1. Ist eine rückwirkende Feststellung für eine Zeit vor der Antragstellung (vorliegend hinsichtlich des Grades der Behinderung nach § 152 Abs. 1 Satz 2 SGB IX in der vom 01.01.2018 bis 31.12.2023 geltenden Normfassung des Bundesteilhabegesetzes) beantragt und in der betreffenden Rechtsgrundlage geregelt, so richtet sich auch diese rückwirkende Feststellung grundsätzlich nach der ab Antragstellung geltenden Fassung der Rechtsgrundlage.
2. Die Versorgungsmedizinischen Grundsätze sind angesichts des in ihrer Fortentwicklung auch einbezogenen medizinischen Fortschritts stets - auch bei rückwirkenden Feststellungen für die Vergangenheit - in der für den betreffenden Zeitraum maßgeblichen Fassung anzuwenden.
3. Ein Grad der Behinderung von 40 nach Teil B Nr. 3.7 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze setzt grundsätzlich kumulativ eine an der Grenze zur schweren Störung bestehende Einschränkung sowohl der Erlebnisfähigkeit als auch der Gestaltungsfähigkeit voraus; an einer derartigen Beeinträchtigung letzterer fehlt es etwa regelmäßig ohne nachgewiesene höhergradige Einschränkungen in der Alltagsgestaltung.
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 17.03.2022 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten die Höhe des beim Kläger festzustellenden Grades der Behinderung (GdB).
Der Kläger ist 1973 geboren. Er ist ursprünglich ausgebildeter Gas- und Wasserinstallateur und seit 1997 als Instandhalter mit Reparaturen von Anlagen und Maschinen im D1-Werk M1 beschäftigt. Er war vormals 3-mal verheiratet, nach seinen Angaben gegenüber dem Gutachter H1 ist die dritte Ehe im Oktober 2023 geschieden worden. Im Jahr 2022 ist der Kläger ausweislich seiner Angaben bei H1 während einer kurzen anderen Beziehung Vater geworden, sein Sohn lebt bei der Mutter.
Bereits mit Bescheid des Landratsamtes R1 vom 15.10.2012 wurde beim Kläger auf dessen Antrag vom 29.08.2012 unter Aufhebung eines vormaligen Feststellungsbescheides vom 08.01.2009 ein GdB von 40 seit 29.08.2012 festgestellt. Dabei wurden an Funktionsbeeinträchtigungen degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit Wirbelsäulenverformung, Bandscheibenschaden und Schulter-Arm-Syndrom, eine Funktionsstörung durch beidseitige Fußfehlform mit Gebrauchseinschränkung beider Füße sowie ein Kopfschmerzsyndrom mit seelischer Störung berücksichtigt. Zugrunde lag der Entscheidung eine gutachtliche versorgungsärztliche Stellungnahme durch S1 vom 04.10.2012, wonach unter Auswertung der vorhandenen ärztlichen Unterlagen für das Wirbelsäulenleiden ein GdB von 30, für die Beeinträchtigung der Füße ein GdB von 10 und für die seelische Störung mit Kopfschmerzsyndrom ein GdB von 20 vorgeschlagen wurden.
In der Folge wurden mit Bescheid des Landratsamtes R1 vom 18.03.2013 ein ergänzender Antrag vom 21.12.2012 u.a. auf rückwirkende GdB-Feststellung, mit Bescheid des Landratsamtes R1 vom 30.08.2016 ein Neufeststellungsantrag vom 21.06.2016 und mit Bescheid des Landratsamtes R1 vom 22.05.2018 ein Neufeststellungsantrag vom 05.12.2017 abgelehnt. An medizinischen Unterlagen für die Zeit nach 2012 gelangten dabei Befundberichte der Gemeinschaftspraxis S2, B1 und R2 vom 22.04.2013 (Diagnosen: Prellung der Schulter und des Oberarmes; Z.n. Operation rechts [Schulter]), des S3 vom 24.03.2016 (Diagnose: Anpassungsstörung mit depressiver Komponente), des Radiologie-Zentrums M1 vom 17.05.2016 (MRT des Kopfes), des L1 vom 30.05.2016 (Diagnose: dringender V.a. craniomandibuläre Dysfunktion mit pseudoradikulärer Beschwerdesymptomatik, Bruxismus und Malocclusion), des Radiologie-Zentrums M1 vom 16.06.2016 (CT der Nasennebenhöhlen), des S3 vom 24.07.2016 (Diagnose: Anpassungsstörung mit depressiver Komponente), der S4 vom 11.08.2017 (Diagnosen: undifferenzierte Polyarthralgien ohne sichere entzündliche Genese; Z.n. Operation Schultergelenk rechts bei Luxation [2002]), des S3 vom 28.09.2017 (bekannte depressive Entwicklung im Rahmen von Belastungszuständen beruflich), der Radiologie Nuklearmedizin M1 vom 24.08.2017 (MRT der BWS) sowie des M2 vom 28.08.2017 (Diagnosen: nicht näher bezeichnete Osteochondrose der Wirbelsäule im Zervikalbereich; sonstige Spondylose im Lumbalbereich) zu den Akten.
Am 17.12.2018 ging beim Landratsamt R1 erneut ein Neufeststellungsantrag des Klägers mit dem Begehren einer rückwirkenden Erhöhung des GdB ab 2016 ein. Vorgelegt wurden zunächst Befundberichte des L1 vom 22.10.2018 (Diagnosen: Zervikalsyndrom; Zervikobrachialsymptomatik; CMD; CVD; statisch-dynamische Beschwerdesymptomatik; Wirbelsäulendegeneration HWS/LWS; Fehlstatik der Wirbelsäule; Beschwerdeführung mit Blockierungen) und des S3 vom 04.12.2018 (zuletzt chronische affektive Störung i.S. einer rezidivierenden depressiven Störung und einer depressiven Entwicklung). In einem ergänzend am 20.01.2019 ausgefüllten Antragsformular gab der Kläger an verschlimmerten oder neu aufgetretenen Gesundheitsstörungen dauernd anhaltende Schmerzen in Gesäß, Hüfte, Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule, dauernd anhaltende und teilweise starke Schmerzen an Nacken, Kopf, Rücken, Kreuz, Gelenken, Schulter, Arm, Stirn, Wangen, Gesicht usw., Ohrgeräusche, Schwindel und Nasennebenhöhlenentzündungen, ständige Kiefer- und Gebissschmerzen mit Zähneknirschen, ständige Blähung im Magen sowie Schlafstörungen mit Tagesmüdigkeit, Ängsten und Erschöpfung an. Das Landratsamt zog weitere Befundberichte des Z1 vom 13.10.2017 (Diagnosen: Ausschluss eines gastroduodenalen Ulkus und einer Helicobacter-pylori-Infektion), der MKG R3 vom 04.04.2018 (Diagnose: radikuläre Zysten in regio 25 und 26), des Radiologie-Zentrums M1 vom 04.05.2018 (CT der Nasennebenhöhlen) und der M1 (Diagnose: chronisch-hyperplastische Sinusitis mit deutlichen regressiven Veränderungen und herausgelösten Cholesterinnadeln mit umgebender Fremdkörperreaktion ohne Gewebseosinophilie und ohne Anhalt für Malignität) bei.
In einer gutachtlichen versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 05.03.2019 wertete S1 die weiteren Unterlagen aus und schlug unter Berücksichtigung eines GdB von 30 für degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit Wirbelsäulenverformung, Bandscheibenschaden und Schulter-Arm-Syndrom, eines GdB von 10 für eine Funktionsstörung durch beidseitige Fußfehlform mit Gebrauchseinschränkung beider Füße und eines GdB von 20 für ein Kopfschmerzsyndrom und eine seelische Störung weiterhin einen Gesamt-GdB von 40 vor. Eine Schwerhörigkeit rechtfertige keinen GdB von mindestens 10. Nach Vorlage eines Befundberichtes des M2 vom 15.02.2019 (Diagnosen: Osteochondrose L3/L4 mit Bandscheibenprotrusion; weitere Bandscheibenprotrusion L5/S1; ISG-Arthrose) hielt S1 am 12.03.2019 an seinem Bewertungsvorschlag fest.
Mit Bescheid des Landratsamtes R1 vom 18.03.2019 wurde der Neufeststellungsantrag dementsprechend abgelehnt, da eine wesentliche Verschlimmerung des Gesundheitszustandes des Klägers und der damit einhergehenden Funktionsbeeinträchtigungen nicht eingetreten sei.
