Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. Januar 2023 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die kanadische Klägerin einen Anspruch auf eine deutsche Witwenrente hat.
Die 1952 auf den P geborene Klägerin heiratete den Versicherten J G (nachfolgend: Versicherter) am 1975 in M. Der Versicherte war vom 11. Juli 1977 bis 31. Dezember 1988 in Deutschland beschäftigt. Er wanderte im Oktober 1989 mit der Klägerin nach Kanada aus und erwarb 1993 die kanadische Staatsangehörigkeit. Als der Versicherte im Januar 2000 nach R (US-Staat V) verzog, verblieb die Klägerin mit der gemeinsamen Tochter in T. Die Ehe wurde am 16. Oktober 2004 auf Antrag der Klägerin geschieden.
Im Frühjahr 2015 stellten die Ärzte beim Versicherten die Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs, Stadium 4. Der Versicherte unterschrieb am 5. Juni 2015 eine Einwilligungserklärung in eine geplante Chemotherapie (Consent for Intravenous/lnjection Treatment). Hierin heißt es, dass das Ziel der Behandlung die Kontrolle der Erkrankung sei („palliation"). Die als Laborassistentin in T beschäftigte Klägerin nahm vom 29. Juni 2015 bis 16. November 2015 Urlaub, um den Kläger zu pflegen. In einem Bericht des V I vom 29. Oktober 2015 über den Krankheitsverlauf und die Behandlung heißt es: 9/2015 Abbruch der Chemotherapie wegen Fortschreitens der Erkrankung; 9/21/15CT Scan zeigt fortschreitende Lebermetastasen. Derzeitige Behandlung: Second-Line- Therapie mit Topotecan und als Ziel der Behandlung: palliativ („pallation"). In einem Befundbericht („Medical Certificate for Employment Insurance Compassionate Care Benefits") für einen Antrag des Versicherten auf „Employment Insurance“ vom 23. Juni 2015 - ausgefüllt von der behandelnden Ärztin des Versicherten - heißt es unter B 1. „The patient has a serious medical condition and a significant risk of death within the next 26 weeks (6 months) – yes“. Der Eintrag unter C 3 lautet: „Did the two conditions in B above apply to your patient for an earlier period within the past 6 months?, yes, If yes, provide the earlier date: 2015-04-20“. Am 2. Juni 2015 unterschrieb der Versicherte seinen letzten Willen und sein Testament. Nachdem sich die Klägerin und der Versicherte im August/September 2015 zu einer erneuten Eheschließung entschlossen hatten, heirateten sie am 6. Oktober 2015 in einem Krankenhaus in V. Der Versicherte verstarb am 22. Februar 2016 in T. In einem Schreiben der Klägerin zu einem Antrag nach dem Tod des Versicherten mit der Nummer GP-17-2427 heißt es: „Die Testergebnisse waren niemals aufmunternd, seine Prognose wurde schlechter mit der Zeit..." und weiter: „... Ich habe ihn gepflegt und ihn im 9-monatigen Sterbeprozess beobachtet."
