Behinderte Menschen können für die Wege zwischen Wohnort und Arbeitsstelle vorläufig einen Anspruch auf Gewährung von Fahrdienstleistungen, beispielsweise in Form der Übernahme von Taxikosten haben, solange der Träger der beruflichen Rehabilitation über den Antrag auf Gewährung eines Zuschusses zum Kauf eines Kfz noch nicht rechtskräftig entschieden hat.
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, Leistungen zur Teilhabe nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu erbringen und dem Antragsteller bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens die für die Wege zwischen Wohnort und Arbeitsstelle und zurück notwendigen Fahrdienstleistungen, beispielsweise in Form der Übernahme von Taxikosten, zu erbringen.
Dies gilt, bis die Antragsgegnerin über den Antrag des Antragstellers auf Gewährung von Kraftfahrzeughilfe in Gestalt einer Investitionsbeihilfe zur Anschaffung eines gebrauchten Kfz rechtskräftig entschieden hat und der Antragsteller die in dem entsprechenden Kfz-Hilfebescheid ggfs. ausgewiesenen Leistungen tatsächlich nutzen kann.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers trägt die Antragsgegnerin.
Gründe
I.
Der am 00.00.0000 geborene Antragsteller begehrt die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Gestalt einer Investitionshilfe zur Anschaffung eines Kfz, um die Wege zwischen seinem Wohnort und seiner Arbeitsstelle in B. weiterhin zurücklegen zu können.
Ursprünglich hatte der Antragsteller mit Antrag vom 06.05.2020 die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit beantragt. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 00.00.0000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 00.00.0000 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag wegen der Nichterfüllung der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen ab. Bereits in einem früheren Verfahren sei festgestellt worden, dass der Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung bereits am 31.08.2014 dauerhaft eingetreten sei. Aus den medizinischen Unterlagen insgesamt ergäben sich keine sicheren Anhaltspunkte für einen anderen Leistungsfall oder eine wesentliche Besserung seit der Begutachtung im Mai 2016. Die volle Erwerbsminderung liege somit seit dem 31.08.2014 dauerhaft vor.
Der Antragsteller ist seit dem 01.02.2022 für die Firma Reisedienst H., A.-straße N01 in N02 B. unbefristet, ungekündigt und in Vollzeit als Berufskraftfahrer/Busfahrer beschäftigt. Die Fahrstrecke zwischen seinem Wohnort und der Arbeitsstelle beträgt ca. 8 km.
Der Antragsteller beantragte am 09.03.2023 bei der Antragsgegnerin Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Gestalt von finanzieller Hilfe zu den Anschaffungskosten eines Kraftfahrzeuges (Kfz). Er beabsichtige, einen Gebrauchtwagen, Baujahr 08/2021, Citroen C5 Aircross Hybrid zum Preis von 29.990,-€, Neupreis ca. 39.900,-€, zu erwerben. Er habe noch keinen Kaufvertrag unterschrieben, sondern nur im Internet geschaut und mehrere Angebote herausgesucht.
Er verfüge aktuell über einen PKW Citroen C5, Baujahr 2002 Automatik mit zahlrechen Defekten und Fehlern, Kilometerstand 352.740 km im März 2023. Er könne das Fahrzeug nicht mehr benutzen. Zur Begründung gab er an: „Zu viele Reparaturen, wie z.B. Turbolader keine Leistung, Motorabdichtung, neue Servopumpe der Lenkung, Luftladekühler undicht, Swirldose defekt… u.v.m. Reparaturen wären teurer als der Zeitwert und ohne Garantie, dass nicht noch mehr kaputt geht, habe erst Teilspülung Getriebe machen lassen.“
Dem Antrag fügte er eine Kopie der Zulassungsbescheinigung bei, ebenso eine Bescheinigung seines Arbeitgebers vom 00.00.0000, eine ärztliche Bescheinigung von Dr. R. vom 00.00.0000, die Bescheinigung über die ärztliche Untersuchung (Anlage 6 Nr. 2.1 der Fahrerlaubnis-Verordnung) des Betriebsarztes J. vom 00.00.0000, die erste Seite eines Verkehrspsychologischen Gutachtens des Betriebsarztes J. vom 00.00.0000, Kopien seines Schwerbehindertenausweises (GdB 70, Merkzeichen G), mehrere Angebote für gebrauchte Kfz, Ausdruck der Lohnsteuerbescheinigung für 2022, Lohn-/Gehaltsabrechnungen für die Monate Februar 2022 bis Januar 2023, Kopien von Führerschein und Fahrerkarte, eine Wegbeschreibung für die Fahrtstrecke von zu Hause bis zur Arbeitsstelle (7,8 km, Dauer 11 Minuten), Fahrplanauskünfte für die Wege zwischen Wohnort und Arbeitsstelle. Die Antragsgegnerin forderte den Antragsteller im Verwaltungsverfahren auf, Befundberichte der behandelnden Ärzte vorzulegen. Die Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie, Oberärztin der Klinik für Technische Orthopädie, Hospital zum Heiligen Geist O., teilte dem Antragsteller mit Email vom 00.00.0000 mit, dass sie dem Antragsteller das Formular nicht so einfach ausstellen könne, es bedürfe dahingehend einer ausführlichen Begutachtung, um festzustellen, inwiefern welches Leistungsbild bzgl. einer Erwerbsfähigkeit vorliege. Sie empfehle dem Antragsteller eine neue Begutachtung durch die Rentenversicherung.
