L 4 P 444/22

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4.
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 19 P 4057/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 444/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Endet aufgrund des Bezugs einer spanischen gesetzlichen Rente die Pflichtmitgliedschaft eines nach Spanien verzogenen Rentners in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung der Rentner, endet auch die Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung der Rentner.
2. Leistungen der Pflegeversicherung – als Leistungen bei Krankheit i.S. des Art. 3 Abs. 1 VO (EG) 883/2004 – unterfallen der Kollisionsnorm des Art. 23 VO (EG) 883/2004, der der allgemeinen Regelung des Art. 5 VO (EG) 883/2004 vorgeht.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23. November 2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.



Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin ab dem 1. Juni 2018 bei der Beklagten in der sozialen Pflegeversicherung der Rentner (PVdR) pflichtversichert, hilfsweise in der sozialen Pflegeversicherung freiwillig weiterversichert ist.

Die 1946 geborene Klägerin, spanische Staatsangehörige, war ab September 1964 in der Bundesrepublik Deutschland abhängig beschäftigt bis zuletzt Juli 2006 und entsprechend Pflichtmitglied der gesetzlichen Krankenversicherung. Seit dem 1. August 2006 bezieht sie eine deutsche vorgezogene Altersrente für Frauen aus eigener Versicherung und war bei der Beklagten als Mitglied der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) versicherungspflichtiges Mitglied in der sozialen Pflegeversicherung. Zum 1. April 2018 verlegte die Klägerin ihren Wohnsitz nach Spanien.

Nach dem Tod ihres Ehemannes 2018 bezieht sie auf ihren Rentenantrag vom 26. Juni 2018 seit 1. Juni 2018 eine Witwenrente der Deutschen Rentenversicherung R1 (DRV). In dem an die spanische Anschrift adressierten, an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin übermittelten Bewilligungsbescheid der DRV vom 24. September 2018 wies diese u.a. darauf hin, dass aus der Rente kein Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung einbehalten werde, da von einer gesetzlichen Krankenversicherung im Wohnstaat auszugehen sei. Auf denselben Rentenantrag wurde der Klägerin ebenfalls ab dem 1. Juni 2018 eine Witwenrente der spanischen gesetzlichen Rentenversicherung bewilligt (Rentenbescheid vom 2. Juli 2018). Daneben erhält sie eine Betriebsrente des D1 Rentenservice. Seit dem 1. Juni 2018 ist sie Mitglied in der spanischen Krankenversicherung der Rentner.

Nachdem die DRV die Beklagte im Februar 2019 von den gewährten Witwenrenten informiert hatte, teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 27. März 2019 unter dem Betreff „Ende Ihrer Kranken- und Pflegeversicherung in Deutschland“ mit, dass sie „die deutsche Krankenversicherung der Rentner daher rückwirkend zum 31.05.2018 [bei der Beklagten] beendet“ habe. Aufgrund der Gewährung der spanischen Rente sei ab dem 1. Juni 2018 die spanische Krankenversicherung für die Klägerin zuständig.

Mit Schreiben vom 2. April 2019 stellte die Klägerin, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, bei der Beklagten einen Antrag auf Aufrechterhaltung ihrer Mitgliedschaft in der sozialen Pflegeversicherung, als Pflichtmitglied oder im Rahmen einer freiwilligen Weiterversicherung und verwies hierzu auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 30. Juni 2011 in der Rechtsstreitsache M1 (C-388/09).

Mit (formlosen) Schreiben vom 6. Juni 2019 lehnte die Beklagte den Antrag ab, da auf die Klägerin aufgrund der spanischen Rente und des Wohnsitzes in Spanien nur spanisches Recht anwendbar sei.

Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruches führte die Klägerin aus, mit Bezug der spanischen Witwenrente ab dem 1. Juni 2018 ende nicht ihre Mitgliedschaft, sondern lediglich die Zuständigkeit der Beklagten für die Sachleistungsgewährung der Krankenversicherung, weil diese Zuständigkeit auf den spanischen Träger übergehe. Die Mitgliedschaft in der Krankenversicherung komme hierdurch zum Ruhen. Weil es im spanischen Recht keine Pflegeversicherung gebe, komme eine Aufhebung der Mitgliedschaft in der Pflegeversicherung gemäß Art. 23 VO (EG) 883/2004 nicht zustande. Es verbleibe bei der bestehenden Pflichtmitgliedschaft zur Pflegeversicherung, weil die in § 1 Abs. 2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) genannten Voraussetzungen nunmehr in doppelter Form (spanische und deutsche Mitgliedschaft in der Krankenversicherung) erfüllt seien. Allerdings gehe es ihr, der Klägerin, lediglich um den Antrag auf freiwillige Fortsetzung der Mitgliedschaft zur Pflegeversicherung gemäß § 26 SGB XI.

Mit Widerspruchsbescheid vom 2. September 2019 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch gegen den „Bescheid vom 06. Juni 2019“ als unbegründet zurück. Die Klägerin habe am 1. April 2018 ihren gewöhnlichen Aufenthalt nach Spanien verlegt und beziehe ab dem 1. Juni 2018 eine spanische Rente. Die Klägerin unterliege daher der Krankenversicherung nach spanischem Recht. In Europa gelte der Grundsatz „Die Pflegeversicherung folge der Krankenversicherung“. Nur wenn der Krankenversicherungsschutz bei der Wohnortverlegung in einen anderen Mitgliedstaat bestehen bleibe, gelte dies auch für die Pflegeversicherung. Nach dem SGB XI bestehe keine Möglichkeit der freiwilligen Weiterversicherung in der gesetzlichen Pflegeversicherung in Deutschland.

Hiergegen erhob die Klägerin am 18. September 2019 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) mit dem Begehren, die Beklagte zu verpflichten, „die bislang bestehende Pflichtmitgliedschaft der Klägerin in der Pflegeversicherung ihrer Kasse ab dem 01.01.2018, hilfsweise die freiwillige Mitgliedschaft der Klägerin in der Pflegeversicherung ihrer Kasse ab dem 01.06.2018 anzuerkennen und diese durchzuführen“. Über ihr bisheriges Vorbringen hinaus führte sie aus, die Beklagte knüpfe ihre – auch die Pflichtmitgliedschaft umfassende – Ablehnung trotz jahrzehntelanger Beitragsentrichtung letztlich an ihren, der Klägerin, Wohnsitz außerhalb Deutschlands. Dies verstoße gegen den freien Personenverkehr nach Art. 3 Abs. 2 des Vertrages über die Europäische Union (EUV) und Art. 21, Titel IV, V des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sowie das Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV als Grundprinzipien des Europäischen Rechts. Den von ihr allein herangezogenen Art. 14 Abs. 2 VO (EG) 883/2004 habe die Beklagte unzutreffend angewandt. Aus diesem ergebe sich allein, dass sie, die Klägerin, wegen der Versicherungspflicht in der spanischen Krankenversicherung nicht freiwilliges Mitglied in der deutschen Krankenversicherung sein könne. Dies gelte aber nicht für die deutsche Pflegeversicherung. Ihre Pflichtmitgliedschaft in dieser komme auch nicht zum Ruhen, da eine Pflegeversicherung in Spanien nicht existiere. Eine solche ergebe sich insbesondere nicht aus dem (spanischen) Gesetz Nr. 39/2006 zur Förderung der persönlichen Autonomie und der Hilfe für pflegebedürftige Personen vom 14. Dezember 2006. Dieses sehe zwar Pflegesachleistungen vor, aber nicht als Anspruch aus einer Versicherung, sondern als beitragsunabhängige Sozialleistung, vergleichbar dem deutschen Sozialhilferecht. Gegebenenfalls ihr jemals gewährte Leistungen nach diesem Gesetz wären nach Art. 34 VO (EG) 883/2004 auf Geldleistungen aus der deutschen Pflegeversicherung anzurechnen. Für das Bestehen der Pflichtmitgliedschaft in der sozialen Pflegeversicherung genüge bereits die – hier ruhende – Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung. Die nach § 1 Abs. 2 SGB XI vorausgesetzten Pflichtmitgliedschaft in der Krankenversicherung erfülle sie im Übrigen auch durch die Pflichtmitgliedschaft in der spanischen Krankenversicherung. Dass diese genüge, ergebe sich aus Art. 5 VO (EG) 883/2004 und den Eingangserwägungen Nr. 8 bis 12 hierzu. Selbst, wenn eine Pflichtmitgliedschaft in der Pflegeversicherung nicht erhalten geblieben sein sollte, wäre eine freiwillige Mitgliedschaft aufgrund ihres Antrags vom 2. April 2019 gemäß § 26 Abs. 1 SGB XI von der Beklagten anzuerkennen und durchzuführen. Die hierfür geltende
Dreimonatsfrist habe sie eingehalten bzw. müsse als eingehalten gelten. Sie müsse im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt werden, als habe sie die Frist eingehalten, da die Beklagte sie nicht über die Möglichkeit eines Antrags auf freiwillige Weiterversicherung belehrt habe. Ein Beratungsanlass habe vorgelegen. Sie habe die deutsche und die spanische Witwenrente gemeinsam am 26. Juni 2018 beantragt. Der Bescheid über die Bewilligung der deutschen und der spanischen Witwenrente sei ihr am 5. Oktober 2018 (Verbindungsvordruck E 211) zugestellt worden. Sie, die Klägerin, habe ununterbrochen vom 1. Januar 1995 bis zum 31. Mai 2018 Beiträge zur Pflegeversicherung entrichtet.

Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen vom 21. November 2019 (L 5 P 19/17) entgegen. Zur Durchführung der Pflegeversicherung sei die Klägerin auf das System der sozialen Sicherung in Spanien zu verweisen. Eine freiwillige Mitgliedschaft scheitere vorliegend an einer nicht fristgerechten Antragstellung. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch bestehe nicht.

Mit Urteil vom 23. November 2021 wies das SG die Klage ab. Die auf Feststellung der Mitgliedschaft in der sozialen Pflegeversicherung, im Rahmen einer Pflichtversicherung oder hilfsweise einer freiwilligen Mitgliedschaft, gerichtete Klage sei unbegründet. Die Pflichtversicherung der Klägerin sowohl in der KVdR als auch in der PVdR habe rückwirkend mit dem Beginn der spanischen Rente zum 1. Juni 2018 geendet. Unter Beachtung allein der nationalen Kollisionsvorschrift gehöre die Klägerin bereits aufgrund ihres Wohnsitzes in Spanien nicht zum Kreis der Versicherungspflichtigen. Darüber hinaus bestehe auch wegen der fehlenden Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung keine Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung. Seit dem Bezug der spanischen Rente erhalte die Klägerin gemäß Art. 23 der VO (EG) Nr. 883/04 Leistungen bei Krankheit vom spanischen Sozialleistungsträger. Die Voraussetzungen des Art. 24 der VO (EG) Nr. 883/04 einer Versicherungspflicht in der deutschen Krankenversicherung seien deshalb entfallen. Gingen Leistungen nicht zu Lasten eines Mitgliedstaates, so dürfe dieser, auch wenn er eine Rente schulde, gemäß Art. 30 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 883/04 keine Beiträge zur Deckung der Leistung bei Krankheit einbehalten. Damit fehle die Grundlage für ein Pflichtversicherungsverhältnis, so dass die Pflichtmitgliedschaft der Klägerin in der KVdR und damit in der PVdR mit dem Beginn des Bezugs der spanischen Rente geendet habe. Aus den Vorschriften des europäischen Gemeinschaftsrechts folge ebenfalls keine Versicherungspflicht der Klägerin in der sozialen Pflegeversicherung, da dieses (insbesondere in der VO (EG) Nr. 883/2004) keine vorrangigen Regelungen zum Bestehen von Versicherungspflicht nach nationalem Recht sowie zum Bestehen einer Pflichtmitgliedschaft bei einem nationalen Sozialversicherungsträger enthalte. Der deutsche Gesetzgeber habe sich – vom EuGH unbeanstandet – für eine akzessorische Abhängigkeit der Pflegeversicherung von der Krankenversicherung entschieden. Europarechtlich sei der selbständige Fortbestand einer Mitgliedschaft in der sozialen Pflegeversicherung im Falle des Wegfalls der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung – zumindest noch – nicht gefordert. Eine (europarechtliche) Verselbständigung der Pflegeversicherung sei unionsrechtlich – auch in der VO (EG) 883/2004 – noch nicht vollzogen. Eine freiwillige Mitgliedschaft der Klägerin in der Pflegeversicherung scheide mangels fristgerechter Antragstellung aus. Der am 2. April 2019 bei der Beklagten eingegangene Antrag habe weder die Einmonats- noch die
Dreimonatsfrist des § 26 SGB XI, die beide an den 31. Mai 2018 (Ende der Mitgliedschaft bzw. Ausscheiden aus der Versicherungspflicht) anknüpften, gewahrt, so dass offenbleiben könne, welche Frist vorliegend maßgeblich gewesen sei. Selbst bei Anknüpfung an den Zeitpunkt der Zuerkennung der spanischen Witwenrente im September 2018 seien die Fristen nicht gewahrt. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand seien insoweit nicht erfüllt. Spätestens ab der Zuerkennung der spanischen Witwenrente im September 2018 sei es der Klägerin möglich und zumutbar gewesen, den entsprechenden Antrag auf Weiterversicherung bei der Beklagten zu stellen. Auf eine Unkenntnis von der Möglichkeit einer freiwilligen Weiterversicherung könne sich die Klägerin nicht berufen. Die Klägerin sei auch nicht im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als habe sie die Antragsfrist eingehalten. Eine Beratungspflichtverletzung sei vorliegend nicht erkennbar. So habe die Beklagte erst im Februar 2019 vom Bezug der spanischen Witwenrente erfahren. Zu diesem Zeitpunkt sei auch die Drei-Monats-Frist längst abgelaufen gewesen. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin mit einem konkreten Beratungsbegehren an die Beklagte herangetreten wäre, seien nicht ersichtlich. Auch die Verletzung einer etwaigen Spontanberatungspflicht sei nicht erkennbar.

