe Hilfe zur Erziehung nach § 35a SGB VIII erhalten: zunächst eine ambulante Einzelförderung bei einem Träger und ab Februar 2021 eine ambulante Eingliederungshilfe in Form eines Schulbegleiters. Für den Kläger zu 3. würden die monatlichen Hortbetreuungskosten erstattet.

Die Sitzungsvertreterin des Beigeladenen hat in der mündlichen Verhandlung am 30. Mai 2023 erklärt, dass der Allgemeine Soziale Dienst des Jugendamtes - sofern die datenschutzrechtlichen Voraussetzungen gegeben seien – möglicherweise Angaben zum Aufenthalt der Kläger zu 2. und 3. machen könnte, sie dies aber aufgrund ihrer aus Gründen des Datenschutzes eingeschränkten Kenntnis nicht sicher sagen könne.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung am 30. Mai 2023 Beweis erhoben durch die Befragung der Zeugin E. K., welche unter Berufung auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht zur Sache nicht ausgesagt hat. Das Protokoll des SG zu ihrer Aussage in der dortigen mündlichen Verhandlung vom 17. Oktober 2022 ist verlesen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend verwiesen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat keinen Erfolg.

A. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Gerichtsbescheid des SG vom 6. Dezember 2022, mit dem es die Klage gegen die Bescheide vom 18. November 2022 und auf höhere Leistungen an den Kläger zu 1. für die Zeit vom November 2022 bis Mai 2023 sowie Leistungen für die Kläger zu 2. und 3. abgewiesen hat. Gegenstand des Verfahrens sind außerdem der den Kläger zu 1. betreffende Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 1. Februar 2023 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Februar 2023 und die Klage gegen die darin geregelte Erstattungsforderung. Denn der nach Klageerhebung ergangene Verwaltungsakt ersetzte den Bewilligungsbescheid vom 18. November 2022 vollständig und wird demnach gemäß § 96 SGG kraft Gesetzes Gegenstand des Klage- bzw. nachfolgenden Berufungsverfahrens. Dies gilt auch für die Erstattungsforderung (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 3. September 2020 – B 14 AS 55/19 R – juris Rn. 13).

B. Die Berufung der Kläger ist gemäß §§ 143 und 144 SGG statthaft und sie ist auch in zulässiger Weise erhoben worden.

C. Die Berufung ist allerdings nicht begründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Sie ist, nachdem nunmehr das Vorverfahren beendet wurde, nicht mehr unzulässig, aber unbegründet. Die an den Kläger zu 1. gerichtete Bewilligung ist rechtmäßig. Nach den für den Senat verfügbaren Erkenntnismitteln hat der Kläger zu 1. keine höheren Leistungsansprüche gegen den Beklagten und die übrigen Kläger haben keinen Leistungsanspruch gegen den Beklagten bzw. den Beigeladenen. Gleichfalls nicht zu beanstanden sind die Aufhebungsentscheidung und die Erstattungsforderung gegenüber dem Kläger zu 1.

1. Soweit der Bescheid vom 1. Februar 2023 Änderungen enthält, ist Rechtsgrundlage hierfür § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Die Erstattungsforderung findet ihre rechtliche Grundlage in § 50 Abs. 1 SGB X.

2. Die mit dem Bescheid vom 1. Februar 2023 verbundene Änderung und die Erstattungsforderung sind formell rechtmäßig ergangen. Soweit sie auf die veränderte Einkommenslage des Klägers zu 1. zurückgeht, bedurfte es schon keiner Anhörung (§ 24 Abs. 2 Nr. 5 SGB X). Zudem haben die Kläger sich noch vor Erlass des Widerspruchsbescheides mit Schreiben vom 13. Februar 2023 ausführlich geäußert, so dass etwaige Anhörungsmängel geheilt wurden (§ 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB X).

3. Der Bescheid vom 1. Februar 2023 und die Bescheide vom 18. November 2022 sind den Klägern wirksam bekanntgegeben worden (§ 37 SGB X). Die Bekanntgabe gegenüber dem Kläger zu 1. als einem von zwei Elternteilen genügt auch für eine Bekanntgabe an seine beiden Söhne, die Kläger zu 2. und 3. (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juni 2014 – B 14 AS 2/13 R – juris Rn. 23).

