L 7 R 2487/22

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 236/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 R 2487/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 21. Juli 2022 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Klägers sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Zwischen den Beteiligten steht die Erstattung von Altersrente für langjährig Versicherte für die Zeit vom 1. Januar 2018 bis 31. August 2018 in Höhe von 7.404,68 EUR wegen der Überschreitung der Hinzuverdienstgrenze im Streit.

Mit Bescheid vom 16. Februar 2017 bewilligte die Beklagte dem 1954 geborenen Kläger für die Zeit ab dem 1. März 2017 eine Altersrente für langjährig Versicherte als Vollrente mit einem monatlichen Zahlbetrag in Höhe von 1.564,57 EUR.

Am 15. März 2017 nahm der Kläger eine unbefristete Tätigkeit als Softwareentwickler auf, was er der Beklagten nach Aufforderung am 1. Juli 2017 mitteilte. Am 16. Juli 2017 reichte der Kläger sodann die Erklärung zum Hinzuverdienst (Formular R0230) ein und gab an, dass er ab April 2017 ein monatliches Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 3.750,00 EUR erzielt habe. Im März 2017 habe er das Gehalt anteilig erhalten. 

In der Zeit vom 1. Januar 2018 bis 31. Dezember 2018 erzielte der Kläger aus der Tätigkeit ein Einkommen in Höhe von 45.000 EUR brutto.

Mit Rentenbescheid vom 28. August 2018 berechnete die Beklagte sodann die Rente des Klägers für die Zeit ab dem 1. Juli 2017 neu und hob den Bescheid vom 16. Februar 2017 für die Zeit vom 1. Juli 2017 bis zum 31. Dezember 2017 auf. Für die Zeit ab dem 1. September 2018 stehe dem Kläger die Rente wegen der Höhe des Hinzuverdienstes als Teilrente mit einem monatlichen Zahlbetrag in Höhe von 520,11 EUR zu. Die Überzahlung betrage für die Zeit vom 1. Juli 2017 bis 31. August 2018 5.103,20 EUR, die überzahlten Leistungen seien zu erstatten. Die Rente werde neu berechnet, weil für das Jahr 2017 der tatsächliche Hinzuverdienst, für die Zeit ab dem 1. Januar 2018 kein Hinzuverdienst und für die Zeit ab dem 1. September 2018 ein geänderter Hinzuverdienst berücksichtigt werde. Für die Zeit vom 1. März 2017 bis 30. Juni 2017 verbleibe es bei der mit Bescheid vom 16. Februar 2017 festgestellten Vollrente, da eine Bescheidrücknahme aus Fristgründen nicht mehr möglich sei. Für die Zeit vom 1. Januar 2018 bis zum 31. August 2018 verbleibe es ebenfalls zunächst bei einer Vollrente, da bei der Vorgabe einer Prognose des Hinzuverdienstes keine Überzahlung entstehen dürfe. Sofern die tatsächlichen Entgelte für diese Zeit vom Arbeitgeber gemeldet würden, werde die tatsächlich zustehende Teilrente mit einem Bescheid festgestellt.

Mit weiterem Bescheid vom 11. Juni 2019 berechnete die Beklagte die Altersrente des Klägers für die Zeit ab dem 1. Januar 2018 neu, stellte zugleich eine Überzahlung für die Zeit vom 1. Januar 2018 bis 30. Juni 2019 in Höhe von 7.404,68 EUR fest und forderte die überzahlten Leistungen von dem Kläger zurück. Ab dem 1. Juli 2019 betrage der monatliche Zahlbetrag der Rente 861,57 EUR.