Gegen dieses ihrem in Spanien ansässigen Prozessbevollmächtigten am 9. Dezember 2021 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17. Februar 2022 Berufung beim LSG Baden-Württemberg eingelegt. Zu deren Begründung hat sie unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens weiter ausgeführt, die Pflichtmitgliedschaft in der deutschen Pflegeversicherung habe mangels Kollision mit einer – nicht bestehenden – spanischen Pflegeversicherung unter Berücksichtigung des Art. 23 VO (EG) 883/2004 nicht geendet. Genau diese Lage einer nichteingetretenen Kollision zweier Pflichtmitgliedschaften zur Pflegeversicherung habe bereits das Bundessozialgericht (BSG) in seinem Urteil vom 25. August 2008 (B 12 P 3/06 R) erkannt. Die vom SG zitierte Rechtsprechung des BSG, wonach aus den Vorschriften des Gemeinschaftsrechts keine Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung folge, habe aufgrund des zeitlichen Anwendungsbereichs die EG-Verordnungen Nr. 883/2004 und Nr. 987/2009 und damit die Vorschrift des „fiktiven Umstandes“ aus Art. 5 VO (EG) 883/2004 wie auch alle anderen EG-Vorschriften in denen Sachleistungen bei Pflegebedürftigkeit nicht berücksichtigen können. Die in § 20 SGB XI für die Pflichtmitgliedschaft in der sozialen Pflegeversicherung vorausgesetzte Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung erfülle sie, die Klägerin, durch ihre Mitgliedschaft in der spanischen Krankenversicherung. Dieser in Spanien eingetretene Umstand sei genauso zu berücksichtigen, als ob er in Deutschland eingetreten wäre (Art. 5 und Erwägungen Nr. 9 bis 13 der VO (EG) 883/2004). Es handle sich dabei um eine vorrangige Regelung des über- und zwischenstaatlichen Rechts, die das Territorialitätsprinzip aufhebe. Hiervon sei die Frage einer – nicht bestehenden – Verschmelzung der deutschen Kranken- mit der Pflegeversicherung zu trennen. Es gebe keine konkrete Vorschrift des EG- oder des deutschen Sozialrechts, woraus sich eine so enge Verbindung und gegenseitige Abhängigkeit ergäbe, dass die Pflegeversicherung mit der Krankenversicherung ende. Da es im EG-Sozialrecht, das nur der Koordinierung der nationalen Vorschriften diene, keine europäische Kranken- und Pflegeversicherung gebe, gebe es dort keine wechselseitige Abhängigkeit. Zwar habe der EuGH Pflegeleistungen als „Leistungen bei Krankheit“ behandelt wissen wollen. Dies aber nur im Rahmen einer Analogie, die durch das damalige Fehlen von entsprechenden EG-Regelungen notwendig gewesen sei. Diese fehlenden Regelungen seien mit Art. 34 VO (EG) 883/2004 und Art. 31 VO (EG) 987/2009 inzwischen erlassen und in Kraft getreten. Mittlerweile habe der EuGH diese Rechtsprechung selbst als Notlösung deklariert und gleichzeitig klargestellt, dass „Pflegeleistungen einen anderen Charakter haben als Leistungen bei Krankheit... und nicht zwingend ein integraler Bestandteil dieser Leistungen sind“. Art. 27 der Verordnung Nr. 1408/71 sei danach dahin auszulegen, dass ein Anspruch auf Leistungen bei Krankheit im eigentlichen Sinne im Wohnsitzmitgliedstaat nicht zum Verlust eines Anspruchs führe, der das Risiko der Pflegebedürftigkeit ausschließlich aufgrund von Versicherungszeiten eröffnet worden sei, die unter diesen Rechtsvorschriften zurückgelegt worden seien (Verweis auf EuGH, Urteil vom 30. Juni 2011 – C388/09 –M2). Eine solche Anerkennung von Leistungen der Pflege als europarechtlich eigenständige Leistungskategorie mit der Folge des Weiterbestehens der deutschen Pflegeversicherung wegen fehlender Kollision bei ausländischer Krankenversicherung habe das BSG vorausgesagt (Urteil vom 22. April 2009 – B 3 P 13/07 R – juris). Auch das deutsche Sozialrecht kenne keine wechselseitige Abhängigkeit und auch keine Zusammenfügung der Kranken- und Pflegeversicherung. Letztere sei als neuer eigenständiger Zweig der Sozialversicherung mit eigenen Trägern und Aufgaben geschaffen worden. Jedenfalls sei die Klägerin ab 1. Juni 2018 als freiwilliges Mitglied in der Pflegeversicherung zu versichern. Die Antragsfrist habe sie entgegen der Auffassung des SG gewahrt. Vorliegend gelte allein die Dreimonatsfrist des § 26 Abs 2 SGB XI, die auch keine materielle Ausschlussfrist darstelle. Sie beginne am 1. April 2019. Grundsätzlich könne für sie, die Klägerin, eine Frist nicht zu laufen beginnen, solange sie nicht darüber informiert sei, dass es eine solche Frist gebe und ab wann diese Frist zu laufen begonnen habe. Maßgeblich sei nach dem Wortlaut des § 26 Abs. 2 SGB XI – im Gegensatz zu Abs. 1 („Ausscheiden aus der Versicherungspflicht“) – die „Beendigung der Mitgliedschaft“. Erst mit Schreiben vom 27. März 2019, der Klägerin zugegangen am 1. April 2019, habe die Beklagte sie informiert, dass sie ihre Mitgliedschaft rückwirkend zum 31. Mai 2018 „beendet“ habe. Es sei nicht zu verstehen, warum die Beklagte erst mit diesem Schreiben eine Mitgliedschaft der Klägerin ausdrücklich beenden sollte, wenn diese Mitgliedschaft bereits zum 1. Juni 2018 beendet worden sei. Zuvor habe niemand von einem „Ende“ Notiz genommen, weder die Beklagte, die erst mit Schreiben vom 27. März 2019 reagiert habe, noch die DRV, die noch in ihrem Altersrentenbescheid vom 27. März 2019 Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung von der Rente einbehalten habe, noch der ehemalige Arbeitgeber, der über seinen Rentenservice noch bis Juli 2021 Beiträge zur deutschen Krankenversicherung abgeführt habe. Erst mit einem Rentenänderungsbescheid vom 3. April 2019 habe die DRV sie über die Erhöhung ihrer deutschen Altersrente wegen Änderung des Kranken- und Pflegeversicherungsverhältnisses unterrichtet. Sie selbst, die Klägerin, habe keine Veränderung in ihrer Versorgung wahrgenommen oder erkennen können, ob nunmehr die deutsche oder die spanische Krankenversicherung für die Kosten aufkomme. Niemand habe sie darüber unterrichtet, dass ab dem 1. Juni 2018 ihre bisherige Pflichtmitgliedschaft zur deutschen sozialen Pflegeversicherung beendet sei. Erst recht sei sie nicht über die Möglichkeit der Beantragung einer freiwilligen Fortsetzung der Mitgliedschaft und die einzuhaltende Frist informiert worden. Nach dem Rechtsgedanken des § 190 Abs. 11 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V; Verweis auf Senatsurteil vom 23. März 2018 – L 4 P 4340/16 – juris) sei hinsichtlich der Beendigung des Versicherungspflichtverhältnisses auf die Unanfechtbarkeit der rückwirkenden Rentenbewilligung abzustellen. Maßgebend für die Anfechtung des Witwenrentenbescheides sei gemäß Art. 48 Abs. 2 VO (EG) 987/2009 die Zustellung des sogenannten „zusammenfassenden Bescheides nach Vordr. E 211“ an sie, die Klägerin. Dieser Bescheid E 211 trage das Datum vom 4. Oktober 2018. Die Widerspruchsfrist nach dieser Norm betrage drei Monate. Da die Frist des § 190 Abs. 11 SGB V erst „mit Ablauf des Monats, in dem die Entscheidung unanfechtbar wird“ beginne, also am 1. Februar 2019, ende die Antragsfrist nach § 26 Abs. 1 SGB XI erst am 1. Mai 2019. Damit sei ihr Antrag vom 2. April 2019 fristgerecht. Jedenfalls lägen die Voraussetzungen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Antragsfrist vor. Denn erst das Schreiben der Beklagten vom 27. März 2019 sei der „Wegfall des Hindernisses“ in diesem Sinne. Der Antrag auf freiwillige Fortsetzung der Mitgliedschaft vom 2. April 2019 sei als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu betrachten und sowohl innerhalb eines Jahres und auch innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 27 SGB X gestellt worden. Ein „Verschulden“ der Klägerin liege nicht vor. Sie habe lediglich von der Gewährung der beiden Witwenrenten erfahren, nicht aber von der entscheidenden Tatsache, dass rückwirkend ab dem 1. Juni 2018 die Krankenversicherungssachleistungen nun von der spanischen und nicht mehr von der deutschen Krankenversicherung geleistet würden. Zu Unrecht versuche die Beklagte, ihr, der Klägerin, bzw. ihrem Bevollmächtigten ein Verschulden zuzuweisen. Eine Beauftragung des bevollmächtigten Rechtsanwaltes zur Wahrung ihrer Interessen gegenüber der Beklagten sei erst am 2. April 2019 erfolgt. Eine Beauftragung gegenüber anderen Versicherungsträgern führe nicht zu einer Verpflichtung des Rechtsanwalts, für die Klägerin andere Rechtssachen zu erledigen. Bis zum Erhalt des Beklagtenschreibens vom 27. März 2019 habe weder für sie noch ihren Anwalt Anlass zur Antragstellung nach § 26 SGB XI bestanden, da ihr noch niemand mitgeteilt habe, ihre Mitgliedschaft zur deutschen Kranken- und Pflegeversicherung der Beklagten sei beendet und könne gegebenenfalls freiwillig fortgesetzt werden. Die im Witwenrentenbescheid vom 24. September 2018 angegebenen Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten bestünden nicht gegenüber der Beklagten.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23. November 2021 sowie den Bescheid der Beklagten vom 6. Juni 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. September 2019 aufzuheben und festzustellen, dass sie über den 31. Mai 2018 hinaus bei der Beklagten in der sozialen Pflegeversicherung pflichtversichert ist; hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, sie über den 31. Mai 2018 hinaus als freiwilliges Mitglied in der sozialen Pflegeversicherung zu führen,

weiter hilfsweise dem Europäischen Gerichtshof die folgende Rechtsfrage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
„Ist Art. 5 Absatz b) der VO (EG) Nr. 883/2004 so auszulegen, dass der für die Erfüllung der Vorbedingung zum Bestehen einer Pflichtmitgliedschaft zur Pflegeversicherung in den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates Deutschland (§ 20 Abs.1 SGB XI) vorgesehene Sachverhalt oder Ereignis des Bestehens einer Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung auch dann als gegeben anzusehen ist, wenn eine Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung des Wohnmitgliedstaates Spanien gegeben ist?“

