L 2 AS 1363/22

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2.
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AS 870/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 AS 1363/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 5. April 2022 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.



Tatbestand


Die Klägerin wendet sich gegen die Aufhebung und Rückforderung der ihr für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 30. November 2018 gewährten Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) in Höhe von insgesamt 151.990,73 €.

Die 1957 geborene Klägerin erwarb am 4. November 1997 (Bl. 74 Ausdruck elektronische Verwaltungsakte - eVA) gemeinsam mit ihrem Ehemann, von dem sie seit 2001 dauerhaft getrennt lebt, das Eigentum an der Eigentumswohnung in der M1straße in K1 jeweils zur Hälfte. Zum Zwecke des Erwerbes belasteten die Klägerin und ihr Ehemann die Eigentumswohnung mit einer Grundschuld in Höhe von 234.000,00 DM bzw. 119.642,30 € (Bl. 72/73 eVA). Die Eigentumswohnung war damals zum Preis von 220.000,00 DM erworben worden. Seit 1. Dezember 2019 bewohnt die Klägerin die Eigentumswohnung selbst.

Nachdem die Klägerin zunächst Arbeitslosengeld I bezogen hatte, beantragte sie am 29. Dezember 2004 die Gewährung von Arbeitslosengeld II. Die Klägerin bewohnte seinerzeit gemeinsam mit den Kindern A1 und V1 eine Mietwohnung in der O1straße. In ihrem Antrag gab sie u.a. beim Zusatzblatt zur Feststellung der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung ausweislich des in grüner Farbe angebrachten Vermerks der Antragsannehmerin an, dass ihr getrennt lebender Ehemann die Miete zahle und sie dafür keinen Kindesunterhalt erhalte (Bl. 7 Verwaltungsakte - VA - Bd. I). In der Anlage VM (zur Feststellung des zu berücksichtigenden Vermögens nach § 12 SGB II) beantwortete die Klägerin die Frage unter Nr. 5, ob sie oder eine im Haushalt lebende Person oder man gemeinsam Eigentümer bebauter Grundstücke und/oder Eigentumswohnungen sei mit nein. An dieser Stelle sind - anders als bei den Kosten der Unterkunft - keinerlei ergänzenden Angaben der Antragsannehmerin vermerkt (Bl. 13 VA Bd. I).

Mit Bescheid vom 21. Januar 2005 (Bl. 36 VA Bd. I) in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 21. September 2006 (Bl. 231 VA Bd. I) wurden der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 30. Juni 2005 in Höhe von insgesamt 4.686,06 € bewilligt. Kosten der Unterkunft erhielt die Klägerin im Hinblick auf ihre Angaben in ihrem Antrag vom 29. Dezember 2004 keine.

Mit Bescheid vom 25. Juni 2005 (Bl. 68 VA Bd. I) in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 21. September 2006 (Bl. 259 VA Bd. I) wurden der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1. Juli 2005 bis 31. Dezember 2005 in Höhe von insgesamt 5.051,22 € bewilligt; hier ebenfalls wie auch bei allen folgenden Bewilligungsbescheiden ohne Übernahme der Kosten der Unterkunft.

Mit Bescheid vom 25. Oktober 2005 (Bl. 89 VA Bd. I) in der Fassung des Änderungsbescheides vom 21. September 2005 und unter Berücksichtigung des Erstattungsbescheides vom 21. September 2006 (Bl. 231 VA Bd. I - aufgrund der nachträglichen Bewilligung eines Mehrbedarfs als alleinerziehend ab Januar 2005) wurden der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis 30. Juni 2006 in Höhe von insgesamt 4.276,62 € bewilligt.

Mit Bescheid vom 3. Juli 2006 (Bl. 129 VA Bd.I) in der Fassung des Änderungsbescheides vom 21. September 2006 (Bl. 259 VA VA Bd. I - ebenfalls aufgrund der Bewilligung eines Mehrbedarfs als alleinerziehend ab Januar 2005) wurden der Klägerin Leistungen für die Zeit vom 1. Juli 2006 bis 31. Dezember 2006 in Höhe von insgesamt 3.663,10 € bewilligt.

Mit Bescheid vom 13. Dezember 2006 (Bl. 371 VA Bd. I) in der Fassung der Änderungsbescheide vom 15. Februar 2007 (Bl. 419 VA Bd.I : Änderung der Leistungshöhe aufgrund der Absolvierung des Grundwehrdienstes durch den Sohn A1 ab dem 01.01.2007, der zum Wegfall des Anspruches nach dem SGB II geführt hatte) und vom 14. März 2007 (Bl. 453 VA Bd. I, der sich ebenfalls auf die Absolvierung des Grundwehrdienstes durch den Sohn A1 bezog) und unter Berücksichtigung des Erstattungsbescheides vom 14. März 2007 (Bl. 443 VA Bd. I, der ebenfalls im Zusammenhang mit dem Grundwehrdienst des Sohnes A1 stand und sich auf den Zeitraum 1. Januar 2007 bis 28. Februar 2007 bezog) wurden der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis 30. Juni 2007 in Höhe von insgesamt 2.204,50 € bewilligt.

Mit Bescheiden vom 13. Juni 2007 (Bl. 481 VA Bd. I) und 9. Oktober 2007 (Bl. 527 VA Bd. I, Übernahme einer Nebenkostennachzahlung) wurden der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 1. Juli 2007 bis 31. Dezember 2007 in Höhe von insgesamt 2.456,46 € bewilligt.

Mit Bescheid vom 13. Dezember 2007 (Bl. 583 VA Bd. II, wobei hier auch Kosten der Unterkunft übernommen wurden) in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23. April 2008 (Bl. 633 VA Bd. II) und unter Berücksichtigung des Erstattungsbescheides vom 8. August 2008 (Bl. 833 VA Bd. II, betraf die Rückforderung von Leistungen aufgrund erzielten Einkommens der Tochter V1) wurden der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis 30. Juni 2008 in Höhe von insgesamt 3.978,50 € bewilligt.

Mit Bescheid vom 14. Juli 2008 (Bl. 727 VA Bd. II) in der Fassung der Änderungsbescheide vom 16. Juli 2008 (Bl. 801 VA Bd. II), 11. November 2008 (Bl. 915 VA Bd. II) und 23. Dezember 2008 (Bl. 1143 VA Bd. II) sowie dem Bescheid vom 13. August 2008 (Bl. 851 VA Bd. II - betraf die Übernahme einer Betriebskostenabrechnung) wurden der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 1. Juli 2008 bis 31. Dezember 2008 in Höhe von insgesamt 4.466,79 € bewilligt.

Mit Bescheid vom 5. Dezember 2008 (Bl. 991 VA Bd. II) in der Fassung der Änderungsbescheide vom 23. Dezember 2008 (Bl. 1153 VA Bd. II), 12. März 2009 (Bl. 1221 VA Bd. II) und 25. Juni 2009 (Bl. 1307 VA Bd. III) und unter Berücksichtigung des Erstattungsbescheides vom 25. Juni 2009 (Bl. 1313 VA Bd. III, wegen der Erzielung von Einkommen durch die Tochter J1) wurden der Klägerin für die Zeit vom 1. Januar 2009 bis 30. Juni 2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von insgesamt 4.389,00 € bewilligt.

Mit Bescheid vom 25. Juni 2009 (Bl. 1301 VA Bd. III) wurden der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 1. Juli 2009 bis 31. Dezember 2009 in Höhe von insgesamt 3.953,58 € bewilligt.

Mit Bescheid vom 7. Dezember 2009 (Bl. 1443 VA Bd. III) in der Fassung der Änderungsbescheide vom 22. Februar 2010 (Bl. 1513 VA Bd. III), 21. April 2010 (Bl. 1569 VA Bd. III - betraf die Übernahme von Heiz- und Betriebskosten) und 29. Juli 2010 (Bl. 1667 VA Bd. III) wurden der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis 30. Juni 2010 in Höhe von insgesamt 4.384,83 € bewilligt.

Mit Bescheid vom 18. Juni 2010 (Bl. 1597 VA Bd. III) in der Fassung der Änderungsbescheide vom 29. Juli 2010 (Bl. 1669 VA Bd. III) und 18. August 2010 (Bl. 1679 VA Bd. III) wurden der Klägerin Leistungen für die Zeit vom 1. Juli 2010 bis 31. Dezember 2010 in Höhe von insgesamt 4.930,56 € bewilligt.

Mit Bescheid vom 6. Dezember 2010 (Bl. 1697 VA Bd. III) in der Fassung des Änderungsbescheides vom 24. Mai 2011 (Bl. 1727 VA Bd. III) wurden der Klägerin Leistungen für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis 30. Juni 2011 in Höhe von insgesamt 5.000,77 € bewilligt.