Hiergegen erhob der Kläger am 26. Juni 2019 Widerspruch. Es sei fraglich, auf welche Rechtsgrundlage die Rückforderung gestützt werde. Eine Aufhebung der vorangegangenen Bescheide sei nicht erfolgt, welche aber zwingende Voraussetzung sei. Dies gelte umso mehr, weil sowohl mit Bescheid vom 28. August 2018 als auch mit Bescheid vom 11. Juni 2019 Rückforderungen für die Zeit vom 1. Januar 2018 bis 31. August 2018 geltend gemacht würden, so dass der Zeitraum gegenwärtig mit zwei unterschiedlichen Bescheiden geregelt sei. Als Rechtsgrundlage komme weder § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) noch § 45 SGB X in Betracht. Für die Anwendung des § 48 SGB X fehle es an einer Änderung der Verhältnisse, hinsichtlich § 45 SGB X könne er sich auf Vertrauensschutz berufen. Anscheinend sei mit dem Bescheid vom 28. August 2018 Einkommen nur bis zum 31. Dezember 2017 berücksichtigt worden, nicht aber ab dem 1. Januar 2018. Die Gründe hierfür seien nicht ersichtlich, jedenfalls beruhe dieses Vorgehen nicht auf seinen Angaben. Es werde zudem ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) hingewiesen, wonach im Rahmen der Ermessensausübung ein Mitverschulden der Behörden zu berücksichtigen sei.

Mit Bescheid vom 19. September 2019 ergänzte die Beklagte daraufhin den Bescheid vom 11. Juni 2019 und hob den Bescheid vom 28. August 2018 hinsichtlich der Rentenhöhe für die Zeit vom 1. Januar 2018 bis zum 31. Dezember 2018 auf.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Dezember 2019 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.

Am 30. Januar 2020 hat der Kläger Klage bei dem Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben und zur Begründung seinen Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat zur Begründung ausgeführt, im Rahmen der maschinellen Anmeldung der Beschäftigung des Klägers sei die Prüfung des Hinzuverdienstes für die vorgezogene Altersrente eingeleitet worden. Erst nach nochmaliger Erinnerung seien die angeforderten Unterlagen im Juli 2017 eingereicht worden. Die notwendige Berechnung zur Feststellung der Überzahlung habe jedoch nicht sofort umgesetzt werden können, da bei der Speicherung der Daten technische Probleme aufgetreten seien. Durch die Verzögerung hätten die Angaben zum Hinzuverdienst durch den Arbeitgeber für 2017 als nachgewiesene Entgelte bestätigt werden müssen. Für die Zeit vom 1. März 2017 bis 30. Juni 2017 sei eine gesonderte Berechnung nötig geworden, weil das „alte“ Hinzuverdienstrecht anzuwenden gewesen sei. Eine Bescheidaufhebung sei wegen Ablauf der Fristen nicht erfolgt. Mit Bescheid vom 28. August 2018 sei die Rente mit dem Hinzuverdienst ab 1. September 2018 berechnet worden. Gleichzeitig sei der Hinzuverdienst für die Zeit vom 1. Juli 2017 bis 31. Dezember 2017 (Jahresverdienst in Höhe von 35.875,00 EUR) angerechnet worden. Für die Zeit vom 1. Januar 2018 bis zum 31. August 2018 habe es beim bis zu diesem Zeitpunkt berücksichtigten prognostizierten Einkommen verbleiben müssen, da im Zuge der Anwendung des „Flexi- Rentenrechts“ Überzahlungen für das laufende Kalenderjahr zu vermeiden gewesen seien. Das tatsächliche Einkommen sei immer erst zur Spitzabrechnung im Juli des Folgejahres zu prüfen und ggf. zu korrigieren. Die in dem besagten Bescheid vom 28. August 2018 festgestellte Überzahlung resultiere nur aus der Berücksichtigung des Hinzuverdienstes für die Rentenzahlung vom 1. Juli 2017 bis 31. Dezember 2017. Mit Bescheid vom 11. Juni 2019 sei die Rente für langjährig Versicherte ab 1. Januar 2018 neu berechnet worden, weil für das Jahr 2018 der tatsächliche Hinzuverdienst zu berücksichtigen gewesen sei. Ergebe sich anlässlich der Spitzabrechnung eine Änderung, die den Rentenanspruch betreffe, seien die bisherigen Bescheide nach § 34 Abs. 3f Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) aufzuheben. Der Aufhebung nach § 34 Abs. 3f Satz 1 SGB VI stehe nicht entgegen, wenn die dem aufzuhebenden Bescheid zugrundeliegende Prognose objektiv unzutreffend gewesen sei, weil bei Erlass des Bescheides bereits verfügbare Erkenntnisse außer Acht gelassen worden seien. Die Aufhebung habe grundsätzlich jeweils von dem Zeitpunkt an zu erfolgen, der sich als Änderungszeitpunkt ergebe. Die Änderung des Rentenanspruchs müsse darauf beruhen, dass anstelle des bisherigen prognostizierten Hinzuverdienstes ein geänderter prognostizierter Hinzuverdienst trete oder der tatsächlich erzielte Hinzuverdienst zu berücksichtigen sei. Die zwingende Bescheidaufhebung sei mit Bescheid vom 19. September 2019 nachgeholt worden. Die Bescheidaufhebung nach § 34 Abs. 3f Satz 1 SGB VI sei zwingend; die §§ 24, 45 und 48 SGB X seien nicht anzuwenden. Daraus ergebe sich zum einen, dass Versicherte vor der Bescheidaufhebung nicht anzuhören seien. Zum anderen ergebe sich daraus, dass Vertrauensschutzaspekte oder Ermessensgesichtspunkte nicht zu berücksichtigen seien.

