L 2 AS 596/20

Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 10 AS 809/17
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
L 2 AS 596/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Die Überlassung eines Dienstwagens zur privaten Nutzung im Rahmen der Ausübung einer Erwerbstätigkeit stellt eine als Einkommen zu berücksichtigende Einnahme in Geldeswert dar, wenn der Sachbezug vom Arbeitnehmer als Gegenleistung für seine Arbeits- bzw Dienstleistung akzeptiert wird. Dem steht nicht entgegen, dass eine solche Sachleistung nicht allgemein veräußert bzw in Geld getauscht werden kann.
2. Soweit der Sachverhalt keine konkrete wirtschaftliche Bewertung eines solchen Sachbezugs nach seinem Verkehrswert erlaubt, kann auf die steuerliche Bewertung zurückgegriffen werden, wenn damit offensichtlich keine höhere Bewertung als mit dem Verkehrswert erfolgt.

Das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 26. Oktober 2020 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger und Berufungsbeklagten (im Folgenden nur: Kläger) begehren höhere Leistungen zum Lebensunterhalt. Die Beteiligten streiten, darüber, ob Vorteile aus der Überlassung eines Dienstwagens zur privaten Nutzung als Einkommen zu berücksichtigen sind.

Schon vor dem Zeitraum Dezember 2016 bis November 2017 (Streitzeitraum) erhielten die damals noch nicht miteinander verheirateten Kläger als Bedarfsgemeinschaft laufende, ihr Einkommen aus nichtselbständiger Tätigkeit ergänzende, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende, jetzt: Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) vom Beklagten. Am 17. Oktober 2016 beantragten sie die Fortzahlung dieser Leistungen. Sie bewohnten im Streitzeitraum eine 40 qm große Mietwohnung, für die sie eine Miete von insgesamt 350 Euro monatlich zu zahlen hatten.

Die 1963 geborene Klägerin zu 1) übte seit 2012 und auch im Streitzeitraum eine Tätigkeit bei der Firma „Z. G." (Inhaber: G. G.) als Kurierfahrerin für 10 Stunden wöchentlich aus.

Gemäß dem Arbeitsvertrag stellte ihr der Arbeitgeber zur Ausübung ihrer Tätigkeit einen Dienstwagen zur Verfügung und gestattete - nach den weiteren Bestimmungen als freiwillige Leistung - dessen private Nutzung. Die Betriebs- und Unterhaltskosten sollten vom Arbeitgeber zu tragen sein. Die Überlassung des Kfz zu dienstlichen als auch zu privaten Zwecken sollte vom Arbeitgeber jederzeit widerrufen werden können. Für diesen Fall sollte die Klägerin keinen Anspruch auf „Ersatz des Nutzungsausfalls“ haben.

Die Auszahlung des Lohns erfolgte im laufenden Monat. Ausweislich der Lohn- und Gehaltsabrechnungen erhielt die Klägerin zu 1) im Dezember 2016 ein Gehalt in Höhe von 295,00 Euro (brutto). Des Weiteren wurde in der Abrechnung ein „Sachbezug PKW“ in Höhe von 128,26 Euro ausgewiesen. Nach den Abzügen für die Sozialversicherung in Höhe von 47,26 Euro wurde der Betrag „Sachbezug PKW" als „Pers. Be-/Abzüge“ in Höhe 128,26 Euro vom Nettoverdienst abgezogen, sodass insgesamt 247,47 Euro zur Auszahlung gelangten. Ab Januar 2017 erhöhte sich das monatliche Gehalt der Klägerin auf 300,00 Euro brutto. Nun wurden ihr 152,00 Euro als Sachbezug Pkw ausgewiesen, so dass sie eine Auszahlung von 249,58 Euro monatlich erhielt.

Der 1967 geborene Kläger zu 2) war seit dem Jahr 2000 und auch im Streitzeitraum ebenfalls bei dem „Z. G.“ beschäftigt. Er erhielt im Streitzeitraum einen gleichbleibenden monatlichen Bruttolohn i.H.v. 767,00 Euro (614,03 Euro netto, einmalig für Dezember 2016 614,62 Euro netto, ab Januar 2017 wieder 614,03 Euro netto).

