L 9 R 2244/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 2969/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 2244/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. Juni 2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.

Der 1973 geborene Kläger ist gelernter Bürokaufmann. Bei Zweiradunfällen 1989 und 2004 zog er sich multiple Frakturen, insbesondere an den unteren Extremitäten zu.

Nach einer stationären Rehabilitation im Rehabilitationskrankenhaus U1 vom 14.11. bis 21.12.2007 mit Belastungserprobung, bei der das Leistungsvermögen des Klägers für leichte Tätigkeiten und für die Tätigkeit eines Bürokaufmanns auf unter drei Stunden täglich eingeschätzt worden war, wertete die Beklagte den Antrag des Klägers auf Leistungen zur Rehabilitation als Rentenantrag und gewährte ihm für die Zeit vom 01.08.2005 bis 31.12.2009 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit.

Den Antrag des Klägers auf Weitergewährung der Rente lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 01.04.2010 und Widerspruchsbescheid vom 07.06.2011 ab. Grundlage hierfür waren die Gutachten des Z1 und des F1. Die hiergegen gerichtete Klage (S 2 R 2906/11) wies das Sozialgericht Karlsruhe (SG) mit Urteil vom 11.10.2012 ab. Es stützte sich im Wesentlichen auf das Gutachten des M1 (Diagnosen: Posttraumatische Arthrose des rechten Hüftgelenks mit geringer Bewegungseinschränkung, posttraumatische Arthrose des rechten Kniegelenks mit erheblichem Funktionsdefizit, unter Fehlform und Verkürzung verheilte Unterschenkelfraktur rechts mit Verknöcherung der Bandverbindung zwischen Schien- und Wadenbein [tibiofibulare Syndesmose], Funktionsstörung der Sprunggelenke, multiple Narbenbildungen, anamnestisch rückfällige Blockierungen der HWS und LWS bei derzeit unauffälligem Befund, subjektive Beschwerden des rechten Daumens bei klinisch und radiologisch unauffälligem Befund, Instabilität des linken Schultereckgelenks bei freier Funktion der Schultergelenke), der für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von einer Leistungsfähigkeit von sechs Stunden und mehr unter Berücksichtigung näher ausgeführter sogenannter qualitativer Einschränkungen ausging und auch keine relevante Einschränkung der Gehfähigkeit sah. Der Einschätzung des behandelnden P1, welcher in seiner sachverständigen Zeugenaussage allenfalls eine bis zu zweistündige Tätigkeit für zumutbar erachtete, schloss sich das Gericht nicht an. Die vom Kläger hiergegen eingelegte Berufung wies der erkennende Senat mit Beschluss vom 15.10.2013 (L 9 R 340/13) ohne weitere Ermittlungen zurück. Wie sich aus der erstinstanzlichen Entscheidung ergebe, bestünden qualitative Einschränkungen der Leistungsfähigkeit, die eine sechsstündige Tätigkeit nicht ausschlössen. Es sei nicht festzustellen, dass der Kläger unter unerträglichen Schmerzen leide und deshalb nur weniger als sechs Stunden einer Erwerbstätigkeit nachkommen könne.

Am 09.02.2017 beantragte der Kläger erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte holte hierauf nach Beiziehung von Befundberichten bei S1 und P1 ein Gutachten des Z1 ein, welcher den Kläger am 24.05.2017 ambulant untersuchte und in seinem Gutachten vom 24.05.2017 die Gesundheitsstörungen Zustand nach multiplen Frakturen des rechten Beins mit Hüftluxation, Abriss des kleinen Rollhügels, multiple Narben im Unterschenkelbereich, plastische Hautdeckung, mehrfache Operationen mit verbliebener Beinverkürzung rechts 3cm und Muskelumfangsminderung; posttraumatische Gonarthrose rechts mit Funktionseinschränkung und Belastungseinschränkung; posttraumatische Coxarthrose rechts; Funktionseinschränkung rechtes Sprunggelenk; Zustand nach Schultereckgelenksverletzung mit verbliebener Stufe im Schultergelenk ohne gravierende Funktionseinbuße; anamnestisch rezidivierende muskulotendinöse Beschwerden im Bereich der Lenden- und Halswirbelsäule mit Funktionsblockaden, aktuell ohne wesentliche Funktionseinbuße und ohne radikuläre Reizsymptomatik; Zustand nach Daumendistorsion rechts mit verbliebener Vergröberung der Gelenkkapsel ohne wesentliche Bewegungseinschränkungen und gravierende Instabilität diagnostizierte. Der Kläger könne trotz dieser Leiden mit qualitativen Einschränkungen noch sechs Stunden am Tag der Tätigkeit als Bürokaufmann bzw. anderen Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachkommen. Den Antrag lehnte die Beklagte hierauf mit Bescheid vom 27.06.2017 ab. Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 11.08.2017).

Der Kläger hat dagegen am 29.08.2017 Klage zum SG erhoben und an seinem Begehren festgehalten.