Hiergegen erhob der Kläger am 27.03.2019 zur Niederschrift beim Landratsamt R1 Widerspruch. Zur Begründung wurde vorgetragen, der Kläger und seine behandelnden Ärzte seien der Auffassung, dass die Gesundheitseinschränkungen des Klägers nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Dies gelte insbesondere für die seelische Störung/Depression. Insgesamt sei ein GdB von 50 gegeben. Das Landratsamt zog weitere Befundberichte des S5 vom 06.02.2020 (seit 02.06.2016 durchgeführte Psychotherapie sei weiterhin indiziert und werde fortgesetzt), des Y1 (Lumboischialgie bei BSV L5/S1; HWS-Schulter-Arm-Syndrom; Migräne; Tinnitus, Vertigo; Klagen über Erektionsstörung/Lustlosigkeit), der S4 vom 21.04.2020 (Diagnosen: chronifiziertes Schmerzsyndrom; chronische Lumbalgien bei aktivierter Osteochondrose L3/L4 und kleinem zentralen NPP L5/S1; Ausschluss Sakroiliitis bei negativem HLA-B27; Depression; Z.n. Operation Schultergelenk rechts bei Luxation [2002]), des Radiologie-Zentrums M1 vom 18.07.2019 (MRT der LWS), des M2 vom 03.09.2019 und vom 24.04.2020 (Diagnosen: ISG-Syndrom links; Bandscheibenprotrusionen der unteren drei Segmente; Osteochondrose L3/L4 mit Bandscheibenprotrusion; Kyphose als Haltungsstörung mit nicht näher bezeichneter Lokalisation), des S3 vom 06.05.2020, vom 09.05.2020 und vom 13.05.2020 (chronische affektive Störung i.S. einer rezidivierenden depressiven Störung und einer depressiven Entwicklung mit 2019 und 2020 unveränderter klinischer Konstellation, Behandlung mit Psychotherapie und mit Sertralin), der S6 vom 08.05.2020 (keine Vorstellung wegen Tinnitus nach 05/2016, Schwindel ohne Anhalt für otogene Ursache, Nasennebenhöhlenbeschwerden zuletzt mit Pansinusoperation 06/2018) sowie der Orthopädischen Klinik M3 vom 24.06.2020 (Diagnosen: Lumboischialgie bei Osteochondrose L3/L4 und NPP L5/S1) und des L1 vom 08.04.2020 (Diagnosen: craniomandibuläre Dysfunktion mit pseudoradikulärer Beschwerdesymptomatik; Bruxismus mit Abrasionsgebiss; Malocclusion; Zervikalsyndrom; Zervikobrachialsymptomatik; statisch-dynamische Beschwerdesymptomatik; Wirbelsäulendegeneration HWS/LWS; Fehlstatik Wirbelsäule; Beschwerdeführung mit Blockierungen mit massiven Muskelhärten HWS, Schultern, LWS; Lumbalsyndrom; psychoreaktive Beschwerdesymptomatik; kleiner NPP L5/S1 ohne Wurzelaffektion; aktivierte Osteochondritis intervertebralis L3/L4; chronische Diskopathie; hochgradige Belastungsstörungen im psychosomatischen Sektor; Belastung durch Mobbing durch Arbeitgeber; Senk-Spreizfußbildung beidseits) bei.
In einer gutachtlichen versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 02.09.2020 wertete B2 die weiteren beigezogenen Unterlagen aus und gelangte weiterhin zu einem Gesamt-GdB von 40. Gegenüber der vorherigen Stellungnahme durch S1 wurde lediglich ein Tinnitus mit einem GdB von 10 zusätzlich berücksichtigt, für Schwerhörigkeit und operierte Zysten wurde kein GdB von mindestens 10 berücksichtigt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 01.10.2020 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 18.03.2019 als unbegründet zurück. Eine wesentliche Änderung im Vergleich zum 15.10.2012 sei nicht festzustellen. Auch soweit zwischenzeitlich weitere Funktionsbeeinträchtigungen berücksichtigt seien (u.a. Tinnitus), ergebe sich daraus kein höherer Gesamt-GdB.
Am 08.10.2020 hat die vormalige Prozessbevollmächtigte des Klägers beim Sozialgericht Mannheim (SG) Klage erhoben und beantragt, den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 18.03.2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 01.10.2020 abzuändern und bei dem Kläger einen GdB von mindestens 50 anzuerkennen. Zur Begründung ist im Wesentlichen auf die Begründung im Widerspruchsverfahren verwiesen worden. Insbesondere die seelische Störung und die Depression seien nicht ausreichend bewertet worden. Zudem ist ein Bericht über eine Polysomnographie vom 06./07.11.2020 mit der Feststellung eines signifikanten überwiegend obstruktiven Schlafapnoe-Syndroms vorgelegt worden.
Das SG hat sachverständige Zeugenauskünfte des S5, des S3 und des Y1 eingeholt.
S5 hat in einer schriftlichen Auskunft vom 22.01.2021 eine ambulante psychotherapeutische Behandlung des Klägers seit Juni 2016 über insgesamt 65 verhaltenstherapeutische Sitzungen angegeben, 20 weitere Sitzungen seien bereits genehmigt. An Diagnosen hat er eine Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion und eine narzisstische Persönlichkeitsstörung mitgeteilt.
S3 hat in einer schriftlichen Auskunft vom 30.01.2021 für die Zeit ab Juni 2018 eine regelmäßige Behandlung des Klägers mit 1-2 Behandlungskontakten pro Quartal angegeben. Es bestehe eine chronische affektive Störung i.S. einer rezidivierenden depressiven Störung und depressiven Entwicklung, die gesamte Störung der Angst und Depressivität sei auf eine schwere reaktive depressive Störung zurückzuführen. Aus psychiatrischer Sicht seien vom Beklagten bereits alle Behinderungen aufgeführt. Eventuell werde ein Restless-legs-Syndrom noch diagnostiziert und ein Lungenarzt sei involviert. Die psychische Störung sei mit einem GdB von 30 zu bewerten und der Gesamt-GdB mit 50 anzusetzen.
Y1 hat in einer schriftlichen Auskunft vom 03.03.2021 eine hausärztliche Behandlung des Klägers seit 1999 angegeben. An Gesundheitsstörungen hat er eine depressive Störung als mittelgradige Episode, ein Schlafapnoe-Syndrom, einen Bandscheibenvorfall L5/S1, eine BWS-Skoliose, einen Morbus Scheuermann und eine Pollakisurie angegeben. Die seelische Störung sollte höher bewertet werden, im Übrigen sei die Bewertung durch den Beklagten nicht zu beanstanden.
Der Beklagte hat unter Vorlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme durch B3 vom 26.05.2021 an seiner Beurteilung festgehalten. Darin ist eine Anpassung der Teil-GdB-Werte vorgeschlagen worden, indem die seelische Störung mit chronischem Schmerzsyndrom mit einem GdB von 30, das Wirbelsäulenleiden mit einem GdB von 20, das Schlafapnoe-Syndrom mit einem GdB von 20 sowie die Beeinträchtigungen der Füße, das Kopfschmerzsyndrom und die Ohrgeräusche jeweils mit einem GdB von 10 zu bewerten seien.
Das SG hat von Amts wegen ein Gutachten des S7 vom 13.08.2021 eingeholt. Dieser hat beim Kläger an Gesundheitsstörungen eine Funktionsminderung der Wirbelsäule bei initialen degenerativen Aufbraucherscheinungen monosegmental C6/C7 mit Streckfehlhaltung, monosegmentaler mittelgradig aktivierter Osteochondrose und Spondylose L3/L4 sowie MRT-gesichertem kleinem NPP L5/S1 mit insgesamt geringen funktionellen Einschränkungen, eine Fußfehlform beidseits mit Fersensporn beidseits, eine beginnende Koxarthrose Stadium I nach Kellgren beidseits ohne relevante funktionelle Einschränkungen sowie eine operativ erfolgte Schulterstabilisierung rechts bei rezidivierenden Schultergelenksluxationen rechts mit sehr gutem postoperativen Ergebnis (stabil und frei beweglich) diagnostiziert. Das Wirbelsäulenleiden könne wohlwollend mit einem GdB von 20 bewertet werden, für die Beeinträchtigung der Füße sei ein GdB von 10 angemessen. Die Leiden im Bereich der Hüfte und der Schulter seien nicht mit einem GdB von mindestens 10 zu bewerten. Insgesamt sei ein GdB von 40 angemessen. Ein Gutachten auf einem anderen Fachgebiet sei nicht erforderlich.