Mit Bescheid vom 9. November 2016 bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 1. Dezember 2016 bis zum 30. November 2017 in Höhe von monatlich insgesamt 485,43 Euro (für die Klägerin zu 1) 242,71 Euro und für den Kläger zu 2) 242,72 Euro). Die Bewilligung erfolgte im Hinblick auf die noch vorzulegenden Lohnnachweise vorläufig. Die tatsächlichen Unterkunfts- und Heizungskosten übernahm der Beklagte vollständig in die Bedarfsberechnung. Bedarfsmindernd berücksichtigte er bei der Klägerin zu 1) einen Nettoverdienst in Höhe von 376,00 Euro und bei dem Kläger zu 2) einen in Höhe von 614,62 Euro.

Gegen diese Bewilligung erhoben die Kläger mit Schreiben am 24. November 2016 Widerspruch, wobei sie sich nur gegen die Berücksichtigung des „Sachbezugs PKW“ wandten.

Am 24. Februar 2017 erließ der Beklagte einen „vorläufigen Änderungsbescheid im Widerspruchsverfahren“, mit welchem er lediglich die Regelbedarfserhöhung ab dem 1. Januar 2017 berücksichtigte (Januar 2017 bis November 2017 Leistungen in Höhe von monatlich 246,71 Euro für die Klägerin zu 1) und für den Kläger zu 2) 246,72 Euro).

Im Übrigen wies der Beklagte den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2017). Abgesehen von dem höheren Regelbedarf ab Januar 2017 sei der Widerspruch unbegründet. Insbesondere der „Sachbezug PKW" sei zu Recht berücksichtigt worden. Die unentgeltliche Überlassung eines Firmenfahrzeugs stelle einen Sachbezug im Sinne eines geldwerten Vorteils dar, welcher nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II als Einkommen zu berücksichtigen sei. Eine Privilegierung dieses Einkommens nach § 11a Abs. 5 Nr. 2 SGB II liege nicht vor, weil die Lage der Klägerin zu 1) durch den unentgeltlichen Vorteil so günstig beeinflusst werde, dass daneben keine Leistungen nach dem SGB II gerechtfertigt wären. Der Arbeitgeber erlaube der Klägerin zu 1), das Dienstfahrzeug auch privat zu nutzen, und trage die erforderlichen Aufwendungen. Es genüge zudem schon, dass das Dienstfahrzeug zur Verfügung stehe.

Hiergegen haben die Kläger am 13. März 2017 beim Sozialgericht (SG) H. Klage erhoben. Die Berücksichtigung des „Sachbezugs PKW“ als Einkommen sei fehlerhaft. Entsprechende wirtschaftliche Vorteile aus einer privaten Dienstwagennutzung stellten keine Einnahme in Geld oder Geldeswert dar und seien deshalb nicht zu berücksichtigen.

Der Beklagte hat seine Ansicht verteidigt, den „Sachbezug PKW" als Einkommen anzurechnen. Durch die auch private Nutzung des Dienstfahrzeugs erspare sich die Klägerin zu 1) die Anschaffung eines eigenen Fahrzeugs sowie die dafür anfallenden Kosten. Weil der Pkw zur freien Verfügung stünde, liege keine zweckbestimmte Einnahme vor. Der entgeltliche Vorteil habe auch einen Marktwert, weil die Klägerin sich als Arbeitnehmerin den Betrag unter Verzicht einer privaten Nutzung des Dienstwagens auszahlen lassen könne. Der Einkommensvorteil bestehe in Höhe des ausgewiesenen Sachbezugs durch den Arbeitgeber.

Eine endgültige Festsetzung der hier streitgegenständlichen Leistungen erfolgte nicht.