Mit Gerichtsbescheid vom 21. Juli 2022 wies das SG die Klage ab. Die für die Zeit vom 1. Januar 2018 bis 31. August 2018 in Höhe von 7.404,68 EUR eingetretene Rentenüberzahlung werde zu Recht zurückgefordert. § 34 Abs. 3f SGB VI liege der Rechtsgedanke der Herstellung des Zustandes zugrunde, der bei von Anfang an zutreffender Berechnung des Hinzuverdienstes bestanden hätte. Damit räume er der Herstellung „materieller Gerechtigkeit“ den Vorrang vor einem etwaigen Vertrauensschutz des Versicherten ein. Dies entspreche dem Willen des Gesetzgebers. § 34 Abs. 3f Satz 3 SGB VI bestimme ausdrücklich, dass die Vorschriften zur Anhörung Beteiligter (§ 24 SGB X), zur Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes (§ 45 SGB X) und zur Aufhebung eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes (§ 48 SGB X) nicht anzuwenden seien. Es gälten mithin insbesondere die dort geregelten Vertrauensschutzgesichtspunkte nicht. Auch Ermessen, soweit in den Vorschriften vorgesehen, sei nicht auszuüben.

Gegen den seinem Prozessbevollmächtigten am 27. Juli 2022 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 25. August 2022 Berufung bei dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt, mit welcher er sein Begehren weiterverfolgt. Der Zeitraum vom 1. Januar 2018 bis 31. August 2018 werde mit zwei inhaltlich unterschiedlichen Bescheiden geregelt. Bereits die Bestandskraft des Bescheides vom 28. August 2018 stehe einer nochmaligen Rückforderung für den zumindest teilweise identischen Zeitraum entgegen. Entgegen der Auffassung des SG sei der § 34 Abs. 3c bis 3f SGB VI nicht anwendbar. Entscheidend sei insoweit, dass der Hinzuverdienst gleichgeblieben und es nicht zu einer Änderung gekommen sei, die den Rentenanspruch betroffen habe. Damit sei der (der Beklagten bekannte) voraussichtliche Hinzuverdienst auch für den streitgegenständlichen Zeitraum zu berücksichtigen gewesen, es gebe keine Rechtsgrundlage dafür, überhaupt keinen Hinzuverdienst zu Grunde zu legen. Als Rechtsgrundlage komme daher nur § 45 SGB X in Betracht. Insoweit könne sich der Kläger jedoch auf Vertrauensschutz berufen. Auch habe die Beklagte das nach § 45 SGB X zwingend erforderliche Ermessen nicht ausgeübt, so dass insgesamt die Voraussetzungen für eine rückwirkende Aufhebung der vorangegangenen Bewilligungsbescheide nicht vorlägen, womit auch die Rechtsgrundlage für einen Rückforderungsanspruch fehle. Selbst wenn man der Rechtsauffassung der Beklagten und des SG folgen wolle, wonach § 34 Abs. 3c bis 3g SGB VI anwendbar sei, eröffne § 34 Abs. 3e SGB VI nach den von der Beklagten erstinstanzlich vorgelegten Weisungen die Möglichkeit, außerhalb der turnusmäßigen Prognoseerstellung zum 1. Juli Hinzuverdienständerungen auf Antrag zu berücksichtigen. Der entsprechende Antrag sei in der Mitteilung des Klägers, dass unbefristet Nebeneinkommen erzielt werde, zu sehen, so dass es auch in diesem Fall keine Rechtsgrundlage dafür gegeben habe, vom 1. Januar 2018 bis 31. August 2018 überhaupt keinen Hinzuverdienst zu Grunde zu legen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 21. Juli 2022 aufzuheben und den Bescheid vom 11. Juni 2019 in der Fassung des Bescheides vom 19. September 2019 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 30. Dezember 2019 aufzuheben, soweit damit der Bescheid vom 28. August 2018 hinsichtlich der Rentenhöhe der Altersrente für langjährig Versicherte aufgehoben und die Erstattung eines Betrages in Höhe von 7.404,68 EUR gefordert wird.