Das SG hat zunächst die Hausärztin des Klägers, S1 und den P1 als sachverständige Zeugen gehört. S1 hat mitgeteilt, den Kläger seit dem Jahr 2010 zu behandeln. Der Gesundheitszustand habe sich seit 15.10.2013 nicht wesentlich verändert, der Schwerpunkt der Leiden liege (weiterhin) auf orthopädischem Fachgebiet. P1 hat angegeben, seit dem 15.10.2013 habe sich eine verschleißbedingte Verschlechterung ergeben, eine Verbesserung sei nicht zu erwarten. An allen Extremitäten und im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule bestünden erhebliche Einschränkungen, die eine sechsstündige Tätigkeit ausschließen würden. Das Gangbild sei stark hinkend.

Der Facharzt J1 hat sodann in dem vom SG veranlassten orthopädischen Gutachten vom 17.03.2018 nach ambulanter Untersuchung am 15.03.2018 die Gesundheitsstörungen leichte Fehlstatik der Wirbelsäule durch Beinverkürzung rechts von ca. 2,5 cm; freie Wirbelsäulenbeweglichkeit in allen Etagen, diskrete Instabilität linkes Schultergelenk nach Schultergelenksverletzung ohne Funktionseinschränkung des linken Schultergelenks, Schmerzen rechtes Daumensattelgelenk ohne Funktionseinschränkung oder Reizzustand, Verschmächtigung der Beinmuskulatur rechts gegenüber links mit multiplen Narben, leichte Schwellneigung des stammfernen rechten Unterschenkels sowie der rechten Knöchelkontur, Bewegungseinschränkung rechtes Hüftgelenk bei mäßiger Hüftgelenksarthrose im Röntgenbild, erhebliche Bewegungseinschränkung rechtes Kniegelenk bei fortgeschrittener posttraumatischer Gonarthrose, Bewegungseinschränkung bei der Fußhebung im rechten oberen Sprunggelenk durch Verknöcherungen zwischen dem stammfernen Schien- und Wadenbein rechts; gut hälftige Bewegungseinschränkung im unteren Sprunggelenk rechts gegenüber links, Minderung der Gefühlsempfindung am rechten Kniegelenk sowie im Bereich des stammfernen rechten Unterschenkels und Rückfußes diagnostiziert. Aufgrund dieser Leiden könne der Kläger nur noch leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten ausüben. Das Heben von Lasten bis 10 kg sei noch möglich. Gemieden werden müssten Tätigkeiten mit wiederkehrenden Arbeiten in nach vorne gebeugter Körperhaltung, mit Wirbelsäulenzwangshaltungen, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, Arbeiten in der Hocke und im Knien, Gehen auf unebenem Boden und Arbeiten in Nässe und Kälte. Unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen könne er noch sechs Stunden am Tag als Bürokaufmann und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein. Notwendig seien ein höhenverstellbarer Schreibtisch und ein ergonomischer Arbeitsstuhl. Der Kläger sei in der Lage, viermal am Tag 500 Meter in weniger als 20 Minuten zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Der Beurteilung von P1 könne unter Berücksichtigung der Befunde nicht gefolgt werden. Das Leistungsvermögen sei seit dem Jahr 2012 wie dargestellt einzuschätzen.

In dem auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers eingeholten Gutachten vom 12.12.2018 vertrat P1 nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 26.10.2018 die Auffassung, der Kläger könne seit mindestens 13.07.2004 nicht mehr im Umfang von drei Stunden und mehr tätig sein. Zumutbar seien allenfalls leichte Tätigkeiten im freien Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen. Der Kläger müsse selbstständig regelmäßige Pausen einlegen können. Nicht leidensgerecht seien Tätigkeiten, die das Heben und Tragen von Lastens sowie Bücken und Beugen abverlangten. Tätigkeiten im Knien, im Hocken sowie das Ersteigen von Leitern, Gerüsten und Treppen seien nicht mehr zuzumuten. Vermieden werden müssten ferner Zwangshaltungen und Tätigkeiten mit voller Gebrauchsfähigkeit der Hände. Die Gehfähigkeit sei eingeschränkt, eine Strecke von 500 Metern könne jedoch viermal am Tag in unter 20 Minuten zurückgelegt werden. Seiner Einschätzung nach sei die Leistungsfähigkeit im Rahmen der Belastungserprobung im Jahr 2007 zutreffend eingeschätzt worden. Die übrigen Gutachten halte er für unzutreffend, weil diese allein auf die funktionellen Einschränkungen abstellten. Tatsächlich sei aber die Schmerzhaftigkeit maßgeblich. Nachdem die Bewegungsumfänge in allen Gutachten dokumentierten, dass der Kläger nicht mehr normal sitzen könne, fehle für die jeweiligen Leistungsbeurteilungen jegliches Verständnis. Es liege ein Fall der schweren spezifischen Leistungseinschränkung bzw. zumindest eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor, so dass der allgemeine Arbeitsmarkt verschlossen sei. Ihm sei nicht erklärlich, wie F1 eine chronische Schmerzstörung habe verneinen können. Im Übrigen habe dieser das äußere Erscheinungsbild des Klägers im psychiatrischen Befund als erstes geschildert. Das Landessozialgericht habe in seiner früheren Entscheidung das Fehlen eines Schmerzsyndroms zu Unrecht aus der Nichteinnahme von Schmerzmitteln und einer lediglich bedarfsweisen Physiotherapie geschlossen. Zutreffend sei, dass der Kläger Schmerzmittel nur unter Belastung benötige, in Ruhe ertrage er die Schmerzen ohne Schmerzmittel. Da der Bruder des Klägers selbst Physiotherapeut sei, erfolge hier fast täglich eine unentgeltliche Behandlung. Die erhobenen Bewegungsmaße hat P1 am 03.04.2019 nachgereicht.

