S 19 U 46/16

Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
SG Osnabrück (NSB)
Sachgebiet
Unfallversicherung
1. Instanz
SG Osnabrück (NSB)
Aktenzeichen
S 19 U 46/16
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
 

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls.

Der am 26.07.1967 geborene Kläger ist gelernter Maler und Lackierer. Er war seit September 2002 selbständig tätig und im Rahmen dieser Tätigkeit bei der Beklagten versichert.

Am 23.07.2010 erlitt der Kläger einen versicherten Arbeitsunfall, als er sich beim Wegräumen das rechte Knie verdrehte. Eine am 26.07.2010 durchgeführte kernspintomographische Untersuchung (MRT) zeigte eine komplette Ruptur des hinteren Kreuzbandes sowie eine Rissbildung im Bereich des Innenmeniskus, wahrscheinlich auch im Außenmeniskusvorderhorn. Es erfolgte zunächst eine konservative Behandlung durch Stabilisierung mittels Kniegelenksorthese und krankengymnastischer Übungsbehandlung.

Am 27.08.2010 stellte sich der Kläger in der berufsgenossenschaftlichen Sprechstunde des N. Unfallkrankenhauses O. vor. Er gab noch ein leichtes Schmerzgefühl sowie eine leichte Instabilität an. Das Gangbild ohne Schiene war stabil und raumgreifend; der Einbeinstand rechts konnte sicher vorgeführt werden. Bei der Untersuchung im Liegen zeigte sich noch eine minimale hintere Schublade, die muskulär kompensiert werden konnte, ferner ein restlicher kleiner Erguss. Die Meniskuszeichen waren eher nicht positiv, die Kollateralbänder intakt.

Der Durchgangsarzt P. schloss das Heilverfahren am 01.10.2010 ab; der Kläger war ab dem 04.10.2010 wieder arbeitsfähig. Herr P. führte aus, dass eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) nicht verbleiben werde.

Am 22.02.2011 erstattete der Orthopäde und Unfallchirurg Dr. Q. ein Gutachten zur Klärung der Zusammenhangsfrage. Der Kläger gab bei der gutachtlichen Untersuchung an, dass bei längeren knienden Tätigkeiten teilweise ein stechender Schmerz im Bereich des rechten Kniegelenkes auftrete. Auch könne er über längere Zeiträumen nicht mehr gut stehen. Instabilitäten verneinte der Kläger. Dr.  Q. befand im Bereich der Kniegelenke eine seitengleiche Gelenkkonfiguration ohne Verstreichen der Gelenkkonturen und ohne Umfangsdifferenzen im Seitenvergleich. Der Bewegungsumfang im Bereich des rechen Kniegelenkes war uneingeschränkt ohne Bewegungsschmerzhaftigkeiten. Eine postero-laterale Kniegelenksinstabilität war nicht nachweisbar. Es bestand keine innere oder äußere Aufklappbarkeit, keine vordere oder hintere Schublade und auch keine Rotationsschublade. Ein MRT vom 14.01.2011 zeigte einen Zustand nach ausgedehnter Teilruptur/subtotaler Ruptur des hinteren Kreuzbandes im mittleren bis femurnahen Abschnitt ohne Hinweise auf eine Vorschädigung des Kreuzbandes. Dr. Q. führte aus, dass das angeschuldigte Unfallereignis geeignet gewesen sei, eine Teilruptur des hinteren Kreuzbandes hervorzurufen und schätzte die MdE seit dem 04.10.2010 mit 0 v.H. ein. Bei stabilen Verhältnissen seien derzeit keine weiteren Maßnahmen indiziert. Die beratende Ärztin Frau Dr. R. schloss sich diesen Ausführungen an.

Der Kläger erhielt Verletztengeld im Zeitraum vom 13.08.2010 bis 03.10.2010.

Am 17.04.2013 stellte sich der Kläger erneut bei dem Durchgangsarzt P. vor und gab zunehmende Beschwerden im Bereich des rechten Kniegelenkes an. Insbesondere nach dem Fahrradfahren bestünden starke Schmerzen. Herr P. befand einen deutlichen Gelenkerguss sowie eine vordere Schublade mit Instabilität. Er veranlasste eine erneute MRT-Untersuchung, die am 18.04.2013 durchgeführt wurde und eine weitgehend verheilte Kreuzbandruptur sowie einen minimalen Gelenkerguss zeigte. Im Zwischenbericht vom 29.05.2013 verwies Herr P. auf eine enorme Instabilität und empfahl eine Vorstellung im S. T., da der Kläger von Seiten der Kniegelenke stark belastet sei. Es bestünde weiterhin Arbeitsfähigkeit. Am 14.06.2013 stellte sich der Kläger in BG-Sprechstunde des S. T. vor. Der Kläger gab eine Instabilitätssymptomatik sowie eine Belastungsinsuffizienz des rechten Kniegelenkes mit Belastungsschmerzen an. Die berufliche Tätigkeit könne er gerade eben noch ausführen. Es bestand ein freies Bewegungsausmaß des rechten Kniegelenkes mit Streckung/Beugung von 0-0-140 Grad. Der kollaterale Bandapparat sowie das vordere Kreuzband waren stabil mit festem Anschlag und negativem Lachmann-Test. Die hintere Schublade war deutlich elongiert im Sinne einer gut 2-3fach positiven hinteren Instabilität. Nach der elongierten Strecke bestand ein fester Anschlag. Eine Meniskussymptomatik sowie ein Erguss wurden verneint. Eine arthroskopische Ersatzplastik des hinteren Kreuzbandes wurde empfohlen.