Die Beklagte beantragt,

            die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend und verweist auf ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Die gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes die Berufungssumme von 750 Euro überschreitet (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).

Die Berufung des Klägers ist indes unbegründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist – neben der erstinstanzlichen Entscheidung des SG vom 21. Juli 2022 – der mit der Anfechtungsklage angegriffene Bescheid vom 11. Juni 2019 in der Fassung des Bescheides vom 19. September 2019 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 20. Dezember 2019 (vgl. § 95 SGG), soweit die Beklagte mit diesem die Bewilligung einer Vollrente für langjährig Versicherte für die Zeit vom 1. Januar 2018 bis 30. Juni 2018 aufgehoben und die Erstattung eines Betrages in Höhe von 7.404,68 EUR gefordert hat.

Der Bescheid vom 11. Juni 2019 in der Fassung des Bescheides vom 19. September 2019 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 20. Dezember 2019 ist formell rechtmäßig, insbesondere ist er hinreichend bestimmt (§ 33 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]).

Das Bestimmtheitserfordernis verlangt, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsakts nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist. Der Betroffene muss bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers und unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls in die Lage versetzt werden, die in ihm getroffene Rechtsfolge vollständig, klar und unzweideutig zu erkennen und sein Verhalten daran auszurichten. Ausreichende Klarheit kann auch dann bestehen, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsakts, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss (vgl. Bundessozialgericht [BSG] vom 29. November 2012 – B 14 AS 196/11 R – juris Rdnr. 16; BSG vom 10. September 2013 – B 4 AS 89/12 R – juris Rdnr. 15).

Unter Heranziehung dieser Maßstäbe ist der Bescheid vom 11. Juni 2019 in der Fassung des Bescheides vom 19. September 2019 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 20. Dezember 2019 hinreichend bestimmt. Aus dem Bescheid vom 11. Juni 2019 ergibt sich ohne weiteres, dass die bisherige Altersrente für langjährig Versicherte ab dem 1. Januar 2018 neu berechnet wurde. Weiter lässt sich auf der ersten Seite des Bescheides unter der Überschrift „Überzahlung“ entnehmen, dass Leistungen für die Zeit vom 1. Januar 2018 bis zum 30. Juni 2019 in Höhe von 7.404,68 EUR zu viel geleistet worden sind und diese Überzahlung zu erstatten ist. Es lässt sich dem Bescheid damit unzweifelhaft entnehmen, welchen Zahlungsanspruch die Beklagte gegenüber dem Kläger geltend macht, und zwar für welchen Zeitraum. Mit Blick auf den Verfügungssatz konkretisiert der Bescheid auf seiner Seite 2 zunächst die Gründe für die Neuberechnung der Rente im geregelten Zeitraum und weiter unter der Zwischenüberschrift „Überzahlung“, dass sich die Einzelheiten der Berechnung der Überzahlung der Anlage „Berechnung der Rente“ entnehmen lassen. Die Berechnung der Rente ergibt sich sodann aus Seite 10 ff. des Bescheids. Aus diesen Darstellungen ergibt sich, dass und in welcher Höhe die Beklagte den Zahlungsanspruch wegen Nichtberücksichtigung anrechnungsfähigen Erwerbseinkommens verringern wollte.

Der Bescheid vom 11. Juni 2019 in der Fassung des Bescheides vom 19. September 2019 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 20. Dezember 2019 ist auch materiell rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat die Bewilligung einer Altersrente für langjährig Versicherte zu Recht für die Zeit vom 1. Januar 2018 bis zum 30. Dezember 2018 hinsichtlich der Rentenhöhe aufgehoben, die Rente wegen der Überschreitung der Hinzuverdienstgrenze neu berechnet und eine Rückforderung in Höhe von 7.404,68 EUR gegen den Kläger festgesetzt.

