Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 21. Juli 2022 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beklagte wendet sich gegen die Zahlung von Beiträgen zur privaten Pflegepflichtversicherung für die Monate Juni 2019 bis Juli 2020 in Höhe von 785,54 €.
Die Klägerin, ein privates Versicherungsunternehmen hatte mit der Beklagten einen privaten Kranken- und einen privaten Pflegepflichtversicherungsvertrag im Tarif PPN (Pflegepflichtversicherung) geschlossen, letzterer nach den jeweils geltenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die private Pflegepflichtversicherung (MB/PPV). Der Krankenversicherungsvertrag wurde ab dem 1. Oktober 2018 im Notlagentarif geführt. Die von der Beklagten zu zahlenden Beiträge betrugen ausweislich der vorgelegten Versicherungsscheine ab 1. Januar 2019 monatlich 49,03 € sowie ab 1. Januar 2020 monatlich 63,19 €. Die Beiträge zur Pflegepflichtversicherung zahlte die Beklagte jedenfalls seit 1. Juni 2019 nicht.
Zur Begründung ihres Einspruches gegen den Vollstreckungsbescheid vom 3. Juli 2019 über Beiträge für frühere Zeiträume machte die Beklagte mit Schreiben vom 14. August 2019 geltend, seit Dezember 2018 nicht mehr bei der Klägerin versichert zu sein. Darüber habe sie diese Anfang „Dezember 2019“ telefonisch informiert, obwohl sowohl ihr Steuerberater als auch ihre „neue Versicherung“ ihr versichert hätten, dass dies nicht notwendig sei. Sie habe sich nicht früher mit diesen Angelegenheiten auseinandersetzen können, da sie seit Sommer 2015 in R1 gelebt und studiert habe. Bis Ende 2018 sei sie nur besuchsweise in der Bundesrepublik Deutschland gewesen. Die Beiträge bis November 2018 habe sie nicht gezahlt, da ihr noch in den Jahren 2016 und 2017 geltend gemachte Erstattungsansprüche für Krankenbehandlungen gegen die Klägerin zustünden. Dem Schreiben legte sie eine „Mitgliedsbescheinigung nach § 175 SGB V“ der H1-Krankenkasse vom 2. Juli 2019 bei; wegen des Inhaltes wird auf Bl. 25 der Akten des Sozialgerichts Mannheim (SG) Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 20. August 2019 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass der Vertrag nicht beendet sei. Ein Telefonat von Dezember 2018 oder eine sonstige Kündigung seien aus ihren Unterlagen nicht ersichtlich. Bei Eintritt der gesetzlichen Versicherungspflicht stehe ihr, der Beklagten, zwar ein außerordentliches Kündigungsrecht innerhalb von drei Monaten ab Pflicht- bzw. Familienversicherung zu. Sie müsse aber den Beginn der Mitgliedschaft in dieser Versicherung nachweisen. Diese Frist sei bei Erhalt des Schreibens vom 14. August 2019 bereits verstrichen gewesen. Daher werde der Vertrag zum Ende des Monats aufgehoben, in dem die Beklagte ihre Versicherungspflicht nachweise. Hierzu werde eine aktuelle Mitgliedsbescheinigung gemäß §§ 5 und 10 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) benötigt. Eine Mitgliedsbescheinigung gemäß § 175 SGB V reiche als Nachweis nicht aus.
Im Rahmen eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens gegen die Beklagte übersandte das zuständige Landratsamt der Klägerin (Eingang am 29. Juli 2020) eine Bescheinigung der H1 vom 20. Juli 2020 über Versicherungszeiten der Beklagten, wonach diese seit 1. Dezember 2018 bis laufend pflichtversichert sei (§ 5 SGB V). Hierauf beendete die Klägerin u.a. den Pflegepflichtversicherungsvertrag mit Ablauf des 31. Juli 2020.
Auf Antrag der Klägerin erließ das Amtsgericht H2 (AG) den der Beklagten am 29. Dezember 2020 zugestellten Mahnbescheid vom 22. Dezember 2020 über eine Gesamtforderung von 847,27 € (Beiträge zur PV vom 1. Juni 2019 bis 31. Juli 2020 785,54 €, Gerichtskosten 32,00 €, Zinsen 29,73 €). Nach Widerspruch der Beklagten gab das AG auf den Antrag der Klägerin auf Durchführung des streitigen Verfahrens vom 21. Mai 2021 das Verfahren zur Durchführung eines Klageverfahrens an das SG (Eingang 26. Mai 2021) ab.