Mit Bescheid vom 24. Mai 2011 (Bl. 1731 VA Bd. III) in der Fassung der Änderungsbescheide vom 26. August 2011, 13. September 2011 und 29. Dezember 2011 (Bl. 1785, 1813 und 2011 VA Bd. III) sowie unter Berücksichtigung des Erstattungsbescheides vom 18. Januar 2012 (Bl. 2081 VA Bd. III) wurden der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 1. Juli 2011 bis 31. Dezember 2011 in Höhe von insgesamt 4.291,28 € bewilligt.

Mit Bescheid vom 29. Dezember 2011 (Bl. 2027 VA Bd. III) in der Fassung des Änderungsbescheides vom 18. Januar 2012 (Bl. 2117 VA Bd. III) wurden der Klägerin für die Zeit vom 1. Januar 2012 bis 30. Juni 2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von insgesamt 6.137,94 € bewilligt.

Mit Bescheid vom 16. Mai 2012 (Bl. 2241 VA Bd. V) in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 9. Juli 2012 (Bl. 2269 VA Bd. V) und unter Berücksichtigung des Sanktionsbescheides vom 29. August 2012 (Bl. 2295 VA Bd. V) wurden der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 1. Juli 2012 bis 31. Dezember 2012 in Höhe von insgesamt 6.136,39 € bewilligt.

Mit Bescheid vom 30.  November 2012 (Bl. 2333 VA Bd. V) in der Fassung des Änderungsbescheides vom 1. Februar 2013 (Bl. 2357 VA Bd. V) wurden der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 1. Januar 2013 bis 30.  Juni 2013 in Höhe von insgesamt 6.344,94 € bewilligt.

Mit Bescheid vom 4. Juni 2013 (Bl. 2393 VA Bd. V) in der Fassung des Änderungsbescheides vom 4. September 2013 (Bl. 2429 VA Bd. V) wurden der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 1. Juli 2013 bis 31. Dezember 2013 in Höhe von insgesamt 6.851,56 € bewilligt.

Mit Bescheid vom 20. November 2013 (Bl. 2455 VA Bd. V) in der Fassung des Änderungsbescheides vom 10. Juni 2014 (Bl. 2507 VA Bd. V) wurden der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 1. Januar 2014 bis 30. Juni 2014 in Höhe von insgesamt 7.879,74 € bewilligt.

Mit Bescheid vom 20. Mai 2014 (Bl. 2481 VA Bd. V) in der Fassung des Änderungsbescheides vom 17. November 2014 (Bl. 2557 VA Bd. V) und unter Berücksichtigung des Erstattungsbescheides vom 30. Januar 2015 Bl. 2673 VA Bd. VI) wurden der Klägerin für die Zeit vom 1. Juli 2014 bis 31. Dezember 2014 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von insgesamt 6.413,94 € bewilligt.

Mit Bescheid vom 11. Dezember 2014 (Bl. 2597 VA Bd. VI) in der Fassung der Änderungsbescheide vom 31. März 2015 und 7. Mai 2015 (Bl. 2727 und 2754 VA Bd. VI) wurden der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 1. Januar 2015 bis 31. Dezember 2015 in Höhe von insgesamt 12.488,56 € bewilligt (einschließlich Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich 587,61 €).

Mit Bescheid vom 7. Dezember 2015 (Bl. 2803 VA Bd. VI) in der Fassung des Änderungsbescheides vom 17. Mai 2016 (Bl. 2847 VA Bd. VI) wurden der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2016 in Höhe von insgesamt 12.550,13 € bewilligt.

Mit Bescheid vom 28. November 2016 (Bl. 2891 VA Bd. VI) in der Fassung des Änderungsbescheides vom 28. April 2017 (Bl. 2931 VA Bd. VI) wurden der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 1. Januar 2017 bis 30. Juni 2017 in Höhe von insgesamt 7.700,49 € bewilligt.

Mit Bescheid vom 30. Mai 2017 (Bl. 2951 VA Bd. VI) in der Fassung des Änderungsbescheides vom 25. November 2017 (Bl. 7 eVA) wurden der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 1. Juli 2017 bis 30. Juni 2018 in Höhe von insgesamt 13.381,50 € bewilligt.

Mit Bescheid vom 22.  Mai 2018 (Bl. 35 eVA) wurden der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 1. Juli 2018 bis 30. November 2018 in Höhe von insgesamt 5.018,05 € bewilligt.

Die Klägerin hatte bei den jeweiligen Weiterbewilligungsanträgen vom 29. Mai 2005, 22. Juni 2006, 6. Dezember 2006, 31. Mai 2007, 31. Mai 2008, 21. November 2008, 16. Juni 2009, 26.  November 2009, 10. Juni 2010, 2. Dezember 2010, 16. Mai 2011, 12. Dezember 2011, 25. Januar 2012, 15. Mai  2012, 29. November 2012, 23. Mai 2013, 19. November 2013, 19. Mai 2014, 5. Dezember 2014, 3. Dezember 2015, 18. November 2016, 22. Mai 2017 und 15. Mai 2018 jeweils keine  Änderung ihrer Vermögensverhältnisse angegeben.

Erstmals durch die am 4. Juni 2018 vorgelegte Anlage VM war dem Beklagten bekannt geworden, dass die Klägerin zu 50% Eigentümerin der Eigentumswohnung in der M1straße in K1 ist.

Mit mehreren Schreiben vom Juni, Juli, August, Oktober, November und Dezember 2018 sowie Januar 2019 wurden Unterlagen zu der Eigentumswohnung und der damit verbundenen Feststellung der Vermögensverhältnisse während des Leistungsbezuges vom 1. Januar 2005 bis 30. November 2018 angefordert. In dem Zusammenhang wurden mit Schreiben vom 18. Juni 2018 eine schriftliche Erklärung, Kontoauszüge aus dem Darlehenskonto mit der zum Zeitpunkt noch offenen Kreditsumme, Unterlagen zur Hausgeldabrechnung aus 2017, der Wirtschaftsplan für 2018 über die Verteilung der Hausgeldzahlungen, der Grundbucheintrag vom 14. November 1997, der Kaufvertrag der Immobilie vom 4. November 1997, die Zinsvereinbarung für die Zeit vom 1. Dezember 2012 bis 30. November 2017 mit dem Kreditgeber, Anschreiben bezüglich der Abtretung einer Lebensversicherung, der Nachweis/die Kontoauszüge über die noch offenen Verbindlichkeiten für den Zeitraum 2017 bis 2022 vorgelegt. Ferner wurden ab Dezember 2018 auch Unterlagen zur Bewertung der Wohnung per Stichtag der Antragstellung für die einzelnen Bewilligungszeiträume ermittelt. Eine Wertermittlung war von der Tochter der Klägerin, D1, Immobilienkauffrau, gefertigt und vorgelegt worden, ausweislich derer der durchschnittlich gerundete Marktwert für den 21. Januar 2019 208.000 € bei einer Spanne zwischen 192.000 und 225.000 € betrug (Bl. 171 eVA). Diese und die Kontoauszüge aus dem Darlehenskonto (noch ausstehende Schulden per Stichtag Antragstellung für jeden Bewilligungszeitraum) wurden vom Beklagten als Grundlage für die Prüfung des Vermögens genommen (Bl. 181 ff. eVA und Bl. 256 ff. eVA).

Mit Schreiben vom 31. Mai 2019 (Bl. 259, 267 ff. eVA) hörte der Beklagte die Klägerin zu einer beabsichtigten Aufhebung und Erstattung hinsichtlich der oben genannten Leistungsbescheide und den jeweils betroffenen Zeiträumen unter Darstellung der jeweiligen Erstattungsbeträge für die maßgeblichen Bewilligungszeiträume, das für die Bewilligungszeiträume zugrunde zu legende Vermögen und die jeweiligen Vermögensfreibeträge an.

Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden vom 11. September 2019 (Bl. 468 ff. eVA) hob der Beklagte die Bewilligungsbescheide für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 30. November 2018 auf und forderte jeweils für diese Zeiträume die erbrachten Leistungen in Höhe von insgesamt 151.990,73 € zurück.

Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 10. Oktober 2019 Widerspruch. Zur Begründung machte die Klägerin geltend, die fehlerhaften Angaben beruhten auf einem Missverständnis. Die Klägerin habe 1997 mit ihrem Ehegatten zusammen die Wohnung erworben, nach der Trennung im Jahre 1999 habe sie „nichts mehr mit der Sache“ zu tun gehabt. Es sei bekannt, dass der getrenntlebende Ehemann sich um die Finanzierung, Verwaltung und sonstige Organisation der Wohnung gekümmert habe. Abzüglich der Schulden habe die Wohnung zum Zeitpunkt der Trennung einen wirtschaftlichen Wert von ca. 60.000 DM gehabt. Bei der Durchführung eines Scheidungsverfahrens mit Zugewinnausgleich hätte der Klägerin die Hälfte hiervon zugestanden. Insoweit seien die Rückforderungsbescheide unverhältnismäßig und deshalb rechtswidrig.

Mit Änderungsbescheiden vom 5. Februar 2020 (Bl. 722 ff. eVA) änderte der Beklagte die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide betreffend die Leistungszeiträume 1. Januar 2006 bis 30. Juni 2006, 1. Juli 2006 bis 31. Dezember 2006, 1. Januar 2007 bis 30. Juni 2007, 1. Juli 2007 bis 31. Dezember 2007, 1. Juli 2008 bis 31. Dezember 2008, 1. Juli 2009 bis 31. Dezember 2009, 1. Januar 2010 bis 30. Juni 2010 und 1. Januar 2012 bis 30.Juni 2012 teilweise ab. Der Beklagte machte nunmehr eine Erstattungssumme in Höhe von insgesamt 151.990,73 € gegenüber der Klägerin geltend.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 2020 (Bl. 755 eVA) wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin im Übrigen als unbegründet zurück. Die Klägerin habe dauerhaft während des Leistungsbezuges über einen Teil einer Eigentumswohnung und damit über ein Vermögen zwischen 29.000,00 € und 76.300,00 € verfügt. Sie habe keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes gehabt. Die Bewilligungsbescheide seien nach § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) aufzuheben. Die Klägerin habe den Tatbestand des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X erfüllt. Die Bescheide würden auf Angaben beruhen, die sie zumindest grob fahrlässig unvollständig gemacht habe. Insgesamt seien von der Klägerin Leistungen in Höhe von 138.817,66 € sowie ferner Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge, die vom Beklagten geleistet wurden, in Höhe von 13.173,07 € gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 5 SGB II i.V.m. § 335 Abs. 1 SGB III zu erstatten, insgesamt 151.990,73 €.

Hiergegen hat die Klägerin am 17. März 2020 Klage zum Sozialgericht (SG) Karlsruhe erhoben. Zur Begründung hat die Bevollmächtigte geltend gemacht, es sei nicht erkennbar, wie die Beklagte den angegebenen Betrag zwischen 29.000,00 € und 76.300,00 € errechnet habe. Es fehle an einer Berechnungsgrundlage. Auch sei die Klägerin wegen Kreditzahlungen, Reparaturen und Instandhaltungskosten ihrem Ehemann gegenüber ausgleichpflichtig. Dies habe der Beklagte unberücksichtigt gelassen.

Der Beklagte ist dem entgegengetreten und hat daran festgehalten, dass seiner Meinung nach die angegriffenen Bescheide rechtmäßig seien und im Übrigen auf die Begründung im Widerspruchsbescheid verwiesen.

Mit Urteil vom 5. April 2022 hat das SG der Klage stattgegeben. Es hat hierbei die Auffassung vertreten, dass die zulässige Anfechtungsklage auch begründet sei, weil die Voraussetzungen für die Rücknahme der Bewilligungsbescheide durch die angefochtenen Bescheide vom 11. September 2019 betreffend die Leistungszeiträume vom 1. Januar 2005 bis 30. November 2018 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 5. Februar 2020, diese in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2020 nach § 45 SGB X nicht erfüllt seien.
Die angefochtenen Bescheide seien formell rechtmäßig, die Klägerin sei vor Erlass der Aufhebungs- und Erstattungsbescheide mit Schreiben vom 31. Mai 2019 angehört worden. Es bestünden auch keine Bedenken hinsichtlich der Bestimmtheit gemäß § 33 Abs. 1 SGB X. Die Höhe der jeweiligen Aufhebungsentscheidungen ergebe sich aus den Bescheiden vom 11. September 2019 teilweise i.V.m. den Änderungsbescheiden vom 5. Februar 2020 (mit Hinweis auf Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 8. Dezember 2020 - B 4 AS 46/20 R - juris).
Des Weiteren hat das SG jedoch die Auffassung vertreten, dass die hier streitigen Aufhebungs- und Erstattungsbescheide des Beklagten vom 11. September 2019 materiell rechtswidrig seien, weil die Feststellungen des Beklagten die zugrunde zu legenden Aufhebungsvoraussetzungen nicht tragen würden.
Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) seien die Vorschriften des SGB X über die Rücknahme und Aufhebung von Verwaltungsakten anwendbar.
Nach § 45 Abs.1 SGB X dürfe ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt habe (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig sei, auch nachdem er unanfechtbar geworden sei, nur unter den Einschränkungen der Abs. 2 und 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
Hierzu hat das SG die Auffassung vertreten, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Bewilligungsbescheide für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 30. November 2018 rechtswidrig seien, habe der beweisbelastete Beklagte nicht hinreichend aufgeklärt, da er keine ausreichenden Ermittlungen zur Hilfebedürftigkeit der Klägerin für den betreffenden Zeitraum unter Berücksichtigung des Vermögens in Form des hälftigen Eigentums der Wohnung unternommen habe. Prüfungsmaßstab in Fällen der Aufhebung von Bewilligungen sei es nicht, ob die Klägerin ihre Hilfebedürftigkeit nachgewiesen habe. Es komme darauf an, ob der Beklagte die sich aus der Rücknahmesituation ergebenden erforderlichen Ermittlungen zum zu berücksichtigenden Vermögen und den sich daraus ergebenden Folgen für die Hilfebedürftigkeit des Beziehers von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhales angestellt habe. Der Beklagte trage die objektive Beweislast und sei verpflichtet, das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der Norm, auf die er seine Entscheidung stütze, zu ermitteln und festzustellen. Die Pflicht zur Tatsachenermittlung des Beklagten folge aus dem in § 20 SGB X festgelegten Untersuchungsgrundsatz. Es müssten alle Tatsachen, welche für die Entscheidung entscheidungserheblich seien, ermittelt werden (u.a. mit Hinweis auf BSG, Urteil vom 25. Juni 2015 - B 14 AS 30/14 R - juris).
Ausgehend hiervon sei der Beklagte der Ermittlungs- und Feststellungspflicht nicht hinreichend nachgekommen. Der Beklagte habe Ermittlungen zu der konkreten Höhe des Vermögens über den gesamten streitigen Zeitraum nicht angestellt. Der pauschale Hinweis auf das Eigentum einer Wohnung sowie die Spanne von 47.000,00 € sei hierfür nicht ausreichend. Eine Berechnungsgrundlage gehe weder aus den Verwaltungsakten noch aus dem Widerspruchsbescheid hervor und eine Bewertung hinsichtlich einer Steigerung und Absenkung von Immobilienpreisen sei nicht erkennbar. Dabei habe der Beklagte die Belastung mit der Grundschuld unberücksichtigt gelassen. Bei der Bewertung komme es nicht auf den Nennwert an, sondern darauf, in welcher Höhe die gesicherten Forderungen noch valutierten (mit Hinweis auf Lange in: Eicher/Luik/Harich in SGB II, 5. Aufl. 2021, § 12 Rn. 41). Insbesondere sei dabei die vollständige Haftung der Klägerin für das mit der Grundschuld abgesicherte Darlehen i.V.m. dem hälftigen Eigentum an der Wohnung zu berücksichtigen.
Eine vollständige Rechtswidrigkeit der Bewilligungsbescheide seit dem 21. Januar 2005 in der Fassung der jeweiligen Änderungs- und Rückforderungs- und Erstattungsbescheide ergebe sich aus den Berechnungen des Beklagten nicht. Die genaue Höhe des zu berücksichtigenden Vermögens der Klägerin sei nicht ermittelt worden, insbesondere fehle eine Berücksichtigung von Wertzuwachs und eine Tilgung der Valuta. Der Beklagte habe hierzu Ermittlungen unterlassen.
Das SG sei aufgrund seiner Amtsermittlungspflicht nach § 103 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auch nicht verpflichtet gewesen, die vom Beklagten unterlassene Ermittlung des zu berücksichtigenden Vermögens als Voraussetzung für die Aufhebungsverfügungen nachzuholen. Die Gerichte seien grundsätzlich verpflichtet, den angefochtenen Verwaltungsakt in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht umfassend nachzuprüfen (mit Verweis auf § 54 Abs. 2 Satz 1, § 103 SGG). Der Beklagte könne deshalb im Laufe des gerichtlichen Verfahrens neue Tatsachen und Rechtsgründe „nachschieben“. Bezüglich des Nachschiebens von Gründen bestünden jedoch Einschränkungen bei belastenden Verwaltungsakten, die im Wege der reinen Anfechtungsklage angefochten würden, wenn die Verwaltungsakte durch das Nachschieben in ihrem Wesen grundlegend verändert würden und der Betroffene in der Folge in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt werden könne (mit Hinweis auf BSG, Urteil vom 25. Juni 2015 - B 14 AS 30/14 R - juris).
Zudem seien in § 41 Abs. 2 SGB X die Heilungsmöglichkeiten für Verfahrens- und Formfehler der Behörde bei Erlass eines Verwaltungsaktes bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines gerichtlichen Verfahrens erleichtert und die Möglichkeit der Zurückverweisung des Gerichts an die Behörde eingeführt (§ 131 Abs. 5 SGG), sowie dem Gericht das Recht eingeräumt worden, der Behörde die Kosten einer von ihr unterlassenen und vom Gericht nachgeholten Ermittlung aufzuerlegen. Die Heilungs- und Nachbesserungsmöglichkeiten der Behörde seien hierdurch in formeller Hinsicht erleichtert worden und eine Verlagerung ihrer Ermittlungsarbeit auf die Gerichte solle nicht erfolgen, weil diese für die materielle Entscheidung von zentraler Bedeutung sei und deren Kern und damit das Wesen des erlassenen Verwaltungsaktes bestimme (mit Hinweis auf BSG, Urteil vom 25.Juni 201,5 a.a.O.).
Hieran gemessen hätte erst das SG durch die Ermittlung der konkreten Werthaltigkeit der Eigentumswohnung sowie der Valuta der Grundschuld über den hier betreffenden Zeitraum von 13 Jahren die Grundlagen für die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes legen können und hätte es das Wesen der angegriffenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheide verändert.

