L 11 KA 18/21

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 288/17
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 18/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 11. April 2018 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist, ob die Beklagte bei der Berechnung des Honorars der Klägerin aus vertragsärztlicher Tätigkeit für das Quartal 1/2012 einen 10%igen Zuschlag (sog. BAG-Zuschlag) auf das Regelleistungsvolumen (RLV) zu berücksichtigen hat.

Die Klägerin ist eine Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) mit Vertragsarztsitz in Z., bestehend aus dem Facharzt für Innere Medizin A., der im Quartal 1/2012 als Job-Sharing-Senior-Partner im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KV) über einen vollen Versorgungsauftrag verfügte, und der Fachärztin I. als Job-Sharing-Junior-Partnerin nach § 101 Abs. 1 Nr. 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) i.V.m. § 33 Abs. 2 Ärzte-Zulassungsverordnung (Ärzte-ZV; vgl. Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte Köln vom 7. Dezember 2011).

Bis einschließlich zum 2. Quartal 2011 wurde der BAG gemäß § 5 Abs. 3a) des Honorarverteilungsvertrages (HVV, i.d. bis zum 30. Juni 2011 gültigen Fassung) eine 10 %-ige Erhöhung des RLV gewährt.

Im Bescheid vom 25. November 2011 über die Festsetzung von RLV und qualifikationsgebundenen Zusatzvolumen (QZV) für das Quartal 1/2012 wurde kein BAG-Zuschlag (mehr) berücksichtigt („Nr. 2.19 BAG-Zuschlag 1,0000“).

Mit Honorarbescheid vom 24. Juli 2012 für das Quartal 1/2012 setzte die Beklagte ein Honorar i.H.v. 80.461,38 € (Fallzahl 1.292) fest. Hierbei wurden u.a. folgende Werte zugrunde gelegt:

RLV-/QZV-Leistungen (nicht abgestaffelt)                                 1.384.870,2 Punkte

Punktwert:                                                                                           3,50480

                                                                                                                = 48.536,93 €

Abgestaffelte RLV-/QZV-Leistungen                                             592.814,2 Punkte

Punktwert:                                                                                              0,25405

                                                                                                                  = 1.506,04 €

Ein BAG-Zuschlag wurde nicht erteilt („Nr. 2.19 BAG-Zuschlag 1,0000“).

Beiden Bescheiden widersprach die Klägerin (am 20. August 2012): Die Beschlüsse des Bewertungsausschusses (BewA), die in der Vergangenheit gefasst worden seien, hätten keine Differenzierung im Hinblick auf BAGen enthalten. Insbesondere habe der BewA in keiner Weise klargestellt, dass Jobsharing-Gemeinschaften nicht von dem 10 %-igen Aufschlag profitieren sollten. Die im Honorarverteilungsmaßstab (HVM) der Beklagten enthaltene Regelung, nach welcher bei den BAG-Zuschlägen Jobsharing-Ärzte in keinem Fall berücksichtigt würden, stehe im Gegensatz zu den bisherigen Regelungen und der tatsächlichen Vorgehensweise der Beklagten, von der ohne Grund bzw. Veränderung der Sach- und Rechtslage auch im Hinblick auf die Beschlüsse des BewA abgewichen worden sei. Gegenüber BAGen, die nicht im Jobsharing zugelassen seien, ergebe sich eine Ungleichbehandlung. Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit werde verletzt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Bei den Zuschlägen würden Jobsharing-Ärzte im Sinne des § 101 Abs. 1 Nr. 4 und 5 SGB V in keinem Fall berücksichtigt (§ 5 Abs. 3 HVM).