Zur Begründung der Klage verwies die Klägerin auf die aus dem privaten Pflegeversicherungsvertrag bestehende Verpflichtung der Beklagten, die Beiträge monatlich im Voraus jeweils zum Monatsersten zu zahlen, der diese für den streitbefangenen Zeitraum nicht nachgekommen sei. Jeweils ab dem zweiten eines jeden Monats seien Verzugszinsen zu zahlen. Das Versicherungsverhältnis habe nicht automatisch mit dem Beginn der Pflichtversicherung geendet. Eine Kündigung sei ihr im strittigen Zeitraum nicht zugegangen. Der Zugang einer Kündigung werde bestritten. Die Beklagte habe im Schreiben vom 14. August 2019 ein Kündigungsschreiben vom 7. Dezember 2018 überhaupt nicht erwähnt. Die Beklagte behaupte den Faxversand eines Kündigungsschreibens wider besseren Wissens. Der vorgelegte Faxsendebericht sei erkennbar „zusammen kopiert“. So stimmten die dort angegebenen Daten der Übermittlung nicht überein. Zur Untermauerung ihres Vorbringens legte die Klägerin Versicherungsscheine über den streitbefangenen Zeitraum (Bl. 12/15 der SG-Akte), eine Zinsberechnung bis 21. Dezember 2020 (Bl. 17/18 der SG-Akte) sowie einen von der Beklagten in einem anderen Rechtsstreit vorgelegten Faxsendebericht vom 8. Dezember 2016, in dem die Übermittlungsdaten übereinstimmten (Bl. 50 der SG-Akten), vor.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie habe bereits mit Schreiben vom 7. Dezember 2018 die Kündigung des Vertragsverhältnisses erklärt, da sie ab dem 1. Dezember 2018 Mitglied in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung geworden sei. Die Kündigung sei der Klägerin per Fax am 7. Dezember 2018 zugegangen. Es sei unerheblich, dass der Versichertenstatus aus dieser Mitgliedsbescheinigung vom 2. Juli 2019 nicht hervorgehe. Denn der Klägerin sei bekannt, dass ein freiwilliger Wechsel von der privaten Krankenversicherung in die gesetzliche Krankenversicherung nicht möglich sei. Die Versicherungspflicht in der privaten Pflegeversicherung sei aufgrund der Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Pflegeversicherung entfallen. Die Klägerin könne deshalb für den geltend gemachten Zeitraum nicht nochmals Beiträge verlangen. Ihr, der Beklagten, stünden nur einmal Leistungen aus der Pflegeversicherung zu, wobei sich die Leistungen aus der gesetzlichen und privaten Pflegeversicherung nicht unterschieden, so dass eine doppelte Beitragszahlung nicht gerechtfertigt sei. Die geltend gemachte Beitragshöhe bestreite sie vorsorglich. Diese seien viel zu hoch angesetzt. Zur Untermauerung ihres Vorbringens legte die Beklagte ein auf den 7. Dezember 2018 datiertes, an die Klägerin adressiertes Kündigungsschreiben und einen Faxsendebericht („Datum+Uhrzeit : 07-DEC-2018 18:45 MIT“; „Startzeit 04-09 18:44“; „S. 001/001“; „Ergeb. OK“) vor; wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 28/29 der SG-Akte Bezug genommen.
Mit Urteil vom 21. Juli 2022 verurteilte das SG die Beklagte, an die Klägerin 785,54 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22. Dezember 2020 sowie weitere Zinsen in Höhe von 29,64 € zu zahlen. Die Beklagte trage die Gerichtskosten des Mahnverfahrens; im Übrigen finde keine Kostenerstattung statt. Die Klägerin habe aufgrund der zwischen ihr und der Beklagten zustande gekommenen Pflegepflichtversicherung einen Anspruch auf Zahlung der rückständigen Beiträge zur privaten Pflegepflichtversicherung für die Zeit vom 1. Juni 2019 bis 31. Juli 2020. Eine Beendigung des Versicherungsschutzes liege nicht vor, insbesondere nicht durch den Eintritt von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. In diesem Fall sei gesetzlich lediglich ein Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers vorgesehen. Eine Kündigung seitens der Beklagten, insbesondere der Zugang des Kündigungsschreibens vom 7. Dezember 2018, stehe nicht zur Überzeugung des Gerichts fest. Aufgrund der widersprüchlichen Angaben zum Zeitpunkt des Drucks des Sendeberichtes („07-DEC-2018 18:45 MIT“) und zum Start der Faxübertragung („04-09 18:44“) tauge der Bericht nicht zum Nachweis eines Zugangs bzw. des Zugangszeitpunktes. Das Vertragsverhältnis habe auch nicht aufgrund des Schreibens der Beklagten vom 14. August 2019 geendet. Denn die Beklagte habe der Klägerin nicht innerhalb von zwei Monaten nach deren Hinweisschreiben vom 20. August 2019 den Eintritt der Versicherungspflicht nachgewiesen. Erst mit Vorlage der entsprechenden Bescheinigung durch das Landratsamt im Juli 2020 sei dieser Nachweis erbracht worden. Der Anspruch auf Zahlung von Mahnkosten ergebe sich als Verzugsschaden.