Am 30.01.2014 erfolgte die Operation im S. T.. Der Kläger war ab diesem Zeitpunkt wieder arbeitsunfähig. Es erfolgte zunächst eine Schienenversorgung mit Limitierung auf 90 Grad Beugung. Im Rahmen einer erweiterten ambulanten Physiotherapie (EAP) konnte eine Beweglichkeit von 0/5/120 Grad für die Streckung und Beugung erreicht werden. Aufgrund rückläufiger Beschwerden wurde ab dem 05.05.2014 mit einer stufenweisen Wiedereingliederung mit einer Belastung von zunächst 4 Stunden begonnen. Bei den durchgangsärztlichen Vorstellungen am 14.05.2014 und 28.05.2014 gab der Kläger noch Schmerzen an, hauptsächlich im Bereich der Kniescheibe des rechten Kniegelenkes. Kniende Tätigkeiten seien ihm nicht möglich. Das Bewegungsmaß war gut, eine wesentliche Instabilität bestand nicht.

Aufgrund der persistierenden Beschwerden wurde am 03.06.2014 ein weiteres MRT des rechten Kniegelenkes angefertigt, das die hintere Kreuzbandersatzplastik leicht gewellt, aber ohne Hinweis auf eine Re-Ruptur zeigte. Am 19.06.2014 stellte sich der Kläger im S. vor. Bei der Untersuchung konnte der Kläger im Liegen eine volle Streckung und eine Beugefähigkeit bis 120 Grad erreichen. Es bestand eine Seitenbandstabilität bei geringer hinterer Schublade. Die Weiterführung der krankengymnastischen Übungsbehandlung wurde empfohlen. Am 15.07.2014 stellte sich der Kläger erneut in der berufsgenossenschaftlichen Reha-Sprechstunde des Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhauses O. vor. Es bestand ein stabiles Kniegelenk mit einem Bewegungsausmaß von 0-0-120 Grad für Streckung/Beugung. Der Kläger gab noch gelegentliche Schmerzen beim Treppabgehen an. Er könne die Tätigkeit als Fußbodenverleger nicht ihm wettbewerbsmäßig ausüben, da er längstens eine Stunde knien könne. Die Arbeitsbelastungserprobung wurde verlängert. Univ.-Prof. Dr. U. gab in dem Bericht vom 18.07.2014 eine Arbeitsunfähigkeit von noch vier Wochen an; eine MdE werde nicht verbleiben.

Im Rahmen eines Gespräches mit dem Reha-Managers am 14.08.2014 wurde vereinbart, dass der Kläger bei Weiterzahlung des Verletztengeldes bis zum 30.09.2014 Zeit bekomme, einen Mitarbeiter für die Ausführung der Bodenbelagsarbeiten einzustellen. Verletztengeld wurde für den Zeitraum vom 30.01.2014 bis 30.09.2014 gezahlt.

Am 02.10.2014 erstattete der Chirurg P. ein unfallchirurgisches Gutachten. Der Kläger zeigte bei der gutachtlichen Untersuchung ein leichtes Schonhinken. Einbeinstand sowie Zehen- und Hackenstand konnten beidseits problemlos durchgeführt werden. Die Hockstellung konnte bis 90 Grad eingenommen werden, wobei jedoch Schmerzen im Bereich des rechten Kniegelenkes angegeben wurden. Das rechte Kniegelenk zeigte eine deutlich verstrichene Gelenkkontur ohne Kniescheibenverschiebeschmerz. Rechtsseitig bestand eine Beweglichkeit von 0/0/130 Grad und linksseitig von 10/0/150 Grad für Streckung und Beugung. Sowohl die vordere als auch die hintere Stabilität waren gegeben; eine Seitenbandinstabilität konnte ebenfalls nicht ausgelöst werden. Die Umfangsmaße waren annähernd gleich, nur im Bereich des rechten Oberschenkels war der Umfang 20 cm oberhalb des inneren Kniegelenkspaltes um 1 cm gemindert; in Höhe des rechten Kniegelenkes bestand ein vermehrter Umfang im Vergleich zur Gegenseite. Herr P. befand als Unfallfolge ein Schonhinken rechts sowie eine endgradige Bewegungseinschränkung im Bereich des rechten Kniegelenkes mit beginnenden degenerativen Veränderungen im Bereich des rechten inneren Kniegelenkspaltes und schlug eine MdE von 20 v.H. ab dem 01.10.2014 vor. Auf Nachfrage der Beklagten führte er am 18.11.2014 ergänzend aus, dass er bei dem MdE-Vorschlag die schmerzhafte Aufhebung der knienden Tätigkeit sowie die Muskelminderung im Bereich des Oberschenkels berücksichtigt habe.

