1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen eine Erstattungsforderung des Beklagten in Höhe von insgesamt 4.061,16 € und die Aufrechnung dieser Forderung in Höhe von monatlich jeweils 133,80 € mit den dem Kläger zustehenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ab dem 01.06.2021.
Der im Jahr 1986 geborene Kläger bezieht beim Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Der Kläger ist wohnhaft unter der Anschrift A-Straße, A-Stadt. Im Zeitraum vom 01.02.2020 bis zum 01.09.2020 betrugen die Wohnkosten für diese Wohnung insgesamt 444,45 €, bestehend aus der Grundmiete in Höhe von 295,45 €, einer Vorauszahlung für Heizkosten in Höhe von 72,00 € und einer Vorauszahlung für Nebenkosten in Höhe von 77,00 €. Ab September 2020 erhöhte sich die zu zahlende Grundmiete auf 310,29 €. Ab November 2020 reduzierte sich der zu zahlende Heizkostenabschlag auf 75,00 €.
Seit Oktober 2020 erzielt der Kläger ein Einkommen aus einer Beschäftigung bei E. GmbH in Höhe von 100,00 € monatlich, welches zum Ende des laufenden Monats ausgezahlt wird. Der Kläger leidet u.a. an einer Polyneuropathie, die linksseitige neuropathische Schmerzen und eine Fußheberparese links verursacht. Mit Bescheiden vom 01.11.2011 und vom 21.02.2013 stellte das Hessische Amt für Versorgung und Soziales Darmstadt fest, dass beim Kläger ein Grad der Behinderung in Höhe von 100 bestehe, er die Voraussetzungen bezüglich der Erteilung des Merkzeichens „RF“ erfülle, die Voraussetzungen für die Erteilung des Merkzeichens „G“ hingegen nicht vorlägen. Am 10.09.2020 erwarb der Kläger einen Scooter der Firma Sym, Typ Mask 50 zum Preis von 1.467,24 €, für diesen erwarb der Kläger Zubehör und schloss einen Ausbildungsvertrag zum Erwerb eines KFZ-Führerscheins ab.
Auf den Weiterbewilligungsantrag des Klägers vom 21.11.2019 gewährte der Beklagte dem Kläger unter dem 25.11.20219 Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.01.2020 bis zum 31.12.2020 in Höhe von monatlich insgesamt 876,45 €. Hierbei berücksichtigte der Beklagte Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich jeweils insgesamt 444,45 € und Leistungen für den Regelbedarf in Höhe von monatlich jeweils 432,00 €. Mit Änderungsbescheid vom 04.06.2020 gewährte der Beklagte dem Kläger aufgrund der Berücksichtigung des Guthabens aus der Betriebskostenabrechnung 2019 in Höhe von 16,56 € für den Zeitraum vom 01.07.2020 bis zum 31.07.2020 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich insgesamt 859,89 €. Unter dem 02.07.2020 erließ der Beklagte unter Berücksichtigung der ab 01.09.2020 erhöhten Grundmiete einen Änderungsbescheid mit dem er dem Kläger für den Zeitraum vom 01.09.2020 bis zum 31.12.2020 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich insgesamt 891,29 € gewährte. Mit weiterem Änderungsbescheid vom 27.10.2020 gewährte der Beklagte dem Kläger wegen der Änderung des Heizkostenabschlags und der Berücksichtigung des Guthabens aus der Heizkostenabrechnung vom 26.10.2020 in Höhe von 18,29 € für den Zeitraum vom 01.11.2020 bis zum 30.11.2020 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 894,29 € und im Zeitraum vom 01.12.2020 bis zum 31.12.2020 in Höhe von 876,00 €.
Auf den Weiterbewilligungsantrag des Klägers vom 13.11.2020 gewährte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 04.12.2020 für den Zeitraum vom 01.01.2021 bis zum 30.06.2021 vorläufig Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich insgesamt 908,29 €. Hierbei berücksichtigte er Leistungen für die Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich insgesamt 462,29 € und Leistungen für den Regelbedarf in Höhe von monatlich 446,00 €. Hierauf rechnete er ein Einkommen des Klägers in Höhe von 00,00 € an.
In der Folge legte der Kläger dem Beklagten Kontoauszüge seines Kontos bei der Volksbank A-Stadt und seines Paypal Kontos für das Jahr 2020 vor.