Gegen dieses ihr am 4. August 2022 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 24. August 2022 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen insbesondere zur Kündigung des Pflegepflichtversicherungsvertrages wiederholt. Das SG verkenne, dass die Mitgliedschaft in der privaten oder gesetzlichen Pflegeversicherung gesetzlich nur einmal gefordert werden könne. Im Gegensatz zur privaten Krankenversicherung bestünden bei der privaten Pflegepflichtversicherung keine abweichenden Leistungsinhalte. Aufgrund der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Pflegeversicherung sei die Pflicht zur Mitgliedschaft in der privaten Pflegeversicherung erloschen. Unabhängig davon, ob die Klägerin die Kündigung als nicht rechtzeitig ansehe, stünden dieser für den eingeklagten Zeitraum für die private Pflegeversicherung keine Beiträge zu. Jede andere Auffassung verletze den Grundsatz der Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG).
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 21. Juli 2022 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die Auffassung der Beklagten, bei Eintritt der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung oder bei einem Wechsel der Versicherung erlösche der private Pflegepflichtversicherungsvertrag automatisch, widerspreche der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des § 23 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI). Zur Sicherstellung einer ausreichenden Absicherung in der Pflegeversicherung habe der Gesetzgeber eine zahlungspflichtige Doppelversicherung in Kauf genommen, wenn der Versicherungsnehmer seiner Nachweispflicht nicht genüge. Es bestehe auch kein Verstoß gegen Art. 3 GG. Die Nachweispflicht gelte für alle Versicherten gleich und mache diesbezüglich keine Ausnahmen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten des Senats und des SG Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
1. Die nach § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Denn das SG hat die Beklagte mit dem uneingeschränkt angefochtenen Urteil zur Zahlung in Höhe von insgesamt 785,54 € (zzgl. Zinsen) und damit mehr als 750,00 € verurteilt.
2. Gegenstand des Verfahrens ist die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung rückständiger Beiträge zur privaten Pflegeversicherung für den Zeitraum vom 1. Juni 2019 bis 31. Juli 2020 in Höhe von 785,54 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22. Dezember 2020 sowie weitere Zinsen in Höhe von 29,64 € für den Zeitraum vom 3. Juni 2019 bis 21. Dezember 2020. Dies ergibt sich aus dem in der Klagebegründung formulierten Antrag der Klägerin, dem Inhalt des Mahnbescheides vom 22. Dezember 2020 und dem Tenor des von der Beklagten angefochtenen Urteils des SG.
3. Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das SG hat diese zu Recht zur Zahlung von Beiträgen in Höhe von 785,54 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22. Dezember 2020 sowie weitere Zinsen in Höhe von 29,64 € verurteilt. Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf die geforderten Beiträge zur Pflegepflichtversicherung für die Zeit vom 1. Juni 2019 bis 31. Juli 2020 zzgl. Zinsen in der genannten Höhe.
a) Die Verpflichtung der Beklagten zur Beitragszahlung ergibt sich aus dem zwischen den Beteiligten im streitbefangenen Zeitraum bestehenden Vertrag über die private Pflegepflichtversicherung i.V.m. § 1 Satz 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG). Danach ist der Versicherungsnehmer – hier die Beklagte – verpflichtet, an den Versicherer – hier die Klägerin – die vereinbarte Zahlung (Prämie) zu leisten. Näheres regeln die MB/PPV, die Bestandteil des Vertrages geworden sind. Für die Beitragszahlung gilt § 8 MB/PVV. Nach dessen Abs. 1 ist vorbehaltlich der Absätze 2 und 3 (Kinder) für jede versicherte Person ein Beitrag zu zahlen. Der Beitrag ist ein Monatsbeitrag und am Ersten eines jeden Monats fällig.
aa) Dass ein Vertrag solchen Inhalts zwischen den Beteiligten bestanden hat, entnimmt der Senat den von der Klägerin vorgelegten Versicherungsscheinen, die ausdrücklich den Tarif PPN (Pflegepflichtversicherung) nach den jeweils geltenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen – für die private Pflegepflichtversicherung MB/PPV – ausweisen. Das ursprüngliche Zustandekommen des Vertrags hat auch die Beklagte nicht bestritten.
bb) Das durch diesen Vertrag begründete Versicherungsverhältnis endete nicht durch den von der Beklagten angegebenen Auslandsaufenthalt in R1 ab Sommer 2015.