Hiergegen hat die Klägerin am 9. Januar 2013 Klage erhoben (urspr. Az. S 2 KA 13/13). Sie hat ihren Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und ergänzend ausgeführt, dass im Rahmen des Jobsharing zwei Bereiche voneinander zu trennen seien. Der eine sei die Obergrenze der Honoraranforderung, der andere die sich insoweit innerhalb dieser Obergrenze befindlichen, zugewiesenen RLV. Dabei sei die grundsätzliche Überlegung, die den Aufschlag von 10 % rechtfertige, auch heute noch bei allen BAGen von Bedeutung.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 24. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, eine Berechnung des RLV der Klägerin im Quartal 1/2012 unter Berücksichtigung eines 10 %-igen Aufschlages auszuführen, sowie den Honorarbescheid dieses Quartales entsprechend zu korrigieren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat auf die angegriffene Entscheidung Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, es sei seit dem Quartal 3/2011 für Kooperationszuschläge im HVM ausdrücklich normiert, dass Jobsharing-Ärzte im Sinne des § 101 Abs. 1 Nr. 4 und 5 SGB V in keinem Fall berücksichtigt würden. Während im Zeitraum der Quartale 3/2011 und 4/2011 noch verbindliche Vorgaben des BewA gegolten hätten, die der erkennende Senat als abschließend bewertet habe, eröffneten die ab dem 1. Januar 2012 geltenden Vorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) über mehrere „Kann“-Regelungen den KVen Gestaltungsspielräume auf Landesebene.

Mit Beschluss vom 20. Juni 2013 hat die Kammer das Verfahren bis zur Erledigung eines Rechtsstreits mit derselben Problematik - S 14 KA 298/12 - L 11 KA 9/15 (LSG NRW) - ruhend gestellt (neues Az. S 2 KA 288/17). Im Parallelverfahren hat die Beklagte für die Quartale 3/2011 und 4/2011 die Gewährung eines Zuschlages auf das praxisbezogene RLV der dortigen Klägerin von 10 % anerkannt.

Die Beklagte hat nachfolgend darauf hingewiesen, dass die Beklagte im Verfahren L 11 KA 9/15 der dortigen Jobsharing-BAG für die Quartale 3/2011 und 4/2011 einen Zuschlag auf das praxisbezogene RLV in Höhe von 10 % gewährt habe; die Klage betreffend die Quartale 1/2012 und 2/2012 sei indes zurückgenommen worden. Für das vorliegend streitbefangene Quartal 1/2012 sei dementsprechend davon auszugehen, dass der erteilte Abrechnungsbescheid rechtmäßig sei.

Mit Urteil vom 11. April 2018 hat das SG die Klage abgewiesen und der Klägerin die Kosten des Verfahrens auferlegt. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen das am 20. April 2018 der Klägerin zugestellte Urteil hat die Klägerin am 14. Mai 2018 (ursprünglich Az. L 11 KA 37/18) – im Wesentlichen unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens - Berufung eingelegt.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 11. April 2018 zu ändern und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 25. November 2011 und 24. Juli 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2012 zu verpflichten, die Höhe des vertragsärztlichen Honorars der Klägerin in dem Quartal 1/2012 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte nimmt auf die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe Bezug und beantragt schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Vor dem Hintergrund des beim BSG anhängigen Verfahrens mit dem Az. B 6 KA 32/19 R ist das Verfahren ruhend gestellt worden (Beschluss vom 11. Mai 2020). Nach rechtskräftigem Abschluss des vorbezeichneten Revisionsverfahrens wird es fortgeführt.

Die Klägerin hält - ohne weitere Begründung – ihren Anspruch auch in Ansehung der aktuellen Rechtsprechung des BSG für begründet. Die Beklagte verweist darauf, dass die Förderung der kooperativen Behandlung nicht auf Jobsharing-BAGen zu erstrecken sei. Sie habe daher in ihrem HVM von dem ihr zustehenden Gestaltungsspielraum Gebrauch machen können. Das BSG habe klargestellt, dass Jobsharing-BAGen jedenfalls für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2012 wirksam von der Anwendung der Regelung zur zehnprozentigen Erhöhung des RLV ausgeschlossen seien.

Am 25. Mai 2022 ist die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert worden.

Der Senat hat die Beteiligten zu seiner Absicht angehört, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz <SGG>, zugestellt am 23. Juni 2022 <Klägerbevollmächtigte< und 24. Juni 2022 <Beklagte>).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A. Der Senat kann die Berufung der Klägerin durch Beschluss zurückweisen, da die Berufsrichter sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halten. Im Rahmen seiner Ermessensentscheidung (vgl. hierzu etwa BSG, Beschluss vom 30. Juli 2009 – B 13 R 187/09 B – juris) hat der Senat berücksichtigt, dass die im vorliegenden Rechtsstreit aufgeworfenen Fragen auf Grundlage der einschlägigen Normen in Auslegung des Tatsachenvortrages beantwortet werden können und eine weitere Sachaufklärung durch das Gericht im Rahmen einer mündlichen Verhandlung nicht notwendig ist. Die Beteiligten sind zu dieser Entscheidungsform gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGG).

B. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 25. November 2011 (RLV-Bescheid) über die Festsetzung von RLV und qualifikationsgebundenen Zusatzvolumen (QZV) für das Quartal 1/2012 und der Honorarbescheid vom 24. Juli 2012 für das Quartal 1/2012 jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2012.

C. Die am 14. Mai 2018 bei dem LSG Nordrhein-Westfalen eingelegte Berufung der Klägerin gegen das ihr am 20. April 2018 zugestellte Urteil des SG Düsseldorf ist zulässig, insbesondere ohne gerichtliche Zulassung statthaft (§§ 143, 144 SGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 151 Abs. 1, 64 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, 63 SGG).

D. Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Die Klage war abzuweisen, weil diese zulässig (hierzu I.), aber nicht begründet (hierzu II.) ist.

I. Die auf die teilweise Aufhebung des RLV-Bescheides und des Honorarabrechnungsbescheides sowie die Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung der Festsetzung des RLV als auch des Honoraranspruchs gerichtete Klage ist zulässig.

1. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§§ 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 und 3 SGG) in Gestalt einer Neubescheidungsklage (§ 131 Abs. 3 SGG) statthaft.

2. Die Klage ist fristgerecht am 9. Januar 2013 innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2012 (§ 85 Abs. 3 SGG) beim SG Düsseldorf erhoben worden (§§ 90, 87 Abs. 1 Satz 1 SGG).

3. Der RLV-Bescheid ist ebenso wie andere per Verwaltungsakt geregelte Bemessungsgrundlagen für die Honorarfestsetzung gesondert anfechtbar, jedenfalls so lange - wie hier - ein denselben Zeitraum betreffender Honorarbescheid noch nicht bestandskräftig geworden ist (vgl. BSG, Urteil vom 15. Juli 2020 – B 6 KA 12/19 RBSGE 130, 290 ff., Rn. 14; Urteil vom 15. August 2012 - B 6 KA 38/11 R - SozR 4-2500 § 87b Nr. 1, Rn. 10 f., 13 ff.; Urteil vom 2. August 2017 - B 6 KA 16/16 R - SozR 4-2500 § 87b Nr. 11, Rn. 38 zur Rechtslage ab dem 1. Januar 2012; Urteil vom 24. Oktober 2018 - B 6 KA 28/17 R - SozR 4-2500 § 87b Nr. 18, Rn. 11).

4. Die Klägerin ist als Berufsausübungsgemeinschaft beteiligtenfähig im Sinne des § 70 Nr. 1 SGG.

II. Die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist unbegründet. Der angefochtene RLV-Bescheid vom 25. November 2011 und der Honorarbescheid für das Quartal 1/2012 vom 24. Juli 2012, jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2012 beschweren die Klägerin nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, weil sie nicht rechtswidrig sind. Die Beklagte hat die Höhe des vertragsärztlichen Honorars der Klägerin im Quartal 1/2012 beanstandungsfrei festgesetzt. Die auf die Zuweisung eines höheren RLV in Form der Gewährung eines BAG-Zuschlags für das Quartal 1/2012 gerichtete Klage ist unbegründet.

1. Gesetzliche Grundlage der Verteilungsregelungen, deren Auslegung hier im Streit steht, ist seit dem 1. Januar 2012 § 87b Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstrukturgesetz - GKV-VStG) vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I, 2983). Danach verteilt die KV die vereinbarten Gesamtvergütungen an die Ärzte, Psychotherapeuten, MVZ sowie ermächtigten Einrichtungen, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen unter Anwendung des Verteilungsmaßstabs, der im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen festgesetzt worden ist. Der Verteilungsmaßstab hat gemäß § 87b Abs. 2 Satz 1 SGB V Regelungen vorzusehen, die verhindern, dass die Tätigkeit des Leistungserbringers über seinen Versorgungsauftrag nach § 95 Abs. 3 SGB V oder seinen Ermächtigungsumfang hinaus übermäßig ausgedehnt wird; dabei soll dem Leistungserbringer eine Kalkulationssicherheit hinsichtlich der Höhe seines zu erwartenden Honorars ermöglicht werden. Der Verteilungsmaßstab hat der kooperativen Behandlung von Patienten in dafür gebildeten Versorgungsformen angemessen Rechnung zu tragen (§ 87b Abs. 2 Satz 2 SGB V).