J1 hat mit seinen ergänzenden Stellungnahmen vom 02.03.2019 und 15.05.2019 an seiner Einschätzung festgehalten. Die von P1 mitgeteilten Bewegungsmaße würden den seinen zwar teilweise widersprechen, jedoch nicht in erheblicher Weise. Bezüglich der objektivierbaren Befunde bestehe insoweit keine relevante Diskrepanz. Seiner Auffassung nach sei nicht davon auszugehen, dass eine längere Beobachtung zu besseren Erkenntnissen führe. Das Sitzen sei bei der von ihm festgestellten Hüftbeweglichkeit von 105/10/00 (Beugung/Streckung) nicht eingeschränkt, die gegenteilige Behauptung sei nicht nachzuvollziehen.

Mit Urteil vom 17.06.2020 hat das SG die Klage abgewiesen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe für die Kammer fest, dass der Kläger unter den von J1 genannten Gesundheitsstörungen leide. Die auf orthopädischem Fachgebiet zu verortenden Gesundheitsstörungen bedingten lediglich qualitative Leistungseinschränkungen, so dass es dem Kläger weiterhin zumutbar sei, einer leidensgerechten Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für sechs Stunden und mehr arbeitstäglich nachzukommen. Dies leite die Kammer hauptsächlich aus dem Gutachten des J1 und ergänzend aus den im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten der F1 und Z1 ab, welche im Wege des Urkundenbeweises verwertet würden. Das Gutachten des J1 komme nach Einschätzung der Kammer schlüssig und nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass sich eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens nicht begründen lasse. Höhergradige Bewegungseinschränkungen im Bereich der Lenden- oder Halswirbelsäule lägen nach diesem Gutachten nicht vor, die Beweglichkeit der oberen Extremitäten sei frei, neurologische Defizite, Reizzeichen oder Einschränkungen der groben Kraft nicht festzustellen. Zwar liege beim Kläger eine Verschmächtigung der Muskulatur am rechten Gesäß und dem rechten Bein vor, was den Rückschluss auf eine erhebliche Schonung zulasse. Die Beweglichkeit im Bereich der Hüfte sei bei Beugung und Streckung mit 105/10/0 rechts und 130/0/0 links zwar beeinträchtigt und auch beim rechten Bein bestehe mit einer Beweglichkeit in Beugung und Streckung mit 70/10/0 gegenüber links mit 135/0/5 eine erhebliche Beeinträchtigung. Vergleichbares gelte für die Beweglichkeit im rechten oberen Sprunggelenk mit einer Beweglichkeit von 0/0/35 gegenüber links 15/0/45. Die genannten Bewegungsmaße schlössen jedoch weder das Sitzen noch eine sitzende Tätigkeit aus, wie J1 nachvollziehbar ausgeführt habe. Auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung sei der Kläger in der Lage gewesen, mit ausgesteckten Beinen über einen längeren Zeitraum zu sitzen. Der Kläger sei, wie das Gutachten des J1 zeige, in der Lage, mit leicht eingeschränktem Abrollen des linken Fußes bei seitengleicher Schrittlänge flüssig und weitestgehend unauffällig zu gehen. Auch hiervon habe sich die Kammer im Rahmen der mündlichen Verhandlung einen eigenen Eindruck verschaffen können, der weitere Zweifel ausschließe. Der Zehenspitzenstand sei beim Gutachter rechts – wenn auch nur deutlich eingeschränkt – möglich gewesen. Die Hocke habe rechts verlangsamt bis 45° eingenommen werden können. Die objektivierten Funktionsparameter seien also – hier bestehe wohl auch seitens P1 Übereinstimmung mit der Einschätzung von J1 – nicht geeignet, eine zeitliche Leistungseinschränkung zu begründen.
Soweit P1 die zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens auf eine besondere Schmerzhaftigkeit stützen wolle, stehe dem nicht zuletzt das Gutachten des F1 entgegen. Relevante kognitive Beeinträchtigungen hätten ebenso wenig wie eine höhergradige Beeinträchtigung des Affekts bestanden. Vor diesem Hintergrund habe F1 bereits im Jahr 2010 nachvollziehbar keine so erhebliche Schmerzstörung feststellen können, die mit einer zeitlichen Einschränkung des Leistungsvermögens vereinbar wäre. Diese Beurteilung überzeuge auch heute noch, und zwar selbst unter Berücksichtigung der Angaben von P1 in dessen Gutachten. Zunächst sei klarzustellen, dass das äußere Erscheinungsbild im Rahmen des psychiatrischen Befunds regelmäßig als erstes dargestellt werde, weil es den ersten Eindruck vom Probanden widerspiegele. Mit der an erster Stelle dargestellten Beschreibung des äußeren Erscheinungsbilds sei insoweit zur Überzeugung der Kammer keine Wertung verbunden, vielmehr liege gerade eine ordnungsgemäße Befunderhebung vor. Dass P1 hierin Anlass zur Kritik zu sehen glaube, belege eher seine fehlende Fachkunde im Bereich der Auswertung psychiatrischer Befunde als die von ihm im Zusammenhang postulierten Thesen. Im Übrigen teile P1 selbst mit, der Kläger sei nur unter Belastung auf Schmerzmittel angewiesen und ertrage die Schmerzen ansonsten ohne Schmerzmedikation. Entsprechend habe der Kläger, auch nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung, seit dem Gutachten des F1 keine aufwendigeren schmerzdistanzierenden Therapieversuche unternommen. Er habe sich weder in eine (stationäre oder ambulante) multimodale fachärztliche Schmerztherapie begeben, noch habe er eine schmerzdistanzierende Psychotherapie versucht. Auch eine psychiatrische Anbindung, in deren Rahmen eine schmerzdistanzierende Pharmakotherapie durchführbar gewesen wäre, sei bislang nicht in Anspruch genommen worden. Im Ergebnis sei für die Kammer deshalb schlicht nicht plausibel, dass der Kläger unter solchen Schmerzen leiden soll, die einer sechsstündigen Tätigkeit entgegenstehen. Weder die Verordnung von Cannabis zur Schmerztherapie, noch die Einnahme von Valoron (Wirkstoff Tilidin) rechtfertigten die Annahme einer zeitlichen Leistungseinschränkung, denn ein Arbeiten in nicht gefahrgeneigten Berufen (und ohne das Führen eines KFZ) sei auch unter der Einwirkung dieser Substanzen möglich. Die von P1 angenommene zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens sei deshalb auch mit Blick auf die von ihm ins Feld geführten Belastungserprobungen nicht nachvollziehbar. Eine Erwerbsminderungsrente sei vorliegend auch nicht aufgrund von besonderen qualitativen Leistungseinschränkungen zu gewähren. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei die konkrete Bezeichnung von Verweisungstätigkeiten erforderlich, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliege. Dieser Ausnahmefall sei noch nicht gegeben, wenn der Versicherte körperlich leichte Tätigkeiten nur mit weiteren Einschränkungen verrichten könne. Vielmehr müsse entweder bereits eine schwerwiegende Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperren, oder eine Mehrzahl von Einschränkungen, die jeweils nur einzelne Verrichtungen oder Arbeitsbedingungen betreffen, zusammengenommen das noch mögliche Arbeitsfeld in erheblichem Umfang zusätzlich einengen (BSG, Urt. v. 19.08.1997 - 13 RJ 1/94 -). Für die Prüfung, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine spezifische Leistungsbehinderung vorliege, gebe es keinen konkreten Beurteilungsmaßstab, sondern diese richteten sich nach den Umständen des Einzelfalls. Hier sei auch im Hinblick auf die diesbezügliche Rechtsprechung des BSG eine Verschlossenheit des Arbeitsmarktes nicht zu begründen. Bei den in den Gutachten der J1 und P1 weitestgehend übereinstimmend angegebenen qualitativen Einschränkungen handele es sich weder um eine Summierung ungewöhnlicher Einschränkungen, noch liege eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor. Aufgrund der bestehenden Leiden könne der Kläger nur noch leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten ausüben. Das Heben von Lasten bis 10kg sei noch möglich. Gemieden werden müssten Tätigkeiten mit Zwangshaltungen für die Wirbelsäule und die Extremitäten, das Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, das Gehen auf unebenem Boden und das Arbeiten in Nässe und Kälte. Die Fähigkeit zum Sitzen sei mit Blick auf die im Gutachten des J1 dargestellten Bewegungsmaße nicht grundsätzlich beeinträchtigt. Der Kläger könne deshalb, wenn ihm ein höhenverstellbarer Schreibtisch und ein ergonomischer Arbeitsstuhl zur Verfügung stehen, noch eine leichte Wechseltätigkeit im Gebäudeinneren ausüben, wenn diese keine Zwangshaltungen von Rumpf und Extremitäten und keine erhöhten Anforderungen an die Hand und keine gefahrgeneigten Tätigkeiten an Maschinen oder das Führen von Fahrzeugen erfordere. Insoweit könne der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine Vielzahl von Wechseltätigkeiten in einem Bürogebäude ausüben. Der Benennung einer Verweisungstätigkeit habe es zur Überzeugung der Kammer nicht bedurft.
Es bedürfe auch keines betriebsunüblichen Pausenregimes, so dass der Arbeitsmarkt auch nicht deshalb als verschlossen anzusehen sei. Nach § 4 Satz 1 des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) bestehe ein gesetzlicher Arbeitspausenanspruch von mindestens 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs bis zu neun Stunden sowie von mindestens 45 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden. Kurzpausen von weniger als 15 Minuten alle zwei Stunden gelten bspw. im Bereich des öffentlichen Dienstes nicht als Arbeitszeit verkürzende Pausen (mit Verweis auf entsprechende Rechtsprechung). In der Personalbedarfsberechnung in Wirtschaft und Verwaltung würden persönliche Verteilzeiten von bis zu zwölf Prozent der tariflichen Arbeitszeit veranschlagt. Unter persönlichen Verteilzeiten verstehe man Zeitanteile, die nicht für den Arbeitsprozess selbst verwendet werden, aber dennoch als Arbeitszeit gerechnet würden (z.B. persönliche Verrichtungen, Toilettengänge, Erholungs- und Entspannungszeiten außerhalb der Pausen) und deshalb bei der Ermittlung des Personalbedarfs, der Kapazität und des Auslastungsgrades berücksichtigt würden. Wenn daher erfahrungsgemäß etwa zehn Prozent der Arbeitszeit an persönlicher Verteilzeit kalkuliert werde, stehe bei mindestens sechsstündiger Erwerbstätigkeit ein Ruhepausenkontingent von bis zu 36 Minuten im Rahmen der persönlichen Verteilzeit zur Verfügung, das es grundsätzlich ermögliche – unter betriebsüblichen, in der Arbeitswirklichkeit praktizierten Bedingungen – die von P1 genannten Pausen eigenständig einzulegen. Dass diese Zeit nicht ausreichen würde, lasse sich zur Überzeugung der Kammer dem Gutachten des P1 nicht entnehmen und auch nicht aus sonstigen Gründen annehmen. Umstände, die auf eine sozialmedizinisch relevante Einschränkung der Wegefähigkeit hindeuteten, seien nicht ersichtlich, nachdem sich J1 und P1 darüber einig seien, dass der Kläger trotz seiner erheblichen Beeinträchtigungen der unteren Extremität rechts noch viermal am Tag 500 Meter in unter 20 Minuten zurücklegen könne.