Die Beklagte beantragt,

            die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Ergänzend hat sie ausgeführt, vom Bezug der spanischen Witwenrente erst durch das Schreiben der DRV vom 14. Februar 2019 erfahren zu haben. Eine Information der Klägerin über die Möglichkeit einer freiwilligen Weiterversicherung in der Pflegeversicherung habe sie daher vorher nicht erteilen können. Zum Zeitpunkt ihrer Kenntniserlangung sei jede Antragsfrist des § 26 SGB XI bereits abgelaufen gewesen. Des Weiteren sei der Rentenbescheid vom 24. September 2018 mit Schreiben vom gleichen Tage an den jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin übermittelt worden und nach dem Eingangsstempel dort am 8. Oktober 2018 eingegangen. Die Klägerin sei also spätestens seit diesem Zeitpunkt anwaltlich und mithin offensichtlich auch rechtskundig vertreten gewesen. Etwaige Kenntnisse ihres Bevollmächtigten seien dieser daher (spätestens) ab diesem Zeitpunkt analog § 166 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sowie gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 SGB X rechtlich zuzurechnen. Weshalb die Klägerin dennoch keinen frühzeitigen Antrag nach § 26 SGB XI gestellt habe, sei nicht erkennbar. Obwohl der Rentenbescheid umfassende rechtliche Hinweise auf Mitteilungs- und Mitwirkungsrechte enthalte, habe die Klägerin sie, die Beklagte, erst mit Schreiben vom 2. April 2019 über den Bezug der spanischen Rente informiert. Auf eine Kenntnis von der Antragsmöglichkeit und der -frist komme es für deren Beginn gerade nicht an. Die Mitgliedschaft bzw. Pflichtversicherung der Klägerin ende auch nicht durch Verwaltungsakt, sondern von Gesetzes wegen (rückwirkend) mit dem Hinzutreten des Anspruches der Klägerin auf die spanische Rente. Mit diesem Zeitpunkt beginne die Antragsfrist des § 26 Abs. 1 Satz 3 SGB XI. Soweit die Klägerin auf das Senatsurteil vom 23. März 2018 (L 4 P 4340/16 – juris) und die Regelung in § 190 Abs. 11 Nr. 2 SGB V verweise, habe das LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 21. November 2019 – L 5 P 19/17 - juris, Rn. 75) zutreffend ausgeführt, dass diese Regelung nur auf solche Fälle ziele, in denen Versicherten – wie hier nicht – für einen abgeschlossenen Zeitraum in der Vergangenheit rückwirkend eine Rente zuerkannt werde. Ohnehin sei das genannte Senatsurteil nicht vergleichbar. Selbst wenn man dem Vorbringen der Klägerin zu § 190 Abs. 11 SGB V und einem Fristbeginn am 1. Februar 2019 folge, sei der am 2. April 2019 gestellte Antrag nicht innerhalb der im Senatsurteil als einschlägig angesehenen Monatsfrist eingegangen. Zur Weiterführung der Pflichtversicherung der Klägerin in der PVdR über den 31. Mai 2018 hinaus habe das SG zutreffend und in Übereinstimmung mit den genannten Urteilen des Senats und des LSG Nordrhein-Westfalen entschieden. Einer Vorlage an den EuGH zur Vorabentscheidung bedürfe es daher nicht. Dies gelte auch für Art. 5 VO (EG) 883/2004. Denn der EuGH habe in seinem Urteil vom 30. Juni 2011 (C388/09 - M1) ausdrücklich keinen Anstoß daran genommen, dass der Kläger des dort entschiedenen Verfahrens, der bereits Doppelrentner gewesen sei, durch seinen Umzug aus der deutschen sozialen Pflegeversicherung ausgeschieden sei, und auch die Entscheidung des BSG (Urteil vom 26. Januar 2005 – B 12 P 4/02 R), wonach das Unionsrecht keine nach § 6 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) gegenüber § 3 SGB IV vorrangige Regelung enthalte, nicht beanstandet. Gleiches gelte für die vom deutschen Gesetzgeber ausdrücklich vorgesehene akzessorische Abhängigkeit der Pflege- von der Krankenversicherung.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

1. Die gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und gemäß §§ 153 Abs. 1, 87 Abs. 1 Satz 2 SGG fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig und insbesondere statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG. Die Berufung bedurfte nicht der Zulassung nach § 144 Abs. 1 SGG, denn die Klage betrifft weder eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung noch einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt.

2. Gegenstand des Verfahrens ist das Begehren der Klägerin auf Durchführung der sozialen Pflegeversicherung über den 31. Mai 2018 hinaus als Mitglied der Beklagten aufgrund einer Pflicht-, hilfsweise aufgrund einer freiwilligen Versicherung. Bereits der Antrag der Klägerin vom 2. April 2019 war auf die Aufrechterhaltung ihrer Mitgliedschaft in der sozialen Pflegeversicherung, „sei es als Pflichtmitgliedschaft, sei es als freiwillige Weiterversicherung“ gerichtet. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 6. Juni 2019 lehnte die Beklagte dieses Begehren vollumfänglich ab, ohne zwischen Pflicht- und freiwilliger Versicherung zu unterscheiden. Diese Entscheidung focht die Klägerin mit Widerspruch vollständig an. Zwar führte sie aus, ihr gehe es lediglich um den Antrag auf freiwillige Fortsetzung der Mitgliedschaft zur Pflegeversicherung gemäß § 26 SGB XI. Hierdurch hat sie den Widerspruch jedoch nicht auf die freiwillige Versicherung beschränkt. Sie hat nicht ausdrücklich nur einen „Teil-“Widerspruch eingelegt. Vielmehr hat sie in der Begründung zunächst ausführlich dargelegt, aus welchen Gründen sie vom Fortbestehen einer Pflichtmitgliedschaft in der Pflegeversicherung ausgeht und die diesbezügliche Ablehnungsentscheidung der Beklagten für rechtswidrig hält. Wenn sie weiter ausführte, darüber werde sie sich nicht streiten, es gehe ihr nur um die freiwillige Versicherung, hat sie damit nicht zu erkennen gegeben, den Widerspruch vorbehaltlos hierauf beschränken zu wollen. Vielmehr hat sie damit nur zum Ausdruck gebracht, bei Einräumung einer freiwilligen Versicherung die Pflichtversicherung nicht länger geltend zu machen. Dass sie unabhängig von der Entscheidung über die freiwillige Versicherung die Ablehnung der Weiterführung als Pflichtversicherung akzeptiere, ist ihrem Vorbringen nicht zu entnehmen. Im Widerspruchsbescheid vom 2. September 2019 hat die Beklagte zwar ausdrücklich die Ablehnung der freiwilligen Mitgliedschaft bestätigt. Aus den Gründen, insbesondere durch Heranziehung des § 20 SGB XI und der Verneinung dessen Voraussetzungen, hat sie aber auch eine Widerspruchsentscheidung über die Ablehnung der Pflichtversicherung getroffen. Das SG hat im angefochtenen Urteil – entsprechend dem ausdrücklich formulierten Klagebegehren – ebenfalls zur Pflicht- und freiwilligen Mitgliedschaft entschieden. Streitbefangen ist damit vollumfänglich der Bescheid vom 6. Juni 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. September 2019 (§ 95 SGG).

3. Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die zulässige (dazu a) Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte hat im Ergebnis zu Recht eine Mitgliedschaft der Klägerin in der sozialen Pflegeversicherung über den 31. Mai 2018 hinaus abgelehnt. Diese ist weder Mitglied aufgrund einer Versicherungspflicht geblieben (dazu b) noch aufgrund einer freiwilligen Versicherung geworden (dazu c).

a) Die Klage ist zulässig.

aa) Statthafte Klageart hinsichtlich des Hauptantrags ist die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (BSG, Urteile vom 28. Mai 2008 – B 12 P 3/06 R – juris, Rn. 13 und vom 29. Juni 2016 – B 12 R 5/14 R - juris, Rn. 21; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21. November 2019 – L 5 P 19/17 – juris, Rn. 57), hinsichtlich des Hilfsantrags die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG). Denn anders als die freiwillige Krankenversicherung kommt die Weiterversicherung in der Pflegeversicherung nach § 26 SGB XI nicht bereits mit dem Zugang des Antrags bei der Pflegekasse wirksam zustande. Vielmehr bedarf es hierzu einer konstitutiven Feststellung durch Verwaltungsakt der Pflegekasse (Bernsdorff, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XI, 3. Aufl. Stand Oktober 2021, § 26 Rn. 23, 28 m.w.N.; Vossen, in: Krauskopf, SGB XI, Stand November 2023, § 26 Rn. 14, 18).

bb) Obwohl die Klägerin bislang nicht pflegebedürftig ist, hat sie im Sinne von § 55 Abs. 1 Satz 1 SGG ein berechtigtes Interesse an der Feststellung des Fortbestehens ihrer Mitgliedschaft bei der Beklagten. Denn das Bestehen einer Mitgliedschaft bei der Beklagten ist Voraussetzung für das Vorliegen von Versicherungsschutz sowie die Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen (LSG Nordrhein-Westfalen, a.a.O., Rn. 58 m.w.N.).

b) Die Klage ist im Hauptantrag nicht begründet. Die Beklagte hat eine Pflichtversicherung der Klägerin in der PVdR über den 31. Mai 2018 hinaus zu Recht verneint. Die angefochtenen Bescheide sind insoweit rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.