Mit Urteil vom 26. Oktober 2020 hat das SG den Bescheid des Beklagten vom 9. November 2016 in der Fassung des Bescheides vom 24. Februar 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Februar 2017 aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, den Klägern zu 1) und zu 2) jeweils weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Monat Dezember 2016 in Höhe von 64,31 Euro sowie für die Monate Januar bis November 2017 in Höhe von 68,13 Euro monatlich zu gewähren. Die Berechnung der Leistungsansprüche sei jeweils unter Berücksichtigung des reinen monatlichen Netto-Verdienstes der Klägerin zu 1) im Sinne des Überweisungsbetrages ohne Anrechnung des „Sachbezugs PKW" vorzunehmen. Bei dem in den Lohn- und Gehaltsabrechnungen aufgeführten Betrag „Sachbezug PKW" handele es sich weder um eine Einnahme in Geld noch um eine Einnahme in Geldeswert. Diese Einnahme könne auch nicht regelsatzmindernd berücksichtigt werden. Der als „Sachbezug PKW" ausgewiesene Betrag sei der Klägerin nicht in Geld zugeflossen, sondern nur zu steuerlichen Zwecken ausgewiesen. Zwar erspare sich die Klägerin eigene Aufwendungen für die Anschaffung und den Unterhalt eines Kraftfahrzeugs zu privaten Zwecken. Dies sei auch eine Gegenleistung für die geleistete Arbeit und daher materieller Bestandteil des Arbeitsentgelts. Gleichwohl handele es sich nicht um eine den Bedarf mindernde Einnahme nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Nichts Anderes sei den Regelungen der Arbeitslosengeld Il/Sozialgeld-Verordnung a.F. (Alg ll-V a.F.) zu entnehmen. Sonstige Einnahmen in Geldeswert seien nach § 2 Abs. 6 Satz 1 Alg ll-V a.F. mit ihrem Verkehrswert als Einkommen anzusetzen. Die Möglichkeit, das Dienstfahrzeug auch für private Fahrten nutzen zu dürfen, könne nicht als Einkommen angerechnet werden. Diese Möglichkeit habe keinen Marktwert. Die Klägerin zu 1) könne den ihr gestellten Dienstwagen zwar kostenfrei privat nutzen, diese Privatnutzung jedoch weder veräußern noch in Geld tauschen. Ausweislich des Arbeitsvertrages könne die Gestattung der Privatnutzung vom Arbeitgeber jederzeit widerrufen werden. Dies erfolge - ausweislich des Arbeitsvertrages der Klägerin zu 1) - ohne einen hierdurch bedingten Anspruch auf Ersatz des Nutzungsausfalls. Dass sich die Klägerin zu 1) - wie der Beklagte behaupte - aufgrund eines Verzichts auf die private Nutzung des Dienstwagens den Betrag „Sachbezug PKW" hätte auszahlen lassen können, ergebe sich hieraus gerade nicht. Ebenso könnten ersparte Aufwendungen nach dem SGB II nicht regelsatzmindernd berücksichtigt werden. Zum einen seien die ersparten Aufwendungen für das Kfz schon nicht regelsatzrelevant. Zum anderen könnten im SGB II ersparte Aufwendungen nur dann berücksichtigt werden, wenn sie als Einkommen behandelt werden könnten, was - wie bereits dargestellt - nicht der Fall sei.

Am 17. November 2020 hat der Beklagte gegen das ihm am 29. Oktober 2020 zugestellte Urteil Berufung eingelegt. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts [BSG] (Bezugnahme auf Urteil vom 26. Februar 2016 - B 4 AS 159/12) sei durch die Neufassung der §§ 11 ff. SGB II überholt. Er hat auf ein Urteil des SG B. (vom 5. März 2019 - S 127 AS 16902/16) verwiesen, wonach der mit der privaten Nutzbarkeit eines Dienstwagens verbundene wirtschaftliche Vorteil als sonstige Einnahme in Geldeswert zu berücksichtigen sei. Mit der ab dem 1. August 2016 geltenden Gesetzesänderung seien Einnahmen in Geldeswert auch weiterhin zu berücksichtigen, wenn sie - wie hier - im Rahmen einer Erwerbstätigkeit zuflössen. Die Einnahme habe Geldeswert, weil die Klägerin zu 1) sich sämtliche Ausgaben für die Nutzung des Pkw erspare. Auch Fahrtkosten für den Weg zur Arbeit fielen nicht an. Die ersparten Aufwendungen könnten anderweitig für den Bedarf verwendet werden. Die Höhe des bisher berücksichtigten Sachbezuges ergebe sich aus der Lohn- und Gehaltsabrechnung, welche zum Zeitpunkt der Stellung des ersten vorläufigen Bescheides vorgelegen habe. In dieser Abrechnung für den Oktober 2016 sei der Sachbezug mit 128,26 Euro berücksichtigt worden.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil vom 26. Oktober 2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Soweit sich der Beklagte auf das Urteil des SG B. beziehe, sei dieses nicht mit dem Einkommensbegriff in Einklang zu bringen. Das Gericht führe selbst aus, dass die Nutzungsmöglichkeit des Dienstwagens nicht in Geld umgewandelt werden könne und insoweit auch nicht für den Lebensunterhalt eingesetzt werden könne. Soweit es sich auf die Einsparungen bezogen habe, sei hier noch nicht einmal geklärt, ob wirklich Einsparungen vorliegen würden. Abgesehen davon müsse für ein Einkommen ein „Mehr“ an Einnahmen vorhanden sein. Die bloße Einsparung von Ausgaben habe allerdings keinen Einfluss auf die Einnahmenseite.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend verwiesen. Diese sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten hat Erfolg.

Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten gem. § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

I. Gegenstand des Verfahrens ist die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG vom 26. Oktober 2020, mit dem es dessen - mittlerweile durch Zeitablauf endgültige (vgl. BSG, Urteil vom 18. Mai 2022 - B 7/14 AS 1/21 R- juris) - Bewilligung gemäß Bescheid vom 9. November 2016 in der Fassung des Bescheides vom 24. Februar 2017 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2017 aufgehoben und den Beklagten verurteilt hat, den Klägern zu 1) und zu 2) jeweils weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Monat Dezember 2016 in Höhe von 64,31 Euro sowie für die Monate Januar bis November 2017 in Flöhe von 68,13 Euro monatlich zu gewähren.

II. Die danach statthafte (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung ist begründet. Das Urteil ist aufzuheben, weil die Anfechtungs- und Leistungsklage der Kläger unbegründet ist. Sie haben keinen über die angefochtene Bewilligung hinausgehenden Anspruch. Insbesondere ist der geldwerte Vorteil aus der Überlassung des Dienstwagens zur Privatnutzung anspruchsmindernd als Einkommen zu berücksichtigen.

1. Der Beklagte und das SG haben die Kläger zu 1) und 2) zu Recht als nach dem SGB II anspruchsberechtigt angesehen. Sie haben das 15. Lebensjahr vollendet, die Altersgrenzen nach § 7a SGB II noch nicht erreicht, lebten im Streitzeitraum zusammen in einer Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs. 3 Nr. 1 SGB II), waren erwerbsfähig und hatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 4 SGB II). Ausschlusstatbestände nach § 7 Abs. 4, 4a oder 5 SGB II lagen nicht vor.

2. Die Kläger waren auch hilfebedürftig (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 9 Abs. 1 und 2 SGB II), denn sie waren nicht in der Lage, ihren Bedarf (Regelbedarf gemäß § 20 SGB II sowie Bedarfe für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 SGB II) aus eigenem zu berücksichtigendem Einkommen oder Vermögen vollständig zu decken.

Im Streitzeitraum bestand ein Regelbedarf der Kläger zu 1) und 2) in Höhe von je 364,00 Euro für Dezember 2016 bzw. 368,00 Euro für die Monate Januar bis November 2017. Anhaltspunkte für Mehrbedarfe bestehen nicht. Die Bedarfe der Unterkunft und Heizung betrugen 350,00 Euro monatlich, welche (kopfanteilig) in Höhe von jeweils 175,00 Euro bei beiden Klägern zu berücksichtigen waren.

3. Die aus den Beschäftigungen der Kläger herrührenden Einnahmen in Geld und die als geldwerter Vorteil gewährte Privatnutzung des Dienstwagens stellten Einkommen dar, das bedarfsmindernd zu berücksichtigen ist.

Als Einkommen sind Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen zu berücksichtigen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der ab dem 1. August 2016 geltenden Fassung). Eine Erweiterung dieser Einkommensdefinition findet sich in § 11 Abs. 1 Satz 2 SGB II, wonach zum Einkommen auch Einnahmen in Geldeswert zählen, die im Rahmen einer Erwerbstätigkeit, des Bundesfreiwilligendienstes oder eines Jugendfreiwilligendienstes zufließen. Die gesetzgeberische Entscheidung zu Beibehaltung der Berücksichtigung speziell solcher Gegenleistungen für die geleistete Arbeit gründet darauf, dass es in der Praxis vielfach üblich ist, Arbeitsentgelte ganz oder teilweise durch geldwerte Vorteile bzw. Sachleistungen zu erbringen, und es nicht gerechtfertigt erscheint, eine ungleiche Behandlung von Arbeitsentgelten je nach der Erbringungsform vorzunehmen. Gleichzeitig soll auf diese Weise Versuchen entgegengewirkt werden, die Berücksichtigung von Einnahmen zu umgehen (vgl. BT-Drucks. 18/8041 S. 32).