4. Die Bewilligung ist auch hinreichend bestimmt (§ 33 Abs. 1 SGB X), denn es ist eindeutig zu erkennen, welchem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft für welchen Monat welcher Leistungsanspruch verbleiben soll. Das Fehlen einer Unterschrift ist unschädlich (§ 33 Abs. 5 SGB X).

5. Die angefochtenen Bescheide sind auch materiell nicht zu beanstanden. Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X für eine Abänderung ab Januar 203 liegen vor. Nach Erlass des Bewilligungsbescheids vom 18. November 2022 sind wesentliche Änderungen in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten. Der Beklagte hatte dem Kläger zu 1. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit von Dezember 2022 bis Mai 2023 bewilligt. Er ist zu Recht davon ausgegangen, dass sich zum 1. Januar 2023 Änderungen dadurch ergeben haben, dass das zu berücksichtigende Einkommen in Form von Kindergeld aufgrund der gesetzlichen Anhebung höher wurde und dass sich die Kosten für die Kfz-Haftpflichtversicherung geändert hatten, während sich gleichzeitig die Höhe der Regelbedarfe geändert hatte. Diese nach Erlass der ursprünglichen Bewilligungsentscheidung eingetretenen Änderungen stellen im Sinne des § 48 SGB X wesentliche Veränderungen in den tatsächlichen Verhältnissen dar, weil sie rechtlich eine andere Anspruchsberechnung zur Folge haben. Die Bewilligungsentscheidung war ohne Ausübung von Ermessen zum Zeitpunkt der Änderungen anzupassen (§§ 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 3 Satz 1 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III). Im Übrigen hat der Kläger zu 1. über die Bewilligung vom 1. Februar 2023 hinaus für den Monat Dezember 2022 keinen weiteren Anspruch und ist die geänderte Berechnung ab dem Monat Januar 2022 nicht zu beanstanden. Dass den übrigen Klägern in dem Bescheid ebenso wie im Bescheid vom 18. November 2022 keine Hilfe zum Lebensunterhalt bewilligt wurde bzw. mit gesonderten Bescheiden vom18. November 2022 die Leistungen für Bildung und Teilhabe abgelehnt wurden, ist ebenso nicht zu beanstanden. Ihnen standen insgesamt keine Leistungen nach dem SGB II zu. Auch Ansprüche gegen den Beigeladenen sind nicht zu erkennen.

Zur Bedarfsgemeinschaft eines erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zählen u.a. seine dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können (§ 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II). Für die Frage, ob ein Kind dem Haushalt angehört, kommt es auf die tatsächlichen (faktischen) Verhältnisse an (vgl. Peters in: Estelmann, SGB II, § 7 [Stand: Juni 2019] Rn. 73; Leopold in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Auflage 2020, § 7 Rn. 256). Entscheidend ist deshalb nicht, ob die Kinder dort nach dem Bundesmeldegesetz (BMG) gemeldet sind oder ob die Eltern über das Sorgerecht oder Aufenthaltsbestimmungsrecht verfügen. Entscheidend ist vielmehr, ob sie sich dort unbeschadet kürzerer Unterbrechungen tatsächlich aufhalten (vgl. Peters, a.a.O., Leopold, a.a.O.). Gehören Kinder einem Haushalt nur zeitweise an, kann eine sog. temporäre Bedarfsgemeinschaft vorliegen (vgl. BSG, Urteil vom 28. Oktober 2014 – B 14 AS 65/13 R – juris Rn. 14).