Die Klägerin beantragte mit dem bei der Beklagten am 25. Juli 2017 eingegangenen Antrag vom 14. März 2016 eine Hinterbliebenenrente. Mit Schreiben vom 11. Oktober 2017 gab sie gegenüber der Beklagten an: Der Versicherte und sie hätten sich nie aus den Augen verloren, seien stets in Kontakt geblieben und hätte wieder zueinander gefunden. Über viele Jahre hätten sie ein gemeinsames Konto gehabt und trotz unterschiedlicher offizieller Anschriften in „wilder Ehe“ gelebt. Der Versicherte sei mindestens 3 oder 4mal im Jahr auf Urlaub nach T gekommen. Es habe auch Besuche von ihr und ihrer Tochter in R gegeben. Ihr „Lebensgefährte“ und sie hätten bereits früher erneut geheiratet, aber er sei sehr krank gewesen. Mit Datum vom 18. Dezember 2017 erklärte die Klägerin im Nachgang zu den noch vom Versicherten unter dem 26. bzw. 29. Januar 2016 gestellten Anträgen auf Versichertenrente aus der deutschen Rentenversicherung bzw. „Beitragserstattung bei Aufenthalt im Ausland“ schriftlich auf einem Vordruck der Beklagten („Wahrheitsgemäße Erklärung“), sie habe mit dem Versicherten seit 26. Dezember 1975 „mit Unterbrechung“ in häuslicher Gemeinschaft gelebt. Unter der folgenden Rubrik “Bei längerer Unterbrechung: Die häusliche Gemeinschaft war unterbrochen“ gab sie sodann an: „16 – 10 – 2004 bis 06 – 10 – 2015 (Divorce) Geschieden“. Auf die sich anschließende Passage im Fragebogen „Falls keine häusliche Gemeinschaft bestand: Der verstorbene Berechtigte hat mir Unterhalt gewährt von – bis“ gab sie an: „Nein – ich arbeite seit 1989 Vollzeit“.
Mit Bescheid vom 21. März 2018 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Sie begründete ihre Entscheidung damit, dass ein Anspruch auf Witwenrente ausgeschlossen sei, da die Ehe zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten weniger als ein Jahr gedauert habe und die im Rentenverfahren dargelegten Gründe nicht geeignet seien, die gesetzliche Vermutung, dass eine Ehe aus alleinigen oder überwiegenden Versorgungsgründen vorliege, zu widerlegen. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und machte geltend, dass die gesetzliche Vermutung in ihrem Fall nicht greife. Versorgungsgründe wären weder bei ihr noch bei ihrem verstorbenen Ehemann für die Eheschließung ein maßgeblicher Beweggrund gewesen. Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Januar 2019 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Im Klageverfahren hat die Klägerin vorgetragen: Von 2005 bis Oktober 2015 hätte sie mit dem Versicherten in einer eheähnlichen Gemeinschaft gelebt, die als Common Law-Marriage nach kanadischem Recht mit daraus resultierenden Rechten und Pflichten anerkannt worden sei. Sie hätten bereits im Jahr 2006 beschlossen, erneut zu heiraten, dies jedoch nicht umgesetzt. Die Scheidung sei eine Art Betriebsunfall in einer ansonsten glücklichen Partnerschaft gewesen. Der zugrundeliegende Entschluss zu einer Wiederheirat habe ausschließlich darin bestanden, ein Zeichen der gegenseitigen Zuneigung und der Hoffnung in einen glücklichen Ausgang der Erkrankung zu setzen. Sie sei finanziell unabhängig gewesen. Zudem habe ein „gemeinsamer Wohnsitz“ und Bankkonto während der eheähnlichen Gemeinschaft bestanden. Aufgrund der Common Law-Partnerschaft und des damit einhergehenden –der Ehe überwiegend gleichstehenden – Rechtsstatus´ habe keine besondere Dringlichkeit, durch eine offizielle Wiederheirat eine formell geschlossene Ehe schnellstmöglich wiederzuerlangen, bestanden. Der formellen Eheschließung im kanadischen Rechtskontext komme damit aufgrund dieser Besonderheit eine gegenüber den Rechtsfolgen der Eheschließung deutlich stärker hervorgehobene Symbolwirkung zu. Der „aus einer vierzigjährigen Partnerschaft“ erwachsene Entschluss zu einer Wiederheirat sei aus wirklichkeitsnahen Gründen auf einen späteren Zeitpunkt verschoben worden. Mit der Wiederheirat sei keine Versorgungsmotivation verbunden gewesen, zumal sie selbst über eine eigene finanzielle Absicherung verfügt habe.