Nach Anhörung mit Schreiben vom 11.11.2021 hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 17.03.2022 die Klage abgewiesen. Für die seelische Störung sei in Übereinstimmung mit dem behandelnden S3 ein GdB von 30 angemessen. Im Bereich der Wirbelsäule bestehe ein GdB von 20 und im Bereich der Füße ein GdB von 10. Das Schlafapnoe-Syndrom rechtfertige einen GdB von 20. Insgesamt sei ein GdB von 40 angemessen, da bei den sich insbesondere in Schmerzen äußernden Wirbelsäulenbeschwerden eine Überschneidung mit den psychischen Beschwerden bestehe. Der Gerichtsbescheid ist der vormaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers am 21.03.2022 zugestellt worden.
Am 20.04.2022 hat der Kläger beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg gegen den Gerichtsbescheid des SG Berufung eingelegt. Zur Begründung hat die neue Prozessbevollmächtigte des Klägers ausgeführt, beim Kläger bestehe eine seelische Erkrankung mit Angst, Depression und Anpassungsstörung. Zudem leide er an einer Schmerzerkrankung bei Veränderungen der Wirbelsäule, einer Fußfehlform mit Fersensporn beidseits, einer beginnenden Koxarthrose, einem Z.n. Schulterstabilisierung, Migräne und einer Schlafapnoe. Seit ein paar Jahren sei ihm zunehmend schwindlig und er leide unter Tinnitus und leichter hochtonbetonter Schwerhörigkeit, wofür jeweils ein GdB anzusetzen sei. Unter Vorlage eines Befundberichtes der H2 vom 13.07.2022 sei der Schwindel dem Halswirbelsäulenleiden zuzuordnen, ein GdB von 30 für die Wirbelsäule erscheine angemessen. Neurologisch-psychiatrisch bestehe ein GdB von 40, sodass sich insgesamt ein GdB von 50 ergebe.
Der Kläger beantragt,
unter Änderung des Gerichtsbescheids vom 17.03.2022 sowie unter Änderung des Bescheides des Beklagten vom 18.03.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.10.2020 beim Kläger einen GdB von 50 anzuerkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Von Klägerseite ist ein Attest des S3 vom 07.02.2023 vorgelegt worden. Der Senat hat erneute sachverständige Zeugenauskünfte des S5 und des S3 eingeholt.
S5 hat in einer schriftlichen Auskunft vom 08.03.2023 angegeben, es seien nunmehr 84 Sitzungen durchgeführt worden und weitere 20 Sitzungen wegen einer gegenwärtigen beruflichen Belastungssituation und akuter Eheprobleme indiziert. Die vorliegenden Symptome seien als mittelschwer einzustufen, eine signifikante Veränderung hinsichtlich des psychischen Gesamtbeschwerdebildes sei seit Therapiebeginn nicht eingetreten.
S3 hat in einer schriftlichen Auskunft vom 08.03.2023 bis Ende 2022 weiterhin etwa quartalsweise Termine und im ersten Quartal 2023 dann 4 Termine angegeben. Die anamnestischen Beschwerden seien unverändert. Mittlerweile bestehe auch eine familiäre Belastung mit Konflikten im häuslichen Bereich. Die Beschwerden und die Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft seien als schwer einzustufen.
Am 26.05.2023 ist vor der vormaligen Berichterstatterin ein Termin zur Erörterung des Sachverhalts durchgeführt worden.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat ein Gutachten des H1 vom 26.02.2024 eingeholt. Dieser hat beim Kläger an Gesundheitsstörungen eine depressiv-narzisstische Persönlichkeitsentwicklung und eine Dysthymia im Sinne einer chronischen depressiven Entwicklung diagnostiziert. Hierfür sei seit der letzten Antragstellung ein GdB von 40 angemessen. Insgesamt sei mindestens ein GdB von 50 anzunehmen.
Seitens der H2 sind in der Folge auf Anforderung des Senats noch die dortigen Behandlungsunterlagen vorgelegt worden.
Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 07.06.2024 unter Vorlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme durch H3 vom 06.06.2024 ein Vergleichsangebot zur Feststellung eines GdB von 50 ab dem 26.02.2024 unterbreitet. Mit Schriftsatz vom 12.06.2024 hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers das Vergleichsangebot des Beklagten abgelehnt.
Zugleich hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers erklärt, dass Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung besteht. Dies hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 13.06.2024 ebenfalls erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die sozialgerichtlichen Akten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die nach § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist gemäß § 143 SGG statthaft und zulässig.
Streitgegenstand ist das Begehren des Klägers nach Feststellung eines GdB von 50. In Ermangelung eines im Klage- und im Berufungsantrag konkret angegebenen Zeitpunktes, ab wann diese Feststellung begehrt wird, ist der Antrag im Sinne der Meistbegünstigung dahingehend auszulegen, dass eine entsprechende Feststellung entsprechend dem handschriftlichen Vermerk auf dem Neufeststellungsantrag vom 17.12.2018 rückwirkend ab 2016 begehrt wird. Statthaft ist hierfür die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, § 56 SGG), die unter Aufhebung des Bescheides des Landratsamtes R1 vom 18.03.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.10.2020 auf Verpflichtung des Beklagten zum Erlass des begehrten Verwaltungsaktes auf Feststellung des höheren GdB gerichtet ist.
Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die – nach den vorstehenden Ausführungen als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage – zulässige Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass bei ihm unter Abänderung der vormaligen GdB-Feststellung ein höherer GdB als 40 seit 2016 festgestellt wird. Maßgebender Zeitpunkt zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist hier der Zeitpunkt der Entscheidung des Senats am 14.06.2024 (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, Urteil vom 08.12.1988 – 2 RU 83/87 – juris Rn. 17; BSG, Beschluss vom 09.12.2018 – B 9 SB 48/19 B – juris Rn. 8).
Rechtsgrundlage für eine Höherbewertung des beim Kläger festgestellten GdB ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in Verbindung mit § 152 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung – hier der vorangegangene Feststellungsbescheid des Landratsamtes R1 vom 15.10.2012 – mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine wesentliche Änderung liegt insbesondere vor, wenn ab einem bestimmten Zeitpunkt ein Anspruch des Betroffenen auf Erlass eines Verwaltungsaktes mit anderem Inhalt – etwa auf Feststellung eines höheren GdB – besteht. In diesen Fällen ist der Ausgangsbescheid abzuändern; dies erfolgt durch eine Neubescheidung ab Bestehen des neuen Anspruchs unter Aufhebung des Ausgangsbescheids für die Zukunft, soweit die Feststellung eines höheren GdB damals verneint wurde.
Eine solche wesentliche Änderung vermag der Senat im vorliegenden Fall nicht festzustellen, da der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40 hat.
Der Anspruch auf Feststellung des GdB richtet sich für den Zeitraum bis 31.12.2023 nach § 152 und § 2 SGB IX in der vom 01.01.2018 bis 31.12.2023 geltenden Normfassung des Bundesteilhabegesetzes vom 23.12.2016 (BGBl. I, S. 3234 <3238, 3280>) und für die Zeit seit dem 01.01.2024 nach § 152 SGB IX in der seit dem 01.01.2024 geltenden Normfassung des Gesetzes zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts vom 06.06.2023 (BGBl. I, Nr. 146, S. 2) i.V.m. § 2 SGB IX. Dies gilt auch, soweit der Kläger eine rückwirkende GdB-Feststellung für die Zeit vor der Antragstellung vom 17.12.2018 bereits ab dem 01.01.2016 geltend macht. Nach den Grundsätzen des intertemporalen Rechts ist die Entstehung und der Fortbestand sozialrechtlicher Ansprüche oder Rechtsverhältnisse grundsätzlich – soweit Übergangsregelungen fehlen – nach dem Recht zu beurteilen, das zur Zeit der anspruchsbegründenden Ereignisse oder Umstände gegolten hat (vgl. BSG, Beschluss vom 12.08.2021 – B 9 SB 20/21 B – juris Rn. 6). Die Möglichkeit einer rückwirkenden Feststellung des GdB für Zeiten vor der Antragstellung ist allerdings in der im Zeitpunkt des Neufeststellungsantrags vom 17.12.2018 geltenden Normfassung des § 152 Abs. 1 SGB IX – insbesondere in dessen Satz 2 – ausdrücklich geregelt, sodass sich ein etwaiger Anspruch auf eine rückwirkende GdB-Feststellung für Zeiten vor der Antragstellung ebenfalls nach diesen ab dem Zeitpunkt des Neufeststellungsantrags geltenden Normfassungen richtet.
Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (bis 31.12.2023) bzw. des Vierzehnten Buches Sozialgesetzbuch (seit 01.01.2024) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Auf Antrag kann festgestellt werden, dass ein GdB oder gesundheitliche Merkmale bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen haben, wenn dafür ein besonderes Interesse glaubhaft gemacht wird (§ 152 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Menschen mit Behinderungen sind gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht (§ 2 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Menschen sind im Sinne des Teils 3 des SGB IX schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben (§ 2 Abs. 2 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 152 Abs. 1 Satz 5 SGB IX in der bis 31.12.2023 geltenden Normfassung bzw. § 152 Abs. 1 Satz 4 SGB IX in der seit 01.01.2024 geltenden Normfassung). Eine Feststellung ist nur zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 152 Abs. 1 Satz 6 SGB IX in der bis 31.12.2023 geltenden Normfassung bzw. § 152 Abs. 1 Satz 5 SGB IX in der seit 01.01.2024 geltenden Normfassung). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der Grad der Behinderung nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 152 Abs. 3 Satz 1 SGB IX).
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des GdB, die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und die Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind (§ 153 Abs. 2 SGB IX). Da noch keine Verordnung nach § 153 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, gelten die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend (§ 241 Abs. 5 SGB IX in der seit 01.01.2018 geltenden Normfassung). Hierbei handelt es sich um die Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) in der vom 17.10.2012 bis 29.12.2016 geltenden Normfassung der Fünften Verordnung zur Änderung der VersMedV vom 11.10.2012 (BGBl. I, S. 2122), der vom 30.12.2016 bis 31.12.2017 geltenden Normfassung des BTHG vom 23.12.2016 (BGBl. I, S. 3234), der vom 01.01.2018 bis 19.12.2019 geltenden Normfassung des Gesetzes zur Änderung des BVG und anderer Vorschriften vom 17.07.2017 (BGBl. I, S. 2541), der vom 20.12.2019 bis 31.12.2023 geltenden Normfassung des Gesetzes zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts vom 12.12.2019 (BGBl. I S. 2652, 2702) und der seit 01.01.2024 geltenden Normfassung des Gesetzes zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts vom 06.06.2023 (BGBl. I, Nr. 146, S. 6). Die Grundsätze zur Feststellung des GdB sind in der Anlage zu § 2 VersMedV als Bestandteil dieser Verordnung festgelegt (vgl. § 2 VersMedV). Die Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VG) werden teilhabeorientiert auf der Grundlage des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft und der Medizintechnik unter Berücksichtigung versorgungsmedizinischer Erfordernisse fortentwickelt (§ 153a Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB IX in der seit 14.06.2023 geltenden Normfassung des Gesetzes zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts vom 06.06.2023 <BGBl. I, Nr. 146, S. 2> bzw. § 2 Satz 2 VersMedV in der bis zum 13.06.2023 geltenden Normfassung). Angesichts dieser Fortentwicklung entsprechend auch dem medizinischen Fortschritt sind die VersMedV und insbesondere die GdB-Tabelle in deren Anlage stets – auch bei rückwirkenden Feststellungen für die Vergangenheit – in der für den betreffenden Zeitraum maßgeblichen Fassung anzuwenden.
Allgemein gilt, dass der GdB nach den gleichen Grundsätzen wie der Grad der Schädigungsfolgen (GdS) bemessen wird, aber auf alle Gesundheitsstörungen unabhängig von ihrer Ursache, also final bezogen ist (Teil A Nr. 2 lit. a VG). Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens (Teil A Nr. 2 lit. a VG). Der GdB ist unabhängig vom ausgeübten oder angestrebten Beruf zu beurteilen (Teil A Nr. 2 lit. b VG). Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus (Teil A Nr. 2 lit. c VG). Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, also für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, also Gesundheitsstörungen, die nicht regelmäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als „Alterskrankheiten“ (etwa „Altersdiabetes“) bezeichnet werden (Teil A Nr. 2 lit. c VG).
Bei der nach Zehnergraden abgestuften Feststellung des GdB (vgl. § 152 Abs. 1 Satz 4 SGB IX in der seit 01.01.2024 geltenden Normfassung) sollen im Allgemeinen die folgenden Funktions-systeme zusammenfassend beurteilt werden: Gehirn einschließlich Psyche, Augen, Ohren, Atmung, Herz und Kreislauf, Verdauung, Harnorgane, Geschlechtsapparat, Haut, Blut einschließlich blutbildendes Gewebe und Immunsystem, innere Sekretion und Stoffwechsel, Arme, Beine, Rumpf (Teil A Nr. 2 lit. e VG). Die in der GdB-Tabelle niedergelegten Sätze berücksichtigen bereits die üblichen seelischen Begleiterscheinungen (Teil A Nr. 2 lit. i VG). Sind die seelischen Begleiterscheinungen erheblich höher als aufgrund der organischen Veränderungen zu erwarten wäre, so ist ein höherer GdB gerechtfertigt. Vergleichsmaßstab ist dabei nicht der behinderte Mensch, der überhaupt nicht oder kaum unter seinem Körperschaden leidet, sondern die allgemeine ärztliche Erfahrung hinsichtlich der regelhaften Auswirkungen. Außergewöhnliche seelische Begleiterscheinungen sind anzunehmen, wenn anhaltende psychoreaktive Störungen in einer solchen Ausprägung vorliegen, dass eine spezielle ärztliche Behandlung dieser Störungen – z.B. eine Psychotherapie – erforderlich ist (Teil A Nr. 2 lit. i VG). Die in der GdB-Tabelle angegebenen Werte schließen die üblicherweise vorhandenen Schmerzen mit ein und berücksichtigen auch erfahrungsgemäß besonders schmerzhafte Zustände (Teil A Nr. 2 lit. j VG). Ist nach Ort und Ausmaß der pathologischen Veränderungen eine über das übliche Maß hinausgehende Schmerzhaftigkeit nachgewiesen, die eine ärztliche Behandlung erfordert, können höhere Werte angesetzt werden (Teil A Nr. 2 lit. j VG). Liegen mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vor, so sind zwar Einzel-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden (Teil A Nr. 3 lit. a VG). Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (Teil A Nr. 3 lit. c VG). Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein (Teil A Nr. 3 lit. d VG): Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken. Die Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Die Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung werden durch eine hinzutretende Gesundheitsstörung nicht verstärkt. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen (Teil A Nr. 3 lit. d sublit. ee Satz 1 VG). Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (Teil A Nr. 3 lit. d sublit. ee Satz 2 VG).
Die auf diese Weise vorzunehmende Bemessung des GdB ist grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe, die in freier Beweiswürdigung nach Maßgabe der VG vorzunehmen ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, Urteil vom 27.10.2022 – B 9 SB 4/21 R – juris Rn. 21 m.w.N.; BSG, Urteil vom 16.12.2021 – B 9 SB 6/19 R – juris Rn. 38 m.w.N.). Bei der rechtlichen Bewertung der Auswirkungen einer Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sind die Gerichte an die Vorschläge der von ihnen gehörten Sachverständigen nicht gebunden (vgl. BSG, Beschluss vom 04.05.2020 – B 9 SB 84/19 B – juris Rn. 6 m.w.N.).
Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur die Feststellung einer unbenannten Behinderung und des Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzelfall zugrundeliegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsakts (vgl. BSG, Urteil vom 24.06.1998 – B 9 SB 17/97 R – juris Rn. 23). Der Einzel- bzw. Teil-GdB ist keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsakts, ist nicht isoliert anfechtbar und erwächst auch nicht in Bindung (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, Urteil vom 05.05.1993 – 9/9a RVs 2/92 – juris Rn. 20; BSG, Beschluss vom 20.02.2019 – B 9 SB 67/18 B – juris Rn. 9).
Unter Zugrundelegung dieser rechtlichen Maßgaben und in Auswertung der vorliegenden medizinischen Unterlagen hat der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40. Für die Zeit vor dem Neufeststellungsantrag vom 17.12.2018 ergibt sich dies bereits aus § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, wonach die GdB-Feststellung grundsätzlich erst ab dem Zeitpunkt der Antragstellung folgt. Ein für eine GdB-Feststellung zu einem früheren Zeitpunkt nach § 152 Abs. 1 Satz 2 SGB IX glaubhaft gemachtes besonderes Interesse ist nicht ersichtlich. Auch nach den materiellen Vorgaben der VG besteht weder vor dem 17.12.2018 noch in der Zeit danach ein Anspruch des Klägers auf Feststellung eines höheren GdB als 40.