aa) Allein unter Beachtung der nationalen Kollisionsvorschrift gehörte die Klägerin ab dem 1. Juni 2018 nicht mehr zum Kreis der gemäß § 20 SGB XI Versicherungspflichtigen in der sozialen Pflegeversicherung. Nach § 49 Abs. 1 Satz 2 SGB XI endet die Mitgliedschaft bei einer Pflegekasse mit dem Tod des Mitglieds oder mit Ablauf des Tages, an dem die Voraussetzungen des § 20, des § 21 oder des § 21a SGB XI entfallen, sofern nicht das Recht zur Weiterversicherung nach § 26 SGB XI ausgeübt wird. In Betracht kommt hier allein – wie bereits bis zum 31. Mai 2018 – die Versicherungspflicht nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 11 SGB XI auf Grund der Versicherungspflicht in der KVdR nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V. Aufgrund des Wohnsitzes der Klägerin in Spanien findet das deutsche Sozialversicherungsrecht gemäß der einseitigen Kollisionsnorm in § 3 Nr. 2 SGB IV aber keine Anwendung, so dass schon aus diesem Grund die Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung ausgeschlossen ist. Mit dem Entfallen der Voraussetzungen der Versicherungspflicht nach § 20 Abs. 1 SGB XI endet die Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung kraft Gesetzes, ohne dass es einer Feststellung, „Beendigung“ oder einer anderweitigen Verwaltungsentscheidung durch die Pflegekasse bedarf (§ 49 Abs. 1 Satz 2 SGB XI; Senatsurteil vom 26. Februar 2024 – L 4 P 2751/22 – juris, Rn. 32). Dass die Klägerin ihren Wohnsitz zum 1.
April 2018 nach Spanien verlegt hat, entnimmt der Senat den inzwischen übereinstimmenden Angaben beider Beteiligten und der entsprechenden Mitteilung der DRV an die Beklagte.

bb) Darüber hinaus besteht auch wegen der fehlenden Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung keine Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung (§ 20 Abs. 1 Satz 1 SGB XI). Das Ende der Mitgliedschaft der Klägerin in der KVdR mit Ablauf des 31. Mai 2018 ist durch den Bescheid vom 27. März 2019 bestandskräftig festgestellt. Gegen diesen hat die Klägerin keinen Rechtsbehelf eingelegt. Vielmehr hat sie im Antragsschreiben vom 2. April 2019 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Zuständigkeit in der Krankenversicherung auf den spanischen Versicherungsträger übergegangen sei und daher keine Beiträge zur deutschen Krankenversicherung mehr von der Rente abgezogen werden dürften. Schon aufgrund der bestandskräftigen Entscheidung über das Ende der Mitgliedschaft in der KVdR kann entgegen der Ansicht der Klägerin die Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung nicht an eine „ruhende“ Mitgliedschaft in der Krankenversicherung angeknüpft werden.

cc) Seit dem Bezug der spanischen Rente liegen die Voraussetzungen einer Mitgliedschaft der Klägerin in der KVdR auch nicht mehr vor.

Während des alleinigen Bezugs einer deutschen Rente hatte die Klägerin einen Sachleistungsanspruch bei Krankheit zulasten des deutschen Sozialleistungsträgers. Seit dem 1. Mai 2010 ist insofern die VO (EG) Nr. 883/2004 (vgl. zum Inkrafttreten Art. 90 Abs. 1, Art. 91 VO Nr. 883/2004 i.V.m. Art. 97 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009) maßgeblich. Art. 24 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 bestimmt: Eine Person, die eine Rente oder Renten nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten erhält und die keinen Anspruch auf Sachleistungen nach den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats hat, erhält dennoch Sachleistungen für sich selbst und ihre Familienangehörigen, sofern nach den Rechtsvorschriften des für die Zahlung ihrer Rente zuständigen Mitgliedstaats oder zumindest eines der für die Zahlung ihrer Rente zuständigen Mitgliedstaaten Anspruch auf Sachleistungen bestünde, wenn sie in diesem Mitgliedstaat wohnte. Die Sachleistungen werden vom Träger des Wohnorts für Rechnung des in Absatz 2 genannten Trägers erbracht, als ob die betreffende Person Anspruch auf Rente und Sachleistungen nach den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats hätte. Die in Art. 24 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/04 normierte Wohnsitzfiktion gilt auch für das Beitragsrecht (Senatsurteil vom 26. Februar 2024 – L 4 P 2751/22 – juris, Rn. 30; vgl. auch BSG, Urteil vom 5. Juli 2005 - B 1 KR 4/04 R - juris, Rn. 14 zu den im Wesentlichen gleichlautenden Regelungen der VO <EG> Nr. 1408/71). Weil der deutsche Sozialleistungsträger in diesem Fall für die Ausgaben für Sachleistungen bei Krankheit aufkommen muss, dürfen ihm auch die Krankenversicherungsbeiträge zugewiesen werden (vgl. Art. 30 Abs. 1 VO <EG> Nr. 883/04). § 3 Nr. 2 SGB IV stand deshalb bis zum Bezug der spanischen Rente einer Mitgliedschaft der Klägerin in der KVdR auch bei einem Wohnsitz in Spanien nicht entgegen.

Mit dem Bezug der spanischen Rente, der wie derjenige der deutschen Rente am 1. Juni 2018 begann, erhält die Klägerin gemäß Art. 23 VO (EG) Nr. 883/04 Leistungen bei Krankheit vom spanischen Sozialleistungsträger. Die Voraussetzungen des Art. 24 VO (EG) Nr. 883/04 liegen daher nicht mehr vor. Gehen Leistungen nicht zu Lasten eines Mitgliedstaates, so darf dieser, auch wenn er eine Rente schuldet, gemäß Art. 30 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/04 keine Beiträge zur Deckung der Leistung bei Krankheit einbehalten (Senatsurteil, a.a.O., Rn. 31). Damit fehlt die Grundlage für ein Pflichtversicherungsverhältnis, so dass die Pflichtmitgliedschaft der Klägerin in der KVdR und über §§ 49 Abs. 1 Satz 220 Abs. 1 Satz 1 SGB XI auch die Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung der Rentner (PVdR) aufgrund des Bezugs der spanischen Rente endete.

dd) Auch aus den Regelungen des europäischen Gemeinschaftsrechts folgt keine Versicherungspflicht der Klägerin in der sozialen Pflegeversicherung. Unionsrecht enthält insoweit keine nach § 6 SGB IV, wonach Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts unberührt bleiben, gegenüber § 3 SGB IV vorrangigen Regelungen zur Versicherungspflicht in der Sozialen Pflegeversicherung.

(1) Die VO (EG) Nr. 883/2004 erfasst persönlich alle Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates (Art. 2) und damit auch die spanische Klägerin. Der sachliche Geltungsbereich erstreckt sich nach Art. 3 Abs. 1 VO (EG) 883/2004 nur auf Rechtsvorschriften, die die dort genannten Zweige der sozialen Sicherheit betreffen. Diese Aufzählung ist erschöpfend, so dass ein Zweig der sozialen Sicherheit, der dort nicht aufgeführt ist, nicht als solcher qualifiziert werden kann, auch wenn er den Begünstigten einen Rechtsanspruch auf eine Leistung einräumt (EuGH, Urteil vom 30. Juni 2011 – C-388/09 – <M1>, juris, Rn. 41). Die Pflegeversicherung wird dort nicht genannt. Erfasst sind hingegen u.a. nach Art. 3 Abs. 1 lit. a Leistungen bei Krankheit. Nach der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des EuGH sind die einzelnen Leistungen der Pflegeversicherung vor allem deshalb als Ergänzung (nicht zwingend integraler Bestandteil) zu denen der Krankenversicherung zu sehen und diesen gleichzustellen, weil deren Zweck und inhaltliche Ausgestaltung auf eine Verbesserung des Gesundheitszustandes und der Lebenssituation pflegebedürftiger Personen abzielt und die beiden Leistungsträger organisatorisch verbunden sind (EuGH, Urteil vom 30. Juni 2011, a.a.O., Rn. 42 ff. m.w.N.; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 8. Dezember 2022 – L 5 P 14/21 – juris, Rn. 36 m.w.N.). Die VO (EG) Nr. 883/04 enthält jedoch keine Bestimmungen zum Bestehen von Versicherungspflicht sowie zum Bestehen einer Pflichtmitgliedschaft. Weder den allgemeinen Regelungen noch den besonderen Vorschriften für die einzelnen Leistungsarten können entsprechende Regelungen entnommen werden. Die Koordinierungs- und Kollisionsvorschriften in Titel III Kapitel 1 Abschnitt 2 VO (EG) Nr. 883/04 bestimmen für Leistungen bei Krankheit an Rentenberechtigte das anzuwendende Recht und regeln lediglich Zuständigkeiten für Leistungsansprüche und Kostentragungspflichten. Sie gelten auch für Leistungen bei Pflegebedürftigkeit, da diese „Leistungen bei Krankheit“ im Sinne von Art. 3 Nr. 1 lit. a VO (EG) Nr. 883/04 sind (vgl. Art. 34 VO <EG> Nr. 883/04; zur VO <EG> Nr. 1408/71 EuGH, Urteil vom 5. März 1998 - C-160/96 - <Molenaar>, SozR 3-3300 § 34 Nr. 2 S 15; Urteil vom 8. Juli 2004 - C-502/01 und C-31/02 - <Gaumain-Cerri und Barth>, juris; Urteil vom 8. März 2001 - C-215/99 -, <Jauch>, SozR 3-6050 Art 10a Nr. 1 S 7, zum Pflegegeld nach österreichischem Recht).