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die Klage mit Urteil vom 10. Januar 2023 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die zulässige Klage sei unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 21. März 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Januar 2019 sei rechtmäßig. Die Klägerin habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung einer Witwenrente. Anspruchsgrundlage für einen Anspruch auf Witwenrente sei § 46 Abs. 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI). Danach hätten Witwen, die nicht wieder geheiratet hätten, nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt habe, Anspruch auf große Witwenrente, wenn sie das 47. Lebensjahr vollendet hätten. Gemäß § 46 Abs. 2a SGB VI hätten Hinterbliebene jedoch keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert habe. Dies sei hier der Fall. Denn die Ehe zwischen der Klägerin und dem Versicherten habe nur vier Monate gedauert, bevor der Versicherte verstorben sei. Ausnahmsweise bestehe ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente bei einer Ehedauer von unter einem Jahr aber dann, wenn nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt sei, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Als besondere Umstände im Sinne des § 46 Abs. 2a SGB VI seien alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalles anzusehen, die auf von der Versorgungsabsicht verschiedene Beweggründe für die Heirat schließen ließen (BSG, Urteil vom 5. Mai 2009 – B 13 R 55/08 R – mwN, juris). Die Gesamtbetrachtung und Abwägung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat müsse ergeben, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwögen oder zumindest gleichwertig seien. Die vom hinterbliebenen Ehegatten behaupteten inneren Umstände für die Heirat seien nicht nur für sich isoliert zu betrachten, sondern vor dem Hintergrund der zum Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in eine Gesamtwürdigung einzustellen und unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände des Einzelfalles zu bewerten (BSG, Urteil vom 6. Mai 2010 – B 13 R 134/08 R –; BSG, Urteil vom 5. Mai 2009, aaO, juris). Die Umstände seien nachzuweisen; die Beweislast trage, wer die Hinterbliebenenrente beantrage. Im Rahmen der Gewichtung komme stets dem Gesundheits- und Krankheitszustand im Zeitpunkt der Eheschließung eine gewichtige Bedeutung zu. In der Regel sei der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Halbs. 2 SGB VI nicht erfüllt, wenn der Versicherte zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit gelitten habe, wie dies hier der Fall sei (Bauchspeicheldrüsenkrebs Stadium IV).
Doch sei auch bei einer nach objektiven Maßstäben schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose und entsprechender Kenntnis der Ehegatten der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet - überwiegend oder zumindest gleichwertig - aus anderen als Versorgungsgründen geheiratet worden sei. Allerdings müssten dann bei abschließender Gesamtbewertung diejenigen besonderen - inneren und äußeren - Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprächen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten im Zeitpunkt der Eheschließung gewesen sei. Demgemäß steige mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit zugleich der Grad des Zweifels an dem Vorliegen solcher besonderen Umstände, die von diesem für die Widerlegung der gesetzlichen Annahme (Vermutung) einer Versorgungsehe bei einem Versterben des versicherten Ehegatten innerhalb eines Jahres nach Eheschließung angeführt worden seien. Nach diesen Grundsätzen sei für die Heirat kein von der Versorgungsabsicht verschiedener Beweggrund zu erkennen, der den