Der Beklagte hat gegen das ihm am 7. April 2022 zugestellte Urteil am 6. Mai 2022 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhoben. Zur Begründung macht der Beklagte geltend, nach einer routinemäßigen Aufforderung zur Mitwirkung vom 22. Mai 2018 sei die Klägerin aufgefordert worden, die Anlage VM zur Feststellung der Vermögensverhältnisse auszufüllen und aktuelle Nachweise vorzulegen. Erstmals durch die Anlage VM vom 4. Juni 2018 sei gegenüber dem Beklagten bekanntgegeben worden, dass die Klägerin hälftige Miteigentümerin einer Wohnung in der M1straße  in K1 sei. Mit mehreren Schreiben vom Juni 2018, Juli, August, Oktober, November und Dezember 2018 sowie Januar 2019 seien Unterlagen zu der Eigentumswohnung und der damit verbundenen Feststellung der Vermögensverhältnisse während des Leistungsbezuges vom 1. Januar 2005 bis 30. November 2018 angefordert worden. In dem Zusammenhang seien mit Schreiben  vom 18. Juni 2018 eine schriftliche Erklärung, Kontoauszüge aus dem Darlehenskonto mit der zum Zeitpunkt noch offenen Kreditsumme, einer Hausgeldabrechnung aus 2017, der Wirtschaftsplan für 2018 über die Verteilung der Hausgeldzahlungen, der Grundbucheintrag vom 14. November 1997, der Kaufvertrag der Immobilie vom 4. November 1997, die Zinsvereinbarung für die  Zeit vom 1. Dezember 2012 bis 30. November 2017 mit dem Kreditgeber, Anschreiben bezüglich der Abtretung einer Lebensversicherung und der Nachweis/die Kontoauszüge über die noch offenen Verbindlichkeiten für den Zeitraum 2017 bis 2022 vorgelegt worden. Ferner seien zu einem späteren Zeitpunkt - ab Dezember 2018 - auch Unterlagen zu der Bewertung der Wohnung per Stichtag der Antragstellung für die einzelnen Bewilligungszeiträume ermittelt worden. Eine Wertermittlung sei von der Tochter der Klägerin, V1 D1, Immobilienkauffrau, gefertigt und vorgelegt worden. Diese und die Kontoauszüge aus dem Darlehenskonto (noch ausstehende Schulden per Stichtag Antragstellung für jeden Bewilligungszeitraum) seien als Grundlage für die Prüfung des Vermögens genommen worden (ab Bl. 181 eVA). Daraus habe sich ein anteiliger Wert des Vermögens ergeben, welcher die Schonvermögensgrenze deutlich überschritten habe und zwar für jeden der benannten Leistungsabschnitte.
Nach Vorlage der angeforderten Unterlagen und deren Prüfung sowie auch nach Telefongesprächen vom 10. Dezember 2018 als auch 10. Januar 2019 und einem persönlichen Gespräch am 17. Januar 2019 habe der Sachverhalt abschließend geklärt werden können. Nach erfolgter Anhörung seien dann die Bewilligungsentscheidungen für die jeweiligen Bewilligungszeiträume zwischen dem 1. Januar 2005 und 30. November 2018 ganz zurückgenommen worden. Ebenfalls mit Bescheid vom 11. September 2019 seien auch die Ersatzansprüche für die Leistungen an die Kinder der Klägerin festgestellt und geltend gemacht worden.
Dagegen sei Widerspruch eingelegt worden, dem hinsichtlich des Ersatzanspruches nach § 34 SGB II (bezüglich der Kinder) über die Feststellung und Geltendmachung eines Ersatzanspruches abgeholfen worden sei. Im Übrigen sei der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid zurückgewiesen worden.
Im Klageverfahren sei ein Aktenstudium unterlassen worden. Stattdessen seien von der Klägerin Unterlagen eingereicht worden, welche teilweise innerhalb des Verwaltungsverfahrens nicht vorgelegt worden seien, deren Relevanz für das Verfahren aber fraglich sei, wie etwa solche zu den in der Wohnung durchgeführten Renovierungskosten, eventuelle Ersatzansprüche des getrennt lebenden Ehepartners, sowie Hausgeld-Aufwendungen. Diese seien nicht zu berücksichtigen gewesen, denn sie seien ausschließlich durch den Ehemann der Klägerin geleistet worden, welcher der Miteigentümer der Wohnung zur Hälfte sei. Diese Renovierungskosten würden das Vermögen sogar noch aufwerten, eine Scheidung der Ehe und eine entsprechende Auseinandersetzung sei bis dato aber nicht erfolgt. Darüber hinaus hätten die Nebenkosten aus der nicht bewohnten Wohnung nicht berücksichtigt werden können, da diese hätten vermieden werden können, beispielsweise durch Vermietung. Nach eigenem Vortrag der Klägerin habe die Eigentumswohnung unentgeltlich teilweise den gemeinsamen Kindern zur Verfügung gestanden und sei zeitweise auch einfach leer gestanden.
Bei dieser Sachlage habe das SG die nun gegenständliche Entscheidung getroffen, diese beinhalte falsche Feststellungen.
Die Berufung sei vielmehr begründet. Die Klägerin habe in dem hier streitigen Zeitraum falsche Angaben in Bezug auf ihr verwertbares Vermögen gemacht. Hierbei handele es sich um eine marktgängige Immobilie, welche durch ihren Verkehrswert zu jedem Zeitpunkt der Antragstellung zwischen dem Jahr 2005 und dem Jahr 2018 zu berücksichtigendes Vermögen dargestellt habe und gegenüber dem Beklagten nicht angegeben worden war.
Das SG stelle in seinem Urteil jedoch fest, dass die Voraussetzungen für die Rücknahme der Bewilligungsbescheide in dem hier streitigen Zeitraum 1. Januar 2005 bis 30. November 2018 nicht gegeben seien. Das SG komme zu dieser Schlussfolgerung, da keine ausreichenden Ermittlungen vom Beklagten durchgeführt worden seien und die fehlende Hilfebedürftigkeit der Klägerin als Grundlage für die Rücknahme der Bewilligungsentscheidungen zu belegen gewesen sei. Der Beklagte habe nach Auffassung des SG Ermittlungen zu der konkreten Höhe des Vermögens nicht angestellt. Dem folge der Beklagte nicht. Grundsätzlich sei es ausreichend, dass überhaupt ein anrechenbares Vermögen bestehe. Wie hoch das anzurechnende Vermögen sei, spiele für die Frage der Hilfebedürftigkeit keine Rolle. Auch für die Frage der Verwertbarkeit des Vermögens sei es ausreichend, dass überhaupt ein Ertrag bei der Verwertung erzielt werden könne. Zum Abgleich mit den Vermögensfreibeträgen bedürfe es aber jedenfalls der Feststellung, ob der Wert des Vermögens die Freibeträge überschreite.
Die Ermittlungen des Beklagten seien anhand der von der Gegenseite vorgelegten Verkehrswertangaben abzüglich der noch offenen Schulden auf die Wohnung erfolgt. Weitere zu berücksichtigende Positionen seien von der Klägerin nicht vorgetragen worden. Auch das SG habe solche nicht festgestellt oder zumindest nicht darauf hingewiesen. Die bloße Behauptung, dass aus Sicht des SG der Beklagte nicht ausreichend ermittelt habe, ohne Hinweis, was noch zu ermitteln gewesen wäre, liefere keine plausible Begründung des Urteils.
Im Übrigen bestätige auch der Schriftsatz des SG vom 19. Oktober 2021 an die Klägerin, dass das SG zunächst von einer Wertdarstellung der Immobilie, abzüglich der noch offenen Schulden und jeweiligen Tilgung ausgegangen sei. Die daraufhin vorgelegten Unterlagen bestätigten die bereits im Verwaltungsverfahren gemachten Ermittlungen. Die Angaben zu den Nebenkosten und Renovierungskosten (welche jedoch nicht von der Klägerin getragen worden seien) seien nicht absetzungsfähig und hätten vermieden werden können. Aber auch bei deren Berücksichtigung wäre die Schonvermögensgrenze in den einzelnen Bewilligungszeiträumen jedenfalls überschritten gewesen.
Dennoch werde dem Beklagten im Urteil des SG vorgeworfen, dass keine Berechnungsgrundlage aus der Verwaltungsakte hervorgehen würde und die Bewertung hinsichtlich Steigung und Absenkung der Immobilienpreise ausstehend sei. Hierzu werde auf Bl. 179 bis 181 sowie 257 bis 259 der elektronischen Verwaltungsakte hingewiesen. Absenkungen der Immobilienpreise in K1 Stadtmitte in dem genannten Zeitabschnitt seien bekanntlich nicht der Fall gewesen, sondern eher eine stetige Steigung. Ein Grund, warum auf den von der Tochter der Klägerin als Immobilienfachfrau angegebenen Verkehrswerte der Immobilie nicht zu vertrauen gewesen sei, sei im Urteil nicht genannt. Der Beklagte gehe davon aus, dass die Tochter der Klägerin als interessiert an dem Ausgang des Verfahrens auch die minimalen Marktwerte angegeben habe, sodass letztendlich eine Vermögensberechnung auf Grundlage deren Angaben und der Darlehenskontoauszüge als Minimum des bestehenden Vermögens gelten dürfe.
Ferner sei nach dem SG die Grundschuld angeblich unberücksichtigt geblieben. Die Berechnungen von Bl. 257 bis 259 berücksichtigten jedoch die noch offenen Verbindlichkeiten in den jeweiligen Bewilligungszeiträumen aus den im Verwaltungsverfahren vorgelegten Kontoauszügen.
Zu dem weiteren Argument des SG in seinem Urteil, es sei nicht berücksichtigt worden, dass lediglich eine Hälfte des Eigentums an der Wohnung der Klägerin zustehe, wobei sie die vollständige Haftung für das Darlehen trage, werde auf den zu dem Zeitpunkt der Entscheidung gegebenen Ist-Zustand verwiesen.  Die Annahme des SG, die vollständige Haftung der Klägerin für das noch offene Darlehen sei gegen den anteiligen Wert der Wohnung zu rechnen gewesen, überzeuge nicht, denn zu einer Veräußerung des Eigentums und dadurch entstehenden zivilrechtlichen Ansprüche bezüglich der Haftung für die Lasten der Wohnung sei es in den besagten Bewilligungszeiträumen nicht gekommen. Die Wohnung gehöre bislang beiden Ehepartnern, sowie auch die Schulden darauf und ohne eine gütliche Trennung sei lediglich die gleichmäßige Teilung durch zwei Parteien möglich.
Das SG verkenne anscheinend auch die Besonderheiten einer Hypothek. Der Kaufpreis tilge zunächst den Immobilienkredit, diesbezüglich habe die Kreditbank besondere Rechte. Der Beklagte habe die Anteile des Gesamteigentums anhand der anteiligen Verbindlichkeiten berücksichtigt. Hätte durch den Verkauf der Immobilie lediglich die Klägerin den Kredit begleichen müssen, hätte sie gegen den Anteil ihres Ehegatten Regress anmelden können. Dies sei jedoch irrelevant für den Zeitraum Januar 2005 bis November 2018, denn in diesem Zeitraum habe keine Veräußerung stattgefunden.
Eine theoretische Konstellation für die Vergangenheit sei hier nicht gefragt, denn die Ist-Zahlen hätten bereits vorgelegen und zwar zumindest in den Grenzen, in denen diese von der Klägerin selbst durch die Kontoauszüge und die von ihrer Tochter als Immobilienfachfrau vorgetragenen Wertermittlungen für die einzelnen Bewilligungszeiträume aufgelistet worden seien.
Weiter folge aus dem SG-Urteil, dass sich eine „vollständige Rechtswidrigkeit“ der Bewilligungsentscheidungen nicht ergeben würde. Klarheit diesbezüglich, was unter „vollständige Rechtswidrigkeit“ zu verstehen sei und in welchem Bezug die teilweise Rechtswidrigkeit gegeben sei, verschaffe das SG-Urteil nicht.
In den Fällen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB XII werde von Rechtswidrigkeit als Ergebnis von falschen Angaben ausgegangen. Vorliegend sei (ca. 13 Jahre lang) eine Eigentumswohnung verschwiegen worden. Wie es aus den bereits genannten Berechnungen des Beklagten hervorgehe, habe der anteilige Wert der Immobilie abzüglich der noch offenen Verbindlichkeiten stets die Vermögensfreibetragsgrenze überschritten. Unter Berücksichtigung sämtlicher möglicher abzugsfähigen Beträge vom Vermögen verbleibe dennoch in jedem einzelnen Bewilligungszeitraum ein Vermögen, dessen Berücksichtigung zu einer anderen Entscheidung als die bekannte Bewilligung von Leistungen geführt hätte.


Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 5. April 2022 aufzuheben
und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Zur Erwiderung führt die Bevollmächtigte u.a. noch aus, der Beklagte begründe seine Berufung damit, dass von der Klägerin im Verfahren Unterlagen eingereicht worden seien, die im Verwaltungsverfahren nicht vorgelegen hätten und von fraglicher Relevanz seien. Hier werde auf die abzugsfähigen Positionen eingegangen, die die Klägerin vorgebracht habe. Ausweislich der Gerichtsakte sei dem Beklagten ausdrücklich unter großzügiger Fristsetzung der Hinweis gegeben worden, die Bescheide seien in der vorgelegten Art nicht rechtmäßig, die Ermittlung der Tatsachen auf denen die Rücknahme- und Erstattungsbescheide beruhten, sei nicht ordnungsgemäß erfolgt, sodass die Rechtmäßigkeit der Bescheide aufgrund der Aktenlage nicht begründet werden könne. Der Beklagte sei aufgefordert worden, eine Neuberechnung und Neuverbescheidung vorzunehmen.
Hierauf habe die Sachbearbeiterin des Beklagten mitgeteilt, dies noch im Termin zur mündlichen Verhandlung, dass sie dieser Aufforderung des SG und dem Hinweis nicht nachkommen werde, schließlich sei die Akte umfangreich, man habe sich mit dem Fall schon zur Genüge beschäftigt und würde dies nicht noch einmal tun. So sei es gekommen, dass der Beklagte den Hinweis des Gerichts ignoriert und keine Darstellungen bezüglich der Rechtsmäßigkeit bzw. der ermittelten Tatsachen gefertigt habe, die die Aufhebungsbescheide hätten begründen können.
Der Beklagte könne nicht ignorieren, dass die Eigentumswohnung belastet gewesen sei durch einen erheblichen Kredit und der ausgleichsberechtigte Ehemann bezüglich der Eigentumswohnung die Zahlungsverpflichtung der Ehefrau getragen habe und diese zu 1/2 Ausgleichsverpflichtete gewesen sei.
Des Weiteren habe das SG im Termin zur mündlichen Verhandlung sehr deutlich darauf hingewiesen, dass die Vorschrift des § 45 SGB X ausdrücklich die Aufhebung der Bescheide vorsehe, soweit diese rechtswidrig seien und keine pauschalierte Aufhebung ohne jegliche Rücksicht auf die Höhe der Aufhebungen und Rückerstattungen. Auch hier habe die Vertreterin des Beklagten angegeben, sich diese Arbeit nicht noch einmal machen zu wollen, es würde bei den bisherigen Bescheiden bleiben, man mache dies immer so, sodass die Zurücknahme in vollem Umfang erfolgt sei ohne inhaltliche und rechtliche Prüfung.
Im Nachgang könne der Beklagte auch nicht darstellen, er hätte den Verkehrswert der Immobilie richtig angesetzt, denn laut seines eigenen Akteninhalts, habe er hierzu keinerlei Informationen erhoben, keine Feststellung getroffen, sondern einfach ins Blaue hinein einen Betrag angesetzt. Nach wie vor übersehe der Beklagte in seiner Begründung, dass er vorhandene Schulden und Verbindlichkeiten natürlich vom Wert der Immobilie abzuziehen habe. Um dies zu beurteilen müsse er zuerst einen Verkehrswert ordnungsgemäß festsetzen. Dies habe er gerade nicht getan.
Des Weiteren habe das SG auch keine Zahlungsverpflichtungen und Verbindlichkeiten der Klägerin feststellen müssen, da die Rechtswidrigkeit (gemeint wohl Rechtmäßigkeit) der Bescheide bereits daran gescheitert sei, dass der Beklagte keine richtige Tatsachenerhebung vorgenommen habe. Die Klägerin habe umfangreich mit Belegen Vortrag darüber getätigt, welche Verbindlichkeiten, Renovierungsmaßnahmen durchgeführt worden seien. Hierauf sei es aber nicht angekommen, da es auch nicht Aufgabe des SG gewesen sei, die Tatsachen zu ermitteln, die zur Aufhebung von Bewilligungs- und Leistungsbescheiden führten, denn dies sei Aufgabe der leistenden Behörde.
Auch habe die Klägerin zahlreich im Termin als auch mit Schriftsätzen vorgetragen, dass es kein Verschweigen der Eigentümerstellung gegeben habe, vielmehr bei der Angabe dieser Tatsache die damalige Sachbearbeiterin aufgrund des vorhandenen Kredits diese Position nicht aufgenommen habe. Hierzu werde auch die Sachbearbeiterin, die nunmehr pensioniert sein dürfte, so die Angaben des Beklagten, als Zeugin benannt.