Am 30.05.2023 hat der Antragsteller bei dem SG Detmold einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Er begehre die Auszahlung einer Investitionsbeihilfe zur Anschaffung eines gebrauchten Kfz. Er habe die Antragsunterlagen am 09.03.2023 bei der Antragsgegnerin eingereicht und später auch noch einmal per Fax übersandt. Die Antragsgegnerin habe ihm mitgeteilt, dass die Unterlagen beim medizinischen Dienst zur Prüfung und in Bearbeitung seien, danach müsse noch die Rechtsabteilung entscheiden. Seine behandelnde Ärztin habe den von der Antragsgegnerin angeforderten Befundbericht nicht ausstellen wollen. Nun räche sich die Ignoranz der Antragsgegnerin auf seinen Vorschlag auf Begutachtung seiner Leistungsfähigkeit vom 28.01.2021 durch Einholung eines Fachorthopädischen ambulanten klinischen und radiologischen Gutachtens. Es sei ihm nichts anderes übriggeblieben als der Antragsgegnerin zu beweisen, dass er als Busfahrer arbeitsfähig sei. Selbst sein Arbeitgeber mache keine Ansprüche geltend auf Förderung eines schwerbehinderten Mitarbeiters. Sie wüssten, was sie an ihm hätten. So habe er 14 Monate ohne jegliche Einschränkung seinen Dienst als Busfahrer pflichtgemäß erledigt, er sei nicht einen Tag krank gewesen. Im Februar 2023, während seines Resturlaubes aus 2021, habe er eine kosmetische Operation an seinem linken Fuß durchführen lassen, was leider nicht sehr erfolgreich gewesen sei. Im Mai 2023 habe er sich aufgrund starker Knieschmerzen ins Krankenhaus begeben. Es sei eine Kniespiegelung durchgeführt worden, derzeit sei er noch arbeitsunfähig. Millionen von Menschen hätten mit 60 Jahren Arthritis in Knie- und Hüftgelenken. Er sei da kein Einzelfall und das sei auch kein Grund einer Erwerbsunfähigkeit. Er sehe nun die Gefahr, dass die Antragsgegnerin seinen Antrag auf Kfz-Hilfe ablehnen werde. Sie habe sich in der Vergangenheit schon geweigert, ein Gutachten machen zu lassen. Er sei täglich mit dem Problem konfrontiert, dass er nicht wisse, wie lange das alte Auto noch durchhalte. Immer wieder träten neue Probleme auf. Zuletzt habe er die Lichtmaschine austauschen und eine neue Batterie kaufen müssen. Dauernd käme die Meldung Anomalie Abgasreinigung und das Kfz gehe in Notlaufeigenschaft. Überholvorgänge seien mangels Leistung nicht mehr möglich. Zudem verliere das Auto Öl, was bei der Laufleistung verständlich sei. Er verweise auf die Auflistung der Fehlermeldungen durch das Diagnosegerät der Firma C.. Er habe drei kleine Kinder im Alter von 7, 6 und 2 Jahren, sie seien auf das Auto angewiesen. Wenn die Antragsgegnerin ein Gutachten in Auftrag geben sollte, würde dies zu lange dauern.