Versorgungszweck einer Ehe überwöge oder zumindest gleichwertig sei. Bei der anzustellenden Gesamtbetrachtung und Abwägung sei davon auszugehen, dass die Klägerin und der Versicherte zum Zeitpunkt der Eheschließung Kenntnis vom bevorstehenden baldigen Ableben des Versicherten gehabt hätten. Die Lebenserwartung bei einer Bauchspeicheldrüsenkrebserkrankung im Stadium 4 sei sehr gering und betrage ungefähr 4-5 Monate. Dass der tödliche Ausgang der Erkrankung dem Versicherten bekannt gewesen sei, ergebe sich zum einen aus der Tatsache, dass er im Juni einen Behandlungsvertrag für eine Chemotherapie unterschrieben habe, in welchem es eindeutig geheißen habe, dass nur eine palliative Behandlung bezweckt werde. Zudem habe er im Juni 2015 sein Testament vor Zeugen erstellt. In einem Befundbericht („Medical Certificate for Employment Insurance Compassionate Care Benefits") für einen Antrag des Versicherten auf Employment Insurance vom 23. Juni 2015, welcher der Klägerin und dem Versicherten vorgelegen habe, heiße es unter B 1.: „The patient has a serious medical condition and a significant risk of death within the next 26 weeks (6 months) – yes“. Der Eintrag unter C 3 laute: „Did the two conditions in B above apply to your patient for an earlier period within the past 6 months?, yes, If yes, provide the earlier date: 2015-04-20“. Insoweit habe der Versicherte um seinen lebensbedrohlichen Zustand gewusst. Dies sei auch bei der Klägerin der Fall gewesen. Insoweit werde auf das zu den Akten gereichte Anschreiben der Klägerin an eine Versicherung zur Nummer GP-17-2427 Bezug genommen, in dem sie ausgeführt habe, dass sie ihn begleitet, gepflegt und über den gesamten Zeitraum beim Sterben begleitet habe, sowie den o. g. Befundbericht für die Employment Insurance. Nach den von der Klägerin geschilderten Umständen sei die lebensbedrohliche Situation für den Versicherten für die Eheschließung handlungsleitend gewesen. Die erfolgte Eheschließung sei nicht die Umsetzung eines bereits zuvor vorbereiteten und auch nach außen hin kundgemachten Geschehensplanes gewesen. Es habe in der Zeit, bevor es dem Versicherten zusehends gesundheitlich schlechter ging und insbesondere vor der Krebsdiagnose, keine konkreten Hochzeitspläne gegeben. Die Klägerin habe auf gerichtliche Nachfrage ausgeführt, erst zwischen August und September 2015, also nach der Krebsdiagnose, der Testamentserstellung und dem Abbruch der Chemotherapie wegen Fortschreitens der Erkrankung im September 2015 wegen fortschreitender Lebermetastasen, sei mit der Hochzeitsplanung begonnen worden. Wie sie selbst ausgeführt habe, sei wegen des in Kanada angewandten Common Law-Rechtssystems ein offizieller Trauschein nicht wirklich erforderlich gewesen. Der formellen Eheschließung im kanadischen Rechtskontext komme auch nicht aufgrund der Besonderheit des Instituts der Common Law-Ehe eine gegenüber den Rechtsfolgen der Eheschließung deutlich stärker hervorgehobene Symbolwirkung zu. Vielmehr spreche gerade dies für die Annahme, dass die Krankheitsnachricht den Anstoß zur nachfolgenden Eheschließung gegeben habe. Dass die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann sich nicht explizit über eine Versorgung Gedanken gemacht hätten und beide über einen gesicherten Lebensunterhalt verfügten, sei kein vom Versorgungsgedanken verschiedener besonderer Beweggrund.