Nach § 15 Abs. 3 MB/PVV endet das Versicherungsverhältnis – vorbehaltlich einer besonderen Vereinbarung – mit der Verlegung des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts des Versicherungsnehmers ins Ausland.
(1) Maßgeblich ist, ob der Versicherungsnehmer bzw. die versicherte Person keinen Wohnsitz mehr in Deutschland hat. Denn die Verpflichtung aus § 193 Abs. 3 VVG (Pflicht zum Abschluss einer Krankheitskostenversicherung) – und dem folgend die Pflicht zum Abschluss eines Pflegepflichtversicherungsvertrags nach § 23 Abs. 1 SGB XI – trifft alle Personen mit Wohnsitz im Inland. Dies kann auch einer von mehreren Wohnsitzen sein (Voit, in: Prölss/Martin, VVG, 31. Aufl. 2021, § 193 Rn. 9; Senatsurteil vom 28. Januar 2022 – L 4 P 338/20 – n.v. auch zum Nachstehenden).
Einen Wohnsitz begründet nach der in § 7 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) enthaltenen Legaldefinition, wer sich an einem Ort ständig niederlässt. Der Wohnsitz kann gleichzeitig an mehreren Orten bestehen (Abs. 2). Der Wohnsitz wird aufgehoben, wenn die Niederlassung mit dem Willen aufgehoben wird, sie aufzugeben (Abs. 3). Nach § 30 Abs. 3 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) hat jemand einen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Maßgeblich ist demnach, wo der Lebensmittelpunkt einer Person liegt. Ein Wohnsitz wird begründet durch die tatsächliche Niederlassung verbunden mit dem Willen, den Ort zum ständigen Schwerpunkt seiner Lebensverhältnisse zu machen. Bei der Bewertung sind familiäre, berufliche und soziale Bindungen mit zu berücksichtigen. Die Aufhebung des Wohnsitzes erfordert die beabsichtigte Aufgabe der tatsächlichen Niederlassung, die allerdings anhand des gesamten Verhaltens für einen mit den Umständen vertrauten Beobachter erkennbar sein muss. Wer das Staatsgebiet in der Annahme verlassen hat, er tue dies nur vorübergehend, dem fehlt im Zweifel der Wille, den Wohnsitz aufzugeben (Saenger, in: Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, § 7 Rn. 8 m.w.N.). Wer im Inland einen solchen Wohnsitz innehat, hält sich hier auch im Rechtssinne regelmäßig auf. Auf den gewöhnlichen Aufenthalt kommt es daher nur an, wenn es an einem Inlandswohnsitz fehlt (Pitz, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, Stand: August 2018, § 30 Rn. 31 m.w.N.).
(2) Die Beklagte hatte auch in der angegebenen Zeit des Studiums in R1 von „Sommer 2015“ bis „Ende 2018“ noch einen Wohnsitz in Deutschland. Dies entnimmt der Senat den eigenen Angaben der Beklagten und dem weiteren Akteninhalt. So gab die Beklagte im Schreiben vom 14. August 2019 zwar an, in dieser Zeit nur besuchsweise in Deutschland gewesen zu sein. Neben „Besuchen“ bei der Familie nahm sie nach den dortigen Angaben aber auch ärztliche Betreuung in Deutschland in Anspruch und nutzte dafür auch den hier bestehenden – über die Klägerin gewährten – Krankenversicherungsschutz. Ausdrücklich verweist die Beklagte im genannten Schreiben auf ärztliche Behandlungen (einschließlich Operation) auch in den Jahren 2016 und 2017. Die entsprechenden Erstattungsansprüche machte sie gegenüber der Klägerin unter ihrer deutschen Adresse geltend. Dies entnimmt der Senat dem an diese Anschrift gerichteten Schreiben der Klägerin vom 28. November 2016, das die Beklagte im sozialgerichtlichen Verfahren selbst vorgelegt hat. Dass diese den vorbestehenden Wohnsitz in Deutschland während des Studiums in R1 aufgegeben hat und aufgeben wollte, lässt sich daher nicht feststellen. Auch die Beklagte selbst hat zu keinem Zeitpunkt ausdrücklich geltend gemacht, den Wohnsitz in Deutschland tatsächlich aufgegeben zu haben.
cc) Der bloße Eintritt der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung hat den Versicherungsvertrag nicht beendet.