Mit Schriftsatz vom 30.01.2024 hat der der Antragsteller seinen Antrag dahingehend konkretisiert, dass er die Investitionshilfe zur Anschaffung eines neuen Kraftfahrzeuges Dacia Jogger Expression HYBRID 140 7-Sitzer Benzin + Elektrisch/Full Hybrid Multi Mode Auto-
matikgetriebe begehre. Er werde am rechten Knie operiert, der OP-Termin sei verschoben worden auf den 00.00.0000. Das sei für das Busfahren aber unbeachtlich, es habe sich alles sehr gebessert.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Leistungen zur Teilhabe zu erbringen und ihm einen Zuschuss in Höhe von 22.000,00 € zum Kauf eines neuen Kfz zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt schriftsätzlich,
den Antrag abzulehnen.
Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung lägen nicht vor. Am 31.05.2023 sei ein Auftrag zur Erstellung eines sozialmedizinischen Gutachtens an die ärztliche Begutachtungsstelle in U. erteilt worden. Es lägen keine aktuellen medizinischen Unterlagen des Antragstellers vor. Zur Beurteilung der Frage, ob ein Anspruch auf Kfz-Hilfe vorliegen könne und zur Beurteilung der Frage, ob öffentliche Verkehrsmittel genutzt und die maßgebenden Fußwege zurückgelegt werden könnten, seien medizinische Ermittlungen notwendig. Es bestehe kein Anlass, den Ermittlungen im Antragsverfahren vorzugreifen. Der seitens des Antragstellers behauptete Anspruch auf die beantragte Leistung könne ohne aktuelle medizinische Unteralgen nicht geprüft werden. Mit Schriftsatz vom 15.09.2023 hat die Antragsgegnerin das Gutachten der Fachärztin für Physikalische und Rehabilitative Medizin vom 11.08.2023 Dr. Y. und die sozialmedizinische Stellungnahme von Frau I., Ärztin für Psychiatrie, Sozialmedizin vom 00.00.0000 vorgelegt. Dr. Y. hat folgende Diagnosen gestellt: Schmerzhafte Beweglichkeit des rechten Kniegelenkes mit ausgeprägtem Streck- und Beugedefizit bei ges. Kniegelenkverschleiß und Zustand nach Kniegelenkspiegelung im Mai 2023 bei Gonarthritis, fortgeschrittener Kniegelenkverschleiß links, derzeit ohne Beschwerden, Gehbeschwerden bei chronischer Fußentzündung links bei Zustand nach Osteomyelitis mit Ulcus und mehrfachen Wundrevisionen am linken Fuß zuletzt am 00.00.0000, noch offene Wunde; Zustandsbefund nach Sprunggelenkversteifung links nach Motorradunfall mit Polytrauma, Diabetes mellitus Typ II mit neuropathischem Fußsyndrom. Dem Antragsteller seien prinzipiell auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt körperlich leichte Tätigkeiten in Früh-, Spätschicht, überwiegend im Stehen, überwiegend im Gehen und überwiegend im Sitzen sechs Stunden und mehr täglich zuzutrauen. Dabei sollten Heben und Tragen von schweren Lasten, Tätigkeiten die eine Zwangshaltung der Wirbelsäule erfordern, Tätigkeiten in häufig gebückter Haltung, Klettern auf Gerüsten und Leitern, Gehen auf unebener Erde, zu vermeiden.
Frau I. hat in ihrer Stellungnahme ausgeführt, dass dem Gutachten in der Feststellung gefolgt werden könne, dass am allgemeinen Arbeitsmarkt ein Leistungsvermögen über 6 Stunden täglich bestehe, der Antragsteller aktuell keine langen Strecken zu Fuß zurücklegen könne und deswegen die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel erschwert sei. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben würden empfohlen. Das Gutachten beinhalte keine Stellungnahme zum Leistungsvermögen für die letzte berufliche Tätigkeit als Busfahrer. Eine Bewertung des Leistungsvermögens für die Tätigkeit Busfahrer würde die Bewertung der Fahreignung beinhalten. Das sei gemäß Begutachtungsrichtlinien zur Kraftfahreignung Stand 01.06.2022 durch Begutachtung allein nicht möglich. Der Anhang B beschäftige sich mit Bewegungseinschränkungen und ihrer Kompensation. Dabei werde in bestimmten Konstellationen, die auch für den Antragsteller zutreffen könnten, immer wieder ein Fahrprobe mit amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfer für den Kraftfahrzeugverkehr besonders für das Führen von Kfz über 3,5 Tonnen empfohlen. Entsprechend enthalte ihre Stellungnahme keine Beurteilung der Eignung für die letzte berufliche Tätigkeit.