Die das Funktionssystem „Rumpf“ betreffenden Gesundheitsstörungen des Klägers sind mit einem GdB von 10 zu bewerten.
Im Funktionssystem „Rumpf“ besteht beim Kläger eine Funktionsminderung der Wirbelsäule bei initialen degenerativen Aufbraucherscheinungen monosegmental C6/C7 mit Streckfehlhaltung, monosegmentaler mittelgradig aktivierter Osteochondrose und Spondylose L3/L4 sowie MRT-gesichertem kleinem NPP L5/S1 mit insgesamt geringen funktionellen Einschränkungen. Der Senat entnimmt dies dem schlüssigen und überzeugenden fachorthopädischen Gutachten des S7.
Nach Teil B Nr. 18.9 VG ergibt sich der GdB bei angeborenen und erworbenen Wirbelsäulenschäden (einschließlich Bandscheibenschäden, Scheuermann-Krankheit, Spondylolisthesis, Spinalkanalstenose und dem sogenannten Postdiskotomiesyndrom) primär aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung und -instabilität sowie aus der Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte. Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) sind mit einem GdB von 10 zu bewerten. Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) rechtfertigen einen GdB von 20. Ein GdB von 30 setzt entweder schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt oder mindestens mittelgradige funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten voraus. Anhaltende Funktionsstörungen infolge Wurzelkompression mit motorischen Ausfallerscheinungen oder auch die intermittierenden Störungen bei der Spinalkanalstenose sowie Auswirkungen auf die inneren Organe (z. B. Atemfunktionsstörungen) sind zusätzlich zu berücksichtigen. Bei außergewöhnlichen Schmerzsyndromen kann auch ohne nachweisbare neurologische Ausfallerscheinungen (z.B. Postdiskotomiesyndrom) ein GdB über 30 in Betracht kommen.
In Anwendung dieser Maßstäbe ist für das Wirbelsäulenleiden des Klägers ein GdB von 10 angemessen. Im Bereich der Halswirbelsäule hat der Sachverständige S7 keine Lotabweichung beschrieben. Zwar hat der Kläger eine starke Verhärtung der Nackenstreck- und Trapeziusrandmuskulatur angegeben, befundet hat S7 aber eine locker ausgebildete und nicht druckempfindliche Nackenstreck- und Trapeziusrandmuskulatur. Die Beweglichkeit der Halswirbelsäule hat er u.a. mit einer Seitneigung um 45° beidseits, einer Drehung um 70° beidseits und einer Kopfvor- und Rückneigung um 50-0-70° als frei beschrieben. Radiologisch haben sich lediglich monosegmentale initiale degenerative Aufbraucherscheinungen im Segment C6/C7 und eine geringe Streckfehlhaltung der HWS bei ansonsten gut erhaltenen Zwischenwirbelräumen gezeigt. Im Bereich der Rumpfwirbelsäule hat S7 einen regelrechten Aufbau von Brust- und Lendenwirbelsäule mit locker ausgebildeter und nicht druckempfindlicher Rückenstreckermuskulatur befundet. Die Beweglichkeit hat er mit einer Seitneigung beidseits um 30°, einer Rotation beidseits um 30°, einer Reklination um 10° und einer Inklination bis zu einem Finger-Boden-Abstand von 8 cm als frei und gut erhalten beschrieben. Dabei hat sich mit einem Ott’schen Zeichen von 30:37 cm und einem Schober’schen Zeichen von 10:15 cm eine gute Entfaltbarkeit gezeigt, die Bewegungen zur Inklination inklusive dem Wiederaufrichten sind flüssig gewesen. Radiologisch haben sich lediglich eine mittelgradige aktivierte Spondylose und Osteochondrose im Segment L3/L4 und eine beginnende Spondylarthrose L5/S1 mit zusätzlich im MRT gesichertem kleinem Bandscheibenvorfall L5/S1 gezeigt. Im Bereich der oberen und unteren Extremitäten hat S7 einen unauffälligen Reflexstatus erhoben und kein sensomotorisches Defizit festgestellt. In der Epikrise hat er daraus schlüssig und überzeugend keine wesentlichen funktionellen Einschränkungen abgeleitet. Hierzu passt auch die Befundung eines zügigen, sicheren und aufrechten Gangbildes, einer problemlosen Demonstration der differenzierten Stand- und Gangarten sowie einer komplett möglichen tiefen Hocke mit flüssigem Wiederaufrichten ohne Schmerzäußerung oder Abstützung mit den Händen.
Der von S7 selbst als wohlwollend vorgeschlagene GdB von 20 ist für das Wirbelsäulenleiden angesichts der allenfalls geringen funktionellen Einschränkungen als überhöht einzustufen. Lediglich eine gewisse durch die radiologischen degenerativen Veränderungen erklärbare Schmerzsymptomatik bei in der Vergangenheit gelegentlich dokumentierten Wirbelsäulensyndromen rechtfertigt überhaupt die Feststellung eines GdB von 10. Mit für die Feststellung eines GdB von 20 erforderlichen mittelgradigen Funktionseinschränkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt ist das Gesamtausmaß der von S7 objektivierten Funktionseinschränkungen hingegen nicht vergleichbar.
Die das Funktionssystem „Arme“ betreffenden Gesundheitsstörungen des Klägers begründen keinen GdB von mindestens 10. Bei dem Kläger besteht ein Z.n. bereits 2001 operativ erfolgter Schulterstabilisierung rechts bei rezidivierenden Schultergelenksluxationen rechts mit sehr gutem postoperativen Ergebnis. Der Senat entnimmt dies dem insofern schlüssigen und überzeugenden Gutachten des S7. Dieser hat im Bereich der Schultergelenke eine freie Beweglichkeit und auch an der rechten Schulter eine ausreichende Stabilität beschrieben. Nacken- und Schürzengriff sind beidseits durchführbar gewesen und die Impingementtests sind negativ ausgefallen. An Auffälligkeiten hat S7 neben der Operationsnarbe von der Schulterstabilisierung lediglich eine Druckempfindlichkeit im Supraspinatussehnenansatzgebiet der rechten Schulter mit sonografisch geringgradiger Texturstörung ohne Hinweis auf Ruptur befundet. Hiernach liegt weder eine Bewegungseinschränkung noch eine Instabilität der Schultergelenke vor, die nach Teil B Nr. 18.13 VG als GdB-relevante Funktionsbeeinträchtigung angesehen werden könnte.
Die das Funktionssystem „Beine“ betreffenden Gesundheitsstörungen des Klägers sind mit einem GdB von 10 zu bewerten. Bei dem Kläger bestehen eine Fußfehlform beidseits mit Fersensporn beidseits sowie eine beginnende Koxarthrose Stadium I nach Kellgren beidseits ohne relevante funktionelle Einschränkungen. Der Senat entnimmt dies dem Gutachten des S7. Dieser hat im Bereich der unteren Extremitäten an klinischen Auffälligkeiten lediglich eine milde Senk-Spreizfuß-Fehlform beidseits mit mäßiggradiger Druckempfindlichkeit unterhalb beider Fersen mit klassischem Fersensporndruck sowie eine geringe Druckempfindlichkeit der Hüftgelenke im Trochanter- und Leistenbereich befundet. Nach Teil B Nr. 18.14 VG ist die geringe Druckschmerzhaftigkeit der Hüftgelenke bei freier Funktion nicht GdB-relevant, die Fußdeformität mit statischer Auswirkung geringen Grades bei Bestehen eines Fersensporns rechtfertigt lediglich einen GdB von 10.