Aus den Kontoauszügen waren folgende Gutschriften ersichtlich: Für Juli 2020: Paypal 311,80 €, Respondi 20,00 €; für August 2020: Paypal 130,82 €, GapFish 15,50 €; für September 2020: Paypal 23,78 €, Bilendi 15,00 €, Norstat 20,00 €, Respondi 20,00 €, B. C. 2000,00 €; für Oktober 2020: Paypal 167,28 €, Bilendi 17,40 €, GapFish 10,00 €. Sodann forderte der Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 27.11.2020 dazu auf, zu den aus den Kontoauszügen ersichtlichen Gutschriften Stellung zu nehmen. Mit E-Mail vom 03.12.2020 führte der Kläger aus, dass es sich bei der Gutschrift in Höhe von 311,80 € und in Höhe von 130,82 € um Zuwendungen von seiner Mutter, Frau B. C., für Zubehör für den Motorroller handele. Bei dem Betrag in Höhe von 2.000,00 € handele es sich ebenfalls um eine Zuwendung seiner Mutter für den Kauf eines Motorollers. Der Betrag in Höhe von 167,28 € habe ihm ebenfalls seine Mutter zugewandt, damit er die Inspektionskosten für den Motorroller habe zahlen können. Bei den Gutschriften von Respondi, GapFish, Bilendi und Norstat handele es sich um eine Zeitaufwandsentschädigung, die der Kläger in unregelmäßigen Abständen für das Ausfüllen von Online-Umfragen erhalte.
Mit weiterem Schreiben vom 08.03.2021 forderte der Beklagte den Kläger dazu auf zu folgenden Kontovorgängen auf dem Bankkonto bei der Volksbank A-Stadt Stellung zu nehmen: 250,00 € PayPal Gutschrift am 28.07.2020, 29,70 € PayPal Gutschrift am 30.07.2020, 158,40 € PayPal Gutschrift am 21.10.2020, 400,00 € PayPal Gutschrift am 21.02.2020 und 120,00 € PayPal Gutschrift am 05.03.2020. Hierzu erläuterte der Kläger mit E-Mail vom 13.03.2021, dass es sich bei den Gutschriften in Höhe von 250,00 €, von 158,40 € und von 400,00 € um Zuwendungen seiner Mutter für die Finanzierung des Führerscheins und der Inspektionskosten für den Motoroller handele. Bei den Beträgen in Höhe von 120,00 € und 29,70 € habe er für seine Mutter eine Ware bestellt, weshalb sie ihm dieses Geld zurücküberwiesen habe.
Mit Schreiben vom 22.03.2021 hörte der Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Leistungsaufhebung wegen Erzielung von Einkommens für den Zeitraum vom 01.02.2020 bis zum 28.02.2021 an.
Der Kläger gab daraufhin an, dass gegen eine Anrechnung der Einnahmen als Einkommen spräche, dass er schwerbehindert und langzeitarbeitslos sei. Er könne wegen der Beeinträchtigung seines linken Fußes kein Fahrrad fahren und wegen der bestehenden Polyneuropathie nichts Schweres Heben. Er habe die Geldschenkungen seiner Mutter für den Kauf des Scooters Marke SYM, Typ Mask 50 und Kosten für Inspektion, Sprit, Zubehör und die für den Führerschein angefallenen Kosten ausgegeben. Die Geldeingänge der Umfragen habe er für die Bezahlung der Zinsaufwendungen für Banken ausgegeben.