Der Senat kann wegen der mangelnden Mitwirkung der Kläger nicht feststellen, dass sich die Kläger zu 2. und 3. im streitgegenständlichen Zeitraum von Dezember 2022 bis Mai 2023 tatsächlich im Haushalt des Klägers zu 1. aufgehalten haben. Aufgrund zahlreicher Anhaltspunkte, die gegen einen solchen Aufenthalt sprechen, und der strikten Weigerung der Kläger, eine vollständige Aufklärung des Sachverhalts durch das Gericht zu ermöglichen, geht der Senat vielmehr davon aus, dass die Kläger zu 2. und 3. nicht im Haushalt ihres Vaters leben. Lassen sich anspruchsbegründende Tatsachen nicht feststellen, geht dies grundsätzlich zu Lasten des Leistungsbegehrenden. Die gilt erst recht in Bezug auf Umstände, die – wie hier – ausschließlich in die Sphäre des Betroffenen fallen. Auch soweit in den sozialgerichtlichen Verfahren der Sachverhalt durch das Gericht und von Amts wegen zu erforschen ist, sind hierfür die Beteiligten heranzuziehen (§ 103 Satz 1 SGG). Diese gesetzliche Mitwirkungslast hat u.a. zur Folge, dass es zu Lasten des Beteiligten geht, wenn er die gerichtliche Aufklärung des Sachverhalts durch fehlende Mitwirkung erschwert (vgl. B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 103 Rn. 16).

Anlass zu Zweifeln am Aufenthalt der Kläger zu 2. und 3. im väterlichen Haushalt und damit zu weiteren Ermittlungen waren aufgrund der konkreten Umstände gegeben. Nach den insoweit nicht vom Akteneinsichtsrecht des Klägers zu 1. durch den Beklagten ausgenommenen und dementsprechend verwertbaren Aktenteilen hat der Beklagte von einer Mitarbeiterin des Frauenhauses von dem unstreitigen Auszug der Ehefrau und der beiden Töchter des Klägers zu 1. erfahren und weiter die Information erhalten, auch die Kläger zu 2. und 3. hielten sich nicht mehr im Haushalt des Klägers zu 1. auf. Diese Informationen erscheinen relevant, weil naheliegt, dass sie jeweils auf die Kindesmutter zurückgingen. Diese Auskünfte gaben und geben immer noch Anlass zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts in Bezug auf den überwiegenden (dauerhaften) Aufenthaltsort der Kläger zu 2. und 3.

Der vom Antragsgegner durchgeführte Besuch der Wohnung des Klägers zu 1. hat nicht zur Klärung bzw. zur Zerstreuung der aus den Auskünften des Frauenhauses resultierenden Zweifel am tatsächlichen Aufenthalt der Söhne des Klägers zu 1. in dessen Haushalt geführt. Die Wohnung durfte nicht besichtigt werden. Die Söhne wurden nicht angetroffen. Das vorgezeigte Spielzeug kann einen dauerhaften Aufenthalt in der Wohnung nicht belegen.

Die vorgelegten Kontoauszüge, Schulbuchlisten und Rechnungen bezeugen im konkreten Fall nicht den tatsächlichen Aufenthaltsort der Kläger zu 2. und 3. Ebenso sind die Meldebestätigung bzw. Eintragungen über den Wohnsitz in den Verwaltungsvorgängen nicht geeignet, einen tatsächlichen Nachweis für eine andauernde Haushaltsgemeinschaft des Klägers zu 1. mit seinen Söhnen und ihren tatsächlichen Aufenthalt zu erbringen. Die Meldebescheinigung beweist als öffentliche Urkunde im Sinne der §§ 415 ff. Zivilprozessordnung lediglich, dass die in ihr enthaltenen Angaben über den Einwohner im Melderegister gespeichert sind. Ob diese Angaben zum Zeitpunkt der Ausstellung richtig und vollständig waren und noch sind, kann mit ihr nicht belegt werden. Ob also der Meldepflichtige die in der Bescheinigung bezeichnete Wohnung tatsächlich bewohnt, wird damit nicht dokumentiert (vgl. Verwaltungsgericht Würzburg, Urteil vom 14. Dezember 2020 – W 8 K 20.862 – juris Rn. 41). Es ist zudem weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass die Meldebescheinigung in Bezug auf die Kläger zu 2. und 3. nicht lediglich die Erklärung der Eltern über deren Wohnsitz wiedergibt, sondern auf einer Überprüfung (vgl. § 6 Abs. 3 BMG) des Sachverhalts durch die Meldebehörde beruht. Sofern für den Verwaltungsvollzug und auch für die gerichtlichen Verfahren die vom Kläger zu 1. angegebene Meldeadresse seiner Söhne z.B. im Rubrum von Entscheidungen zur Identifikation der Kläger zu 2. und 3. als Beteiligte sowie für die Zwecke der Zustellung übernommen wird, kann dies den tatsächlichen und gewöhnlichen Aufenthaltsort gleichfalls nicht belegen.