Die das Funktionssystem „Atmung“ betreffenden Gesundheitsstörungen des Klägers sind mit einem GdB von 20 zu bewerten. Bei dem Kläger besteht ein überwiegend obstruktives Schlafapnoe-Syndrom mit CPAP-Maskenbeatmung. Der Senat entnimmt dies der sachverständigen Zeugenauskunft des Y1 sowie den damit vorgelegten Befundberichten des S8 vom 06.02.2020 und über die Polysomnographie im T1-krankenhaus M1 vom 06. auf den 07.11.2020. In der Polysomnographie wurde ein signifikantes überwiegend obstruktives Schlafapnoe-Syndrom mit zwar nur vereinzelten zentralen Apnoen aber vielen Hypopnoen und Atmungsschwankungen mit Desaturationen bis 87% festgestellt. Daher wurde eine CPAP-Therapie eingeleitet. Nach Teil B Nr. 8.7 VG rechtfertigt ein durch Untersuchung im Schlaflabor nachgewiesenes Schlafapnoe-Syndrom mit Notwendigkeit einer kontinuierlichen nasalen Überdruckbeatmung einen GdB von 20, wohingegen ein GdB von 50 die Nichtdurchführbarkeit einer nasalen Überdruckbeatmung voraussetzt. Hiernach ist die Bewertung mit einem GdB von 20 – wie auch in der versorgungsärztlichen Stellungnahme durch B3 vom 26.05.2021 vorgeschlagen – ausreichend. Die Unmöglichkeit einer Überdruckbeatmung kann nicht festgestellt werden. Gegenüber H1 hat der Kläger zwar einen schlechten Schlaf und Müdigkeit angegeben, Probleme mit der Maskenbeatmung hat er jedoch nicht mitgeteilt. Zwar hat der Kläger gegenüber dem HNO-Zentrum R3 am 13.04.2021 angegeben, mit der CPAP-Therapie nicht gut zurechtzukommen, und nach Alternativen gefragt. Von einer Nichtdurchführbarkeit der nasalen Überdruckbeatmung kann aber nach der Rechtsprechung des Senats erst dann ausgegangen werden, wenn anatomische Besonderheiten einer nasalen Überdruckbeatmung entgegenstehen oder wenn durch das Scheitern entsprechender Therapieversuche der Nachweis der Nichtdurchführbarkeit der nasalen Überdruckbeatmung erbracht ist. Dazu gehört, dass der Betroffene verschiedene Masken ausgetestet und ein Gewöhnungstraining erfolglos durchlaufen hat. Es reicht nicht, wenn die Beatmungsmaske wegen subjektiver Beschwerden nicht mehr benutzt wird (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.12.2022 – L 8 SB 1259/21 – juris Rn. 50 m.w.N.). Solche gescheiterten Bemühungen oder anatomischen Besonderheiten sind hier nicht ersichtlich, sodass eine höhere Bewertung des Schlafapnoe-Syndroms als mit einem GdB von 20 nicht möglich ist.
Soweit S3 ausweislich seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 30.01.2021 aufgrund eines Tests im Juni 2019 ein Restless-legs-Syndrom erwogen hat und auch gegenüber S8 entsprechende anamnestische Angaben gemacht wurden, ist ein solches im Rahmen der Polysomnographie im November 2020 nicht festgestellt worden und auch S3 hat in seiner neuerlichen sachverständigen Zeugenauskunft vom 08.03.2023 keine diesbezüglichen Einschränkungen berichtet. Y1 hat ebenfalls ein Restless-legs-Syndrom nicht angegeben, sodass ein solches mit Relevanz für die GdB-Bewertung nicht nachgewiesen ist.
Die das Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ betreffenden Gesundheitsstörungen des Klägers sind mit einem GdB von 30 zu bewerten.
Auf psychiatrischem Fachgebiet bestehen bei dem Kläger eine depressiv-narzisstische Persönlichkeitsentwicklung und eine Dysthymia. Der Senat entnimmt dies dem Gutachten des H1.
Nach Teil B Nr. 3.7 VG sind leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem GdB von 0 bis 20 zu bewerten. Stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) rechtfertigen einen GdB von 30 bis 40, schwere Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten einen GdB von 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten einen GdB von 80 bis 100. Die funktionellen Auswirkungen einer psychischen Erkrankung, insbesondere wenn es sich um eine affektive oder neurotische Störung nach ICD-10 F30.- oder F40.- handelt, manifestieren sich dabei im psychisch-emotionalen, körperlich-funktionellen und sozial-kommunikativen Bereich (vgl. Philipp, Vorschlag zur diagnoseunabhängigen Ermittlung der MdE bei unfallbedingten psychischen bzw. psychosomatischen Störungen, MedSach 6/2015, S. 255 ff.). Diese drei Leidensebenen hat auch das BSG in seiner Rechtsprechung angesprochen (vgl. BSG, Beschluss vom 10.07.2017 – B 9 V 12/17 B – juris Rn. 2). Dabei ist für die GdB-Bewertung, da diese die Einbußen in der Teilhabe am Leben in der (allgemeinen) Gesellschaft abbilden soll, vor allem die sozial-kommunikative Ebene maßgeblich (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 12.01.2017 – L 6 VH 2746/15 – juris Rn. 61). Bei dieser Beurteilung ist auch der Leidensdruck zu würdigen, dem sich der behinderte Mensch ausgesetzt sieht, denn eine „wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit“ meint schon begrifflich eher Einschränkungen in der inneren Gefühlswelt, während Störungen im Umgang mit anderen Menschen eher unter den Begriff der „sozialen Anpassungsschwierigkeiten“ fallen, der ebenfalls in den VG genannt ist. Die Stärke des empfundenen Leidensdrucks äußert sich auch und maßgeblich in der Behandlung, die der Betroffene in Anspruch nimmt, um das Leiden zu heilen oder seine Auswirkungen zu lindern. Hiernach kann bei fehlender ärztlicher oder (gleichgestellter) psychotherapeutischer Behandlung in der Regel nicht davon ausgegangen werden, dass ein diagnostiziertes seelisches Leiden über eine leichtere psychische Störung hinausgeht und bereits eine stärker behindernde Störung im Sinne der GdB-Bewertungsgrundsätze darstellt (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.12.2010 – L 8 SB 1549/10 – juris Rn. 31; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.02.2018 – L 6 SB 4718/16 – juris Rn. 42; LSG Baden-Württemberg Urteil vom 10.08.2023 – L 6 SB 1549/21 – juris Rn. 67).
Unter Anwendung dieser Maßstäbe sind die Beeinträchtigungen des Klägers im Funktionssystem Gehirn/Psyche mit einem GdB von 30 ausreichend bewertet H1 hat in seinem ausführlichen psychischen Befund den Kläger u.a. als wach und allseits ausreichend orientiert ohne Hinweis auf höhergradige mnestische Funktionsstörungen beschrieben. Im Kontakt ist der Kläger zugewandt gewesen, Nähe und Distanz adäquat regulierend. Die Stimmung des Klägers hat H1 als subdepressiv mit reduzierter emotionaler Schwingungsfähigkeit beschrieben, den formalen Gedankengang als geordnet. Eine Anspannung zu Beginn der Untersuchung mit hastigem Vortrag hat im weiteren Verlauf der Untersuchung abgenommen und der Bericht ist konzentrierter geworden. Ein Nachlassen der konzentrativen Fähigkeiten hat H1 nicht beobachtet. Eine Dysthymia ist nach ICD-10 F34.1 als chronische, wenigstens mehrere Jahre andauernde depressive Verstimmung klassifiziert, die weder schwer noch hinsichtlich einzelner Episoden anhaltend genug ist, um die Kriterien einer schweren, mittelgradigen oder leichten rezidivierenden depressiven Störung zu erfüllen. Hierzu passen die Beschreibung der Stimmung als subdepressiv, also das Ausmaß einer selbst leichten depressiven Episode nicht ganz erreichend, und der anamnestisch angegebene wie auch durch den behandelnden S3 dokumentierte chronische Verlauf über mehrere Jahre S3 selbst hat ausweislich seiner sachverständigen Zeugenauskünfte vom 30.01.2021 und vom 08.03.2023 nach Befundung einer depressiven Stimmung mit affektiver Traurigkeit und Angst sowie der Diagnose einer depressiven Episode im Jahr 2016 in der Folge v.a. eine subdepressive Stimmungslage mit affektiver Traurigkeit und vegetativen Funktionsstörungen befundet und auch den dysthymen Charakter der Störung betont. Behandlungen bestehen im Wesentlichen in einer Psychotherapie mit mittlerweile monatlichen Gesprächsterminen bei S5 und einer psychiatrischen Therapie mit etwa quartalsweisen Kontakten zu S3 sowie einer Medikation mit Sertralin und Opipramol. Eine tagesklinische oder gar stationäre psychiatrische Behandlung ist in den letzten Jahren offensichtlich nicht für erforderlich gehalten worden. Gegenüber H1 hat der Kläger selbst noch einen relativ geregelten Tagesablauf beschrieben, wonach er etwa mit dem Auto trotz dortiger Konfliktsituationen zur Arbeit fährt, nach der Arbeit die in seiner Wohnung lebenden Katzen mit Futter, Wasser und Reinigung der Katzenklos versorgt – was ihm nach eigenen Angaben gut tut – sowie gegen Abend einen Freund besucht oder zu seiner Freundin geht. Manchmal übernachtet er bei der Freundin, manchmal in seiner Wohnung. Der Kläger ist demnach in der Lage, eine Beziehung auch ohne feste eheliche Bindung zu führen, und die sozialen Kontakte sucht er nach eigenen Angaben auf, weil ihn das Alleinsein bedrückt. Noch während der letzten Ehe ist er im Jahr 2022 aus einer kurzen anderen Beziehung Vater eines Sohnes geworden. Ein höhergradiger sozialer Rückzug ist daher nicht feststellbar. Allein das dysthyme Ausmaß der depressiven Erkrankung ließe vor diesem Hintergrund noch nicht die Feststellung eines höheren GdB als 20 i.S. einer mehr als nur leichten Störung zu. Erst unter Mitberücksichtigung der durch H1 herausgearbeiteten Verhaftung des Klägers in einer Opferrolle und der damit verbundenen Schwierigkeit im Umgang mit belastenden Emotionen wie Enttäuschung, Kränkung oder Zurückweisung sowie der bereits von S3 beschriebenen psychosomatischen vegetativen Begleiterscheinungen wie Schmerzerleben kann überhaupt eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit i.S.v. Teil B Nr. 3.7 VG begründet werden.