Unter dem 01.04.2021 erließ der Beklagte einen Bescheid, mit dem er die Leistungsbewilligung für den Zeitraum vom 01.02.2020 bis zum 28.02.2021 teilweise aufhob und gegen den Kläger einen Erstattungsbetrag in Höhe von insgesamt 4.061,16 € festsetzte. Der Beklagte erklärte im Bescheid vom 01.04.2021 zudem die Aufrechnung der dem Kläger zustehenden Leistungen nach dem SGB II mit diesem Erstattungsbetrag in Höhe von monatlich 133,80 € ab 01.06.2021. Er begründete seine Entscheidung damit, dass die Schenkung der Mutter des Klägers in Höhe von 2.000,00 € als einmalige Einnahme über den Zeitraum vom 01.09.2020 bis zum 28.02.2021 in Höhe von monatlich 333,33 € als Einkommen auf den Leistungsanspruch des Klägers anzurechnen sei. Des Weiteren seien im Zeitraum vom 01.02.2020 bis zum 31.12.2020 einmalige Einnahmen der Mutter, Bareinzahlungen und Überweisungen von Umfragefirmen in Höhe von insgesamt 2.061,16 € als Einkommen auf den Leistungsanspruch des Klägers anzurechnen. Der Bescheid enthielt die folgende Rechtsbehelfsbelehrung: „Gegen diesen Bescheid kann jeder Betroffene oder ein von diesem bevollmächtigter Dritter innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch erheben. Für Minderjährige oder nicht geschäftsfähige Personen handelt deren gesetzlicher Vertreter. Der Widerspruch ist schriftlich oder zur Niederschrift bei der im Briefkopf genannten Stelle einzulegen. Soweit der Widerspruch durch eine/n bevollmächtigte/n Rechtsanwältin/Rechtsanwalt eingelegt wird, kann diese/r zur wirksamen Ersetzung der Schriftform den Widerspruch als elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist, auch über das besondere Anwaltspostfach (beA), übermitteln“.
Der Kläger erhob gegen den Bescheid vom 01.04.2021 mit E-Mail vom 01.06.2021 Widerspruch unter der Begründung, dass die Geldbeträge, die ihm von seiner Mutter zugewendet worden seien, nicht zur Finanzierung seines Lebensunterhaltes zur Verfügung gestanden hätten, sondern der Finanzierung seines Motorollers und seines Führerscheins dienen sollten. Er führte aus, davon ausgegangen zu sein, dass seine Antwort auf das Anhörungsschreiben bereits einen Widerspruch dargestellt habe. Der Beklagte verwarf den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 02.06.2021 als unzulässig, da der Widerspruch nicht fristgerecht erhoben worden sei.
Mit E-Mail vom 09.06.2021 stellte der Kläger einen Antrag auf Überprüfung des Bescheids vom 01.04.2021. Mit Bescheid vom 01.12.2021 entschied der Beklagte, dass der Bescheid vom 01.04.2021 unverändert bleibe. Er begründete seine Entscheidung damit, dass der dem Kläger geschenkte Motoroller mit einem Verkehrswert von 2.000,00 € keine zweckbestimmte Einnahme sei und daher als Einkommen auf die Leistungsberechnung anzurechnen sei. Der Motoroller werde überwiegend privat genutzt. Bei den wöchentlichen Fahrten zu seinem Arbeitgeber sei es dem Kläger zuzumuten, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Des Weiteren stelle sich die Frage, ob der Kläger aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen fahr- und verkehrstüchtig für das Führen eines Motorollers sei. Hiergegen erhob der Kläger mit E-Mail vom 10.12.2021 Widerspruch. Mit Schreiben vom 15.12.2021 bat der Beklagte den Kläger darum, den Widerspruch bis zum 04.01.2022 in der erforderlichen Form nachzureichen. Am 30.12.2021 übersandte der Kläger dem Beklagte erneut eine E-Mail, welcher ein Anhang beigefügt war, der eine eingescannte Unterschrift enthielt. Den Widerspruch vom 10.12.2021 verwarf der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.02.2022 als unzulässig. Die E-Mail, welche einen Anhang mit einer eingescannten Unterschrift des Klägers beinhalte stelle keinen formgerechten Widerspruch dar. Die Schriftform werde durch eine einfache E-Mail nicht gewahrt. Die elektronische Einlegung des Widerspruchs erfordere entweder eine qualifizierte elektronische Signatur oder die Nutzung einer der in § 36a Abs. 2 S. 4 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) genannten ersetzenden Möglichkeiten.
Bei der Übermittlung einer E-Mail angehängten PDF-Datei entstehe nicht unmittelbar allein auf Veranlassung des Absenders beim Empfänger eine körperliche Urkunde. Erfolge kein Ausdruck der Datei, entstehe zu keiner Zeit eine körperliche Urkunde beim Empfänger.