Die Antragsgegnerin vertritt die Auffassung, dass noch zu klären sei, ob der Antragsteller seinen ausgeübten Beruf als Busfahrer auf Dauer weiterhin ausüben kann. Sie habe Kontakt mit dem TÜV Nord U. aufgenommen. Dieser könne ein verkehrsmedizinisches Gutachten zu der Fragestellung „Besteht trotz der gegebenen gesundheitlichen Einschränkungen die Fahreignung für die Berufsausübung als Busfahrer?“ erstellen. Es sei jedoch die Einverständniserklärung des Antragstellers einzuholen, ob er mit der Weitergabe seiner persönlichen Daten (insbesondere seiner Diagnosen) an den TÜV Nord U. einverstanden sei.
Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 24.09.2023 mitgeteilt, mit der Einholung eines Gutachtens durch den TÜV Nord U. nicht einverstanden zu sein. Dem Straßenverkehrsamt lägen alle Gutachten seines Krankheitsbildes vor. Es bedürfe keines weiteren Gutachtens seiner Fahrtüchtigkeit. Die ärztliche Überprüfung stehe im November 2024 ohnehin an. Es bedürfe keiner Klärung, inwieweit er seinen Beruf als Busfahrer weiterhin ausüben könne. Kein Mensch könne sagen, wie lange ein anderer Mensch seinen Beruf ausüben könne. Das könne nur die Person allein entscheiden, wie lange er seinen Beruf ausüben will. Und sollte er wirklich nicht die nächsten 10 Jahre den Beruf des Busfahrers ausüben, könne er immer noch eine Tätigkeit im Büro ausüben. Ab März 2024 werde er im rechten Bein voraussichtlich über ein künstliches Kniegelenk verfügen. Den Beruf könne er ja sogar mit kaputtem Kniegelenk ausüben. Beim Busfahren träten keine Schmerzen auf. Die Antragsgegnerin stehe seit dem 00.00.0000 in der Verpflichtung ihm umgehend einen positiven Bescheid über die Kfz-Hilfe zu gewähren.
Die Antragsgegnerin vertritt die Auffassung, dass weiterhin zu prüfen sei, ob die Tätigkeit als Busfahrer noch leidensgerecht ist.
Das Gericht hat eine Arbeitgeberauskunft der Firma G. H. Taxi & Omnibus eingeholt. Nach Hinweis des Gerichts darauf, dass die Gültigkeit der Bescheinigung des Betriebsarztes J. bereits im Jahr 2021 abgelaufen sei, hat der Antragsteller die ärztliche Bescheinigung des Betriebsarztes Dr. T. über die am 13.12.2023 durchgeführte Untersuchung vorgelegt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten der Antragsgegnerin, auch aus dem vorangegangenen Rentenverfahren, Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der Antragsteller kann Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form der Gewährung von Fahrdienstleistungen, z.B. durch Übernahme von Taxikosten für die Fahrten zur Abeitsstelle und zurück, bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens beanspruchen.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch (SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn solche Regelungen zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheinen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruches, d. h. des materiellen Anspruches für den vorläufigen Rechtsschutz gewährt werden soll, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d. h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten.
Die Tatsachen, die dem Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch begründen sollen, sind darzulegen und glaubhaft zu machen, § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO).
Entscheidungen dürfen grundsätzlich sowohl auf eine Folgenabwägung als auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Drohen ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dürfen sich die Gerichte an den Erfolgsaussichten nur orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so hat es anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Je größer die Erfolgschancen in der Sache einzuschätzen sind, desto eher ist es einem Antragsteller nicht zuzumuten, auf die Entscheidung in der Hauptsache verwiesen zu werden (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 04.09.2019, Az. L 1 KR 238/19 B ER). Grundsätzlich darf dabei die Hauptsache nicht vorweggenommen werden. Ausnahmsweise kann, wenn die Entscheidung in der Hauptsache mit hoher Wahrscheinlichkeit zu spät kommen und damit effektiver Rechtsschutz verweigert würde und dies für den Antragsteller unzumutbar wäre, im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vorläufig das gewährt werden, was in der Hauptsache begehrt wird. Ein Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach den §§ 49 ff. SGB IX (…) kann unter engen Voraussetzungen im Wege der einstweiligen Anordnung auch dann durchgesetzt werden, wenn noch ein Ermessensspielraum der (…) Verwaltung besteht. Es muss eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass eine erneute Ermessensbetätigung zu Gunsten des Antragstellers ausgeht, was insbesondere bei einem intendierten Ermessen der Fall ist. Das Verbot der Hauptsache steht dem nicht entgegen (Luik in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl., § 49 SGB IX, Stand:17.06.2020, Rn. 297).