Dem tritt der Beklagte ergänzend mit Schriftsatz vom 10. November 2022 entgegen und verweist u.a. darauf, dass der Vorhalt, die Beklagte hätte sich verweigert, die Vorbringungen im erstinstanzlichen Verfahren erneut zu prüfen, nicht zutreffen würde. Die Klägerseite habe Unterlagen über Renovierungskosten und Hausgeld vorgelegt, die nach deren Auffassung vermögensmindernd seien. Daraufhin habe der Beklagte erwidert, dass die Renovierungskosten keine Relevanz bei der Berechnung des Vermögens hätten, denn diese würden die Wohnung lediglich aufwerten und die Klägerin habe diese nicht selbst getragen. Auch die Hauskosten für eine nicht selbst bewohnte Immobilie hätten nicht berücksichtigt werden können, da diese im Sinne des im Sozialrecht immanenten Wirtschaftlichkeitsprinzip z.B. durch Vermietung zu vermeiden gewesen wären.
Ferner werde erneut auf die Berechnungen im Verwaltungsverfahren (Bl. 182 f. EVA) verwiesen, welche laufend ein freibetragsübersteigendes Vermögen aufweisen würden, das selbst nach Abzug der hälftigen Instandhaltungskosten (wie von der Klägerin vorgetragen), weiterhin zu berücksichtigen gewesen wäre. Ob und aus welchem Grund die Renovierungskosten und das Hausgeld vom Beklagten dennoch zu berücksichtigen gewesen wären, habe das SG trotz Anfrage nicht klargestellt.
Das SG habe die ausreichenden Ermittlungen des Beklagten, Wertermittlung Jahr für Jahr, abzüglich der Sollstellung des Darlehens, beide geteilt durch zwei Eigentümer (weitere vermögensmindernde Kosten seien nicht geltend gemacht worden), ohne Grund nicht beachtet. Anstelle dessen habe sich das SG der eigenen Abwehr gewidmet, selbstständige Ermittlungen zu unternehmen oder zumindest klarzustellen, was noch zu ermitteln sei. Behauptungen im Urteil des SG, wie etwa, dass die „Valuta“ bei der Berechnung des Vermögens nicht berücksichtigt worden seien, bestätigten lediglich die Tatsache, dass sich das SG mit der Verwaltungsakte nicht auseinandergesetzt habe. Schriftlich sei noch angefragt worden, welcher Rückforderungsbetrag nach dem Widerspruchsverfahren noch offengeblieben sei, was eigentlich den Streitgegenstand dargestellt habe und dem Widerspruchsbescheid zu entnehmen gewesen sei. Aus diesem Grund habe die Beklagtenvertreterin auch im Termin stets auf die Verwaltungsakte verwiesen.

Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 11. Oktober 2023 hat die Klägerin u.a. auf die Frage, ob die Wohnung irgendwann vermietet gewesen sei, erklärt, dass dies nicht der Fall gewesen sei, vielmehr immer nur die Kinder drin gewohnt hätten und zwischendrin auch ihr Mann. Auch hätte von den Kindern niemand Miete gezahlt, ob und inwieweit die Kinder zumindest die Nebenkosten übernommen hätten, wisse sie nicht. Sie zahle jetzt aktuell keine Nebenkosten, das zahle alles ihr Mann.
Auf die Nachfrage hinsichtlich des von Klägerseite behaupteten Gesprächs, was im Zusammenhang mit der Antragstellung im Dezember 2004 zur Eigentumswohnung konkret besprochen worden sei, hat die Klägerin erklärt, dass sie damals beim Jobcenter bei einer M2 gewesen sei und diese zu ihr gesagt habe, die Wohnung spiele keine Rolle, da sie auch keinen Pfennig gezahlt habe. Im Übrigen wird auf die Angaben der Klägerin ausweislich des Protokolls des Erörterungstermins vom 11. Oktober 2023 (Bl. 61/62 LSG-Akte) Bezug genommen.
Daneben ist die Tochter der Klägerin J1 K2 als Zeugin vernommen worden. Die Zeugin hat bestätigt, dass die Eintragungen im Antragsformular vom Dezember 2004 nach ihrer Schrift aussehen und sie diesen Antrag dann wohl ausgefüllt habe. Diesen Antrag habe sie seinerzeit während der Arbeit ausgefüllt; bei dem Termin beim Arbeitsamt bzw. Jobcenter sei sie hingegen nicht dabei gewesen. Die Zeugin hat auch auf die Nachfrage, ob das Kreuz bei „nein“ bei der Frage zur Eigentumswohnung auf Bl.13 der Verwaltungsakte von ihr stammt, erklärt, dass sie das nicht mehr hundertprozentig sagen könne, aber sie schon denke, dass dies so sei. Die Zeugin hat u.a. auch angegeben, 2007 in der Wohnung für ein paar Monate gewohnt zu haben, dann aber wieder ausgezogen sei, da sie die Miete nicht habe zahlen können, ihr Vater aber erklärt habe, er bräuchte die Miete. Ihr Vater habe zwar erklärt, dass er die Mieteinnahmen bräuchte, letztlich habe er sie aber dann doch nicht vermietet, sie habe vielmehr aber auch wieder leer gestanden. Die Zeugin hat im Weiteren nicht mehr sagen können, ob sie wirklich das „Nein“ angekreuzt habe, sie habe zum ersten Mal den Antrag ausgefüllt. Ergänzend hat die Zeugin angegeben, dass es auch so gewesen sei, dass im Familiengespräch dies letztlich immer die Wohnung des Vaters gewesen sei, da er sie ja auch immer komplett bezahlt habe. Im Übrigen wird auf das Protokoll zum Erörterungstermin (Bl. 62 und 63 LSG-Akte) Bezug genommen.

Die Beteiligten haben mit Schreiben vom 27. Februar 2024 (Beklagter) und 25. März 2024 (Klägerin) einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.


Der Senat konnte aufgrund der Zustimmung der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden.


Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1, Abs. 3 SGG statthafte, unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und Abs. 3 SGG) eingelegte Berufung des Beklagten ist zulässig.

II.


Die Berufung des Beklagten ist auch begründet. Entgegen der Auffassung des SG sind die hier streitigen Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 11. September 2019 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 5. Februar 2020 und des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2020 rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.