Gemäß § 34 Abs. 2 SGB VI (in der Fassung vom 8. Dezember 2016, zukünftig nur noch a.F.) besteht ein Anspruch auf Rente wegen Alters als Vollrente vor Erreichen der Regelaltersrente nur, wenn die kalenderjährliche Hinzuverdienstgrenze von 6.300,00 EUR nicht überschritten wird. Wird die Hinzuverdienstgrenze überschritten, besteht ein Anspruch auf Teilrente (§ 34 Abs. 3 Satz 1 SGB VI a.F.). Als Hinzuverdienst ist gemäß § 34 Abs. 3c Satz 1 SGB VI a.F. der voraussichtliche kalenderjährliche Hinzuverdienst zu berücksichtigen. Dieser ist jeweils vom 1. Juli an neu zu bestimmen, wenn sich dadurch eine Änderung ergibt, die den Rentenanspruch betrifft. Dies gilt nicht in einem Kalenderjahr, in dem erstmals Hinzuverdienst oder nach § 34 Abs. 3e SGB VI a.F. Hinzuverdienst in geänderter Höhe berücksichtigt wurde. Von dem Kalenderjahr an, das dem folgt, in dem erstmals Hinzuverdienst berücksichtigt wurde, ist jeweils zum 1. Juli für das vorige Kalenderjahr der tatsächliche Hinzuverdienst statt des bisher berücksichtigten Hinzuverdienstes zu berücksichtigen, wenn sich dadurch rückwirkend eine Änderung ergibt, die den Rentenanspruch betrifft. Ergibt sich unter Heranziehung dieser Regelungen eine Änderung, die den Rentenanspruch betrifft, sind die bisherigen Bescheide gemäß § 34 Abs. 3f Satz 1 SGB VI a.F. aufzuheben. Soweit Bescheide aufgehoben wurden, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten; § 50 Absatz 3 und 4 SGB X bleibt unberührt. Gemäß § 34 Abs. 3f Satz 3 SGB VI a.F. sind die Vorschriften zur Anhörung Beteiligter (§ 24 SGB X), zur Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes (§ 45 SGB X) und zur Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse (§ 48 SGB X) nicht anzuwenden. Es gelten mithin insbesondere die dort geregelten Vertrauensschutzgesichtspunkte nicht. Auch Ermessen, soweit in den Vorschriften vorgesehen, ist nicht auszuüben. Vielmehr räumt § 34 Absatz 3f Satz 3 SGB VI a.F. der Herstellung „materieller Gerechtigkeit“ den Vorrang vor einem etwaigen Vertrauensschutz des Versicherten ein (vgl. Freudenberg, in jurisPK-SGB VI, 3. Auflage 2021 [Stand 28. April 2023], § 34 Rdnr. 122). Aus diesem Grund steht es – anders als der Kläger meint – der Aufhebung nach § 34 Abs.3f SGB VI a.F. auch nicht entgegen, dass die dem aufzuhebenden Bescheid zugrundeliegende Prognose, wie hier, objektiv unzutreffend war, weil bei Erlass des Bescheides bereits verfügbare Erkenntnisse außer Acht gelassen worden sind.

Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Bewilligung einer Altersrente für langjährig Versicherte und Erstattung der überzahlten Leistungen ist daher § 34 Abs. 3f SGB VI a.F. Der Kläger hat aus seiner Tätigkeit als Softwareentwickler im Jahr 2018 ein Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) in Höhe von 45.000,00 EUR brutto erzielt, mit welchem er die Hinzuverdienstgrenze von 6.300,00 EUR überschritten hat und welches von der zuvor getroffenen Prognose abweicht, wobei 2018 auf das Kalenderjahr folgt, in dem erstmals Hinzuverdienst zu berücksichtigen war, so dass eine Spitzabrechnung – wie in § 34 Abs. 3d Satz 1 SGB VI a.F. vorgesehen – zum 1. Juli 2019 stattzufinden hatte. Auf die beabsichtigte Nachberechnung hat die Beklagte auch in den Gründen ihres Bescheides vom 28. August 2018 hingewiesen und ausgeführt, dass eine unterjährige rückwirkende Abweichung nicht möglich sei.