Eine positive Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren befreit den Antragsteller nicht vom Kostenrisiko im Falle des Unterliegens im Hauptsacheverfahren. Insoweit kommt eine Erstattung der erbrachten Sachleistungen in Geld nach § 50 Abs. 2 i.V.m. § 50 Abs. 1 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und/oder ein Schadenersatzanspruch nach § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 945 ZPO in Betracht. Daran ändert auch eine Vorwegnahme der Hauptsache durch eine im einstweiligen Rechtsschutz-Verfahren ausgesprochene Verpflichtung der Verwaltung zur Erbringung der Sachleistung nichts, da
dies auch für die Vergangenheit korrigierbar ist (Luik in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl., § 49 SGB IX, Stand:17.06.2020, Rn. 298).
Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen im Falle des Antragstellers in dem tenorierten Umfang vor. Er hat sowohl das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs als auch eines Anordnungsgrundes glaubhaft gemacht. Der Antragsteller ist nach Auswertung der vorliegenden medizinischen Unterlagen in der Lage, körperlich leichte Arbeiten unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes auszuüben. Hingegen vermag er mit den bei ihm vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht, weitere Strecken zu Fuß zurückzulegen, die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel ist ihm nur erschwert möglich. Ob er seine bisherige Tätigkeit als Busfahrer auch zukünftig dauerhaft ausüben kann, ist jedoch unklar.
Nach der Kraftfahrzeughilfeverordnung (KfzHV) sind Leistungen zu gewähren, wenn neben den persönlichen Voraussetzungen, den allgemeinen Leistungsvoraussetzungen des § 10 SGB VI auch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gemäß § 11 SGB VI vorliegen, gemäß § 12 SGB VI kein Leistungsausschluss besteht und die in der KfzHV genannten zusätzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
Die Träger der Rentenversicherung erbringen gemäß § 9 Abs.1 Satz 1 SGB VI Leistungen zur Prävention, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, Leistungen zur Nachsorge sowie ergänzende Leistungen, um den Auswirkungen einer Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit der Versicherten vorzubeugen, entgegenzuwirken oder sie zu überwinden und dadurch Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder sie möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wiedereinzugliedern. Die Leistungen nach § 9 Abs. 1 SGB VI sind zu erbringen, wenn die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind, § 9 Abs. 2 SGB VI.
Für Leistungen zur Teilhabe haben Versicherte gemäß § 10 Abs.1 SGB VI die persönlichen Voraussetzungen erfüllt, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist und bei denen voraussichtlich bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben abgewendet werden kann, bei geminderter Erwerbsfähigkeit diese durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann, bei teilweiser Erwerbsminderung ohne Aussicht auf eine wesentliche Besserung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben der bisherige Arbeitsplatz erhalten werden kann oder ein anderer in Aussicht stehender Arbeitsplatz erlangt werden kann, wenn die Erhaltung des bisherigen Arbeitsplatzes nach Feststellung des Trägers der Rentenversicherung nicht möglich ist.
Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für Leistungen zur Teilhabe sind bei Versicherten erfüllt, die bei Antragstellung die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt haben oder eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit beziehen, § 11 Abs.1 SGB VI. Liegen die versicherungsrechtlichen und persönlichen Voraussetzungen vor, erbringen die Rentenversicherungsträger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gemäß § N01 SGB VI.
Nach der gebotenen summarischen Prüfung sind diese Voraussetzungen vorliegend erfüllt. Die Zuständigkeit der Antragsgegnerin als Trägerin der begehrten Leistung ergibt sich aus §§ 9, N01 Abs.1 Nr.1 SGB VI. Gemäß § N01 Abs.1 Nr.1 SGB VI umfassen die berufsfördernden Leistungen zur Rehabilitation insbesondere Leistungen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes. Hierzu gehört auch die Gewährung von Kraftfahrzeughilfe.