Die Beklagte bat Frau Dr. R. beratungsärztlich um Stellungnahme, die am 03.12.2014 ausführte, dass aufgrund der stabilen Knieverhältnisse und der endgradig der Norm entsprechenden Beweglichkeit eine höhere MdE als 10 v.H. nicht zu begründen sei. Eine wesentliche Muskelminderung liege nicht vor.

Mit Bescheid vom 27.01.2015 lehnte die Beklagten einen Anspruch auf Rente aufgrund der Folgen des Arbeitsunfalls vom 23.07.2010 ab. Folge des Arbeitsunfalls seien endgradige Bewegungseinschränkungen im Kniegelenk, beginnende knöcherne Umbauveränderungen im Bereich des inneren Kniegelenkspaltes, leichte Muskelminderung am Oberschenkel sowie subjektive Belastungsbeschwerden nach einer mit einer Kreuzbandersatzplastik operativ versorgten Verdrehverletzung des rechten Kniegelenkes mit Riss des hinteren Kreuzbandes.

Am 06.02.2015 stellte sich der Kläger erneut bei Herrn P. vor, der eine unauffällige Kontur des rechten Kniegelenkes sowie ein Bewegungsausmaß von 0-5-120 ohne Instabilität befand.

Der Kläger erhob Widerspruch gegen den Bescheid vom 27.01.2015 und trug – vertreten durch seinen damaligen Prozessbevollmächtigten – vor, dass eine Schwellneigung nach Belastung und ein Streckdefizit von 5 Grad mit Beugeeinschränkung auf 120 Grad bestünde. Er könne keine knienden Tätigkeiten mehr ausüben.

Am 12.05.2015 stellte sich der Kläger erstmals bei V. vor. Dieser befand eine geringe hintere Schublade (1+), eine Streckhemmung von 5 Grad und eine Beugefähigkeit bis 130 Grad. Bei der erneuten Vorstellung bei Herrn P. am 24.06.2015 gab der Kläger eine zunehmende Bewegungseinschränkung im Bereich des rechten Kniegelenkes an. Herr P. befand eine Beugefähigkeit von knapp 110 Grad bei regelrechter Streckfähigkeit.

Am 21.08.2015 erstattete der Schmerztherapeut Dr W. ein Zusatzgutachten. Der Kläger gab bei der gutachtlichen Untersuchung arbeits- und tätigkeitsabhängige Schmerzen an; auch der Rückenschmerz habe in den letzten Jahren zugenommen. Er könne für gut eine Stunde arbeiten und müsse sich dann zwischen einer halben bis ganzen Stunde erholen. Er nehme nur bedarfsweise Medikamente ein. Dr. X. befand eine funktionell gute Kniegelenksbeweglichkeit rechts sowie eine funktionell schmerzbedingt endgradig eingeschränkte Hüftgelenksbeweglichkeit rechts. Eine kombinierte Angst-, Depressions- und Stresssymptomatik wurde verneint. Dr. X. diagnostizierte auf schmerztherapeutischem Fachgebiet ein chronifiziertes Schmerzsyndrom im Sinne einer Schmerzerkrankung mit biopsychosozialen Folgen infolge des Arbeitsunfalls vom 23.07.2010 mit Kreuzbandbeteiligung des rechten Kniegelenkes sowie einer rechtsseitigen Hüftgelenksarthropathie und schätzte die MdE zwischen 10 und 20 v.H. ein. Auf Nachfrage der Beklagten führte Dr. X. am 25.09.2015 ergänzend aus, dass die Beschwerdesymptomatik des rechten Knies führend sei. Ohne die Folgen des Arbeitsunfalls sei der Kläger sicherlich noch in der Lage, seinen Beruf auszuüben.

Am 26.10.2015 erstattete Dr. Y. ein chirurgisch-unfallchirurgisch-orthopädisches Gutachten. Er befand ein Streckdefizit von 5 Grad sowie ein Beugedefizit von 20 Grad, eine Restinstabilität mit minimaler Insuffizienz des hinteren Kreuzbandes, eine Muskelminderung von 1 bis 2 cm bei leicht verschwollenem rechten Kniegelenk (messtechnische Umfangsmehrung von 1,5 cm) sowie ein Gangbild ohne wesentliches Entlastungs-/Verkürzungshinken. Der Einbeinstand gelang rechts wie links sicher, Zehenspitzen- und Hackengang waren frei. Das monopedale Hüpfen war rechts etwas eingeschränkt, die Hockstellung gelang bis 100 Grad. Die Fußsohlenbeschwielung war seitengleich schwach ausgeprägt, rechts allenfalls im Fersenbereich etwas kräftiger als links. Dr. Y. schlug eine MdE von insgesamt 25 v.H. unter Einbezug des von Dr.  X. diagnostizierten chronischem Schmerzsyndrom vor und führte aus, dass eine besondere berufliche Betroffenheit bestünde. Die Funktions- und Bewegungsbeeinträchtigungen würden zwar nur eine Bewertung mit 10 v.H. zulassen, allerdings führe die berufliche Tätigkeit nachweisbar zu funktionsmindernden Schmerzsyndromen, die die Bewertung der MdE mit 25 v.H. rechtfertigen würden. Die Schmerzsyndrome würden den Kläger in seiner Tätigkeit als Malermeister mit Schwerpunkt Fußbodenverlegung noch deutlich mehr einschränken. Der Kläger habe angegeben, dass er den Beruf als Malermeister seit frühester Kindheit habe ausüben wollen. Es sei ihm gelungen, mit viel Engagement einen Kleinbetrieb mit Spezialisierung auf Fußbodenverlegearbeiten aufzubauen, die er überwiegend selbst ausführe. Da auch das ständige Stehen auf den üblichen Malerarbeiten unfallbedingt nicht möglich sei, könne der Betrieb auch nicht auf Wand- und Deckenarbeiten umgestellt werden. Sollte der Kläger seine kniegelenkbelastende Tätigkeit aufgeben, sei eine MdE von unter 20 v.H. zu erwarten.