Damit verbleibt es, was die Mitwirkung der Klägerseite an der Aufklärung des Sachverhalts angeht, bei deren bloßen Behauptung, die Söhne wohnten beim Kläger zu 1. Soweit er, seine Söhne und die Kindesmutter mehrere entsprechende schriftliche Bestätigungen vorgelegt haben, sind dies ebenfalls nur unbelegte Behauptungen. Tatsächliche und nachprüfbare Anhaltspunkte haben die Kläger trotz mehrfacher Aufforderungen des Senats nicht vorgetragen. Stattdessen haben sie sich im Wesentlichen wiederholt auf ihre Rechtsauffassung berufen, dass die elterliche Sorge die Grundlage für das Bestimmungsrecht über den Aufenthalt der Söhne darstelle und dass es ohne Zustimmung der Eltern gar keinen anderen gewöhnlichen Aufenthaltsort geben könne. Die aus Sicht des Senates als notwendig dargestellte weitere Sachverhaltsaufklärung durch das Gericht haben die Kläger insbesondere dadurch verhindert, dass sie weder den Mitarbeitern des Jugendamts noch dem Schulbegleiter eine Aussage über die Wohnverhältnisse bzw. den gewöhnlichen Aufenthalt der Kläger zu 2. und 3. gestattet haben. Sie haben damit aktiv die Aufklärung des Sachverhalts behindert. Auch die Beiziehung der Akten des Jugendamts und des Familiengerichts, in denen sich Angaben zumindest zum zeitweisen Aufenthalt der Söhne finden müssen, haben sie verhindert. Jedenfalls im Zusammenhang mit der im März 2021 erfolgten Inobhutnahme des Klägers zu 2. durch das Jugendamt müssen solche Akten existieren. Zudem hat der Kläger zu 1. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat selbst erklärt, er habe beim Familiengericht eine Umgangsregelung für den Umgang seiner Mutter mit seinen Söhnen beantragt. Diese Akten haben die Kläger dem Gericht nicht zugänglich gemacht, ihre Existenz sogar geleugnet.

Soweit sich die Kläger für ihre nicht hinreichende Mitwirkung beispielsweise in Form der Befreiung über die Verschwiegensheitspflichten auf den Datenschutz bzw. den Persönlichkeitsrechtsschutz stützen, steht ihnen dies zwar frei. Sie sind nicht im Sinne einer durchsetzbaren Handlungspflicht verpflichtet, dem Beklagten oder dem Gericht nähere Auskünfte zu erteilen oder Schweigepflichtsentbindungserklärungen abzugeben. Sie müssen dann allerdings – im Sinne einer Obliegenheit – die daraus resultierenden Konsequenzen – nämlich die Folgen der Nichterweislichkeit ihrer Behauptungen bzw. der Voraussetzungen eines Leistungsanspruchs – tragen.

Auch die Erklärungen der Kindsmutter in der Verhandlung zum Aufenthaltsort der Söhne können den Senat nicht überzeugen. Dagegen, dass die Ehefrau des Klägers zu 1. zum tatsächlichen Aufenthaltsort der Söhne verlässliche Angaben machen kann, spricht die von ihr zugestandene fehlende tatsächliche Wahrnehmung. Denn sie hat angegeben, seit der Trennung nicht mehr in der Wohnung des Klägers zu 1. gewesen zu sein, sondern lediglich mit den Söhnen mittels dessen Telefon gesprochen zu haben.