Gegen das dem Kläger am 29.06.2020 zugestellte Urteil hat dieser am 17.07.2020 Berufung zum LSG Baden-Württemberg eingelegt und geltend gemacht, seine ständig vorhandenen und sich auf das zeitliche Leistungsvermögen auswirkenden Schmerzzustände seien nicht ausreichend berücksichtigt. P1 habe ausführlich begründet, aus welchen Gründen die vorangegangenen Gutachten zu einem unzutreffenden Ergebnis gekommen seien. Es sei nicht hinreichend beachtet, dass die Rentengewährung von 2005 bis 2009 maßgeblich aufgrund der sich im Verlauf einer ambulanten Begutachtung nicht bzw. nicht in vollem Ausmaß zeigenden Schmerzzustände erfolgte. Diese bestünden weiter. Er könne auch nicht richtig sitzen und auch nicht mehr richtig gehen. Aktuell könne er nach fünf Minuten Gehen nicht mehr weitergehen, weil seine Hüfte einfach nicht mehr gewollt habe. Nicht beachtet worden sei auch seine Tendenz zur Dissimulation, die im Abschlussbericht der stationären Belastungserprobung Rehabilitationskrankenhaus U1 vom 21.12.2007 und von P1 erwähnt werde.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts vom 17. Juni 2020 sowie den Bescheid vom 27. Juni 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. August 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 1. Februar 2017 eine Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung nach den gesetzlichen Bestimmungen, zumindest auf Zeit, zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

            die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat einen aktuellen Versicherungsverlauf beigezogen und H1 mit der Erstellung eines weiteren Gutachtens beauftragt.

H1 hat in seinem Gutachten vom 15.02.2022 die Auffassung vertreten, der Kläger sei in der Lage, leichte Tätigkeiten überwiegend sitzender Art mit entsprechender Hilfsmittelversorgung und der Möglichkeit des Positionswechsels zum bedarfsweisen Stehen noch vollschichtig durchzuführen. Häufiges Treppensteigen sei zu vermeiden, gleichfalls Tätigkeiten, die über die Rechtwinkelstellung/90 Grad-Position der Schultergelenke hinausgehen oder das dauernde Tragen von Gewichten von mehr als ca. 15 kg erfordern. Gleiches gelte für Tätigkeiten in ständiger hockender, kniender, gebückter oder sonstiger statisch ungünstiger Körperhaltung. Mittelschwere und schwere Tätigkeiten seien auszuschließen. Unter diesen Prämissen sehe er kein Indiz für eine zeitliche Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit. Es bestehe auch keine Beeinträchtigung für übliche Wege, sowohl zu Fuß und als auch in öffentlichen Verkehrsmitteln.

Der Kläger hat hierzu angegeben, die Angabe im Gutachten stimme nicht, er sei nach 23 Minuten das erste Mal aufgestanden. Er habe genau auf die Uhr gesehen. Er hat ferner die Stellungnahme des P1 vom 19.04.2022 und den Bericht des P1 vom 01.07.2022 vorgelegt, in dem der Verdacht auf eine chronisch entzündliche Gelenkerkrankung im Sinne einer primär chronischen Polyarthritis geäußert wurde, und die Berichte der MVZ B1 vom 30.08.2022 und 25.11.2022, in denen u.a. eine undifferenzierte Arthritis diagnostiziert wurde.

Am 31.01.2024 hat der Berichterstatter des Senats einen Termin zur Erörterung des Sach- und Streitstandes durchgeführt. Den zwischen den Beteiligten geschlossenen Vergleich, der auf die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer Belastungserprobung gerichtet war, hat der Kläger fristgerecht widerrufen.