Einkommen ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG grundsätzlich alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält (vgl. BSG, Urteil vom 30. Juli 2008 - B 14 AS 26/07 R - juris Rn. 23; BSG, Urteil vom 30. September 2008 - B 4 AS 29/07 R - juris Rn. 18). Ein wertmäßiger Zuwachs liegt dann vor, wenn die Einnahme eine Änderung des Vermögensstandes bewirkt. Außerdem muss das Einkommen als bereites Mittel geeignet sein, den konkreten Bedarf im jeweiligen Monat zu decken (vgl. BSG, Urteil vom 29. November 2012 - B 14 AS 33/12 R - juris Rn. 13 ff.; BSG, Urteil vom 24. Juni 2020 - B 4 AS 9/20 R - juris Rn. 28). Für die Frage, ob in einem Zufluss Einkommen zu sehen ist, kommt nicht darauf an, ob dieser einen Marktwert hat, d.h. ob tatsächlich eine reale Chance für eine Umsetzung einer Einnahme in Geld besteht (vgl. BSG, Urteil vom 10. Mai 2011 - B 4 KG 1/10 R - juris Rn. 17; BSG, Urteil vom 25. Januar 2012 - B 14 AS 101/11 R - juris Rn. 20; BSG, Urteil vom 17. Februar 2015 - B 14 KG 1/14 R - juris Rn. 17). Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob bereite Mittel vorliegen (dazu unten).

a) Danach waren gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II der im Dezember 2016 in Geld erhaltene Lohn der Klägerin zu 1) in Höhe von 295,00 Euro (brutto) bzw. 247,47 Euro (netto) und ab Januar 2017 in Höhe von 300,00 Euro (brutto) bzw. 249,58 Euro (netto) zu berücksichtigten.

Der arbeitsvertraglich vereinbarte und in den vorgelegten Lohnabrechnungen der Klägerin zu 1) von ihrem Arbeitgeber ausgewiesene Sachbezug in Form der privaten Nutzungsmöglichkeit des Dienstwagens stellt ebenfalls zu berücksichtigendes Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 2 SGB II dar. Dieser „Sachbezug PKW“ betrug im Dezember 2016 128,26 Euro bzw. ab Januar 2017 152 Euro.

Der Sachbezug floss der Klägerin zu 1) i.S.d. § 11 Abs. 1 Satz 2 SGB II im Rahmen der Ausübung einer Erwerbstätigkeit zu. Denn der Nutzungsvorteil durch Überlassung des betrieblichen Fahrzeuges zu privaten Zwecken hat hier seine Grundlage im Arbeitsvertrag.

Dieser private Nutzungsvorteil stellt auch eine als Einkommen zu berücksichtigende Einnahme in Geldeswert dar. Einnahmen in Geldeswert sind im Allgemeinen solche, die nicht unmittelbar in Bar- oder Buchgeld bestehen, aber einen in Geld zu bemessenden wirtschaftlichen Wert haben (vgl. BSG, Urteil vom 5. August 2021 - B 4 AS 83/20 R - juris Rn. 20). In den Fällen der gesetzlich weiterhin vorgesehenen Berücksichtigung von Sachbezügen im Rahmen von Arbeits- bzw. Dienstverhältnissen als Einkommen gründet sich die Bewertung als Einnahmen in Geldeswert darauf, dass der Sachbezug als Gegenleistung für eine Arbeits- bzw. Dienstleistung erbracht wird (vgl. BSG, a.a.O. - juris Rn. 21). Zwar werden Einnahmen in Geldeswert gelegentlich damit umschrieben, dass als ihr Merkmal gelte, dass sie einen „Marktwert“ haben (vgl. Neumann in: BeckOKSozR, Stand 72. Ed. 1. März 2024, § 11 SGB II Rn. 7; Schwabe in: BeckOGK (Gagel), Stand 1. Februar 2024, § 11 SGB II Rn. 32; Klerks in: Berlit/Conradis/Pattar, Existenzsicherungsrecht, 3. Aufl. 2019, Kap. 20. B. II. 2. Rn. 61). Aber auch wenn die Sachbezüge im Rahmen eines Arbeits- bzw. Dienstverhältnis - wie hier - nicht augenscheinlich frei (auf einem „Markt“) veräußerlich bzw. sonst verwertbar sind, sondern nur ver- bzw. gebraucht werden können, kommt eine Berücksichtigung in Betracht. Die Verfügbarkeit eines Sachbezuges im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses folgt jedenfalls daraus, dass er vom Arbeitnehmer anstelle von (höheren) Geldbezügen als Arbeitsentgelt zuvor akzeptiert werden musste (§ 107 Abs. 1 und 2 Gewerbeordnung [GewO]). Dies rechtfertigt es, auf den Wert des Anspruchs abzustellen, wenn Sachbezüge gewährt wurden (vgl. BSG, a.a.O. - juris Rn. 21). Dies steht im Einklang mit den von der Rechtsprechung entwickelten Merkmalen der Einkommensdefinition (s.o.), welche schon vor der Rechtsänderung zum 1. August 2016 zu den geldwerten Einnahmen gerade zu solchen Sachverhalten (z.B. Erbschaften) klargestellt hatte, dass es für die rechtliche Qualifikation als Einkommen nicht auf eine Veräußerungsmöglichkeit ankommt. Ob die als Sachleistung gewährte Privatnutzung von Betriebsvermögen auch insoweit verfügbar ist, dass sie veräußert bzw. in Geld getauscht werden kann, kann daher für die grundsätzliche Zurechnung als Einkommen nicht relevant sein (anders noch LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 26. Februar 2016 - L 4 AS 159/12 - juris Rn. 47). Mithin sind zwei Wertungsebenen zu unterscheiden: Die juristische Einordnung eines Vorteils als geldwert („Ob“) und dessen wirtschaftliche Bewertung („Wieviel“).