Der Eintritt dieser Versicherungspflicht führt entgegen der Ansicht der Beklagten nicht automatisch zur Beendigung des Versicherungsvertrags. Vielmehr können nach § 27 Satz 1 SGB XI (in der hier anzuwendenden, bis 8. Juni 2021 geltenden Fassung vom 26. Mai 1994) Personen, die nach den §§ 20 oder 21 SGB XI versicherungspflichtig werden und bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen gegen Pflegebedürftigkeit versichert sind, ihren Versicherungsvertrag mit Wirkung vom Eintritt der Versicherungspflicht an kündigen. Diese Regelung gibt den Betroffenen somit lediglich das Recht, den privaten Versicherungsvertrag außerordentlich, also ohne Bindung an Kündigungsfristen, die im Versicherungsvertrag oder in allgemeinen Versicherungsbedingungen enthalten sind, zu kündigen (Luthe, in: Hauck/Noftz SGB XI, Stand November 2021, § 27 Rn. 13).
Entgegen der Ansicht der Beklagten verstößt diese Regelung nicht gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz. Art. 3 Abs. 1 GG enthält das Gebot, Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 10. Dezember 1985 – 2 BvL 18/83 – juris, Rn. 51). Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt aber das Grundrecht, „wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders und nachteilig behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten“ (BVerfG, Urteil vom 3. April 2001 – 1 BvR 1681/94 – juris, Rn. 63) und „sich für eine Ungleichbehandlung kein in angemessenem Verhältnis zu dem Grad der Ungleichbehandlung stehender Rechtfertigungsgrund finden lässt“ (BVerfG, Beschluss vom 15. März 2000 – 1 BvL 16/96 – juris, Rn. 72). Differenzierungen bedürfen somit stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Die Beklagte hat bereits keine relevante Vergleichsgruppe in diesem Sinne aufgezeigt. Eine solche ist auch nicht ersichtlich. Soweit die Beklagte auf eine „doppelte Beitragszahlung“ (zur privaten und zur sozialen Pflegeversicherung) trotz nur einheitlichem Leistungsumfang abstellt, verkennt sie, dass der Gesetzgeber das außerordentliche Kündigungsrecht nach § 27 SGB XI gerade zur Vermeidung einer solchen entbehrliche Doppelversicherung geschaffen hat (vgl. BT-Drucks. 12/5262 S. 107 zu § 23). Die gerügte „doppelte Beitragszahlung“ beruht mithin nicht auf der gesetzlichen Regelung, sondern allein auf der nicht wirksamen Ausübung ihres gesetzlich eingeräumten Gestaltungsrechts (zur Kündigung) durch die Beklagte (dazu nachstehend).
dd) Eine wirksame Kündigung des Pflegepflichtversicherungsvertrages erfolgte zu keinem Zeitpunkt vor oder während des streitigen Zeitraums.
(1) Eine wirksame Kündigung durch die Beklagte erfolgte bei Eintritt der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung nicht.
(a) Zwar stand der Beklagten ab dem 1. Dezember 2018 das außerordentliche Kündigungsrecht des § 27 Satz 1 SGB XI zu. Denn ab diesem Zeitpunkt war diese versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 SGB V. Dies entnimmt der Senat der Bescheinigung der H1 vom 20. Juli 2020. Damit wurde sie nach § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB XI zeitgleich versicherungspflichtig in der sozialen Pflegeversicherung.
(b) Die Beklagte hat aber zu diesem Zeitpunkt nicht wirksam gekündigt.
(aa) Die von der Beklagten behauptete – und nicht der Schriftform nach § 16 MB/PPV entsprechende – telefonische Kündigung im Dezember 2018 hat die Klägerin bestritten und ausreichend konkret dargelegt, dass sich in ihren Unterlagen keine Hinweise auf eine solche Kündigung finden. Eine nähere Substantiierung durch die Beklagte hinsichtlich des genauen Zeitpunkts, Inhalts und Gesprächspartners ist nicht erfolgt. Diese hat auch keine Nachweise vorgelegt oder Beweismittel bezeichnet.
(bb) Wie bereits das SG vermochte sich auch der Senat nicht davon überzeugen, dass der Klägerin ein Kündigungsschreiben der Beklagten vom 7. Dezember 2018 zugegangen ist.