Der Kläger hat am 09.03.2022 beim Sozialgericht Darmstadt „Widerspruch gegen den Widerspruchsbescheid vom 17.02.2022“ erhoben, welchen die Kammer als Klage gegen den Überprüfungsbescheid des Beklagten vom 01.12.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.02.2022 ausgelegt hat. Dieses Verfahren wurde beim Sozialgericht Darmstadt unter dem Aktenzeichen S 1 AS 174/22 geführt. Der Kläger begehrt eine erneute Gewährung einer Widerspruchsfrist. Zuvor habe er den Widerspruch nicht formgerecht erheben können, da er nicht wisse, was eine qualifizierte elektronische Signatur sei. Auch habe er bereits zuvor beim Beklagten Widersprüche per E-Mail mit PDF-Anhang erhoben, welche vom Beklagten nicht beanstandet worden seien. Die Information, dass der Widerspruch vom 30.12.2021 ebenfalls unzulässig sei, habe er erst in der Begründung des Widerspruchsbescheids erhalten. Das Schreiben des Klägers vom 03.03.2022 legte der Beklagte als erneuten Widerspruch gegen den Bescheid vom 17.02.2022 aus, welchen er mit Bescheid vom 23.03.2022 als unzulässig verwarf und zur Begründung ausführte, dass das Vorverfahren durch Erlass des Widerspruchsbescheids vom 17.02.2022 beendet worden sei.
Mit Bescheid vom 06.07.2021 gewährte der Beklagte dem Kläger vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.07.2021 bis zum 30.09.2021 in Höhe von monatlich insgesamt 908,29 € und vom 01.10.2021 bis zum 31.12.2021 in Höhe von monatlich insgesamt 833,29 €. Auf dem Bescheid war ausgewiesen, dass ein Betrag in Höhe von 133,80 € vom Beklagten einbehalten werde. Gegen den Bescheid vom 06.07.2021 erhob der Kläger unter dem 08.07.2021 Widerspruch. Der Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 04.08.2021 zurück. Der Bescheid vom 06.07.2021 sei rechtlich nicht zu beanstanden. Hinsichtlich der weiteren Begründung des Beklagten wird auf den Inhalt des Widerspruchsbescheids vom 04.08.2021 Bezug genommen.
Der Kläger hat am 26.08.2021 unter Bezugnahme auf den Bescheid vom 06.07.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.08.2021 Klage beim Sozialgericht Darmstadt erhoben. Er ist der Auffassung, dass die Geldgeschenke seiner Mutter auf seinen Leistungsanspruch nicht angerechnet werden dürften. Denn seine Mutter habe ihm dieses Geld nur unter der Bedingung geschenkt, dass er sich damit einen Motoroller kaufe und seinen KFZ-Führerschein damit finanziere. Es sei für ihn unzumutbar, den Motoroller wieder zu verkaufen, da er auf den Motoroller angewiesen sei, um seine Einkäufe erledigen zu können. Seine Mutter, die selbst auch keine vermögende Person sei, könne ihm nicht den Lebensunterhalt finanzieren. Er begehrt die Nachzahlung der ab Juni 2021 vom Beklagten gekürzten Leistungen. Der Kläger fügte seinem Klageschriftsatz den Bescheid des Beklagten über die Aufhebung, Erstattung und Aufrechnung von Leistungen vom 01.04.2021 bei.
Mit Beschluss vom 25.01.2023 hat die Kammer das Verfahren unter dem Aktenzeichen S 1 AS 580/21 und das Verfahren unter dem Aktenzeichen S 1 AS 172/22 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Der Kläger beantragt,
1. den Bescheid des Beklagten vom 01.04.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.06.2021 aufzuheben und
2. den Bescheid des Beklagten vom 01.04.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.06.2021 unter Aufhebung des Bescheids des Beklagten vom 01.12.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.02.2022 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, dass die ergangenen Bescheide rechtlich nicht zu beanstanden seien.
Entscheidungsgründe
1.
Streitgegenstand ist vorliegend der Bescheid des Beklagten vom 01.04.2021, mit dem er die Leistungsgewährung für den Zeitraum vom 01.02.2020 bis zum 28.02.2021 teilweise aufhob, gegen den Kläger eine Erstattungsforderung in Höhe von insgesamt 4.061,16 € festsetzte und die Aufrechnung dieses Erstattungsbetrags mit den dem Kläger zustehenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in Höhe von monatlich 133,80 € erklärte. Das klägerische Vorbringen im Verfahren S 1 AS 580/21 richtet sich nämlich gegen die durch den Beklagten im Bescheid vom 06.07.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.08.2021 vorgenommene Aufrechnung in Höhe von monatlich 133,80 €. Nach entsprechendem richterlichen Hinweis in der mündlichen Verhandlung vom 26.07.2023 hat der Kläger den Antrag im Verfahren S 1 AS 580/21 auch dementsprechend gestellt. Im Verfahren S 1 AS 580/21 ist somit der Bescheid des Beklagten vom 01.04.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.06.2021 streitgegenständlich. Mit Widerspruchsbescheid vom 01.06.2021 verwarf der Beklagte den per E-Mail am 01.06.2021 erhobenen Widerspruch des Klägers wegen des Ablaufs der einmonatigen Widerspruchsfrist als unzulässig.