Die Kraftfahrzeughilfe umfasst nach § 2 Abs.1 KfzHV Leistungen zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs, für eine behinderungsbedingte Zusatzausstattung und zur Erlangung einer Fahrerlaubnis. Die Leistungen werden entweder als Zuschüsse und nach Maßgabe des § 9 KfzHV als Darlehen erbracht, § 2 Abs. 2 KfzHV. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 Nr. 2 KfzHV kann auch abweichend von § 2 Abs. 1, §§ 6 und 8 Abs. 1 KfzHV ein Zuschuss für die Beförderung des behinderten Menschen, insbesondere durch Beförderungsdienste, geleistet werden, wenn die Übernahme der Beförderungskosten anstelle von Kraftfahrzeughilfen wirtschaftlicher und für den behinderten Menschen zumutbar ist, soweit dies zur Aufnahme oder Fortsetzung einer beruflichen Tätigkeit unumgänglich ist.
Voraussetzung ist, dass der behinderte Mensch infolge seiner Behinderung nicht nur vorübergehend auf die Benutzung eines Kraftfahrzeugs angewiesen ist, um seinen Arbeits- oder Ausbildungsort oder den Ort einer sonstigen Leistung der beruflichen Bildung zu erreichen, und der behinderte Mensch ein Kraftfahrzeug führen kann oder gewährleistet ist, dass
ein Dritter das Kraftfahrzeug für ihn führt, § 3 Abs.1 KfzHV. Ist der behinderte Mensch zur Berufsausübung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses nicht nur vorübergehend auf ein Kraftfahrzeug angewiesen, wird Kraftfahrzeughilfe geleistet, wenn infolge seiner Behinderung nur auf diese Weise die Teilhabe am Arbeitsleben dauerhaft gesichert werden kann und die Übernahme der Kosten durch den Arbeitgeber nicht üblich oder nicht zumutbar ist, § 3 Abs.3 KfzHV.
Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs können behinderte Menschen gemäß § 4 Abs.1 KfzHV dann beanspruchen, wenn sie nicht über ein Kraftfahrzeug verfügen, das die Voraussetzungen nach § 4 Abs.2 KfzHV erfüllt und dessen weitere Benutzung ihm zumutbar ist. Gemäß § 4 Abs.2 KfzHV muss das Kraftfahrzeug nach Größe und Ausstattung den Anforderungen entsprechen, die sich im Einzelfall aus der Behinderung ergeben und, soweit erforderlich, eine behinderungsbedingte Zusatzausstattung ohne unverhältnismäßigen Mehraufwand ermöglichen.
Ausgehend hiervon könnte der Antragsteller zwar grundsätzlich Anspruch auf Gewährung eines Zuschusses zum Erwerb eines Kfz haben. Der Antragsteller erfüllt nach summarischer Prüfung die versicherungsrechtlichen und persönlichen Voraussetzungen gemäß §§ 10, 11 SGB VI. Auch die persönlichen Voraussetzungen nach §3 Abs.1 und § 4 KfzHV sind nach summarischer Prüfung dem Grunde nach erfüllt. Der Antragsteller ist durch die bei ihm vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen in seiner Geh- und Wegefähigkeit eingeschränkt. Seinen Arbeitsplatz kann er weder zu Fuß noch mit öffentlichen Verkehrsmitteln zumutbar erreichen. Derzeit verfügt er noch über einen PKW, wie lange dieser weiterhin verwendet werden kann, ist im Hinblick auf das Alter und die von dem Antragsteller dargelegte und glaubhaft gemachte Reparaturanfälligkeit ungewiss. Auch hat der Antragsteller glaubhaft gemacht, dass er mit dem ihm zur Verfügung stehenden Einkommen und Vermögen nicht über finanzielle Mittel zur Anschaffung eines Kfz verfügt. Die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Zahlung des begehrten Zuschusses im einstweiligen Rechtsschutzverwahren würde die Vorwegnahme der Hauptsache bedeuten.