Ein solcher Zugang ergibt nicht aus dem vorgelegten Faxsendebericht (Bl. 29 der SG-Akte). Ein mit einem sogenannten „OK-Vermerk“ versehener Sendebericht des Sendegeräts beweist noch nicht den Zugang eines Telefaxschreibens. Es kann aufgrund eines solchen Sendeberichts auch nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises nicht davon ausgegangen werden, dass das betreffende Schreiben ordnungsgemäß übermittelt und ausgedruckt worden ist. Die durch einen „OK-Vermerk“ unterlegte ordnungsgemäße Absendung eines Schreibens per Telefax begründet lediglich ein Indiz für dessen tatsächlichen Zugang bei dem Empfänger. Denn der „OK-Vermerk“ belegt (nur) das Zustandekommen einer Verbindung zwischen dem Telefaxgerät des Absenders und dem des Empfängers, nicht aber die erfolgreiche Übermittlung der Signale an das Empfangsgerät (Bundesgerichtshof [BGH], Beschluss vom 8. Oktober 2013 – VIII ZB 13/13 – juris, Rn. 13; BGH, Beschluss vom 14. Mai 2013 – III ZR 289/12 – juris, Rn. 11; Bundesfinanzhof [BFH], Beschluss vom 22. Juni 2020 – VI B 117/19 – juris, Rn. 17 f.; LSG Hamburg, Urteil vom 27. Februar 2020 – L 4 AS 72/18 – juris, Rn. 28).
Der von der Beklagten vorgelegte Faxsendebericht weist zwar ein auf den 7. Dezember 2018 datiertes Kündigungsschreiben der Beklagten als übermitteltes Dokument aus. Allerdings weisen die übrigen angegebenen Daten wesentliche Unstimmigkeiten auf. So wird im „Kopf“ des Faxsendeberichts zu „Datum+Uhrzeit : 07-DEC-2018 18:45 MIT“ angegeben, hingegen in der Angabe der Sendedaten als „Startzeit 04-09 18:44“. Unabhängig von der Frage, ob es sich bei dem im Rahmen der Startzeit angegebenen Datum um eine deutsche Angabe (i.S.d. 4. September) oder um eine amerikanische (i.S.d. 9. April) handelt, ist ohne weiteres erkennbar, dass die Angaben im Sendebericht zum Datum der Übermittlung weit voneinander abweichen und nicht miteinander vereinbar sind. Dass hier eine Übereinstimmung in den angegebenen Daten bestehen müsste, zeigte auch der Faxsendebericht vom 8. Dezember 2016 (Bl. 50 der SG-Akten), den die Beklagte in einem anderen Rechtsstreit gegen die Klägerin vorgelegt hatte und in dem die Übermittlungsdaten übereinstimmten. Gründe für die abweichenden Daten hat die Beklagte nicht angeführt. Weitere Ermittlungen von Amts wegen waren daher nicht angezeigt. Eine Übermittlung bereits am 4. September 2018 (oder 9. April 2018) wäre ebenfalls unstimmig, da die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung erst danach zum 1. Dezember 2018 eintrat. Im Übrigen hat die Beklagte eine solche Übermittlung selbst nicht behauptet. Zutreffend ist das SG daher davon ausgegangen, dass der Faxsendebericht aufgrund dieser erheblichen Unstimmigkeiten vorliegend kein Indiz für den Zugang eines Kündigungsschreibens vom 7. Dezember 2018 bei der Klägerin darstellt. Gegen eine solche Kündigung per Fax vom 7. Dezember 2018 sprechen auch frühere Angaben der Beklagten im Schreiben vom 14. August 2019, in dem sie nur eine mündliche Kündigung anführte und noch davon ausging, nicht zur Mitteilung des Eintritts der Versicherungspflicht an die Klägerin oder Vorlage eines Nachweises verpflichtet zu sein.
(2) Der Pflegepflichtversicherungsvertrag wurde auch nicht durch das Schreiben der Beklagten vom 14. August 2019 beendet.
Selbst wenn man dieses Schreiben als Kündigung des Pflegepflichtversicherungsvertrages ansähe, wurde dadurch der Vertrag nicht vor dem 31. Juli 2020 beendet.
Nach § 27 Satz 1 SGB XI kann die Kündigung des Versicherungsvertrages mit Wirkung vom Eintritt der Versicherungspflicht erfolgen. Die Festlegung der Wirksamkeit der Kündigung mit Eintritt der Versicherungspflicht beinhaltet aufgrund des Wortlauts „kann“ nur die abstrakte Festlegung des frühesten denkbaren Zeitpunkts. Eine nähere Präzisierung sowohl über die Ausübung, die Frist und die Wirksamkeit der Kündigung enthält § 205 Abs. 2 VVG (Klein, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XI, 3. Aufl., Stand November 2022, § 27 Rn. 23), dessen Regelung in § 13 Abs. 1 MB/PPV wiederholt wird: Wird eine versicherte Person kraft Gesetzes kranken- oder pflegeversicherungspflichtig, kann der Versicherungsnehmer binnen drei Monaten nach Eintritt der Versicherungspflicht eine Krankheitskosten-, eine Krankentagegeld- oder eine Pflegekrankenversicherung sowie eine für diese Versicherungen bestehende Anwartschaftsversicherung rückwirkend zum Eintritt der Versicherungspflicht kündigen (Satz 1). Die Kündigung ist unwirksam, wenn der Versicherungsnehmer dem Versicherer den Eintritt der Versicherungspflicht nicht innerhalb von zwei Monaten nachweist, nachdem der Versicherer ihn hierzu in Textform aufgefordert hat, es sei denn, der Versicherungsnehmer hat die Versäumung dieser Frist nicht zu vertreten (Satz 2). Macht der Versicherungsnehmer von seinem Kündigungsrecht Gebrauch, steht dem Versicherer die Prämie nur bis zu diesem Zeitpunkt zu (Satz 3). Später kann der Versicherungsnehmer das Versicherungsverhältnis zum Ende des Monats kündigen, in dem er den Eintritt der Versicherungspflicht nachweist (Satz 4).