(2) Entgegen der Auffassung der Klägerin unterfallen damit auch die Leistungen der Pflegeversicherung – als Leistungen bei Krankheit i.S. des Art. 3 Abs. 1 VO (EG) 883/2004 – der Kollisionsnorm des Art. 23 VO (EG) 883/2004.

Eine – unionsrechtliche – Verselbständigung der Pflegeversicherung in dem Sinne, dass eine Kollision mit der spanischen Krankenversicherung i.S. des Art. 23 VO (EG) 883/2004 nicht bestehe, ist bislang noch nicht vollzogen. Leistungen bei Pflegebedürftigkeit sind im – abschließenden – Katalog des Art. 3 Abs. 1 lit. a VO (EG) 883/2004 noch immer nicht genannt. Daher verbleibt es bei der wie bisher vorgenommenen (s.o.) Zuordnung zu den Leistungen bei Krankheit. Dem steht die ausdrücklich Leistungen bei Pflegebedürftigkeit erfassende Regelung des Art. 34 VO (EG) 883/2004 – Zusammentreffen von Leistungen bei Pflegebedürftigkeit – nicht entgegen. Vielmehr sind diese gerade als Teil des Kapitel 1 systematisch weiterhin als Leistungen bei Krankheit gefasst und werden in dieser Vorschrift auch als solche bezeichnet. Eine Erweiterung des Katalogs der Zweige der sozialen Sicherheit in Art. 3 VO (EG) 883/2004 ist derzeit zwar geplant (Kommission, Vorschlag für eine Verordnung zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 und der Verordnung (EG) Nr. 987/2009), aber noch nicht umgesetzt (vgl. hierzu Kaeding, Leistungen bei Pflegebedürftigkeit – die geplante Änderung der VO (EG) Nr. 883/2004, ZESAR 2019, 206 ff. m.w.N.), insbesondere noch nicht zum hier relevanten Zeitpunkt, dem 31. Mai 2018. Soweit die Klägerin geltend macht, auch nach nationalem – deutschen – Recht gebe es keine „Verschmelzung“ der Kranken- mit der Pflegeversicherung, aus der eine Beendigung der Pflege- bei Beendigung der Krankenversicherung folge, trifft dies nicht zu. Zwar wurde die Pflegeversicherung nach § 1 Abs. 1 und 2 SGB XI als neuer eigenständiger Zweig der Sozialversicherung mit den Pflegekassen als Träger geschaffen. Ausdrücklich werden deren Aufgaben aber von den Krankenkassen wahrgenommen (§ 1 Abs. 2 Halbs. 2 SGB XI). Des Weiteren ist die Mitgliedschaft in der Pflegeversicherung, wie oben gezeigt, nach § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB XI gesetzlich akzessorisch zur Mitgliedschaft in der Krankenversicherung gestaltet worden. Dies gilt nach § 49 Abs. 1 SGB XI ausdrücklich auch für Beginn und Beendigung der Mitgliedschaft. Gerade (auch) auf diese organisatorische Verknüpfung der deutschen Pflege- mit der Krankenversicherung hat der EuGH die Zuordnung der Pflegeversicherung zum Zweig der Leistungen bei Krankheit gestützt (EuGH, Urteil vom 30. Juni 2011 – C-388/09 – <M1> juris, Rn. 43 m.w.N.).

(3) Aus der nach wie vor geltenden Zuordnung der Pflegeversicherung zum Zweig der sozialen Sicherung durch Leistungen bei Krankheit folgt auch, dass Art. 5 VO (EG) 883/2004 entgegen der Ansicht der Klägerin hinsichtlich der Begründung und Beendigung der Versicherungspflicht in der deutschen Pflegeversicherung keine nach § 6 SGB IV dem nationalen Recht (§ 3 SGB IV) vorgehende unionsrechtliche Regelung darstellt. Damit kann auch nicht die durch den spanischen Träger erbrachten oder geschuldeten Leistungen der Krankenversicherung das Tatbestandsmerkmal der Krankenversicherungspflicht in § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB XI ersetzen oder erfüllen. Art 5 VO (EG) 883/2004 bestimmt:
„Sofern in dieser Verordnung nicht anderes bestimmt ist, gilt unter Berücksichtigung der besonderen Durchführungsbestimmungen Folgendes:
Hat nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats der Bezug von Leistungen der sozialen Sicherheit oder sonstiger Einkünfte bestimmte Rechtswirkungen, so sind die entsprechenden Rechtsvorschriften auch bei Bezug von nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gewährten gleichartigen Leistungen oder bei Bezug von in einem anderen Mitgliedstaat erzielten Einkünften anwendbar.
Hat nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats der Eintritt bestimmter Sachverhalte oder Ereignisse Rechtswirkungen, so berücksichtigt dieser Mitgliedstaat die in einem anderen Mitgliedstaat eingetretenen entsprechenden Sachverhalte oder Ereignisse, als ob sie im eigenen Hoheitsgebiet eingetreten wären.“
Dieser Grundsatz der Leistungs- und Sachverhaltsgleichstellung bewirkt auch eine Gebietsgleichstellung, das heißt, es ist grundsätzlich unerheblich, ob eine Leistungsvoraussetzung im Inland oder in einem anderen Mitgliedstaat eingetreten ist. Dies steht bereits nach dem Wortlaut der Regelung unter dem ausdrücklichen Vorbehalt einer abweichenden Regelung in der VO (EG) 883/2004. Die Leistungs- und Sachverhaltsgleichstellung kann somit keinesfalls bewirken, dass ein anderer Mitgliedstaat zuständig wird oder dessen Rechtsvorschriften anwendbar werden (vgl. Erwägungsgrund 11 zur VO (EG) 883/2004). Die kollisionsrechtlichen Vorschriften des Titels II zur Bestimmung der anwendbaren Rechtsvorschriften bleiben unberührt (Otting, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 4. Aufl., Stand: Juni 2024, Art. 5 VO (EG) 883/2004 Rn. 11). Diese Kollisionsregelungen sehen vor, dass Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats unterliegen (Art. 11 Abs. 1 Satz 1 VO (EG) 883/2004). Nach Art. 11 Abs. 3 lit. e VO (EG) 883/2004 unterliegt eine Person, die – wie die Klägerin - nicht unter die Buchstaben a) bis d) fällt, unbeschadet anderslautender Bestimmungen dieser Verordnung, nach denen ihr Leistungen aufgrund der Rechtsvorschriften eines oder mehrerer anderer Mitgliedstaaten zustehen, den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats. Für Leistungen bei Krankheit – unter Einschluss der Leistungen der Pflegeversicherung (s.o.) – an Rentner regelt Art. 23 VO (EG) 883/2004 die anwendbaren (nationalen) Rechtsvorschriften. Ausgehend vom Grundsatz des Art. 11 Abs. 3 lit. e VO (EG) 883/2004 legen die Art. 23 ff. VO (EG) 883/2004 als Spezialregelungen fest, welcher Mitgliedstaat die Leistungen für den Rentner und dessen Familienangehörige gewährt und die Kosten der Leistungserbringung zu tragen hat. Sie sind damit Kollisionsnormen. Daher gilt auch für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates nach den Art. 23 ff. VO (EG) 883/2004 das Gebot der Zuständigkeit nur eines Mitgliedstaates i.S. des Art. 11 Abs. 1 Satz 1 VO (EG) 883/2004 (Hoffmann, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, a.a.O., Art. 30 VO (EG) 883/2004 Rn. 10). Als Kollisionsnorm geht Art. 23 VO (EG) 883/2004 der allgemeinen Regelung des Art. 5 VO (EG) 883/2004 somit vor. Daher kann auch aus der Anwendung des Art. 5 VO (EG) 883/2004 auf § 20 SGB XI keine Versicherungspflicht in der deutschen Pflegeversicherung und damit eine von Art. 23 VO (EG) 883/2004 abweichende Geltung deutscher Rechtsvorschriften und Zuständigkeit des deutschen Trägers begründet werden. Eine Lockerung erfährt das Gebot der Zuständigkeit nur eines Mitgliedstaates i.S. des Art. 11 Abs. 1 Satz 1 VO (EG) 883/2004 durch Art. 14 VO (EG) 883/2004 nur für die freiwillige Versicherung. Dies hat der EuGH im Urteil vom 30. Juni 2011 (– C-388/09 – <M1> juris, Rn. 55 ff.) aufgrund der entsprechenden Vorgängerregelung des Art. 15 VO (EG) 1407/71 als Anknüpfungspunkt für die Möglichkeit einer freiwilligen (Weiter-)Versicherung in der Pflegeversicherung herangezogen. Nur auf die Beitragsleistung aufgrund einer freiwilligen Weiterversicherung beziehen sich mithin die von der Klägerin in Bezug genommenen Ausführungen des EuGH (a.a.O., Rn.71 ff, insbesondere 87) zu Art. 27 VO (EG) 1407/71. Für die Pflichtversicherung gilt aber auch nach dieser Entscheidung weiterhin der Grundsatz der Einheitlichkeit des Systems der sozialen Sicherheit.

ee) Eine Verlängerung der versicherungspflichtigen Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten über den 31. Mai 2018 hinaus kommt auch unter dem Gesichtspunkt des § 20 SGB XI i.V.m. § 190 Abs. 11 Nr. 2 SGB V nicht in Betracht. Soweit der Senat im Urteil vom 23. März 2018 (L 4 P 4340/16 – juris, Rn. 37) noch eine abweichende Auffassung („Anwendung des Rechtsgedankens“) vertreten hat, hält der Senat an dieser nicht mehr fest.