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und trägt ergänzend vor: Zu Unrecht habe das SG ihre Common Law-Marriage herabgewürdigt. Ihre Lebenswirklichkeit sei durch die nordamerikanische Rechtslage maßgeblich geprägt. Sie habe als Common Law-Partnerin auch ohne Wiederheirat Anspruch auf eine kanadische Hinterbliebenenrente gehabt. Nach US-amerikanischem Bundesrecht habe sie als geschiedene Witwe, sofern – wie bei ihr – die Ehe länger als zehn Jahre bestanden habe, Anspruch auf eine Hinterbliebenenversorgung. Somit spiele der Faktor Versorgungsehe in der nordamerikanischen Rechtswirklichkeit faktisch überhaupt keine Rolle. Zwar sei die Eheschließung zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem ein tödlicher Ausgang des Erkrankungsverlaufs „bereits denkbar“ gewesen sei; der zugrundeliegende Entschluss habe aber ausschließlich darin bestanden, ein Zeichen der gegenseitigen Zuneigung, des Rückhalts und Einstehens sowie der Hoffnung in einen glücklicheren Ausgang der Erkrankung zu setzen. Die Eheschließung, bei der ein Priester das Palliativteam des Krankenhauses unterstützt habe, habe ferner den Sterbeprozess erleichtert. Die Eheschließung sei am vierzigsten Hochzeitstag der ursprünglichen Eheschließung erfolgt, was die symbolische Wirkung der Wiederheirat für die Eheleute in besonderer Weise verdeutlicht habe. Die Möglichkeit einer Eheschließung zum Lebensende habe nach dem Stand der palliativen Wissenschaft nachgewiesen positive Effekte auf die psychologische Gesundheit. Schließlich sei die begehrte Witwenrente in monetärer Hinsicht nahezu vernachlässigbar.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 10. Januar 2023 und unter Abänderung des Bescheides vom 21. März 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Januar 2019 eine Witwenrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil und trägt ergänzend vor: Es spiele keine Rolle, ob der gegebenenfalls bescheidenen deutschen Witwenrente eine wesentliche Funktion bei der Versorgung der Klägerin zukomme. Eine Eheschließung als Zeichen der gegenseitigen Zuneigung sowie des Rückhaltes stehe nicht im Gegensatz zu einer Versorgungsabsicht. Vielmehr sei der Versorgungsgedanke auch ein solches Zeichen. Feststehe, dass die Klägerin und der Versicherte jedenfalls für einen bedeutenden Zeitraum ihrer Verbindung das Rechtsinstitut der Ehe nicht gewählt hätten.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Die Verwaltungsakte der Beklagten für den Versicherten (2 Bände) und die Gerichtsakten (2 Bände) haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).
Entscheidungsgründe
Die Berufung und die Klage der Klägerin sind zulässig, aber unbegründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf (große) Witwenrente nach § 46 Abs. 2 Satz 1 SGB VI. Nach der genannten Vorschrift haben Witwen, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der – wie hier – die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente, wenn sie das 47. Lebensjahr vollendet haben. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift sind in der Person der zum Zeitpunkt des Ablebens des Versicherten 64 Jahre alten Klägerin erfüllt. Einem Anspruch auf Witwenrente steht indes die Vorschrift des § 46 Abs. 2a SGB VI entgegen.
Danach haben Witwen keinen Anspruch auf Witwenrente, wenn die Ehe – wie hier – nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Diese Vorschrift wurde durch Artikel 1 Nr. 6b des Altersvermögensergänzungsgesetzes vom 21. März 2001 (BGBl. I S. 403) mit Wirkung vom 1. Januar 2002 in das SGB VI eingefügt. Sie begründet für alle seit ihrem Inkrafttreten am 1. Januar 2002 (vgl. § 242a Abs. 3 SGB VI) geschlossenen Ehen die gesetzliche Vermutung, dass bei einem Tod des Versicherten innerhalb eines Jahres nach der Eheschließung die Erlangung einer Versorgung alleiniger oder überwiegender Zweck der Eheschließung war. Die (zweite) Ehe zwischen der Klägerin und dem Versicherten hat weniger als ein Jahr gedauert, nämlich vom 6. Oktober 2015 bis 22. Februar 2016. Die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI greift also ein.