Mit der Neufassung des § 87b SGB V durch das GKV-VStG ist der Gesetzgeber in wesentlichen Punkten zur Verteilungssystematik aus der Zeit vor Inkrafttreten der Änderungen durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) zum 1. Januar 2004 zurückgekehrt und hat die bundesgesetzlichen Vorgaben, insbesondere die Implementation von RLV, weitgehend zurückgenommen (BSG, Urteil vom 2. August 2017 - B 6 KA 16/16 R - SozR 4-2500 § 87b Nr. 11 – Rn. 27). Die KVen dürfen - im Benehmen mit den Verbänden der Krankenkassen - seit 2012 die Honorarverteilung wieder weitgehend nach eigenen Präferenzen gestalten, wobei nach § 87b Abs. 4 Satz 2 und 3 SGB V Vorgaben der KBV zu beachten sind (vgl. BSG, Urteil vom 8. August 2018 - B 6 KA 26/17 R - SozR 4-2500 § 87b Nr. 17). Bis die KVen von dieser Befugnis Gebrauch gemacht hatten, galten die Vorschriften über arzt- und praxisbezogene RLV fort (§ 87b Abs 1 Satz 3 SGB V), im Bereich der Beklagten war dies jedenfalls im Quartal 1/2012 noch der Fall. Die Beklagte war danach im Quartal 1/2012 zwar nicht mehr verpflichtet, die - weiterhin vorgeschriebene - Leistungsbegrenzung über RLV zu realisieren. Sie war dazu jedoch berechtigt (vgl. BSG, Urteil vom 24. Oktober 2018 - B 6 KA 28/17 R - SozR 4-2500 § 87b Nr. 18, Rn. 15 bis 17).

2. Für die RLV-relevanten Arztgruppen, zu denen auch die bei der Klägerin tätigen Fachärzte für Innere Medizin mit (Versorgungs-) Schwerpunkt Rheumatologie gehörten (Anlage B2 zum HVM 1/2012 – im Folgenden: HVM), erfolgte die Berechnung der RLV und QZV nach den Vorgaben in § 5 HVM unter Hinweis auf Teil F des Beschlusses des Bewertungsausschusses (BewA) vom 27./28. August 2008 in dessen letztgültiger Fassung, soweit im HVM nichts Abweichendes bestimmt war (Teil B Vorbemerkung HVM). Dementsprechend waren die RLV und QZV für das jeweilige Abrechnungsquartal arztbezogen zu ermitteln (Teil B § 5 Abs. 1, Unterabs. 2 HVM) und praxisbezogen zuzuweisen (Teil B § 5 Abs. 3 HVM).

a) Die Höhe des arztbezogenen RLV ergab sich aus der Multiplikation des quartalsweise gültigen arztgruppenspezifischen RLV-Fallwertes und der RLV-Fallzahl des Arztes aus dem Vorjahresquartal (vgl. Schritt 6, Anlage B3 HVM). Dabei wurde der arztgruppenspezifische Fallwert erst für über 150 % der durchschnittlichen RLV-Fallzahl der Arztgruppe hinausgehende RLV-Fälle gemindert und zwar um 25 % für RLV-Fälle über 150 % bis 170 % der durchschnittlichen RLV-Fallzahl der Arztgruppe, um 50 % für RLV-Fälle über 170 % bis 200 % der durchschnittlichen RLV-Fallzahl der Arztgruppe und um 75 % für RLV-Fälle über 200 % der durchschnittlichen RLV-Fallzahl der Arztgruppe (vgl. Schritt 6 Nr. 1, Anlage B3 HVM). Die Höhe des praxisbezogenen RLV/QZV ergab sich aus der Addition der RLV je Arzt sowie der entsprechenden Zuschläge für Berufsausübungsgemeinschaften, Medizinische Versorgungszentren und Praxen mit angestellten Ärzten sowie der Addition der QZV einer Arztpraxis (vgl. Schritt 6 Nr. 2, Anlage B3 HVM).

b) Nach Maßgabe dieser Grundsätze sind Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Honorarberechnung nicht gegeben. Denn sie enthält die für die Berechnung des Honorars maßgeblichen Faktoren: die Honoraranforderung, von der die Beklagte ausgegangen ist, das Ergebnis der durchgeführten Honorarbegrenzungsmaßnahmen, die zu Grunde gelegten Punktwerte und die vorgenommenen Abzüge.