Frau Dr. R. führte in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 09.12.2015 nach Beiziehung des Messblattes (0/5/120 Grad für Streckung und Beugung) aus, dass aufgrund der Bewegungsmaße und der nur mäßigen Muskelminderung nur eine MdE von 10 v.H. gerechtfertigt sei.

Die Beklagte wies sodann den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17.02.2016 als unbegründet zurück.

Hiergegen richtet sich die am 29.02.2016 vor dem Sozialgericht Osnabrück erhobene Klage, mit der der Kläger sein Begehren weiter verfolgt.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die inzwischen bestehende Gonarthrose Folge des Arbeitsunfalls sei. Es bestünde eine Instabilität, die nicht muskuläre kompensierbar sei. Er könne seit dem Unfall nur noch an 2 Tagen pro Woche arbeiten. Daher sei allein deshalb eine MdE von zumindest 20 v.H. gerechtfertigt.

Der Kläger beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,

  1. den Bescheid der Beklagten vom 27.01.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.02.2016 abzuändern und
  2. die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen seines Arbeitsunfalls vom 23.07.2010 in dem Zeitraum vom 04.10.2010 bis 29.01.2014 sowie ab dem 04.10.2014 eine Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,

            die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf die Gründe der angefochtenen Bescheide. Im Zeitraum vom 04.10.2010 bis 29.01.2014 seien keine Befunde dokumentiert, die eine MdE von 20 v.H. rechtfertigen könnten.

Die Kammer hat auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG ein fachorthopädisch-unfallchirurgisches Zusammenhangsgutachten des Sachverständigen Dr. Z. vom 09.03.2020 eingeholt und zuvor den Operationsbericht vom 31.01.2014 sowie den Bericht über die MRT-Kontrolle vom 15.08.2018 beigezogen. Dr. AA. auf eine beidseitig identische Gelenkspaltverschmälerung verwiesen und eine MdE von 20 v.H. im Zeitraum vom 04.10.2010 bis 29.01.2014 vorgeschlagen. Seit dem 01.10.2014 bestünde nur eine MdE von 10 v.H. Auf das Gutachten nach röntgenologischer und gutachtlicher Untersuchung wird im Übrigen verwiesen.

Mit Schreiben vom 25.06.2020 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen, die Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung gewesen sind.

 

Entscheidungsgründe

Gemäß § 124 Sozialgerichtsgesetz (SGG) konnte die Kammer im vorliegenden Fall ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben.

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Verletztenrente.

Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuchs Siebtes Buch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) haben Versicherte Anspruch auf eine Verletztenrente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit in Folge des Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist. Nach Abs. 2 Satz 1 der genannten Vorschrift richtet sich die MdE nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Entscheidend ist nicht nur der Gesundheitsschaden als solcher, sondern der Funktionsverlust unter medizinisch-juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Renten an Versicherte werden von dem Tag an gezahlt, der auf den Tag folgt, an dem der Anspruch auf Verletztenrente endet (§ 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII). Für Zeiten mit Anspruch auf Verletztengeld ist die Neufestsetzung von Renten ausgeschlossen (§ 74 Abs. 2 SGB VII).