Auch im mit dem Verfahren S 1 AS 580/21 verbundenem Verfahren S 1 AS 174/22 wehrt sich der Kläger in der Sache gegen den Bescheid vom 01.04.2021; diesmal im Wege des Überprüfungsverfahrens. Streitgegenstand ist der Bescheid vom 01.12.2021, mit dem der Beklagte eine Überprüfung des Bescheids vom 01.04.2021 ablehnte. Den hiergegen per E-Mail erhobenen Widerspruch verwarf der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.02.2022 als unzulässig, da er nicht formgerecht eingelegt worden sei.
2.
Maßgeblich für die rechtliche Bewertung der Klagen ist zunächst, ob der Kläger gegen den Bescheid vom 01.04.2021 form- und fristgerecht Widerspruch erhoben hat.
Der Kläger hat gegen den Bescheid vom 01.04.2021 durch die im Verfahren S 1 AS 580/21 am 26.08.2021 schriftlich erhobene Klage wirksam Widerspruch erhoben.
§ 84 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bestimmt, dass der Widerspruch innerhalb eines Monats nach der Bekanntgabe des Bescheides schriftlich, in elektronischer Form nach § 36a Absatz 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) oder zur Niederschrift bei der Stelle einzureichen ist, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Darauf ist im Bescheid gemäß § 36 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) hinzuweisen. Ist diese Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist der Widerspruch innerhalb eines Jahres nach der Bekanntgabe des Bescheides einzureichen, § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG. Im Rahmen der Rechtsbehelfsbelehrung muss auf den wesentlichen Inhalt der bei Einlegung des Rechtsbehelfs zu beachtenden Formvorschriften hingewiesen werden (st. Rspr. des BSG, vgl. BSG, Urteil vom 14.03.2013 - B 13 R 19 - 12 R = NZS 2013, 676 Rn. 16 mit Verweis auf die st. Rspr.). Der Beklagte hat im Bescheid vom 01.04.2021 zwar über die Möglichkeit der elektronischen Einlegung des Widerspruchs belehrt. Allerdings ist diese Belehrung unrichtig, da der Beklagte ausführte, dass die elektronische Einlegung des Rechtsbehelfs mittels eines elektronischen mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehenen Dokuments, nur durch eine/n bevollmächtigte/n Rechtsanwältin/Rechtsanwalt übermittelt werden könne. Allerdings ist die Einlegung des Rechtsbehelfs auch durch eine andere Person mittels eines elektronischen mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehenen Dokuments möglich.
Aufgrund der unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung im Bescheid vom 01.04.2021 war für die Einlegung des Widerspruchs die Jahresfrist maßgeblich. Der Bescheid vom 01.04.2021 wurde am 01.04.2021 zur Post gegeben und gilt gemäß § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X i.V.m. § 64 Abs. 3 SGG als am 06.04.2021 bekannt gegeben. Die schriftliche Klage vom 26.08.2021 ist somit im Wege des Meistbegünstigungsprinzips auch als fristgerechter und den Formvorschriften entsprechender Widerspruch gegen den Bescheid vom 01.04.2021 auszulegen. Bei Prozesserklärungen ist das Gewollte, also das verfolgte Ziel, im Wege der Auslegung in entsprechender Anwendung der Auslegungsregel des § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) festzustellen und dabei nicht nur der Wortlaut, sondern auch die sonstigen Umstände des Falles, die für das Gericht und die anderen Beteiligten erkennbar sind, zu berücksichtigen (BSG, Beschluss vom 12.12.2019 – B 10 EG 3/19 B; BSG Beschluss vom 22.09.2020 – B 5 RS 6/20 B, BeckRS 2020, 31130 Rn. 10). Im Zweifel ist davon auszugehen, dass nach Maßgabe des Meistbegünstigungsprinzips alles begehrt wird, was dem Kläger aufgrund des Sachverhalts rechtlich zusteht (vgl. BSG Urteil vom 24.04.2008 – B 9/9a SB 10/06 R; BSG Beschluss vom 22.09.2020 – B 5 RS 6/20 B, BeckRS 2020, 31130 Rn. 10).