Nach § 190 Abs. 11 SGB V endet die Mitgliedschaft versicherungspflichtiger Rentner
mit Ablauf des Monats, in dem der Anspruch auf Rente wegfällt oder die Entscheidung über den Wegfall oder den Entzug der Rente unanfechtbar geworden ist, frühestens mit Ablauf des Monats, für den letztmalig Rente zu zahlen ist,
bei Gewährung einer Rente für zurückliegende Zeiträume mit Ablauf des Monats, in dem die Entscheidung unanfechtbar wird.

§ 190 Abs. 11 SGB XI regelt das Ende der Mitgliedschaft in der KVdR für die Fälle der Beendigung der die Mitgliedschaft begründenden Rente. Dies ergibt sich in den Fällen der Nr. 1 bereits unmittelbar aus dem Wortlaut, gilt aber trotz des abweichend gefassten Wortlautes auch für Nr. 2. Diese Regelung erfasst nicht Fallgestaltungen, in denen die Rentengewährung rückwirkend, also ab einem zurückliegenden Zeitpunkt, aber auch für die Zukunft erfolgt, sondern nur solche, in den die Rente für „zurückliegende Zeiträume“, also bereits abgelaufene Zeiträume in der Vergangenheit, gewährt wird (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21. November 2019 – L 5 P 19/17 – juris, Rn. 75). Geregelt werden Fälle, in denen mit der Bewilligung gleichzeitig über die Beendigung des Rentenanspruchs entschieden wird (BSG, Urteil vom 29. August 1963 – 3 RK 35/61 – juris, Rn. 28 zur entsprechenden Vorgängerregelung des § 312 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung; Michels, in: Becker/Kingreen, SGB V, 8. Aufl. 2022, § 190 Rn. 14; Senger, in: Krauskopf, SGB V, Stand: November 2023 § 190 Rn. 32). § 190 Abs. 11 Nr. 2 SGB V berücksichtigt, dass in diesen Fällen von vornherein nur ein Besitzstand auf Zeit geschaffen wird. Dann fehlt es an dem Schutzbedürfnis, das dann vorliegt, wenn einem Rentner seine Rente auf unbestimmte Dauer bewilligt wurde mit der Folge, dass der Rentner sich auf einen unbegrenzten Rentenbezug eingerichtet hat (BSG, Urteil vom 29. August 1963, a.a.O.). Die Regelung des § 190 Abs. 11 Nr. 2 SGB V ist mithin weder nach den von ihr erfassten Fallkonstellationen noch dem verfolgten Schutzzweck auf den vorliegenden Fall der Beendigung der Versicherungspflicht wegen Hinzutritts einer zweiten Rente vergleichbar.

c) Die Klage ist auch im Hilfsantrag nicht begründet. Die Beklagte hat eine freiwillige Versicherung der Klägerin in der PVdR ab 1. Juni 2018 zu Recht verneint. Die angefochtenen Bescheide sind insoweit rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin ist nicht freiwilliges Mitglieder in der sozialen Pflegeversicherung der Beklagten geworden, weil sie eine freiwillige Versicherung nicht fristgerecht beantragt hat (dazu aa), Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu gewähren ist (dazu bb) und ein fristgerechter Antrag nicht als gestellt gilt (dazu cc).

Rechtsgrundlage für die freiwillige Weiterversicherung in der sozialen Pflegeversicherung ist § 26 SGB XI (hier in der ab 1. August 2001 geltenden Fassung durch Art. 3 § 56 Nr. 7 Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften vom 16. Februar 2001, BGBl. I, S. 266). Gemäß § 26 Abs. 1 SGB XI können Personen, die aus der Versicherungspflicht nach § 20 oder § 21 Abs. 1 SGB XI ausgeschieden sind und in den letzten fünf Jahren vor dem Ausscheiden mindestens 24 Monate oder unmittelbar vor dem Ausscheiden mindestens zwölf Monate versichert waren, sich auf Antrag in der sozialen Pflegeversicherung weiterversichern, sofern für sie keine Versicherungspflicht nach § 23 Abs. 1 SGB XI eintritt. Der Antrag ist innerhalb von drei Monaten nach Beendigung der Mitgliedschaft zu stellen (Abs. 1 Satz 3). Personen, die wegen der Verlegung ihres Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes ins Ausland aus der Versicherungspflicht ausscheiden, können sich gemäß § 26 Abs. 2 SGB XI auf Antrag weiterversichern. Der Antrag ist dann bis spätestens einen Monat nach Ausscheiden aus der Versicherungspflicht bei der Pflegekasse zu stellen, bei der die Versicherung zuletzt bestand (Abs. 2 Satz 2). Ob die Voraussetzungen für eine freiwillige Weiterversicherung in der sozialen Pflegeversicherung vorlagen, kann dahinstehen, da eine solche mangels fristgerechter Antragstellung der Klägerin nicht zustande gekommen ist (zum grundsätzlichen Recht zur Weiterversicherung bei sog. Doppelrentner vgl. EuGH, Urteil vom 30. Juni 2011 – C-388/09 – <M1>, juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22. November 2019 – L 5 P 19/17 – juris, Rn. 79 ff.).

aa) Der Senat kann offenlassen, ob bei einem Ende der Pflichtmitgliedschaft in der sozialen Pflegeversicherung wegen Wohnsitzes in einem anderen Mitgliedsstaat und Hinzutreten einer Rente dieses Mitgliedsstaates wie vorliegend die Dreimonatsfrist des § 26 Abs. 1 Satz 3 SGB XI oder die Monatsfrist des Abs. 2 Satz 2 gilt. Denn beide Fristen hat die Klägerin nicht gewahrt.

(1) Die Fristen beginnen nach dem Wortlaut der genannten Vorschriften „nach Beendigung der Mitgliedschaft“ bzw. „nach Ausscheiden aus der Versicherungspflicht bei der Pflegekasse“. Scheidet der Versicherte, wie vorliegend, wegen Wegfall der Voraussetzungen des § 20 SGB XI aus der Versicherungspflicht aus (§ 49 Abs. 1 Satz 2 SGB XI), endet die Mitgliedschaft in der Pflegeversicherung, wie oben bereits dargelegt, kraft Gesetzes. Einer Verwaltungsentscheidung der Pflegekasse bedarf es nicht. Einer solchen kommt allenfalls feststellende Wirkung zu. Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt es mithin für den Beginn der Frist des § 26 Abs. 1 Satz 3 SGB XI nicht auf das Schreiben der Beklagten vom 27. März 2019 an. Die Frist des § 26 Abs. 1 Satz 3 SGB V knüpft somit an das Ende der Mitgliedschaft am 31. Mai 2018 an. Gleiches ergibt sich nach den obigen Ausführungen (3., b, ee) für das Ende der Versicherungspflicht i.S. des § 26 Abs. 2 Satz 2 SGB XI. Auf eine Kenntnis des Antragsrechts oder der einzuhaltenden Frist kommt es insoweit nach dem eindeutigen Wortlaut der gesetzlichen Regelungen jeweils nicht an.

(2) Nach § 26 Abs. 1 SGB X i.V.m. §§ 187, 188 BGB begannen die Fristen mithin am 1. Juni 2018 und endeten – unter Berücksichtigung der Sams- und Sonntage (§ 26 Abs. 3 Satz 1 SGB X) – am Montag, dem 2. Juli 2018 (§ 26 Abs. 2 Satz 2 SGB XI) bzw. am Montag, dem 1. Oktober 2018 (§ 26 Abs. 1 Satz 3 SGB X). Der erst mit Schreiben vom 2. April 2019 gestellte Antrag der Klägerin hat diese Fristen nicht gewahrt.

bb) Der Klägerin war keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Antragsfrist für die freiwillige Versicherung zu gewähren.