Sie ist vorliegend nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens auch nicht widerlegt, weil nicht zur vollen Überzeugung des Senats erwiesen ist, dass der Eheschließung zumindest gleichgewichtig (auch) Motive zugrunde lagen, die nicht auf Versorgungsgesichtspunkten beruhen. Zur näheren Begründung wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils genommen, denen sich der Senat in vollem Umfang anschließt. Ergänzend ist lediglich auszuführen: Es mag sein, dass der der Faktor Versorgungsehe in der nordamerikanischen Rechtswirklichkeit faktisch keine Rolle spielt. Dies ändert indes nichts daran, dass der deutsche Gesetzgeber mit der Regelung des § 46 Abs. 2a SGB VI diesem Aspekt für die Zuerkennung einer Witwenrente bei einer Ehedauer unter einem Jahr entscheidende Bedeutung für das von ihm geregelte Rentenrecht zugemessen hat und für die Zuerkennung von Witwenrentenansprüchen in nicht zu beanstandender Weise nur die Ehe bzw. für gleichgeschlechtliche Verbindungen die Lebenspartnerschaft als Anknüpfungspunkt gewählt sowie darauf verzichtet hat, neben dem im Übrigen auch in Nordamerika anerkannten Rechtsinstitut der Ehe weitere Rechtsinstitute wie die Common Law-Marriage rentenrechtlich zu begünstigen. Dementsprechend kann die Common Law-Partnerschaft, weil sie einem Rechtsverhältnis im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuchs nicht entspricht (vgl. § 34 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil -), weder einer Ehe noch einer eingetragenen Lebenspartnerschaft iSd deutschen Rechtsvorschriften gleichgestellt werden. Damit ist auch keine Herabwürdigung des in der kanadischen Provinz Ontario - nicht jedoch in Virginia (vgl. Virginia State Bar Informational Brochures, Marriage in Virginia, https://vsb.org/common/Uploaded%20files/docs/pub-fa-marriage.pdf) - anerkannten Rechtsinstituts der Common Law-Marriage verbunden, auf das sich die Klägerin - ungeachtet des von ihr eingeräumten Umstandes, dass sie und der Versicherte zwischen der Scheidung und der erneuten Heirat sich zwar mehrmals im Jahr besucht, aber nicht längere Zeit in Kanada zusammengelebt haben – beruft. Es kann mangels Entscheidungserheblichkeit offenbleiben, ob und gegebenenfalls für welche Zeiträume die Voraussetzungen für eine Anwendung dieses Rechtsinstitut im Fall der Verbindung zwischen der Klägerin und dem Versicherten gegeben waren. Das SG hat zu Recht in der Gesamtschau dem Gesichtspunkt, dass die lebensbedrohliche Situation des Versicherten für die Eheschließung handlungsleitend gewesen war, maßgebliche Bedeutung zuerkannt. Dem zugunsten der Klägerin einzuräumenden Gesichtspunkt, dass sie und der Versicherte ihre Beziehung unabhängig von Versorgungsgesichtspunkten (auch) als Zeichen der Zuneigung vor dem nahenden Tod des Versicherten sowie aus religiösen Gründen noch formal durch eine Eheschließung legitimieren wollten, kommt kein derartiges Gewicht zu, dass dieses Motiv zumindest als dem – sich in der gegebenen Situation des Versicherten für jeden aufdrängenden und in jeder Hinsicht verständlichen – Versorgungsgedanken gleichgewichtiges Motiv anzusehen wäre. Eine besondere symbolische Wirkung der Wiederheirat für die Eheleute ist nicht zu erkennen. Sie liegt insbesondere nicht darin, dass diese am vierzigsten Hochzeitstag der ursprünglichen Eheschließung erfolgt sein soll. Diese Behauptung der Klägerin trifft offensichtlich nicht zu. Die erste Heirat fand am 16. Dezember 1975 und die zweite am 6. Oktober 2015 statt. Der Klägerin wird nicht unterstellt, dass das von ihr für die Wiederheirat angeführte Motiv, die nach ihren Angaben über viele Jahre bestehende Liebesbeziehung nach außen hin zu dokumentieren und dem Versicherten den Sterbeprozess zu erleichtern, nicht vorgelegen hätte. Im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung ist angesichts der festgestellten äußeren Umstände jedoch davon auszugehen, dass dieses Motiv nicht ausschlaggebend für die Heiratsabsicht war bzw. dass es sich hierbei im Verhältnis zur Versorgungsabsicht jedenfalls nicht um zumindest gleichwertige Beweggründe gehandelt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.