3.
Die Klage des Klägers vom 09.03.2022 gegen den Beklagten vom 01.12.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.02.2022, mit dem der Beklagte die Überprüfung des Bescheids vom 01.04.2021 ablehnte, ist somit bereits wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unwirksam. Jede Rechtsverfolgung setzt voraus, dass ein so genanntes Rechtsschutzbedürfnis besteht, welches fehlt, wenn unzweifelhaft die begehrte gerichtliche Entscheidung die rechtliche oder wirtschaftliche Stellung des Antragstellers nicht verbessern würde (Bieresborn in BeckOGK, 01.08.2023, SGG § 54 Rn. 127; Keller in Meyer-Ladewird/Keller/ Leitherer/Schmidt, SGG vor § 51 Rn. 16a).
Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis liegt nur vor, wenn kein einfacherer Weg zur Erreichung des Klageziels zur Verfügung steht (Bieresborn in BeckOGK, 01.08.2023, SGG § 54 Rn. 127). Vorliegend kann die Aufhebung des Bescheids des Beklagten vom 01.04.2021 bereits im Wege des Klageverfahrens gegen den Bescheid vom 01.04.2021 gerichtlich geltend gemacht werden; die Durchführung eines Überprüfungsverfahrens ist nicht notwendig.
Der unter Ziffer 2. genannte Klageantrag ist somit wegen fehlendem Rechtschutzinteresse bereits unzulässig.
4.
Der unter Ziffer 1. genannte Klageantrag ist zwar als isolierte Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 S. 1 Var. 1 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet.
a.
Der Aufhebungs-, Erstattungs- und Aufrechnungsbescheid vom 01.04.2021 ist rechtlich nicht zu beanstanden und verletzt den Kläger nicht in seinen eigenen subjektiv-öffentlichen Rechten.
aa.
Rechtsgrundlage für den Erlass des Aufhebungsbescheids vom 01.04.2021 für den Leistungszeitraum von 01.02.2020 bis zum 28.02.2021 ist § 40 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 48 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 3 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 2 SGB II, § 330 Abs. 3 S. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III).
Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse insoweit aufzuheben, als nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Bei der Bewilligung von Leistungen im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung.
bb.
Der Kläger hat auch nach Erlass der Leistungsbescheide für den Zeitraum vom 01.02.2020 bis zum 28.02.2021 (Bescheide vom 25.11.2019, vom 04.06.2020, vom 02.07.2020, vom 27.10.2020 und vom 04.12.2020) Einkommen erzielt, das zur Minderung des Leistungsanspruchs geführt haben würde. Die Einnahmen des Klägers aufgrund der Teilnahme an Online-Umfragen und die Zuwendungen der Mutter des Klägers waren als Einkommen gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II leistungsmindernd zu berücksichtigen. Insbesondere handelt es sich bei den Zuwendungen der Mutter des Klägers nicht um eine gemäß § 11a SGB II nicht zu berücksichtigende Einnahme. Gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II sind als Einkommen Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen sowie Einnahmen, die nach anderen Vorschriften des Bundesrechts nicht als Einkommen im Sinne dieses Buches zu berücksichtigen sind, zu berücksichtigen. § 11a SGB II listet sodann Einnahmen auf, die nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind. Bei den Zuwendungen der Mutter des Klägers handelt es sich insbesondere nicht um eine zweckgebundene Einnahme gemäß § 11a Abs. 3 S. 1 SGB II. Nach § 11a Abs. 3 S. 1 SGB II sind Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Leistungen nach dem SGB II im Einzelfall demselben Zweck dienen.
Die Zuwendungen der Mutter des Klägers erfolgten nicht aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Vorschrift und stellen daher keine zweckgebundenen Mittel dar.
Auch findet § 11a Abs. 5 SGB II keine Anwendung auf die geleisteten Zuwendungen. Nach § 11a Abs. 5 SGB II sind Zuwendungen, die ein anderer erbringt, ohne hierzu eine rechtliche oder sittliche Pflicht zu haben, nicht als Einkommen zu berücksichtigen, soweit ihre Berücksichtigung für die Leistungsberechtigten grob unbillig wäre oder sie die Lage der Leistungsberechtigten nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt wären.
Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/3404, 94) liegt eine unbillige Härte vor, wenn eine Berücksichtigung des zugewendeten Betrages – ohne Rücksicht auf die Höhe der Zuwendung – nicht akzeptabel wäre und die Zuwendung erkennbar nicht auch zur Deckung des physischen Existenzminimums verwendet werden soll. Dies betrifft beispielsweise Soforthilfen bei Katastrophen, gesellschaftliche Preise zur Ehrung von Zivilcourage, Ehrengaben aus öffentlichen Mitteln (z.B. bei Alters- oder Ehejubiläum, Lebensrettung), Spenden aus Tombolas für bedürftige Menschen, insbesondere in der Vorweihnachtszeit (Striebinger in BeckOGK, 01.08.2021, SGB II § 11a Rn. 34). Die Geldzuwendungen der Mutter des Klägers für die Finanzierung des Motorollers, des hierfür erforderlichen Zubehörs und des Erwerbs des KFZ-Führerscheins stellen keine mit den genannten Beispielen vergleichbare Leistung dar. Nach Überzeugung der Kammer ist eine Anrechnung dieses Einkommens nicht grob unbillig. Zwar besteht beim Kläger eine Gesundheitsbeeinträchtigung – daraus ergibt sich aber noch nicht die Notwendigkeit zum Besitz und Führen eines Motorollers. Hierbei berücksichtigt die Kammer, dass bei dem Kläger durch das Versorgungsamt Darmstadt das Vorliegen der Voraussetzungen für das Merkzeichen „G“ nicht festgestellt worden sind. Es stellt sich nicht als unzumutbar dar, dass der Kläger Einkäufe zu Fuß unter Verwendung eines Trollis oder ähnlichem erledigt.
Auch ist der Kläger nicht auf die Benutzung eines Motorollers angewiesen, um einmal pro Woche seiner geringfügigen Beschäftigung nachgehen zu können. Es ist dem Kläger insoweit zumutbar, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.
Alternativ zu Nr. 1 findet eine Anrechnung nach Nr. 2 nicht statt, soweit die Zuwendung die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflusst, dass daneben Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht gerechtfertigt wären. Die Regelung in Nummer 2 ist erforderlich, damit gelegentliche oder regelmäßige Zuwendungen Anderer, die üblich und auch gesellschaftlich akzeptiert sind, ohne Berücksichtigung bleiben (zB ein geringfügiges monatliches Taschengeld der Großeltern oder Urgroßeltern). Die Anrechnung entfällt deshalb dann, wenn die Zuwendung die Lage der oder des Leistungsberechtigten nur unmaßgeblich beeinflusst (BT-Drs. 17/3404, 95). Die Zuwendungen der Mutter des Klägers sind unüblich und nicht nur von geringer Höhe.
Nach alledem sind die Zuwendungen der Mutter des Klägers leistungsmindernd als Einkommen anzurechnen.
cc.
Anhaltspunkte dafür, dass die Aufhebung der Leistungen der Höhe nach unzutreffend ist, bestehen nicht.
dd.
Mithin ist der angefochtene Aufhebungsbescheid rechtmäßig.
b.
Rechtsgrundlage des Erstattungsbescheids ist § 50 Abs. 1 S. 1 SGB X. Danach sind bereits erbrachte Leistungen, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, zu erstatten. Die Voraussetzungen für den Erlass eines Erstattungsbescheides sind gegeben, da die zugrundeliegenden Leistungsbescheide teilweise in Höhe von insgesamt 4.061,16 € aufgehoben worden sind. Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Erstattungsbescheides bestehen im Übrigen ebenfalls nicht.
c.
Rechtsgrundlage für die Aufrechnungserklärung durch den Beklagten ist § 43 Abs. 1 Nr. 1 SGB II. Danach können die Jobcenter gegen Ansprüche von leistungsberechtigten Personen auf Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts mit Erstattungsansprüchen nach § 50 SGB X aufrechnen. Anhaltspunkte für Fehler des Beklagten hinsichtlich seiner Ermessensausübung sind nicht erkennbar.
5.
Nach alledem waren die Klagen vollumfänglich abzuweisen.
6.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang der Verfahren in der Hauptsache.