Das „Ob“ ist schon dann erfüllt, wenn der Betroffene für den Erhalt arbeitet und der Sachbezug dementsprechend als Teil der Arbeitsvergütung gewährt wird. So liegt es hier. Dem steht jedenfalls aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falles nicht entgegen, dass die Überlassung des Pkw im Arbeitsvertrag als freiwillig und jederzeit widerruflich bezeichnet wird. Denn für die Gewährung des Sachbezuges als Arbeitslohn spricht die Höhe der Vergütung und deren Verhältnis zum Wert des Sachbezuges. Der im Arbeitsvertrag ausgewiesene monatliche Bruttolohn von 295,00 Euro entspricht bei einer monatlichen Arbeitszeit von 40 Stunden einem Stundenlohn von lediglich 7,38 Euro. Der Mindestlohn betrug seit dem Jahr 2015 aber schon 8,50 Euro (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Mindestlohngesetz [MiLoG]). Auch wenn für die Erfüllung des neben den arbeitsvertraglichen Anspruch tretenden gesetzlichen Mindestlohnanspruchs nur tatsächliche Zahlungen zu berücksichtigen sind (vgl. Bundesarbeitsgericht [BAG], Urteil vom 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - juris Rn. 29), erreicht hier der Wert der arbeitsvertraglich geschuldeten Leistungen zumindest rechnerisch erst bei Hinzurechnung des Sachbezuges den Mindestlohn (10,58 Euro). Im Verhältnis zur vereinbarten Vergütung in Geld ist der Wert der Pkw-Nutzung derart hoch, dass er hier ein ganz prägendes Element der vom Arbeitgeber gewährten und von der Klägerin zu 1) akzeptierten Gegenleistung ist. Vor diesem Hintergrund lässt sich die Überlassung des Fahrzeuges hier auch nicht als „eine Art aufgedrängte Bereicherung“ beschreiben, deren Anrechnung möglicherweise problematisch erscheinen könnte (vgl. Geiger in: Münder/Geiger/Lenze, SGB II, 8. Auflage 2023, § 11 Rn. 8).

Der geldwerte Vorteil in Form der kostenlosen Privatnutzung des Kfz ist der Klägerin zu 1) auch im Sinne eines sog. bereiten Mittels zugeflossen. Ausschlaggebend ist, ob eine Leistung in dem Monat des Zuflusses tatsächlich zur Verfügung stand (st. Rspr. vgl. BSG, Urteil vom 6. Juni 2023 - B 4 AS 86/21 R - juris Rn. 31 m.w.N.). Bezogen auf Sachbezüge genügt es dafür bereits, dass der Arbeitgeber seiner Verpflichtung aus dem Arbeitsvertrag nachgekommen ist und diese - wie hier - tatsächlich zur Verfügung gestellt hat. Ob und inwieweit diese dann genutzt werden, stellt lediglich eine nachgelagerte und unbeachtliche Verwendungsentscheidung der Leistungsberechtigten über das ihnen bereits zur Verfügung stehende Einkommen dar (vgl. BSG, Urteil vom 5. August 2021 - B 4 AS 83/20 R - juris Rn. 23).