(1) War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen (§ 27 Abs. 1 SGB X). Der Antrag ist innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrages sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden (Abs. 2). Ein Verschulden in diesem Sinne ist dem Beteiligten nicht vorzuwerfen, wenn er mit der Sorgfalt gehandelt hat, die einem gewissenhaft Handelnden nach den Umständen des Einzelfalls vernünftigerweise zuzumuten ist. Auch leichte Fahrlässigkeit genügt, um Verschulden anzunehmen. Der Maßstab hierfür ist subjektiv, d.h. es kommt darauf an, was dem konkret Betroffenen zuzumuten war, so dass auch besondere Kenntnisse und persönliche Umstände Berücksichtigung finden müssen (Apel, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 3. Aufl., Stand: November 2023, § 27 Rn. 29 m.w.N.).

(2) Ein fehlendes Verschulden der Klägerin ergibt sich nicht bereits aus einer fehlenden Kenntnis von der Möglichkeit der freiwilligen (Weiter-)Versicherung in der Pflegeversicherung und der fristgebundenen Antragstellung. Denn beides ergibt sich bereits aus der gesetzlichen Regelung des § 26 SGB XI. Grundsätzlich gelten Gesetze mit ihrer Verkündung im Bundesgesetzblatt als bekannt, so dass es nicht auf die tatsächliche Kenntnis ankommt. Wird in einem solchen Gesetz eine Befristung ausdrücklich geregelt, ist bei Fristversäumnis grundsätzlich ein Verschulden anzunehmen und die Wiedereinsetzung ausgeschlossen (BSG, Urteil vom 14. November 2002 – B 13 RJ 39/01 R – juris, Rn. 28; Apel, a.a.O., Rn. 35 m.w.N.). Anderes kann sich zwar ergeben, wenn die Behörde einer ihr obliegenden Hinweispflicht nicht nachkommt (BSG, Urteil vom 11. Mai 1993 – 12 RK 36/90 – juris, Rn. 16). Eine konkrete Hinweispflicht der Beklagten ist aber vorliegend nicht normiert. Eine solche ergab sich auch nicht aus der konkreten Fallgestaltung unter Berücksichtigung der effektiven Umsetzung von unionsrechtlichen Vorschriften. Allein aufgrund der Verlegung des Wohnsitzes der Klägerin nach Spanien hatte die Beklagte diese nicht auf die Möglichkeit einer freiwilligen (Weiter-)Versicherung hinzuweisen. Denn dieser hatte (noch) keine Auswirkungen auf die Versicherungspflicht in der deutschen Pflegeversicherung. Erst das Hinzutreten der spanischen Witwenrente führte zum Ausscheiden aus der Versicherungspflicht und damit zur Relevanz einer möglichen freiwilligen (Weiter-)Versicherung. Von dieser Rentengewährung erhielt die Beklagte aber durch die Mitteilung der DRV im Februar 2019 Kenntnis, mithin erst nach Ablauf der Antragsfristen des § 26 SGB XI.

(3) Als Hindernis i.S.d. § 27 SGB X kommt daher nur die fehlende Kenntnis der Klägerin vom Ausscheiden aus der Pflichtversicherung in der sozialen Pflegeversicherung in Betracht. Das Vorbringen der Klägerin unterstellt, hatte diese bis zum Ablauf der Antragsfristen tatsächlich keine Kenntnis hiervon. Ob dies unverschuldet war oder bereits der Bescheid über die Bewilligung der spanischen Witwenrente vom 2. Juli 2018 gegebenenfalls Hinweise auf Auswirkungen auf Ansprüche nach deutschem Recht hatte, kann der Senat vorliegend offenlassen. Denn dieses Hindernis ist spätestens mit der Übersendung des Bewilligungsbescheides über die Witwenrente nach deutschem Recht vom 24. September 2018 weggefallen, auf dessen Inhalt bereits die Beklagte im Verfahren hingewiesen hatte. Dieser ging nach dem aufgebrachten Eingangsstempel am 8. Oktober 2018 beim Prozessbevollmächtigten der Klägerin ein. Dass dieser den Bescheid nicht zeitnah an seine Mandantin weitergeleitet hätte, ist weder ersichtlich noch vorgetragen. Daher kommt es auf eine Zurechnung der Kenntnis des Prozessbevollmächtigten vorliegend nicht an. Aus diesem Bescheid konnte die Klägerin aufgrund des dortigen ausdrücklichen Hinweises entnehmen, dass aus der Rente kein Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung einbehalten werde, da von einer gesetzlichen Krankenversicherung im Wohnstaat auszugehen sei. Dieser Hinweis findet sich bereits an prominenter Stelle des Bescheides auf Seite 2 („Berechnung Ihrer Rente“), nicht erst in den weiteren Erläuterungen und Anlagen. Die Klägerin konnte mithin bei gewissenhaftem Handeln nicht mehr davon ausgehen, weiterhin in der deutschen Kranken- und Pflegeversicherung versichert zu sein. Für den Senat steht fest, dass die Klägerin nach ihrer subjektiven Einsichts- und Urteilsfähigkeit in der Lage war, diesen ausdrücklichen Hinweis zu verstehen. Anhaltspunkte für Einschränkungen der Klägerin in dieser Hinsicht liegen nicht vor und wurden auch nicht vorgetragen. Innerhalb von zwei Wochen nach diesem Wegfall des Hindernisses hat die Klägerin weder die Wiedereinsetzung beantragt noch den versäumten Antrag auf freiwillig Versicherung gestellt. Letzteres erfolgte vielmehr erst mit Schreiben vom 2. April 2019. Eine frühere Antragstellung nach § 27 SGB X oder § 26 SGB XI hat sie selbst nicht geltend gemacht.

cc) Die Klägerin ist auch nicht aufgrund des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches so zu stellen, als hätte sie die freiwillige Pflegeversicherung fristgerecht beantragt.

Dieses richterrechtlich entwickelte Rechtsinstitut setzt zunächst einen für einen Schaden kausalen Pflichtenverstoß des Sozialversicherungsträgers voraus. Zu diesen Pflichten gehört vor allem die Beratungspflicht des § 14 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I; Öndül, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 4. Aufl., Stand: Juni 2024, § 14 Rn. 89). Die Beratungspflicht setzt im Regelfall ein Beratungsersuchen des Versicherten voraus. Ausnahmsweise besteht jedoch nach der ständigen Rechtsprechung des BSG auch dann eine Hinweis- und Beratungspflicht des Versicherungsträgers, wenn sich im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens ein konkreter Anlass ergibt, den Versicherten spontan auf klar zutage liegende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, die sich offensichtlich als zweckmäßig aufdrängen und die jeder verständige Versicherte mutmaßlich nutzen würde (Öndül, a.a.O., m.w.N.).

Vorliegend fehlt es bereits an einem solchen Pflichtenverstoß der Beklagten, der für die nichtfristgerechte Beantragung der freiwilligen Mitgliedschaft in der Pflegeversicherung (als Schaden) kausal wäre. Die Klägerin ist diesbezüglich nicht mit einem konkreten Beratungsbegehren an die Beklagte herangetreten. Ein solches ist den vorliegenden Akten nicht zu entnehmen und wird von der Klägerin auch nicht behauptet. Unabhängig von einer konkreten Anfrage käme eine Beratungspflicht der Beklagten erst ab Kenntnis der Gewährung der spanischen Witwenrente in Betracht, die erst zum Ausscheiden aus der Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung geführt hatte. Die Kenntnis allein vom Wohnsitzwechsel genügte, wie bereits oben dargestellt, hierfür nicht. Zum Zeitpunkt der Kenntnis der Beklagten im Februar 2019 waren hingegen die Antragsfristen des § 26 SGB XI bereits abgelaufen, so dass es insoweit jedenfalls an der erforderlichen Kausalität fehlt.

d) Zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH nach Art. 267 Abs. 2 AEUV ist der Senat nicht verpflichtet. Danach muss der EuGH nur angerufen werden, wenn sich das nationale Gericht im Rahmen einer letztinstanzlichen Entscheidung entscheidungserheblich auf europäisches Gemeinschaftsrecht stützt und an dessen Auslegung Zweifel bestehen. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Das Gebot der Zuständigkeit nur eines Mitgliedstaates, das Art. 5 VO (EG) 883/2004 vorgeht, wurde vom EuGH auch im Urteil vom 30. Juni 2011 (C-388/09 – <M1>, a.a.O.) für die Pflichtversicherung bestätigt und eine Einschränkung nur für den Bereich der freiwilligen Versicherung angenommen. Dieser Rechtsprechung ist der Senat hier gefolgt.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

5. Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).


 

Rechtskraft
Aus
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