Maßgebend für die Höhe der MdE ist in erster Linie die unfallbedingte Funktionseinschränkung. Die Bemessung des Grades der MdE, also die aufgrund § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII durch eine Schätzung vorzunehmende Festlegung des konkreten Umfangs der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens, ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG eine tatsächliche Feststellung, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft. Zu beachten sind dabei die allgemeinen Bewertungsgrundsätze, die die Rechtsprechung und das versicherungsrechtliche sowie unfallmedizinische Schrifttum entwickelt haben und die im Einzelfall zwar nicht bindend, aber geeignet sind, als Grundlage für eine gleiche und gerechte Beurteilung der MdE in den zahlreichen Parallelfällen der Praxis zu dienen. Dabei ist Maßstab für die Bewertung der MdE der allgemeine Arbeitsmarkt, nicht die bisherige Tätigkeit des Versicherten. Bei identischen Unfallfolgen ist mithin die Minderung der Erwerbsfähigkeit aller Versicherten im Grundsatz dieselbe. Ihre Festsetzung folgt, von den konkret-individuellen gesundheitlichen Beeinträchtigungen ausgehend, abstrakt-generellen. Deshalb sind - schon aus Gründen der Gleichbehandlung aller Versicherten - die typisierenden MdE-Sätze zu beachten, die in den Erfahrungswerten der arbeits- und sozialmedizinischen Wissenschaft hinsichtlich der bei bestimmten Gesundheitsschäden eintretenden Minderung der Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Sinne eines antizipierten Sachverständigengutachtens gebündelt sind. Von ihnen ist nur insoweit im Einzelfall abzuweichen, als die für die Schadensbemessung maßgeblichen individuellen gesundheitlichen Verhältnisse des Versicherten dies rechtfertigen.

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben ist daher nicht das persönliche Erwerbsleben des Klägers entscheidend, sondern das Gebot der abstrakten Schadensbemessung zu beachten. Maßgebend sind daher die verbliebenen unfallbedingten Funktionsstörungen und Bewegungseinschränkungen.

Die Höhe der MdE bei Funktionsbeeinträchtigungen seitens der Kniegelenke wird hauptsächlich bestimmt durch das Ausmaß der verminderten Beweglichkeit oder die unphysiologische Zunahme der Beweglichkeit (Überstreckbarkeit, Wackelbeweglichkeit, Verschieblichkeit) sowie der Schmerzhaftigkeit. Zu beachten ist, dass eine Streckbehinderung von 5 bis 10 Grad für die meisten Betroffenen einschneidender ist als eine Beugebehinderung von 30 bis 40 Grad. Denn der Ausschluss der vollständigen Streckung verhindert, das Bein muskelentspannt als Standbein zu benutzen. Daher rechtfertigt sowohl eine Beugeeinschränkung auf 120 Grad ohne Streckdefizit (MdE von 10 v.H.) als auch eine Beugeeinschränkung auf 90 Grad ohne Streckdefizit (MdE von 15 v.H.) keine MdE im rentenberechtigenden Grad. Denn bei diesen Bewegungseinschränkungen können die meisten beruflichen (auch körperlichen) Tätigkeiten noch ausgeführt werden. Erst bei einer Beugeeinschränkung auf 90 Grad mit Streckdefizit von 10 Grad oder einer Einschränkung der Beugefähigkeit auf nur noch 80 Grad ist daher eine MdE 20 v.H., somit eine MdE im rentenberechtigenden Grad, gegeben (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, S. 685 f.). Eine Instabilität ist zusätzlich zu berücksichtigen. Dabei begründet eine geringfügige Kniebandlockerung mit einer Aufklappbarkeit am Seitenband und/oder einer Schublade von jeweils weniger als 3 mm keine messbare MdE. Liegt eine Instabilität vor, die muskulär kompensierbar ist, ist eine MdE von 10 v.H. angemessen. Eine MdE von 20 v.H. erfordert eine Instabilität, die nicht muskulär kompensierbar ist (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O. S. 686).

Unter Anlegung dieser Beurteilungsmaßstäbe ist im Fall des Klägers aufgrund der Funktionseinschränkungen im Bereich des rechten Kniegelenkes eine rentenberechtigende MdE von zumindest 20 v.H., somit in rentenberechtigendem Grad, weder im Zeitraum vom 04.10.2010 bis 29.01.2014 (hierzu unter I.) sowie ab dem 04.10.2014 (hierzu unter II.) nicht festzustellen. Es liegt auch kein Fall einer besonderen beruflichen Betroffenheit vor, so dass die MdE auch nicht gem. § 56 Abs. 2 Satz 2 SGB VII zu erhöhen ist (hierzu unter III.).

I.

Im Zeitraum nach der ersten Verletztengeldzahlung bis zum Beginn der zweiten Verletztengeldzahlung – erneute Arbeitsunfähigkeit nach der Operation am 30.01.2014 – sind keine Befunde dokumentiert, die eine MdE in rentenberechtigender Höhe rechtfertigen.

Die Kammer stützt sich auf das von der Beklagten eingeholte Gutachten des Dr. Q. vom 22.02.2011. Dieses Gutachten ist kein beweisuntaugliches Parteigutachten, sondern kann im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden und nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), der das Gericht folgt, auch alleinige Grundlage der gerichtlichen Entscheidung sein, wenn sich – wie hier – keine Bedenken gegen die Schlüssigkeit oder Zweifel an ihrer Richtigkeit ergeben (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Auflage 2020, § 128 Rdnr. 7 f).