Dabei kann angesichts der objektivierbaren geringen Auffälligkeiten im psychopathologischen Befund des H1 und der erhaltenen Alltagskompetenzen entgegen dem Vorschlag des H1 und der sich dem anschließenden versorgungsärztlichen Stellungnahme durch H3 vom 06.06.2024 der vorgesehene GdB-Rahmen bis 40 allein mit den psychischen Leiden nicht ausgeschöpft werden. Ein GdB von 40 nach Teil B Nr. 3.7 VG setzt grundsätzlich kumulativ eine an der Grenze zur schweren Störung bestehende Einschränkung sowohl der Erlebnisfähigkeit als auch der Gestaltungsfähigkeit voraus. Während die Erlebnisfähigkeit auf das befundgestützt zu objektivierende subjektive Erleben abhebt, geht es bei der Gestaltungsfähigkeit um Auswirkungen der psychischen Funktionseinschränkungen insbesondere auf Alltagskompetenzen, sodass etwa ohne nachgewiesene höhergradige Einschränkungen in der Alltagsgestaltung ein GdB von 40 regelmäßig nicht zu begründen ist. Hinsichtlich der Erlebnisfähigkeit besteht mit der Verhaftung des Klägers in einer Opferrolle und der damit verbundenen Schwierigkeit im Umgang mit belastenden Emotionen wie Enttäuschung, Kränkung oder Zurückweisung zwar eine wesentliche Einschränkung. Jedoch kann angesichts der Beschreibung des Klägers im Befund des H1 – mit geordnetem formalen Gedankengang und ohne Hinweis auf eine inhaltliche Denkstörung sowie bei fehlenden Angaben im Befundteil zu einer wesentlichen Einengung des Denkens und bei nur leichtgradigen (als subdepressiv beschriebenen) Einschränkungen der Stimmung – eine die Ausschöpfung des GdB-Rahmens rechtfertigende Einschränkung der Erlebnisfähigkeit an der Grenze zur schwergradigen Einschränkung nicht festgestellt werden. Hinsichtlich der Gestaltungsfähigkeit sind zwar gewisse Konflikte im Alltag aufgrund des Enttäuschungs- und Kränkungserlebens beispielsweise bei als unzureichend empfundener beruflicher Förderung und Anerkennung durchaus nachvollziehbar. Solche sind auch in den sachverständigen Zeugenauskünften des S3 und des S5 im Klage- und Berufungsverfahren angegeben worden, wobei allerdings nicht immer hinreichend deutlich wird, inwiefern die psychischen Einschränkungen sich im Entstehen der Konflikte selbst oder vielmehr in deren subjektivem Erleben zeigen. Der verhaltenstherapeutisch behandelnde S5 hat laut seiner Auskunft vom 08.03.2023 in der horizontalen Verhaltensanalyse insbesondere die Entwicklung der depressiven Symptomatik als Folge einer anamnestisch beschriebenen Mobbingsituation am Arbeitsplatz mit hinzutretenden Eheproblemen eingeordnet, wobei die psychische Dekompensation zur Selbstwertregulation bei Gefühlen etwa der Leere, der Anhedonie, der Hoffnungslosigkeit, der Enttäuschung sowie des Insuffizienz- und Einsamkeitserlebens dient. Bereits in der Auskunft vom 22.01.2021 hat S5 etwa die erhöhte Selbstbeobachtung als primären Krankheitsgewinn betont. Dies beschreibt im Wesentlichen Einschränkungen des intrinsischen Erlebens, wohingegen an Auswirkungen auf soziale Verhaltenskompetenzen etwa am 08.03.2023 insbesondere eine gestörte Impulskontrolle und ein sozialer Rückzug angegeben worden sind H1 allerdings hat den Kläger in seiner Befunderhebung als im Kontakt zugewandt und mit adäquater Regulierung von Nähe und Distanz beschrieben, eine anfänglich deutliche Anspannung mit hastigem Vortrag hat im Verlauf der Untersuchung abgenommen und der Vortrag ist konzentrierter geworden ohne beobachtbares Nachlassen der Konzentrationsfähigkeit im weiteren Verlauf. Soweit die drei Ehen des Klägers jeweils nach ein paar Jahren wieder geschieden wurden, hat er in der ersten, als glücklich beschriebenen Ehe Konflikte insbesondere durch die Schwierigkeit, sowohl seine eigene Familie als auch die Familie der Ehefrau finanziell zu unterstützen, beschrieben. In der zweiten Ehe, deren Eingehung der Kläger selbst als verfrüht eingeordnet hat, hat er Konflikte bezüglich der Gewährung finanzieller Unterstützung an seine Familie sowie Streit insbesondere zwischen der damaligen Ehefrau und seiner Stiefschwester beschrieben. Diesen als sozialadäquat nachvollziehbaren Konflikten ist ein besonderes Beruhen gerade auf einer eingeschränkten Sozialkompetenz des Klägers nicht zu entnehmen. Die dritte Ehe, in der sich die Frau nach einer verbalen Auseinandersetzung Anfang 2023 mit Einsatz der Polizei endgültig vom Kläger getrennt hat, war dieser bereits nur auf Drängen der Frau eingegangen, obwohl er selbst eigentlich nicht heiraten wollte. Im Übrigen hatte der Kläger nach seinen Angaben bei H1 immer wieder kurze Beziehungen, aus einer solchen ging sogar noch während der letzten Ehe im Jahr 2022 ein Sohn hervor. Auch aktuell hat der Kläger nach eigenen Angaben eine Freundin und trifft sich regelmäßig nach der Arbeit mit ihr oder mit einem Freund, weil ihn das Alleinsein bedrückt. Er ist also durchaus in der Lage, eine Beziehung zu führen und Freundschaften zu pflegen, deren Kontakt er auch aktiv sucht. Ein höhergradiger sozialer Rückzug ist nicht feststellbar. Daneben kümmert er sich gerne um die bei ihm lebenden Katzen seiner geschiedenen vormaligen Ehefrau und ist seit nunmehr über 25 Jahren – wenngleich mit deutlich konfliktreichem Erleben der Arbeitsplatzsituation – beim gleichen Arbeitgeber beschäftigt. Angesichts dieser erhaltenen Alltagskompetenzen kann auch hinsichtlich der Gestaltungsfähigkeit keine Einschränkung von solchem Ausmaß festgestellt werden, dass eine Ausschöpfung des bis zu einem GdB von 40 reichenden GdB-Rahmens gerechtfertigt wäre. Angemessen ist daher vielmehr – wie auch bereits vom behandelnden S3 in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 30.01.2021 vorgeschlagen – ein GdB von 30.