Jedenfalls werden die nach dem Vorstehenden bereits durch die Informationen aus dem Frauenhaus und die aktive Behinderung der Sachverhaltsaufklärung geweckten Zweifel an den Angaben der Klägerseite zum tatsächlichen Aufenthalt der Kläger zu 2. und 3. im Haushalt ihres Vaters aufgrund der Aussage der Frau E. K. beim SG in einem Maße verstärkt, dass der Senat seiner Entscheidung zugrundelegt, dass die Kinder sich dort im streitgegenständlichen Zeitraum nicht aufhielten. Die Aussage der Zeugin konnte der Senat trotz deren Zeugnisverweigerung in der Berufungsinstanz als Beweismittel verwerten. Denn wenn Zeugen in anderen Gerichtsverfahren ausgesagt haben und hierüber Niederschriften vorliegen, kann das Gericht sie auch ohne Zustimmung der Beteiligten im Wege des Urkundsbeweises würdigen (vgl. B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 103 Rn. 11d). Die Zeugin zeichnet von der Lebenssituation der Jungen ein völlig anderes Bild als die Kläger. Die Söhne des Klägers zu 1. würden sich seit März 2021 nach einer Inobhutnahme des Klägers zu 3. beide bzw. der Kläger zu 2. schon seit längerer Zeit in ihrem Haushalt aufhalten und dort versorgt werden, von dort aus die Schule besuchen und übernachten. Die Kontakte mit dem Kläger zu 1. fänden auf neutralem Boden statt. Diese vom SG als glaubhaft angesehene Zeugenaussage erschüttert das klägerische Vorbringen nachhaltig.

Der Senat geht daher davon aus, dass die Kläger zu 2. und 3. nicht durchgängig oder zumindest in einem für die Annahme einer temporären Bedarfsgemeinschaft genügenden zeitlichen Umfang zum Haushalt des Klägers zu 1. gehörten. Danach sind sie, sowohl was die Leistungen für den Lebensunterhalt anbelangt, als auch in Bezug auf die Leistungen für Bildung und Teilhabe, nicht anspruchsberechtigt.

Ohne Zugehörigkeit zu einer Bedarfsgemeinschaft mit den Eltern können die Kläger zu 2. und 3. mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 SGB II auch keine Leistungen als eigene Bedarfsgemeinschaft beanspruchen. Sie sind erst in den Jahren 2012 bzw. 2014 geboren und daher im Anspruchszeitraum nicht schon 15 Jahre alt. Sofern sie mit den Großeltern zusammengelebt haben, stellt diese Familienkonstellation gemäß § 7 SGB II keine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des SGB II dar.

Gleichzeitig kann der Senat nicht klären, ob die Kläger zu 2. und 3. nach dem SGB XII leistungsberechtigt sind. Insoweit würde eine für sie günstige Entscheidung voraussetzen, dass der Senat gemäß § 128 SGG die volle Überzeugung vom Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen gewinnt. Dies ist mangels Mitwirkung der Kläger und anderer geeigneter Erkenntnisquellen nicht der Fall. So kann der Senat nicht sicher erkennen, ob die Kläger zu 2. und 3., sofern sie sich nicht dauerhaft im Haushalt eines Elternteils aufgehalten haben, gemäß § 27 Abs. 1 und 2 SGB XII hilfebedürftig gewesen sind. Zwar sind eigene Mittel der Kläger zu 2. und 3. in Form von Geldeinkommen oder Vermögen nicht ersichtlich. Gleichwohl könnten aber auch geldwerte Sachzuwendungen wie Verpflegung usw. (§ 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII: Einkommen sind alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert) zu berücksichtigen sein. Einzelheiten dazu, wie der Lebensunterhalt der Kläger zu 2. und 3. im Streitzeitraum sichergestellt war, haben die Kläger aber trotz Nachfrage weder vorgetragen noch entsprechende Belege vorgelegt. Außerdem könnte einem Anspruch noch eine ggf. zu vermutende Bedarfsdeckung durch die Unterstützung anderer Personen entgegenstehen. Denn lebt eine nachfragende Person gemeinsam mit anderen Personen in einer Wohnung oder in einer entsprechenden anderen Unterkunft, so wird gemäß § 39 SGB XII vermutet, dass sie gemeinsam wirtschaften (Haushaltsgemeinschaft) und dass die nachfragende Person von den anderen Personen Leistungen zum Lebensunterhalt erhält, soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann. Abgesehen davon, dass schon der gewöhnliche Aufenthaltsort der Kläger zu 2. und 3. strittig geblieben ist, hat der Senat zu den weiteren Voraussetzungen der Vermutungsregelung mangels konkreter Angaben der Klägerseite, wegen der aufgrund des Verhaltens der Klägerseite fehlenden Möglichkeit, Informationen vom Jugendamt zu erhalten und wegen der Zeugnisverweigerung der Großmutter keinerlei Informationen. Ein Indiz gegen das Vorliegen zumindest einer akuten Notlage ist, dass das Jugendamt des Beigeladenen, das offenbar mit dem Sachverhalt vertraut ist, bislang wohl nicht weiter eingeschritten ist. Demnach kann dahinstehen, ob die Klägerseite überhaupt ernsthaft Ansprüche nach dem SGB XII geltend macht, wenn sie auf die konkrete Nachfrage des Senats hierzu ausführen, sie sähen den Beklagten in der Pflicht, solche Ansprüche zu verfolgen und zudem meinen, solche Ansprüche stünden gar nicht zu, weil diese nur nicht Sesshaften zu gewähren seien.