Bedenken gegen die Bemessung des geldwerten Vorteils gemäß der Höhe der in den Lohnabrechnungen verzeichneten Beträge hat der Senat nicht. Diese hatte der Arbeitgeber nach § 8 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) so zu bemessen, dass für die private Nutzung eines Kraftfahrzeugs, welches überwiegend (zu mehr als 50 Prozent) betrieblich genutzt wird, für jeden Kalendermonat ein Prozent des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattung einschließlich Umsatzsteuer anzusetzen ist. Im Bereich des SGB II existiert zur Bewertung solcher Nutzungsvorteile keine besondere Bestimmung. Insoweit gilt gemäß der ab 1. August 2016 geltenden Fassung des § 2 Abs. 6 Alg ll-V a.F. nur eine allgemeine Bestimmung, wonach zur Bewertung sonstiger Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit in Geldeswert vom Verkehrswert auszugehen ist.

Konkrete Grundlagen zur Bemessung des Verkehrswertes liegen dem Senat nicht vor. Es kann jedoch die steuerrechtliche Bewertung herangezogen werden (vgl. LSG B.-B., Urteil vom 15. November 2021 - L 1 AS 705/19 - juris Rn. 50). Diese Bemessung dürfte jedenfalls nicht zu Ungunsten der Leistungsberechtigten einen höheren Wert als den Verkehrswert zugrunde legen. So ist beispielsweise die Anschaffung eines günstigen gebrauchten Kleinwagens nebst Unterhalt in der Regel nicht günstiger zu erreichen (vgl. SG B., Urteil vom 5. März 2019 - S 127 AS 16902/16 - juris Rn. 40). Der ADAC berechnete für das Jahr 2016 und einen im Listenpreis sehr preiswerten Kleinwagen (Dacia Sandero) bereits monatliche Fixkosten (Versicherung usw.) von 86 Euro, Werkstattkosten von 47 Euro und Betriebskosten von 117 Euro, d.h. einen prognostischen Kostenaufwand von 250 Euro monatlich (vgl. ADAC e.V. M., ADAC Autokosten 2016, Stand April 2016, S. 11). Der weit geringere steuerliche Ansatz dürfte daher bei einer unbeschränkten privaten Nutzungsmöglichkeit jedenfalls nicht geringer sein als der Betrag, durchschnittlich monatlich für den Unterhalt aufzuwenden wäre. Die Kläger haben zudem nichts vorgetragen, was für eine niedrigere Bewertung sprechen könnte.

Für die Begrenzung der Bewertung der Überlassung von betrieblichen Kfz zur privaten Nutzung auf Teile des Regelbedarfs (hierfür Geiger in: Münder/Geiger/Lenze, SGB II, 8. Auflage 2023, § 11 Rn. 8; Schwabe in: BeckOGK (Gagel), Stand: 1. Februar 2024, § 11 SGB II Rn. 35) gibt es nach der seit 1. August 2016 geltenden Fassung des § 2 Abs. 6 Alg II-V schon keine Rechtsgrundlage mehr.

b) Beim Kläger zu 2) waren bei einem gleichbleibenden Bruttolohn i.H.v. 767,00 Euro im Dezember 2016 614,62 Euro (netto) und ab Januar 2017 614,03 Euro (netto) zu berücksichtigen.

c) Danach bestehen im Streitzeitraum rechnerisch keine weiteren Ansprüche der Kläger. Der Bedarf der Kläger betrug im Dezember 2016 jeweils 539 Euro (1078 Euro insgesamt) bei einem anrechenbaren Einkommen der Klägerin zu 1) 211,35 Euro und beim Kläger zu 2) von 381,22 Euro. Ihr Anspruch betrug damit jeweils 242,72 Euro. Der Beklagte hatte bereits 242,72 Euro bzw. 242,71 Euro gewährt. Für die Zeit ab Januar 2017 bestand ein Bedarf von jeweils 543 Euro (1086 Euro insgesamt). Das anrechenbare Einkommen der Klägerin zu 1) betrug nun 231,18 Euro und beim Kläger zu 2) 380,63 Euro. Ihr Anspruch wäre danach geringer gewesen (jeweils nur 237,10 Euro) als ihnen bewilligt wurde (246,72 bzw. 246,71 Euro).

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

IV. Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.

Rechtskraft
Aus
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