Allerdings steht nach Auswertung der bisher vorliegenden medizinischen Unterlagen und nach summarischer Prüfung gerade nicht fest, dass die Teilhabe des Antragstellers am Arbeitsleben nur auf diese Weise (also durch die begehrte Investitionsbeihilfe zu Kauf eines Kfz) dauerhaft gesichert werden kann. Der Antragsteller hat vorgetragen, dass er sich in Kürze einer Operation des rechten Knies unterziehen müsse, diese solle nunmehr am 00.00.0000 stattfinden. Der Einschätzung des Antragstellers, dass es für die Tätigkeit als Busfahrer egal sei, ob das Knie operiert werde oder nicht, vermag sich das Gericht nicht anzuschließen. Vielmehr geht das Gericht davon aus, dass derzeit unklar ist, ob der Antragsteller die Tätigkeit als Busfahrer auch nach der anstehenden Operation weiterhin und auf Dauer ausüben kann und ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Kfz-Hilfe in Gestalt eines Zuschusses zum Erwerb eines Kfz vor diesem Hintergrund erfüllt sind. Denn zumindest die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der dauerhaften Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben ist fraglich. Aus Sicht des Gerichts ist offen, ob der Antragsteller mit den bei ihm vorliegenden gesundheitlichen Einschränkungen über die Fahreignung für die Berufsausübung als Busfahrer verfügt. Aufschluss hierüber könnte, wie von der Antragstellerin im Verwaltungsverfahren vorgeschlagen, ein entsprechendes Sachverständigengutachten zur Fahreignung erbringen.
Die Übernahme von Beförderungskosten bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung der Antragsgegnerin über den Antrag auf Kfz-Hilfe in Gestalt eines Investitionszuschusses ist aus Sicht des Gerichts gegenüber der (vorläufigen) Gewährung des begehrten Zuschusses in Höhe von 22.000,-€ auch wirtschaftlicher. Es ist dem Antragsteller zudem zumutbar, zumindest bis zum Vorliegen der rechtskräftigen Entscheidung, die Fahrten zur Arbeit mit einem Fahrdienst oder durch Nutzung eines Taxis zu bewerkstelligen. Dies schützt den Antragsteller zudem vor ggfs. entstehenden Erstattungs- oder Schadenersatzansprüchen der Antragsgegnerin. Auf die obigen Ausführungen zu dem gemäß § 50 Abs. 2 i.V.m. § 50 Abs. 1 Satz 2 SGB X und § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 945 ZPO bestehenden Kostenrisiko wird insoweit Bezug genommen.
Die Antragsgegnerin kann durch die Zurverfügungstellung notwendiger Fahrdienstleistungen oder durch die Erstattung von Kosten für Fahrdienste sicherstellen, dass der Antragsteller seinen Arbeitsplatz uneingeschränkt erreichen und verlassen kann. Im Hauptsacheverfahren wird zu klären sein, ob nur durch den Zuschuss zum Erwerb eines Kfz die Teilhabe des Antragstellers am Arbeitsleben dauerhaft gesichert werden kann.
Im Rahmen der erforderlichen Folgenabwägung bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens und im Eilverfahren nicht möglicher abschließender Sachverhaltsaufklärung ist zu Gunsten des Antragstellers zu berücksichtigen, dass er Sicherheit und Klarheit darüber haben muss, dass und wie er seine Arbeitsstelle aufsuchen und verlassen kann, auch wenn sein derzeitiger PKW nicht mehr einsatzfähig ist. Nicht berücksichtigt werden kann jedoch das (darüberhinausgehende) private Interesse des Antragstellers an einem PKW. Der Antragsteller verweist darauf, dass die fünfköpfige Familie auf einen PKW angewiesen sei. Dies fällt jedoch nicht in den Aufgabenbereich der Antragsgegnerin, wenn schon die Antragsgegnerin im Rahmen der ausstehenden Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen haben wird, dass ein entsprechendes Kfz geeignet sein muss, um die fünfköpfige Familie des Antragstellers transportieren zu können.
Nach der vorzunehmenden Interessenabwägung stehen dem Interesse des Antragstellers an der Gewährung eines Zuschusses für den Erwerb eines Kfz die Interessen der Antragsgegnerin und der Versichertengemeinschaft an der Vermeidung möglicherweise ungerechtfertigter Leistungen gegenüber. Den Interessen des Antragstellers an der Erreichbarkeit der Arbeitsstelle wird durch die Gewährung der Fahrdienstleistungen bzw. Kostenerstattung für Fahrten bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens Rechnung getragen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in analoger Anwendung. Das Unterliegen des Antragstellers im Hinblick darauf, dass Leistungen nur bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens in Form von Fahrdienstleistungen bzw. im Wege der Kostenerstattung für Transportkosten zu erbringen sind, rechtfertigt nicht, ihn mit Kosten zu belasten.