Der Senat hat mit den gerichtlichen Verfügungen vom 30.05.2022, 20.01.2023 und zuletzt vom 06.02.2024 auf die Möglichkeit einer Entscheidung gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen und den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

II.

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung ausgehend von der Antragstellung hat.

Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG – nach vorheriger Anhörung der Beteiligten – die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gelangt, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit den Schreiben vom 30.05.2022, 20.01.2023 und zuletzt vom 06.02.2024 hat der Senat die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier vom Kläger beanspruchte Rente wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung – § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) – dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung oder teilweiser Erwerbsminderung nicht besteht.
In dieser vom Kläger angefochtenen Entscheidung hat das SG den ermittelten Sachverhalt umfassend gewürdigt und kam schlüssig und überzeugend zu dem Ergebnis, dass der Kläger noch wenigstens sechs Stunden täglich leistungsfähig ist und ihm eine Rente auch nicht aus dem Gesichtspunkt einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung oder Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen zuzusprechen ist. Das SG hat sich dabei mit den vorliegenden Gutachten eingehend auseinandergesetzt und hat seine Entscheidung unter Berücksichtigung der festgestellten Gesundheitsstörungen und der hieraus nachvollziehbar und überzeugend abgeleiteten funktionellen Einschränkungen, die auf einer sorgfältigen Befunderhebung der gehörten Sachverständigen beruhen, begründet. Ebenso überzeugend hat sich das SG mit den gegen die Gutachten erhobenen Einwendungen des Klägers und der abweichend vertretenen Leistungseinschätzung von P1 auseinandergesetzt und kam zu der vom Senat in vollem Umfang geteilten Beurteilung, dass diese das Beweisergebnis nicht erschüttern. Es besteht aus den vom SG genannten Gründen auch kein Anlass, von der übereinstimmenden Wertung aller in dem Verfahren bislang gehörten Sachverständigen (Z1, F1 und M1, deren Gutachten im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden konnten, sowie J1 und zuletzt im Berufungsverfahren H1) abzuweichen.

Nach eigener eingehender Prüfung der Sach-und Rechtslage ergibt sich auch für den Senat kein Zweifel an einer nicht rentenrechtlich relevant eingeschränkten Einsetzbarkeit des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für leidensgerechte Tätigkeiten. Der Senat schließt sich den Ausführungen des SG auch unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren sowie der im Berufungsverfahren durchgeführten Ermittlungen uneingeschränkt an und sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.

Ergänzend zu den Ermittlungen im Berufungsverfahren ist darauf hinzuweisen, dass auch das Gutachten von H1 das erstinstanzliche Ermittlungsergebnis in vollem Umfang bestätigt hat.

Dieses Gutachten ist nicht deshalb nicht verwertbar, weil H1 „gelogen“ haben soll, wie der Kläger im Termin vor dem Berichterstatter geltend gemacht hat. Er bezieht sich insoweit auf die Ausführungen im Gutachten, wo festgehalten wird, dass der Proband angegeben habe, nicht geimpft und nicht genesen zu sein und er (der Proband) wie im Gutachtenanschreiben angeführt auch keinen aktuellen Schnelltest mitgebracht habe. Insoweit macht er geltend, hierauf im Anschreiben gerade nicht hingewiesen worden zu sein. Sollte dem so sein, lässt sich hieraus nur schwerlich eine „Lüge“ im Sinne einer bewussten Falschbehauptung in Täuschungsabsicht herleiten. Aus dem Sachzusammenhang lässt sich unschwer entnehmen, dass dies lediglich der Begründung dafür diente, weshalb in der Arztpraxis ein Corona-Antigenschnelltest durchgeführt werden musste. Ferner ist es unzutreffend, wenn P1 in der vom Kläger vorgelegten Stellungnahme behauptet, H1 hätte angegeben, es bestehe ein Widerspruch zwischen einem hinkenden Gangbild des Probanden während der Gutachtensituation und einem normalen Gangbild, welches er (H1) durch das Fenster beobachtet habe, als der Proband zu seinem Auto gelaufen sei. Im Gutachten ist insoweit gerade kein „normales“ Gangbild behauptet worden. Vielmehr hat H1 lediglich festgestellt, dass das Gangbild beim Betreten des Untersuchungszimmers und auf einer Wegstrecke von etwa 30 Metern von der Praxistür bis zur Straße deutlich flüssiger als in der direkten Begutachtungssituation gewesen war. H1 hat zudem auch die von P1 angesprochene Beinlängendifferenz zu Ungunsten der rechten Seite (3,5 cm) nicht in Abrede gestellt. Es trifft schließlich auch nicht zu, dass – wie der Kläger meint –H1 angegeben habe, er (der Kläger) sei während der Befragung durch H1 erst nach 35 Minuten das erste Mal aufgestanden. Nach dem Vortrag des Klägers sei richtig, dass er bereits nach 23 Minuten das erste Mal aufgestanden sei, er habe dabei auf die Uhr gesehen. H1 hat Entsprechendes aber nicht behauptet. Vielmehr hat er (nur) festgehalten, dass der Kläger während der 35-minütigen Befragung sich „einmal“ kurz hingestellt habe, um eine andere Position einzunehmen. H1 hat daher nicht den Eindruck erweckt, der Kläger habe mehr als 23 Minuten gesessen.