Der Kläger gab bei der gutachtlichen Untersuchung durch Dr. Q. am 12.01.2011 an, dass bei längeren knienden Tätigkeiten teilweise ein stechender Schmerz im Bereich des rechten Kniegelenkes auftrete. Auch könne er über längere Zeiträumen nicht mehr gut stehen. Instabilitäten hat der Kläger verneint. Der Bewegungsumfang im Bereich des rechen Kniegelenkes ist uneingeschränkt ohne Bewegungsschmerzhaftigkeiten gewesen. Ein postero-laterale Kniegelenksinstabilität ist nicht nachweisbar gewesen, da weder eine innere oder äußere Aufklappbarkeit, eine vordere oder hintere Schublade oder eine Rotationsschublade bestanden hat. Es hat auch eine seitengleiche Gelenkkonfiguration ohne Verstreichen der Gelenkkonturen und ohne Umfangsdifferenzen im Seitenvergleich bestanden. Damit haben stabile Verhältnisse ohne Bewegungseinschränkungen bestanden, so dass sich keine MdE messbaren Umfanges feststellen lässt. Dies entspricht auch der Einschätzung des Durchgangsarztes P. nach Abschluss des Heilverfahrens am 01.10.2010.

Im Zeitraum von Januar 2011 bis April 2013 liegen keine ärztlichen Befunde vor. Der Kläger hat sich erstmals am 17.04.2013 erneut bei dem Durchgangsarzt P. vorgestellt und zunehmende Beschwerden im Bereich des rechten Kniegelenkes, insbesondere nach dem Fahrradfahren angegeben. Es hat zwar ein deutlicher Gelenkerguss sowie eine vordere Schublade mit Instabilität bestanden, jedoch ein freies Bewegungsausmaß des rechten Kniegelenkes mit Streckung/Beugung von 0-0-140 Grad (vgl. Bericht des AB. T. vom 18.06.2013). Dort wurde ein stabiler kollateraler Bandapparat, ein stabiles vorderes Kreuzband mit festem Anschlag und negativem Lachmann-Test und deutlich elongierter hinterer Schublade im Sinne einer gut 2-3fach positiven hinteren Instabilität festgestellt. Der Kläger war weiter arbeitsfähig. Auf seinen Wunsch hin wurde die Operation erst am 30.01.2014 durchgeführt. Eine Instabilität, die nicht muskulär kompensierbar gewesen ist und daher eine MdE von 20 v.H. gerechtfertigt hätte, lässt sich daher anhand der dokumentierten Befunde nicht feststellen.

II.

Auch ab dem 04.10.2014, somit nach dem Ende der zweiten Verletztengeldzahlung, lässt sich keine MdE im rentenberechtigendem Umfang feststellen. Die Kammer stützt sich auf die Befunde, die der Durchgangsarzt P. sowie der Chirurg Dr. Y. in den Gutachten vom 02.10.2014 und 26.10.2015 erhoben haben.

Bei der gutachtlichen Untersuchung am 12.09.2014 hat rechtsseitig eine Beweglichkeit von 0/0/130 Grad bestanden, somit kein Streckdefizit und eine geringgradige Einschränkung der Beugefähigkeit. Es hat auch keine Instabilität bestanden, da sowohl die vordere als auch die hintere Stabilität gegeben waren und eine Seitenbandinstabilität ebenfalls nicht ausgelöst werden konnte. Da der Kläger nur ein leichtes Schonhinken gezeigt hat, Einbeinstand sowie Zehen- und Hackenstand beidseits problemlos hat durchführen können und eine nur geringe Umfangsminderung im Bereich des rechten Oberschenkels von 1 cm bestanden hat, haben keine Funktionseinschränkungen vorgelegen, die unter Heranziehung der oben dargestellten Erfahrungswerte eine MdE von 20 v.H. rechtfertigen könnten. Soweit Herr P. den MdE-Vorschlag von 20 v.H. mit einer schmerzhaften Aufhebung der knienden Tätigkeit begründet hat, ist zu beachten, dass die MdE unabhängig von dem ausgeübten Beruf einzuschätzen ist.

Dr. Y. hat in dem am 26.10.2015 erstatteten Gutachten ein Streckdefizit von 5 Grad, eine Beugeeinschränkung auf 120 Grad, eine Restinstabilität mit minimaler Insuffizienz des hinteren Kreuzbandes sowie eine Muskelminderung von 1 bis 2 cm bei leicht verschwollenem rechten Kniegelenk (messtechnische Umfangsmehrung von 1,5 cm) festgestellt. Auch hieraus lässt sich eine MdE von 20 v.H. nicht begründen, da weder ein Streckdefizit von 10 Grad noch eine Beugeeinschränkung auf 90 Grad bestanden hat. Da der Kläger ein Gangbild ohne wesentliches Entlastungs-/Verkürzungshinken gezeigt hat, der Einbeinstand rechts wie links sicher und Zehenspitzen- und Hackengang frei gewesen sind, das monopedale Hüpfen rechts nur etwas eingeschränkt, die Hockstellung bis 100 Grad möglich und die Fußsohlenbeschwielung seitengleich war, lässt sich eine wesentliche Einschränkung der Funktion des rechten Kniegelenkes nicht feststellen. Dr. Y. hat selbst ausgeführt, dass die Funktions- und Bewegungsbeeinträchtigungen nur eine Bewertung mit 10 v.H. zulassen würden. Soweit er die von ihm vorgeschlagene MdE von 25 v.H. mit dem Vorliegen einer besonderen beruflichen Betroffenheit begründet hat, ist – wie später unter III. noch näher auszuführen sein wird – ist zu beachten, dass vorliegend kein besonderer Einzelfall vorliegt, der die Annahme einer besonderen Betroffenheit rechtfertigen könnte.