(a) Da die Beklagte bereits zum 1. Dezember 2018 versicherungspflichtig in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung wurde, konnte das weit außerhalb der Dreimonatsfrist des § 205 Abs. 2 Satz 1 VVG erstellte Schreiben vom 14. August 2019 eine Kündigung rückwirkend zum Zeitpunkt des Eintritts der Versicherungspflicht nicht bewirken.
(b) Einer Beendigung des Pflegepflichtversicherungsvertrages vor dem 31. Juli 2020 steht entgegen, dass die Beklagte erst durch die Bescheinigung der H1 vom 20. Juli 2020 den Eintritt der Versicherungspflicht nachgewiesen hat. Ein früherer Nachweis liegt nicht vor.
Die Klägerin hatte die Beklagte mit Schreiben vom 20. August 2019 – und damit in Textform i.S.d. § 205 Abs. 2 Satz 2 VVG – aufgefordert eine aktuelle Mitgliedsbescheinigung gemäß §§ 5 und 10 SGB V vorzulegen, um den Pflegepflichtversicherungsvertrag zum Ende des Monats der Vorlage zu beenden. Sie wies außerdem zu Recht darauf hin, dass die Mitgliedsbescheinigung nach § 175 SGB V als Nachweis nicht ausreicht. In der „Mitgliedsbescheinigung nach § 175 SGB V“ der H1 vom 2. Juli 2019 wird der Versicherungstatbestand nicht benannt. Bescheinigt wird lediglich eine am 1. Dezember 2018 beginnende Mitgliedschaft. Eine Versicherungspflicht wird nicht ausdrücklich genannt. Dem weiteren Inhalt ist lediglich zu entnehmen, dass die Bescheinigung den Personalunterlagen der als „Mitarbeiterin“ bezeichneten Beklagten beigefügt und die „erforderliche Anmeldung“ vorgenommen werden solle. Auch damit wird kein Eintritt der gesetzlichen Versicherungspflicht in der Kranken- und sozialen Pflegeversicherung bestätigt. Zwar wird erkennbar, dass die Beklagte als Beschäftigte („Mitarbeiterin“) zur Sozialversicherung angemeldet werden soll. Ob diese jedoch nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V der gesetzlichen Versicherungspflicht in der Krankenversicherung unterlag oder etwa nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V versicherungsfrei, aber freiwillig versichert war, lässt sich der Bescheinigung nicht entnehmen. Die Bescheinigung bezog sich auch ausschließlich auf die Mitgliedschaft in der Krankenkasse nach § 175 SGB V, nicht auch auf die Pflegekasse bzw. die soziale Pflegeversicherung. Daher war auch nicht erkennbar, ob sich die Beklagte – im Falle einer freiwilligen Krankenversicherung – nach §§ 20 Abs. 3, 22 Abs. 1 Satz 1 SGB XI von der Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung befreien ließ. Das Gesetz regelt in § 205 Abs. 2 Satz 2 und 4 VVG – wie auch in § 23 Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 2 SGB XI – die Vorlage eines ausreichenden Nachweises als Obliegenheit des Versicherungsnehmers. Bei Vorlage einer unzureichenden Bescheinigung ist der Versicherer daher nicht gehalten, eigene Ermittlungen zur Klärung anzustellen. Erst die Bescheinigung der H1 vom 20. Juli 2020 ließ die Versicherungspflicht der Beklagten erkennen (Mitgliedschaft aufgrund einer Versicherungspflicht nach § 5 SGB V).