In der Sache hat H1 zudem nochmals und in Kenntnis der abweichend vertretenen Auffassung des P1 bezogen auf Schmerzen deutlich gemacht, dass weder aufgrund der erhobenen radiologischen noch der klinischen Befunde Anlass besteht, von einer hieraus abzuleitenden höhergradigen Funktionsbeeinträchtigung und einer zeitlichen Leistungsbeeinträchtigung auszugehen. Seine Auffassung hat er unter Berücksichtigung der Leitlinie für die ärztliche Begutachtung von Menschen mit chronischen Schmerzen begründet und ist – ebenso wie zuvor bereits des SG unter Berücksichtigung des Gutachtens von J1 – zu dem schlüssigen und nachvollziehbaren Ergebnis gelangt, dass zwar kein Zweifel an den geklagten Funktionsbeeinträchtigungen besteht, diese aber willentlich im wesentlichen Umfang und/oder durch adäquate Therapie überwunden werden können, wobei er deutliche Diskrepanzen zwischen dem spontanen, unbeobachteten Bewegungsverhalten, den Beobachtungen im Rahmen der Begutachtung als auch der klinischen Befunde, dem Ausmaß der Schmerzbehandlung einerseits und den geklagten Beschwerden feststellen konnte. Die Einlassungen von P1, dem Kläger könnten keine „starken Schmerzmittel“ verschrieben werden, belegen nichts Anderes, insbesondere nicht, dass auch unter der von ihm veranlassten Therapie (Einstellung des Klägers auf nicht steroidale Antiphlogistika und einen regelmäßigen verordneten Cannabis-Konsum) eine rentenrechtlich relevante Leistungsminderung vorliegt. H1 hat ausdrücklich festgehalten, dass er in Übereinstimmung mit den Vorgutachten von M1, J1 und Z1 nicht von einer zeitlichen Leistungsminderung für Tätigkeiten unter Berücksichtigung der von ihm genannten qualitativen Einschränkungen ausgeht. Damit vermag der Senat es jedenfalls nicht als nachgewiesen anzusehen, dass eine zeitliche Leistungsminderung aufgrund somatisch/orthopädisch-unfallchirurgischer Aspekte oder aufgrund psychosomatischer Aspekte, wie H1 ausführte, besteht. Im Falle der Nichterweislichkeit anspruchsbegründender Tatsachen gilt auch im sozialgerichtlichen Verfahren nach ständiger Rechtsprechung des BSG (grundlegend Urteil vom 24.10.1957 - 10 RV 945/55 - und vom 20.01.1977 - 8 RU 52/76 - jeweils juris) der Grundsatz der objektiven Beweislast, insbesondere der Feststellungslast, wonach die Folgen der Nichterweislichkeit einer Tatsache von demjenigen Beteiligten zu tragen sind, der aus dieser Tatsache ein Recht herleiten will.

Soweit vom Kläger während des Berufungsverfahrens Berichte über die Behandlung einer chronischen Polyarthritis vorgelegt wurden, ergibt sich hieraus nichts Anderes. Der Senat stellt hierzu fest, dass nach dem Bericht des P1 vom 01.07.2022 eine Schwellung am linken Handgelenk mit entsprechender Bewegungseinschränkung bestand, für die mit der Gabe von 20mg Prednisolon eine deutliche Remission der Schwellung und des Schmerzes erreicht werden konnte. F2 sprach nach einer Behandlung am 22.11.2022 und 25.01.2023 von einem vollständigen Rückgang der Schwellung am linken Handgelenk und einer Zunahme der Beschwerden wieder nach einer eigenmächtigen Reduzierung und Absetzung des Medikamentes durch den Kläger, ohne dass bezüglich der Einnahme des Medikaments von Nebenwirkungen berichtet wurde, die vermieden werden sollten. Insoweit ist nicht ersichtlich, dass diese offensichtlich gut behandelbare Erkrankung zu einer nennenswerten zusätzlichen Leistungseinschränkung führt. Dies gilt umso mehr als bereits im erstinstanzlichen Urteil eine Einschränkung bezogen auf erhöhte Anforderungen an die Hand berücksichtigt sind, die H1 im Übrigen nicht feststellen konnte.
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht für die von F2 beschriebene Entzündung der Bizepssehnen beidseitig, bei rechtsseitiger Beschwerdefreiheit. Der Senat vermag auch insoweit keine fortbestehenden Funktionseinschränkungen festzustellen. Denn im Bericht des F2 vom 01.12.2023 waren lediglich noch die Handgelenke beidseits (ohne Schwellung und ohne Bewegungseinschränkung; die akute Entzündung vor 2-3 Wochen sei nun abgeklungen) beschrieben, ohne dass Einschränkungen im Bereich der Schultern noch Erwähnung fanden.