Gemäß § 34 Abs. 3f SGB VI a.F. sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit Bescheide aufgehoben wurden.

Die Beklagte hat eine Aufhebung der Bewilligung von Leistungen für die Zeit vom 1. Januar 2018 bis 31. Dezember 2018 zwar erst nach Erlass des Erstattungsbescheides vom 11. Juni 2019 mit Bescheid vom 19. September 2019 vorgenommen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit ist jedoch der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, hier also der Widerspruchsentscheidung am 30. Dezember 2019. Zu diesem Zeitpunkt lag eine wirksame Aufhebungsentscheidung vor.

Mit dem Bescheid vom 19. September 2019 hat die Beklagte den Bescheid vom 28. August 2018 hinsichtlich der Rentenhöhe der dem Kläger bewilligten Altersrente für langjährig Versicherte für die Zeit vom 1. Januar 2018 bis 31. Dezember 2018 aufgehoben.

Zwar hat die Beklagte im Verfügungssatz des Aufhebungsverwaltungsakts nicht den Bescheid vom 16. Februar 2017 benannt, mit welchem erstmals Leistungen bewilligt worden sind, sondern nur den Bescheid vom 28. August 2018. Mit letzterem wurden jedoch Leistungen für die Zeit ab dem 1. Juli 2017 (und in der Folge auch für den hier streitgegenständlichen Zeitraum) neu berechnet, so dass der Bescheid vom 28. August 2018 den Bescheid vom 16. Februar 2017 ab diesem Zeitpunkt ersetzt hat und dieser mithin für den hier streitgegenständlichen Zeitraum bereits gegenstandslos geworden ist.

Damit liegen die Voraussetzungen für die Erstattung der in diesem Zeitraum überzahlten Rente vor. Der Kläger hat in der Zeit von 1. Januar 2018 bis 30. Juni 2018 Altersrente für langjährig Versicherte mit einem monatlichen Zahlbetrag in Höhe von 1.611,76 EUR und in der Zeit vom 1. Juli 2018 bis 31. August 2018 in Höhe von 1.663,69 EUR erhalten, obwohl er unter Berücksichtigung des Hinzuverdienstes tatsächlich in der Zeit vom 1. Januar 2018 bis 30. Juni 2018 nur einen Anspruch in Höhe von 468,17 EUR bzw. in der Zeit vom 1. Juli 2018 bis 31. Dezember 2018 in Höhe von 543,27 EUR hatte. Zugleich hat der Kläger in der Zeit vom 1. September 2018 bis 31. Dezember 2018 Leistungen in Höhe von 520,11 EUR bzw. in der in der Zeit vom 1. Januar 2019 bis 30. Juni 2019 in Höhe von 521,58 EUR erhalten, obgleich ihm für die Zeit vom 1. September 2018 bis 31. Dezember 2018 ein Anspruch auf Leistungen in Höhe von 543,27 EUR bzw. für die Zeit vom 1. Januar 2019 bis 30. Juni 2019 in Höhe von 789,09 EUR zugestanden hat. Insgesamt ergibt sich damit für die Zeit vom 1. Januar 2018 bis 30. Juni 2019 eine Überzahlung von 7.404,68 EUR. Anhaltspunkte, dass der Rentenanspruch des Klägers unter Berücksichtigung des Hinzuverdienstes falsch berechnet worden ist, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.  

Soweit der Kläger nunmehr hilfsweise vorträgt, in seiner Mitteilung, unbefristet Nebeneinkommen zu erzielen, sei zugleich der Antrag zu sehen, den Hinzuverdienst außerhalb der turnusmäßigen Prognoseerstellung zum 1. Juli zu berücksichtigen, ergibt sich daraus nichts Anderes. Unabhängig davon, dass sich ein entsprechender Antrag der Mitteilung des Klägers nicht entnehmen lassen dürfte, steht ein solcher – in dem Fall, dass dem Antrag nicht nachgekommen wird – der Spitzabrechnung zum 1. Juli auch nicht entgegen. Hierfür spricht, dass – wie oben ausgeführt – die entsprechenden Vertrauensschutzgesichtspunkte im Rahmen des § 34 SGB VI keine Anwendung finden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.


 

Rechtskraft
Aus
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