1.
Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II haben gemäß § 7 Abs. 1 SGB II Personen, die
1. das fünfzehnte Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben,
2. erwerbsfähig sind,
3. hilfebedürftig sind und
4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.

Es ist festzustellen, dass die Klägerin während der hier streitigen Zeiträume einerseits das fünfzehnte Lebensjahr vollendet, andererseits die Altersgrenze nach § 7a SGB II jedoch noch nicht erreicht hatte. Die Klägerin war auch erwerbsfähig und hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland.

Die Klägerin war jedoch nicht hilfebedürftig.
Gemäß § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

Nach § 12 Abs. 1 SGB II (in der hier für den streitigen Zeitraum Januar 2005 bis November 2018 jeweils maßgeblichen Fassung) sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände als Vermögen zu berücksichtigen.

Vom Vermögen sind gemäß § 12 Abs. 2 SGB II abzusetzen
1. ein Grundfreibetrag in Höhe von 200 € je vollendetem Lebensjahr des volljährigen Hilfebedürftigen und seines Partners, mindestens aber jeweils 4.100 €; der Grundfreibetrag darf für den volljährigen Hilfebedürftigen und seinen Partner jeweils 13.000 € nicht übersteigen (in der Fassung vom 19. November 2004, gültig vom 1. Januar 2005 bis 31. Juli 2006) bzw.
ein Grundfreibetrag in Höhe von 150 € je vollendetem Lebensjahr des volljährigen Hilfebedürftigen und seines Partners, mindestens aber jeweils 3.100 €; der Grundfreibetrag darf für den volljährigen Hilfebedürftigen und seinen Partner jeweils den nach Satz 2 maßgebenden Höchstbetrag (9.750 €) nicht übersteigen (ab 1. August 2006 in den Fassungen vom 20. Juli 2006, 20. April 2007, 14. April 2010 und 13. Mai 2011),
1a. ein Grundfreibetrag in Höhe von 4.100 € bzw. 3.100 € (in den ab 1. August 2006 geltenden Fassungen) für jedes hilfebedürftige minderjährige Kind,
2. Altersvorsorge in Höhe des nach Bundesrecht ausdrücklich als Altersvorsorge geförderten Vermögens einschließlich seiner Erträge und der geförderten laufenden Altersvorsorgebeiträge, soweit der Inhaber das Altersvorsorgevermögen nicht vorzeitig verwendet,
3. geldwerte Ansprüche, die der Altersvorsorge dienen,
4. ein Freibetrag für notwendige Anschaffungen in Höhe von 750 € (in allen hier maßgeblichen Fassungen) für jeden in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Hilfebedürftigen.

Als Vermögen sind nicht gemäß § 12 Abs. 3 SGB II (in den hier maßgeblichen Fassungen) zu berücksichtigen
1. angemessener Hausrat,
2. ein angemessenes Kraftfahrzeug für jeden in der Bedarfsgemeinschaft lebenden erwerbsfähigen Hilfebedürftigen,
3. vom Inhaber als für die Altersvorsorge bestimmt bezeichnete Vermögensgegenstände in angemessenem Umfang, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige oder sein Partner von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist bzw.

4. ein selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe oder eine entsprechende Eigentumswohnung,
5. Vermögen, solange es nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks von angemessener Größe bestimmt ist, soweit dieses zu Wohnzwecken behinderter oder pflegebedürftiger Menschen dient oder dienen soll und dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde,
6. Sachen und Rechte, soweit ihre Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist oder für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde.
Für die Angemessenheit sind die Lebensumstände während des Bezugs der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende maßgebend.

Nach § 12 Abs. 4 Satz 1 SGB II ist das Vermögen mit seinem Verkehrswert zu berücksichtigen. Für die Bewertung ist nach Satz 2 der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Antrag auf Bewilligung oder erneute Bewilligung der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende gestellt wird, bei späterem Erwerb von Vermögen der Zeitpunkt des Erwerbs. Wesentliche Änderungen des Verkehrswertes sind zu berücksichtigen (Satz 3).

Ausgehend von diesen gesetzlichen Voraussetzungen ist festzustellen, dass die Klägerin in allen streitigen Zeiträumen über zu berücksichtigendes Vermögen verfügte.

Abgesehen davon, dass das SG in seinem Urteil an keiner Stelle ausgeführt hat, was denn der Beklagte noch hätte ermitteln können bzw. müssen, hat der Beklagte zur Überzeugung des Senates auch seine Entscheidung auf der Grundlage eines vollständig ermittelten Sachverhaltes getroffen. Der Beklagte hat insbesondere entgegen den Ausführungen des SG sehr wohl bei der Berechnung des zu berücksichtigenden Vermögens bezüglich der jeweiligen Bewilligungszeiträume - wie der Übersicht auf Bl. 256 bis 258 des Ausdruckes der elektronischen Akte (eVA) zu entnehmen ist - jeweils den Marktwert der Eigentumswohnung unter Berücksichtigung der Entwicklung der Immobilienpreise von 2005 bis 2018 (vergleiche hierzu etwa:
https://www.kreditvergleich.net/statistiken/immobilienpreise-deutschland/#immobilienpreise-in-deutschland, Entwicklung der Immobilienpreise in Deutschland seit 1975), ausgehend von dem von der Tochter der Klägerin, einer Immobilienkauffrau, im Januar 2019 ermittelten Marktwert in Höhe von 208.000 €, abzüglich der sich jeweils aus den von der Klägerseite vorgelegten Jahreskontoauszügen ergebenden Darlehensverpflichtungen von 2005 bis 2019 ermittelt und das hiervon hälftig auf die Klägerin entfallende, jeweils zu berücksichtigende Vermögen festgestellt.
Der Beklagte hat zwar in den hier streitigen Bescheiden davon abgesehen, die von Klägerseite noch neben dem jeweils zu berücksichtigenden Vermögensfreibetrag nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 4 SGB II aufgeführten weiteren – nach Auffassung der Klägerseite – zu berücksichtigenden Aufwendungen für die Wohnung (Hausgeld, Sonderumlagen, Kreditraten einschließlich Sondertilgungen) im Einzelnen gegenzurechnen. Dies war aber auch nicht notwendig, denn unabhängig von der Frage, ob und inwieweit die hier geltend gemachten Aufwendungen überhaupt berücksichtigungsfähig gewesen wären, wäre auch bei einer vollständigen Berücksichtigung all dieser Kosten in allen Zeiträumen noch in erheblichem Umfang oberhalb des Vermögensfreibetrages einzusetzendes Vermögen vorhanden gewesen.

Beispielhaft zeigt sich dies in folgenden Fällen:

 

Zeitraum

Wert d. Whg
 1/2
in €

Höhe d. Valuta  1/2 in €

Höhe des anteiligen Vermögens  der Klägerin  in €

Höhe des jährlichen Hausgeldes einschl. Sonderumlagen 1/2  in €

Höhe der Kreditraten (Zinsen und Tilgung) einschl. Sondertilgungen 1/2  in €

Freibetrag nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 und nach Nr.4 (750 €) in €

Verbleibendes zu berücksichtigendes Vermögen bei der Klägerin in €

1.1.2005 - 30.6.2005

87.398

49.325

38.072

1.211

3.269

10.150

23.442

1.7.2008 - 31.12.2008

76.001

46.732

29.269

1.200

3.351

8.400

16.318

1.7.2009 - 31.12.2009

76.001

45.765

30.236

1.320
+2.410

3.351

8.550

14.605

1.7.2012 - 31.12.2012

103.959

34.871

61.411

1.398

3.351
+6.500

9.000

41.162

1.7.2018- 30.11.2018

104.000

27.646

76.353

1.429

2.096
+ 8.300

9.900

54.628


Anmerkung: In den Jahren 2008 und 2009 waren aufgrund der Finanzkrise die Immobilienpreise - entgegen der generellen Entwicklung nach oben - leicht nach unten gegangen, weshalb in diesen beiden Jahren das anteilige Vermögen der Klägerin vergleichsweise niedrig war. Der deutlich höhere Freibetrag im Jahr 2005 beruhte auf der damals noch günstigeren Regelung mit 200 € pro Lebensjahr, in den Folgejahren waren es durchgehend nur 150 € pro Lebensjahr.

2.
Der Beklagte hat daher zu Recht die im Tatbestand genannten Bewilligungsbescheide aufgehoben.

Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II gilt für das Verfahren nach dem SGB II das SGB X. Die Vorschriften des Sozialgesetzbuches Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) über die Aufhebung von Verwaltungsakten (§ 330 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 und 4 SGB III) und die Erstattung von Beiträgen zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung (§ 335 Abs. 1, 2 und 5) sind gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 5 SGB II entsprechend anwendbar.

Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat, soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Abs. 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden.
Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (§ 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X). Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit
1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig
    in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht
    kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in
    besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X).

Liegen die in § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes vor, ist dieser auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III). D. h., anders als sonst in § 45 Abs. 2 SGB X besteht insoweit kein Ermessen.

Nach § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Abs. 2 nur bis zum Ablauf von 2 Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung (ZPO) vorliegen (Satz 2). Bis zum Ablauf von 10 Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Abs. 2 zurückgenommen werden, wenn
1. die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2. der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde (Satz 3).

In den Fällen des § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von 10 Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde (Satz 4). War die Frist von 10 Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird (Satz 5).

Nach § 45 Abs. 4 SGB X wird nur in den Fällen von § 45 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen (Satz 1). Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen (Satz 2).

Die Klägerin kann sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, da sämtliche Bewilligungsbescheide auf Angaben beruhen, die sie zumindest grob fahrlässig unvollständig gemacht hat.
Grobe Fahrlässigkeit liegt nach der gesetzlichen Definition in § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in ganz besonders schweren Maße verletzt hat. Dies verlangt, dass schon einfache, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und daher nicht beachtet wird, was ggf. jedem einleuchten muss. Entscheidend ist das individuelle Vermögen, die Fehlerhaftigkeit der gemachten Angaben erkennen zu können. Maßgeblich ist daher, ob die Hilfeempfängerin bei einer Parallelwertung in der Laiensphäre in der Lage gewesen war, zu erkennen, dass die Eigentumswohnung in der M1str. anzugeben war (vgl. BSG, Urteil vom 18. Februar 2010 - B 14 AS 76/08 R -, juris Rn. 20).
Entgegen der klaren und unmissverständlichen Fragestellung in der Anlage VM beim ersten Antrag im Dezember 2004 hat sie die Frage, ob sie unter anderem Allein- oder Miteigentümerin einer Eigentumswohnung sei, mit „nein“ beantwortet und in der Folge auch die in jedem Weiterbewilligungsantrag ausdrücklich gestellte Frage nach Änderungen in den Vermögensverhältnissen jeweils mit „nein“ beantwortet bzw. das Kreuz bei „nein“ gesetzt.
Soweit die Klägerin geltend macht, bei der Antragstellung habe die dortige Antragsannehmerin aufgrund der auf der Wohnung lastenden Schulden erklärt, im Hinblick darauf sei die Wohnung nicht zu berücksichtigen, weshalb die Frage mit „nein“ beantwortet worden sei, ist dies nicht glaubhaft. Hierzu ist nämlich festzustellen, dass solche Äußerungen der Antragsannehmerin üblicherweise im Antragsformular mit einem in grüner Farbe angebrachten Vermerk hätten festgehalten werden müssen und auch worden wären. So etwa wie bei den Kosten der Unterkunft im Antragsformular geschehen, wo durch die Mitarbeiterin des Beklagten in grüner Farbe handschriftlich vermerkt worden war, dass Kosten der Unterkunft nicht entstünden, da der getrennt lebende Ehemann der Klägerin diese für die damals bewohnte Wohnung der Klägerin in der O1straße übernehme (und im Gegenzug die Klägerin keinen Kindesunterhalt erhalte). Wenn insoweit von der Mitarbeiterin ausdrücklich ein Vermerk zu dieser Frage bei den Kosten der Unterkunft erfolgte, hingegen hinsichtlich der Frage der Berücksichtigung der Eigentumswohnung kein Vermerk mit dem von der Klägerin behaupteten Inhalt vorhanden ist, lässt dies für den Senat nur die Schlussfolgerung zu, dass hierüber überhaupt nicht gesprochen worden ist. Hinzu kommt hier noch, dass wie die Überprüfung beim Beklagten ergeben hatte, die von der Klägerin bezüglich dieses Gespräches benannte Mitarbeiterin des Jobcenters (M2) seinerzeit gar nicht zuständig für die Annahme des Antrages der Klägerin gewesen war, sondern erst in späteren Jahren als Teamleiterin für die Klägerin unter anderem zuständig war.
In dem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass nach den Angaben der Tochter der Klägerin, der Zeugin J1 K2, im Termin zur Erörterung des Sachverhalts das Antragsformular einschließlich der Anlage VM von der Tochter vor dem Termin beim Jobcenter ausgefüllt worden war, sie sich zwar nicht ganz sicher war, aber auch nicht ausschließen wollte, an dieser Stelle das Kreuz bei „nein“ gesetzt zu haben, zumal in der Familie diese Wohnung ohnehin als die Wohnung des Vaters galt, der auch sämtliche finanziellen Lasten getragen hatte.
Die Klägerin kann sich in dem Zusammenhang auch nicht darauf zurückziehen, dass ihre Tochter das Antragsformular ausgefüllt hatte, denn, da sie das Formular auch mit der Versicherung unterschrieben hatte, dass alle Angaben wahrheitsgemäß seien, wäre es ihre Sache gewesen, das Formular gegebenenfalls noch mal gemeinsam mit ihrer Tochter durchzugehen um sicherzugehen, dass alle Angaben zutreffend sind.
Die Klägerin hat damit auch zur Überzeugung des Senates zumindest grob fahrlässig insoweit unrichtige Angaben gemacht, denn es hätte ihr ohne weiteres klar sein müssen, dass - auch wenn ihr getrenntlebender Ehemann sämtliche laufende Kosten der Wohnung getragen hatte - sie diese Frage mit „ja“ hätte beantworten müssen, da unmissverständlich alleine nach der Eigentümerstellung gefragt wird, nicht danach, wer die Lasten für das Eigentum trägt.

Auch die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X, wonach kein Vertrauensschutz besteht, wenn der Leistungsempfänger die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte, liegen vor. Die Klägerin hätte darüber hinaus auch die Rechtswidrigkeit sämtlicher Bewilligungsbescheide im Hinblick darauf, dass tatsächlich verwertbares Vermögen (nämlich die nicht selbstgenutzte Eigentumswohnung) vorhanden war, aufgrund dessen keine Bedürftigkeit und damit auch kein Anspruch auf Arbeitslosengeld II bestanden haben könnte, aufgrund einfachster, ganz naheliegender Überlegungen erkennen können. Die Einlassung der Klägerin, dass im Hinblick auf die Schulden und mögliche Ausgleichsansprüche ihres Ehemannes ohnehin kein relevantes Vermögen vorhanden gewesen sei, greift auch nicht zugunsten der Klägerin durch. Denn diese Prüfung, ob und inwieweit auch unter Berücksichtigung von gegebenenfalls bestehenden Darlehensverpflichtungen etc. Vermögen vorhanden ist, obliegt allein dem Beklagten.

Die Fristen des § 45 Abs. 3 und Abs. 4 SGB X wurden ebenfalls eingehalten. Zunächst hat der Beklagte innerhalb eines Jahres ab Kenntnis aller die Rücknahme rechtfertigender Tatsachen die Bescheide vom 11. September 2019 erlassen. Diese Jahresfrist beginnt regelmäßig (Padé in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 45 SGB X [Stand: 14. Januar 2021], Rn. 112) erst nach erfolgter Anhörung des Betroffenen, mithin hier nach Ablauf der in den Schreiben vom 31. Mai 2019 gesetzten Frist bis zum 17. Juni 2019 und war daher bei Bescheiderlass noch nicht verstrichen.

Nicht zu beanstanden ist schließlich die mit der Entscheidung über die Aufhebung verbundene - ihr rechtlich nachgeordnete - Erstattungsentscheidung des Beklagten nach § 50 Abs. 1 SGB X. Ist - wie hier - die Aufhebungsentscheidung sachlich richtig, beschränkt sich die Prüfung der Entscheidung über die Erstattung nur noch darauf, ob dem Erstattungsverlangen selbst gegenüber Einwendungen entgegengesetzt werden können (vgl. BSG Urteil vom 18. September 1991 - 10 RKg 5/91 - juris Rn. 22 = BSGE 69, 233 = SozR 3-5870 § 20 Nr. 3 <insoweit dort nicht abgedruckt>). Einwendungen gegen die Höhe der Erstattungsforderung sind - nach der Abhilfe im Widerspruchsverfahren (mit Bescheiden vom 5. Februar 2020) - weder von der Klägerin erhoben worden noch ersichtlich.

Aus diesen Gründen war auf die Berufung des Beklagten das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.  



 

Rechtskraft
Aus
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