Soweit der Kläger auf die Feststellungen im Reha-Entlassungsbericht aus dem Jahr 2005 abstellt, ist dieser für die Einschätzung, ob er mit Blick auf den hier streitigen Rentenantrag erwerbsgemindert ist und wegen der nach dem Rentenbezug bis 31.12.2009 erstellten und vorliegenden Gutachten nicht (mehr) streitentscheidend, auch wenn der Kläger geltend macht, dass sich keine Änderung ergeben habe. Insoweit ist weder erforderlich, die Rechtmäßigkeit der Rentengewährung zu prüfen, noch besteht eine Bindung an die Feststellungen, die der damaligen Rentengewährung zu Grunde lagen. Vielmehr ist positiv festzustellen, ob und ggf. seit wann der Kläger ausgehend von seinem Antrag die Tatbestandsvoraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung erfüllt. Einer erneuten Evaluierung seiner Leistungsfähigkeit in einem ähnlichen Rahmen wie im November/Dezember 2007 im RKU U1 durchgeführt konnte der Kläger, wie der Widerruf des bereits geschlossenen Vergleichs belegt, nicht nähertreten. Insoweit verbleiben auch insoweit Zweifel an einer rentenrechtlich relevanten Leistungsminderung.


Schließlich rechtfertigen die Ermittlungen im Berufungsverfahren auch weiterhin nicht die Annahme einer Summierung ungewöhnlicher Einschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungseinschränkung. Das SG ist zu Recht davon ausgegangen, dass sich solche nicht aus den in den Gutachten des J1 und P1 weitestgehend übereinstimmend angegebenen qualitativen Einschränkungen ableiten lässt. Danach kann der Kläger aufgrund der bestehenden Leiden nur noch leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten ausüben. Das Heben von Lasten bis 10 kg ist noch möglich. Gemieden werden müssen Tätigkeiten mit Zwangshaltungen für die Wirbelsäule und die Extremitäten, das Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, das Gehen auf unebenem Boden und das Arbeiten in Nässe und Kälte.
Auch H1 hat bestätigt, dass er keine Gründe feststellen konnte, weshalb dem Kläger nicht eine leichte, überwiegend sitzende Tätigkeit mit der Möglichkeit zu Positionswechseln möglich sein sollte. Die Fähigkeit zu Sitzen ist aufgrund der dargestellten Bewegungsmaße in den Gutachten J1, P1 und zuletzt auch im Gutachten von H1, wonach
die zum Sitzen erforderliche Beugehaltung von 90 Winkelgraden am Hüftgelenk um knapp 10 Grad überschritten wird, nicht grundsätzlich beeinträchtigt. H1 hat insoweit darauf hingewiesen, dass längeres Stehen und Gehen aufgrund der eingeschränkten Streckfähigkeit von Hüft- und Kniegelenk sicherlich reduziert ist und gleiches auch für längeres Sitzen auf konventionellen Stühlen gilt. Soweit er die Möglichkeit einer Entlastung und Linderung von Beschwerden durch den Einsatz eines Arthrodesenstuhles sieht, wird eine solche vom Kläger mit Blick auf die bereits 2007 durchgeführte Rehabilitation im RKU U1, wo ein solcher getestet worden war, verneint. Der Senat vermag eine Erforderlichkeit auch unabhängig hiervon nicht zu erkennen. Denn aus keinem der vorliegenden Gutachten seit 2012 ergibt sich die Notwendigkeit einer solchen Versorgung, was bereits an dem Umstand liegt, dass die Hüftgelenksbeweglichkeit über den 90°-Winkel hinausgeht und damit besser ist als zum Sitzen erforderlich. Der Möglichkeit einseitig einen vorderen Teil der Sitzfläche nach bodenwärts abzusenken (so im Gutachten H1 erläutert), bedarf es daher nicht notwendigerweise.

Unter Berücksichtigung dessen sieht auch der Senat in Übereinstimmung mit J1 keinen Grund, weshalb dem Kläger nicht etwa Tätigkeiten in einem Büro (der Kläger hat eine Lehre zum Bürokaufmann abgeschlossen) zugemutet werden könnten. Insoweit sind auch die nach dem Gutachten von H1 zu vermeidenden Überkopfarbeiten, Tätigkeiten in ständiger hockender, kniender, gebückter oder statisch ungünstiger Körperhaltung und das Vermeiden von häufigem Treppensteigen nicht weiter limitierend. Soweit nach den Gutachten eine ergonomische Ausstattung des Arbeitsplatzes für erforderlich gehalten wird (vgl. etwa J1: höhenverstellbarer Schreibtisch und ergonomischer Arbeitsstuhl), begründen diese keine unüblichen Arbeitsbedingungen. Denn eine derartige Ausstattung zählt in der Arbeitswelt, vor allem – wie den Mitgliedern des Senats aus eigener Anschauung bekannt ist – in der öffentlichen Verwaltung zu der üblichen und für „Büroberufe“ typischen Ausstattung (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.01.1999 - L 18 RJ 105/97 -, juris).

Darüber hinaus hat des SG unter Berücksichtigung der vorliegenden Gutachten die Notwendigkeit betriebsunüblicher Pausen und eine Einschränkung der Wegefähigkeit zu Recht verneint. Anderes ergibt sich auch aus dem Gutachten von H1 nicht, der für beide Aspekte ausdrücklich keine andere Beurteilung abgegeben hat.


Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt das Unterliegen des Klägers auch im Berufungsverfahren.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.



 

Rechtskraft
Aus
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