Wenn keine Bedarfsgemeinschaft des Klägers zu 1. mit den Klägern zu 2. und 3. nachgewiesen ist, bestehen auch keine höheren Ansprüche des Klägers zu 1. Insofern hat der Beklagte dann zu Recht das erhaltene Kindergeld als sein Einkommen berücksichtigt. Kindergeld stellt wie jede andere Einnahme in Geld gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II Einkommen dar. Es ist auch nicht gemäß § 11a SGB II von der Berücksichtigung ausgenommen. Das Kindergeld ist Einkommen des Klägers zu 1., weil er es erhält. Die Ausnahmeregelung zur Berücksichtigung des Kindergeldes bei den Kindern ist nicht einschlägig. Denn eine abweichende („normative“) Zurechnung des Kindergeldes als Einkommen der Kinder sieht das Gesetz gemäß § 11 Abs. 1 Satz 5 SGB II nur dann vor, wenn sie zur Bedarfsgemeinschaft des Kindergeldberechtigten gehören. Eben dies konnte der Senat nicht feststellen, so dass es bei den Grundregeln des § 11 Abs. 1 SGB II verbleibt.

Es ist auch nicht zu erkennen, dass die Ausnahmeregelung des § 1 Abs. 1 Nr. 8 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung bzw. nun Bürgergeld-Verordnung (Alg II-V) eingreifen würde, nach welcher das Kindergeld als Einkommen nicht dem Kläger zu 1., sondern den Klägern zu 2. und 3. zuzurechnen wäre. Nach dieser Vorschrift ist Kindergeld für Kinder des Hilfebedürftigen, soweit es nachweislich an die nicht im Haushalt des Hilfebedürftigen lebenden Kinder weitergeleitet wird, nicht als dessen Einkommen zu berücksichtigen. Eine solche Weiterleitung (an die nach seiner Darstellung in seinem Haushalt lebenden Kinder) hat der Kläger zu 1. zwar behauptet, aber gleichzeitig in der mündlichen Verhandlung angegeben, das Geld nicht in bar auszuzahlen, sondern für den Lebensunterhalt der Söhne zu verwenden. Belege für die Weiterleitung des Kindergeldes hatte er schon zuvor trotz Anfrage des Senates nicht erbracht, so dass auch diese Behauptung den Senat nicht überzeugen kann.

Auch im Übrigen kann der Senat keine Unrichtigkeiten der Bewilligung für den Kläger zu 1. erkennen. Die Wohnkosten hat der Beklagte vollständig als Bedarf für die Kosten der Unterkunft und Heizung i.S.d. § 22 SGB II berücksichtigt. Das bedarfsmindernde Einkommen des Klägers zu 1. in Form des Kindergeldes hat er um die zutreffenden Absetzungen für Versicherungen bereinigt.

Der Beklagte durfte die mit der notwendigen Änderung der Bewilligung einhergehende Erstattungsforderung gemäß § 50 Abs. 1 und Abs. 2 SGB X gegen den Kläger zu 1. festsetzen. Deren Höhe folgt, wie dem Bescheid vom 1. Februar 2023 zu entnehmen ist, aus der Gegenüberstellung der bislang ab Januar 2023 bereits wegen der zeitgleich geänderten Höhe der Regelbedarfe zunächst ohne Verwaltungsakt höher ausgezahlten Leistungen und den nun zu bewilligenden Leistungen.

D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

E. Die Rechtssache bietet keine Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG).

Rechtskraft
Aus
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