Auch soweit Dr. X. auf ein chronifiziertes Schmerzsyndrom verweist, folgt hieraus keine MdE im rentenberechtigenden Umfang. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Rentenbegutachtung um eine reine Funktionsbegutachtung, weshalb sich die Höhe der MdE grundsätzlich an dem Ausmaß der unfallbedingten Einschränkungen der Körperfunktionen bemisst. Die durch die Verletzung entstehenden Schmerzen und subjektiven Beschwerden des Klägers sind in den MdE-Erfahrungswerten bereits enthalten. Ein außergewöhnliches Schmerzsyndrom, dass ggf. zusätzlich zu bewerten wäre, ergibt sich aus den Unterlagen nicht. Gegenüber Dr. X. hat der Kläger arbeits- und tätigkeitsabhängige Schmerzen sowie zunehmende Rückenschmerzen angegeben. Medikamente nimmt er nur bedarfsweise ein. Dr. X. hat eine funktionell gute Kniegelenksbeweglichkeit rechts und eine funktionell schmerzbedingt endgradig eingeschränkte Hüftgelenksbeweglichkeit rechts festgestellt. Unabhängig von der Frage, ob die Schmerzmitteleinnahme allein den Folgen des Arbeitsunfalls vom 23.07.2010 zuzurechnen ist, ist zu beachten, dass die bedarfsweise Medikation bei fehlender spezieller Schmerztherapie kein außergewöhnliches Schmerzsyndrom belegt.

Auch soweit inzwischen eine Streckhemmung von 10 Grad besteht, lässt sich hieraus keine rentenberechtigende MdE begründen. Die Kammer stützt sich auf das auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG eingeholte Gutachten des Sachverständigen Dr. AA. vom 09.03.2020. Dr.  AA. hat schlüssig und nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass nur die Beugeeinschränkung auf 130 Grad Folge der hinteren Kreuzbandplastik ist, was einen idealen Ausheilungszustand darstellt. Die Zunahme der Streckhemmung lässt sich hingegen nicht hierauf zurückführen, da diese beidseits besteht und Folge der beidseits identischen medialen Gonarthrose ist.

Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass die ferner bei dem Kläger bestehende mediale Instabilität ist nur einfach positiv und muskulär gut kompensierbar ist. Da lateral eine Stabilität besteht und auch keine posteromediale- oder laterale Rotationsinstabilität vorliegt, rechtfertigt die leichten medialen Instabilität ebenfalls keine Erhöhung der MdE. Der Kläger hat auch bei der Untersuchung durch Dr. AA. ein flüssiges Gangbild mit raumgreifendem Schritt und ohne wesentliches Schon- und Verkürzungshinken gezeigt. Nur das monopedale Hüpfen ist rechtsseitig unsicher, sowohl Einbeinstand, Zehenstand und –gang sowie Hackenstand und –gang sind beidseits sicher. Auch wenn der Kläger nachvollziehbar Schwierigkeiten beim Knien und Fahrradfahren hat, lässt sich eine wesentliche Funktionseinschränkung, die unter Beachtung der unfallmedizinischen Erfahrungswerte eine rentenberechtigende MdE bedingt, nicht feststellen.

Dr. AA. hat daher schlüssig und nachvollziehbar für den Zeitraum ab dem 01.10.2014 eine MdE von 10 v.H., somit eine MdE im nicht rentenberechtigenden Umfang, vorgeschlagen. Soweit er für den Zeitraum vom 04.10.2010 bis 29.01.2014 eine MdE vopn 20 v.H. vorschlägt, ist auf die obigen Ausführungen unter I. zu verweisen.

III.

Die Kammer verkennt nicht, dass der Kläger aufgrund der Unfallfolgen Schwierigkeiten bei der vollschichtigen Ausübung seines langjährig ausgeübten Berufes als selbständiger Fußbodenverleger hat, da er kniende Tätigkeiten nicht mehr vollschichtig ausüben kann. Jedoch ist die MdE – wie oben bereits ausgeführt – unabhängig von dem ausgeübten Beruf zu beurteilen.

Eine Erhöhung der MdE aufgrund besonderer beruflicher Betroffenheit kommt im vorliegenden Fall entgegen der Ausführungen des Dr. Y. nicht in Betracht.