Im Rahmen der vegetativen Begleiterscheinungen bereits mitberücksichtigt sind dabei sowohl der von S3 und von L1 etwa in dessen Berichten vom 27.01.2020 und vom 08.04.2020 beschriebene psychosomatische Anteil des Schmerzerlebens des Klägers als auch die etwa beim HNO-Zentrum R3 am 25.05.2020 geklagten Schwindelbeschwerden u.a. mit Kopfschmerzen sowie Tinnitusbeschwerden. Ausweislich der Berichte des HNO-Zentrums etwa vom 08.05.2020, vom 25.05.2020 und vom 13.04.2021 ist eine otogene Ursache für den Schwindel nicht festgestellt worden, am 22.07.2022 ist nach Durchführung u.a. einer Vestibulo-Nystagmographie ein Therapieversuch mit Betahistin eingeleitet worden. Zuletzt ist am 11.03.2024 eine deutliche Besserung des Schwindels und des Tinnitus angegeben worden und auch gegenüber H1 sind keine diesbezüglichen Beschwerden mehr geklagt worden.
Die das Funktionssystem „Ohren“ betreffenden Gesundheitsstörungen des Klägers sind allenfalls mit einem GdB von 15 ab dem 11.03.2024 zu bewerten. Ausweislich des Befundberichts des HNO-Zentrums R3 von diesem Tag besteht ein Hörverlust durch Schallempfindungsstörung beidseits. Ein Tonaudiogramm vom 11.03.2024 dokumentiert rechts einen Tonhörverlust von 30 dB bei 500 Hz und bei 1 kHz, von 40 dB bei 2 kHz und von 45 dB bei 4 kHz sowie links einen Tonhörverlust von 25 dB bei 500 Hz, bei 1 kHz und bei 2 kHz und von 55 dB bei 4 kHz. Daraus ergibt sich unter Anwendung der 4-Frequenztabelle nach Röser 1973 gemäß Teil B Nr. 5.2.2 VG ein prozentualer Hörverlust von 37 % rechts und von 29 % links. Dies entspricht nach Teil B Nr. 5.2.4 VG jeweils einer geringgradigen Schwerhörigkeit, für die bei beidseitiger Betroffenheit ein GdB von 15 angemessen ist. Hinsichtlich des vormals geklagten Tinnitus ist ebenso wie bezüglich der Schwindelbeschwerden, soweit man diese dem Funktionssystem Ohren zuweisen wollte, am 11.03.2024 eine deutliche Besserung berichtet worden, sodass ein diesbezüglich GdB-relevantes Ausmaß nicht mehr ersichtlich ist. Zuvor rechtfertigten der Tinnitus und der Schwindel auch im Falle einer gemeinsamen Bewertung im Funktionssystem Ohren nach Teil B Nr. 5.3 VG allenfalls einen GdB von 10, da über ein Unsicherheitsgefühl des Klägers hinausgehend nennenswerte objektivierbare Abweichungen in den Geh- und Stehversuchen bei sicherem Stand im Romberg-Versuch und keiner Seitabweichung im Unterberger-Versuch am 13.04.2021 beim HNO-Zentrum R3 nicht beschrieben worden sind, und da S5 in seinen sachverständigen Zeugenauskünften nicht gesondert auf einen Tinnitus eingegangen ist, sodass die Psychotherapie auch nicht als Ausdruck nennenswerter therapiebedürftiger psychischer Begleiterscheinungen gerade des Tinnitus angesehen werden kann. Hinsichtlich der Hörstörung hingegen sind in den früheren Tonaudiogrammen vor dem 11.03.2024 unterschiedliche Werte ermittelt worden. Zuletzt sind allerdings im Tonaudiogramm vom 22.04.2022 Werte entsprechend einem prozentualen Hörverlust von 17 % rechts (= Normalhörigkeit) und 21 % links (= Beginn der geringgradigen Schwerhörigkeit) ermittelt worden, was einen GdB von 0 begründet. Insofern kann für die Zeit vor dem 11.03.2024 jedenfalls noch kein anhaltender GdB-relevanter Hörverlust nachgewiesen werden. Im Funktionssystem Ohren kann somit vor dem 11.02.2024 allenfalls ein GdB von 10 und danach ein GdB von 15 festgestellt werden.
Im Funktionssystem „männliche Geschlechtsorgane“ können keine mit einem GdB von mindestens 10 zu bewertenden Funktionseinschränkungen festgestellt werden. Zwar wurde in einem Befundbericht der Urologischen Klinik des Universitätsklinikums M1 vom 17.06.2020 u.a. eine erektile Dysfunktion angegeben. Der Kläger selbst hat bei H1 aber über sexuelle Probleme in der Vergangenheitsform gesprochen, wobei nach urologischer Abklärung alles in Ordnung gewesen sei und es ein Problem in der Ehe gewesen sei. Soweit mit der neuen Freundin des Klägers sexuell nichts „gehe“, führt der Kläger selbst dies darauf zurück, dass die Freundin sagt, er sei ein alter Mann, und dass er seine Erwartungen zurückgestellt hat. Gegen eine impotentia coeundi, also ein Unvermögen überhaupt zum Vollzug des Geschlechtsverkehrs, spricht zudem, dass der Kläger im Rahmen einer anderen kurzen Beziehung im Jahr 2022 Vater eines Sohnes wurde. Eine GdB-relevante Funktionseinschränkung der männlichen Geschlechtsorgane ist somit nicht feststellbar.
Soweit schließlich zuletzt in den Befundberichten des HNO-Zentrums R3 vom 11.03.2024 bis zum 23.04.2024 u.a. ein V.a. craniomandibuläre Dysfunktion, ein Bruxismus und ein Kribbeln der linken Gesichtsseite angegeben worden sind, ist eine für die GdB-Bewertung von Kiefer- und Kiefergelenkstörungen nach Teil B Nr. 7 VG maßgebliche Beeinträchtigung des Sprech-, Kau- oder Schluckvermögens nicht ersichtlich. Hinsichtlich des am 23.04.2024 angegebenen Kribbelns im Gesicht ist bereits ein 6 Monate anhaltender Zustand nicht feststellbar und auch kein zu einem GdB von mehr als 0 führendes Ausmaß nach Teil B Nr. 2.2 VG objektivierbar beschrieben.
Bei der Bildung des Gesamt-GdB ist von dem GdB von 30 im Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche auszugehen. Der weitere GdB-Wert von 20 im Funktionssystem Atmung rechtfertigt eine Erhöhung um 10, sodass sich ein Gesamt-GdB von 40 ergibt. Der mittlerweile festzustellende GdB von 15 im Funktionssystem Ohren rechtfertigt keine weitere Erhöhung auf einen Gesamt-GdB von 50, da es sich – wenn auch beidseitig – nur um eine geringgradige Schwerhörigkeit handelt. Hierdurch wird keine derartige Erhöhung des Gesamtausmaßes der Behinderungen erreicht, welche die Anerkennung einer Schwerbehinderung rechtfertigen könnte. Gleiches gilt für die GdB-Werte von 10 in den Funktionssystem Rumpf und Beine sowie vormals im Funktionssystem Ohren. Dies würde im Übrigen auch dann gelten, wenn unter stärkerer Berücksichtigung der angegebenen Schmerzsymptomatik das Wirbelsäulenleiden mit einem GdB von 20 bewertet würde. In diesem Fall bestünde eine erhebliche Überschneidung zu den beim GdB von 30 im Funktionssystem Gehirn/Psyche bereits mitberücksichtigten psychosomatischen Schmerzanteilen, sodass eine Erhöhung des Gesamt-GdB durch das Wirbelsäulenleiden wiederum nicht gerechtfertigt wäre.
Ein Gesamt-GdB von 40 ist auch bei einem Vergleich mit konkreten Werten in der GdB-Tabelle angemessen. Hierfür bietet sich insbesondere Teil B Nr. 3.7 VG an, da die typischen Auswirkungen einer Schlafapnoe mit gestörtem Schlaf und Tagesmüdigkeit sich ähnlich einer depressiven Antriebshemmung auf die Verrichtung von Aktivitäten im Alltag auswirken und im Übrigen etwa L1 sowie S3 bei dem Gesamtbeschwerdebild des Klägers eine deutliche psychosomatische Überlagerung beschrieben haben. Insofern ist das Gesamtausmaß der beim Kläger bestehenden Funktionseinschränkungen vergleichbar mit einer stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit am oberen Ende des dafür vorgesehenen GdB-Rahmens von 30-40. Mit einer schweren Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten, welche einen GdB von 50 rechtfertigen könnte, ist das Gesamtausmaß angesichts der gegenüber H1 angegebenen erhaltenen Alltagskompetenzen des Klägers jedoch nicht vergleichbar. Der Kläger hat somit keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40.
Die Berufung war dementsprechend zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.