Die Durchführung eines privaten Pflegeversicherungsvertrags nach späterem Eintritt von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Pflegeversicherung verstößt im Übrigen gegen kein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB). Ein Verbot einer Doppelversicherung findet keine Stütze im SGB XI und folgt auch nicht aus § 205 Abs. 2 Satz 1 VVG (Senatsurteil vom 24. April 2023 – L 4 P 1900/21; vom 16. Juli 2021 – L 4 P 3214/20 – jeweils n.v.). Zwar zeigt die Kündigungsmöglichkeit gemäß § 27 Satz 1 SGB XI und § 205 Abs. 2 Satz 1 VVG, dass niemand zur Aufrechterhaltung einer doppelten Pflegeversicherung verpflichtet ist. Dass dies aber nicht verboten ist, ergibt sich daraus, dass nach dem Regelungskonzept des § 27 Satz 1 SGB XI und § 205 Abs. 2 Satz 1 VVG ohne entsprechende Kündigung des privaten Pflegeversicherungsvertrags bei späterem Eintritt von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Pflegeversicherung eine Doppelversicherung entsteht und von Gesetzes wegen nicht zu beanstanden ist.
b) Die Klägerin hat Anspruch auf Beiträge in der geltend gemachten Höhe.
Der monatliche Beitrag zur Pflegeversicherung betrug ab 1. Januar 2019 monatlich 49,03 € sowie ab 1. Januar 2020 monatlich 63,19 €. Dies entnimmt der Senat den vorgelegten Versicherungsscheinen. In dieser Höhe hat die Klägerin die Beiträge ihrer Klageforderung zugrunde gelegt. Die Höhe der Beiträge und die Beitragsänderungen bestimmen sich nach den Vorgaben der §§ 8a, 8b MB/PPV i.V.m. § 110 SGB XI. Dass die Klägerin diese Grundsätze verletzt hätte, ist nicht ersichtlich. Zweifel hieran werden durch die völlig pauschale Behauptung der Beklagten, die Beiträge seien „zu hoch“, nicht geweckt. Substantiierte Einwände hat sie nicht erhoben. Die Beiträge waren auch nicht nach § 110 Abs. 2 SGB XI zu mindern. Die Beitragsminderung nach § 110 Abs. 2 Satz 3 SGB XI setzt eine Versicherung im Basistarif in der Krankenversicherung voraus. Dies gilt auch für die Regelung des Abs. 2 Satz 5 bzw. ab 1. Januar 2016 Satz 4. Eine Versicherung im Notlagentarif – wie bei der Beklagten – genügt nicht (Senatsurteil vom 20. März 2023 – L 4 P 1519/21 – juris, Rn. 50 m.w.N.).
c) Die danach geschuldeten Beiträge zur Pflegepflichtversicherung im streitbefangenen Zeitraum hat die Beklagte nicht an die Klägerin gezahlt. Dies entnimmt der Senat dem schlüssigen Vortrag der Klägerin. Zweifel hieran bestehen nicht. Die Beklagte hat selbst nicht geltend gemacht, diese Beiträge tatsächlich gezahlt zu haben.
d) Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich aus § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB. Danach ist eine Geldschuld während des Verzugs zu verzinsen. Der Schuldner kommt ohne Mahnung in Verzug, wenn er eine fällige Leistung, für die eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, nicht erbringt (§ 286 Abs. 1 und 2 Nr. 1 BGB). Wie oben (unter 3a) ausgeführt, waren Beiträge monatlich jeweils zum Ersten des Monats fällig, also zu einem nach dem Kalender bestimmten Zeitpunkt. Die Nichtzahlung der Beiträge hatte die Beklagte zu vertreten. Sie befand sich somit ab dem 2. Juni 2019 mit dem ersten hier streitbefangenen Monatsbeitrag und ab dem jeweiligen 2. der Folgemonate mit den jeweils summierten Monatsbeiträgen im Verzug, wie von der Klägerin bei den geltend gemachten Zinsen zugrunde gelegt. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz (§ 288 Abs. 1 Satz 2 BGB). Zutreffend errechnete die Klägerin hieraus einen Zinsanspruch für die Zeit ab dem 2. Juni 2019 bis zum 21. Dezember 2020 (dem Tag vor Erlass des Mahnbescheides) in Höhe von 29,64 €; insoweit nimmt der Senat auf die vorgelegte Zinsberechnung (Bl. 17/18 der SG-Akte) Bezug. Seit dem 22. Dezember 2020 schuldet die Beklagte weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG. Die Beklagte hat auch die Gerichtskosten des Mahnverfahrens zu tragen. Nach § 193 Abs. 1 Satz 2 SGG entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat, wenn ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a SGG) ist. Da die Beklagte das Mahnverfahren durch ihren Zahlungsverzug veranlasst hatte, ist es sachgerecht, ihr die hierfür angefallenen Kosten aufzuerlegen.
5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4.
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 13 P 1354/21
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 2473/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Rechtskraft
Aus
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