Nach den engen Voraussetzungen des § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII wird die berufliche Betroffenheit nicht allgemein berücksichtigt, sondern stellt immer eine Einzelfallprüfung dar, der strenge Maßstäbe zugrunde zu legen sind. Danach werden bei der Bemessung der MdE Nachteile berücksichtigt, die die Versicherten dadurch erleiden, dass sie bestimmte von ihnen erworbene besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen infolge des Versicherungsfalls nicht mehr oder nur noch in gemindertem Umfang nutzen können, soweit solche Nachteile nicht durch sonstige Fähigkeiten, deren Nutzung ihnen zugemutet werden kann, ausgeglichen werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG liegen diese die Höherbewertung der MdE rechtfertigenden Nachteile nur dann vor, wenn unter Wahrung des in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Grundsatzes der abstrakten Schadensberechnung - der durch § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII nicht eingeschränkt wird - die Nichtberücksichtigung von Ausbildung und Beruf bei der Bewertung der MdE im Einzelfall zu einer unbilligen Härte führen würde. Dabei führt die Tatsache, dass der Verletzte seinen erlernten Beruf infolge des Versicherungsfalls nicht mehr ausüben kann, nicht zwangsläufig zur Erhöhung der MdE nach § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII (BSG, Urteil vom 27.06.2000 – Az.: B 2 U 14/99 R; vom 18.12.1974 – Az.: 2 RU 155/74 jeweils m.w.N. - juris).

Als wesentliche Merkmale bei der Beurteilung einer besonderen beruflichen Betroffenheit sind das Alter des Versicherten, die Dauer seiner Ausbildung, die Dauer der Ausübung seiner speziellen beruflichen Tätigkeit und die Gewährleistung einer günstigen Stellung im Erwerbsleben durch die bisher verrichtete Tätigkeit zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 27.06.2000, a.a.O.). Aus diesen Merkmalen und den außerdem zu beachtenden sonstigen Umständen des jeweiligen Einzelfalles kann sich eine Höherbewertung der MdE ergeben, wenn der Verletzte infolge des Arbeitsunfalls oder der Berufskrankheit seinen Lebensberuf aufgeben muss und er die ihm verbliebenen Kenntnisse und Fähigkeiten nur noch unter Inkaufnahme eines unzumutbaren sozialen Abstiegs auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens verwerten kann (BSG, Urteil vom 27.06.2000, a.a.O.).

Zu beachten ist, dass unter den besonderen Fähigkeiten und Erfahrungen nur spezielle Fertigkeiten zu verstehen sind, die sich der Versicherte nicht allein durch berufliches und länger erprobtes Fachwissen, sondern durch eine vorhandene Begabung oder durch besondere Fähigkeiten und meist jahrelange Übung angeeignet hat. Dagegen sind diese besonderen Fertigkeiten nicht schon dann zu bejahen, wenn der Verletzte seinen Lehr- oder Anlernberuf nicht mehr ausüben kann (BSG, Urteil vom 19.09.1974 – Az.: 8 RU 94/73 – juris). Infolgedessen ist diese wesentliche Voraussetzung der Härteregelung vom BSG in der Vergangenheit auch nur in besonderen Einzelfällen z.B. beim Beruf des Kaffeerösters, der Konzertpianistin oder eines Balletttänzers angenommen worden, somit in Fällen, bei denen der Verlust der besonderen Fähigkeiten zur Berufsausübung regelmäßig mit dem Verlust einer wirtschaftlich vorteilhaften Position verbunden ist (vgl. hierzu auch Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 15.12.2011, Az.: L 14 U 3/11). Für folgende Berufsbilder ist von der Rechtsprechung bereits eine MdE-erhöhende Wirkung im Sinne des § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII abgelehnt worden: Pizzabäcker, Ofenbauer, Einzelhandelskaufmann, Klavierstimmer, Gabelstapler-Monteur, Gastwirtin, Tierarzt, Paukist, Maurerpolier, Maurer, Stadtbahnfahrerin, selbstständiger Autohändler, Dachdecker, Landmaschinenschlosser-/mechaniker, Schiffsmaler, Vorarbeiter im Bauunternehmen, Kraftfahrer, Anlagenmechaniker, Werker im Kanalbau sowie Radio- und Fernsehmechaniker (vgl. hierzu Urteil des LSG NSB vom 16.02.2018, Az.: L 14 U 76/15 m.w.N. zu den entsprechenden Urteilen). Hieraus ergibt sich nach Auffassung der Kammer auch im Fall des Klägers für seine berufliche Tätigkeit als selbständiger Malermeister mit Schwerpunkt Fußbodenverlegung, dass eine „besondere berufliche Betroffenheit“ nicht anzuerkennen ist. Auch wenn die Kammer berücksichtigt, dass der Kläger den Beruf als Malermeister bereits seit frühester Kindheit hat ausüben wollen und er mit viel Engagement einen Kleinbetrieb mit Spezialisierung auf Fußbodenverlegearbeiten aufgebaut hat, ist nicht ersichtlich, dass er die oben beschriebenen speziellen Fähigkeiten erworben hat, die eine Erhöhung der Rente rechtfertigen könnte. Im Übrigen ist es für die rechtliche Beurteilung auch nicht erheblich, ob die konkrete Einkommenssituation des Verletzten im neuen Beruf ungünstiger ist, als in der vor dem Unfall ausgeübten Tätigkeit.

Die Klage war daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Rechtskraft
Aus
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