Die die Summe von RLV und QZV (Obergrenze) überschreitenden Leistungen wurden zutreffend nach Teil B § 7 Abs. 1 Satz 2 HVM mit einem abgestaffelten Preis (quotiert) vergütet. Von dieser Quotierung war die Klägerin im Quartal 1/2012 betroffen, weil die erbrachten Leistungen die von der Beklagten aus RLV und QZV ermittelte Obergrenze überschritt (i.H.v. 592.814,2 Punkten).

3. Die Beklagte ist dabei von einer zutreffenden RLV/QZV-Obergrenze ausgegangen. Zu Recht hat sie insbesondere angenommen, dass das RLV der Klägerin nicht um den – hier einzig streitigen - sog. BAG-Zuschlag nach Teil B § 5 Nr. 3a HVM zu erhöhen ist.

Teil B § 5 Nr. 3a HVM (i.d.F. ab 1. Januar 2012) lautet:

3) Arztpraxisbezogene Zuweisung und Verrechnung der RLV und QZV

a) Zuweisung RLV incl. BAG-Zuschlägen und QZV

Die Zuweisung der RLV erfolgt praxisbezogen. Dabei ergibt sich die Höhe des RLV einer Arztpraxis aus der Addition der RLV je Arzt, die in der Arztpraxis tätig sind und sofern sich aus den übrigen Bestimmungen nichts Abweichendes ergibt.

Zur Förderung der vertragsärztlichen Versorgung in BAG - Teil-BAG ausgenommen - und Praxen mit angestellten Ärzten gilt folgendes:

  • Bei nicht standortübergreifenden fach- und schwerpunktgleichen BAG und Praxen mit angestellten Ärzten der gleichen Arztgruppe wird das praxisbezogene RLV um 10% erhöht.
  • Bei standortübergreifenden fach- und schwerpunktgleichen BAG und Praxen mit angestellten Ärzten der gleichen Arztgruppe wird das praxisbezogene RLV um 10% erhöht, soweit ein Kooperationsgrad von mindestens 10% erreicht wird. […]
  • In fach- und schwerpunktübergreifenden BAG, MVZ und Praxen mit angestellten Ärzten, in denen mehrere Ärzte unterschiedlicher Arztgruppen tätig sind, wird das RLV der Praxis unter Berücksichtigung des Kooperationsgrades der Einrichtung ggf. um Anpassungsfaktoren erhöht.
  • In standortübergreifenden fach- und schwerpunktübergreifenden BAG, MVZ und Praxen mit angestellten Ärzten, in denen mehrere Ärzte unterschiedlicher Arztgruppen tätig sind, wird das RLV der Praxis unter Berücksichtigung des Kooperationsgrades der Einrichtung ggf. um Anpassungsfaktoren erhöht. […]

 

Bei den  Zuschlägen werden Jobsharing-Ärzte i.S.d. § 101 Abs. 1 Nr. 4 und 5 SGB V in keinem Fall berücksichtigt. […]

Nach dieser Maßgabe zählt eine BAG wie die Klägerin, in der ein weiterer Arzt im Rahmen des Jobsharings beschäftigt wird, zwar zunächst zu den in Teil B § 5 Nr. 3a HVM genannten „nicht standortübergreifenden fach- und schwerpunktgleichen BAG und Praxen mit angestellten Ärzten der gleichen Arztgruppe“, denen das praxisbezogene RLV um 10% erhöht wird.

Anspruchsausschließend schreibt Teil B § 5 Nr. 3a HVM jedoch weiter vor, dass Jobsharing-Ärzte i.S.d. § 101 Abs. 1 Nr. 4 und 5 SGB V in keinem Fall bei den Zuschlägen berücksichtigt werden. Hier sind beide Ärzte der klägerischen BAG aufgrund einer Jobsharing-Zulassung nach § 101 Abs. 1 Nr. 4 SGB V i.V.m. § 33 Abs. 2 Ärzte-ZV tätig und demnach von einem BAG-Zuschlag ausgeschlossen. Eine gegen den klaren Wortlaut sprechende Auslegung kommt nicht in Betracht (so BSG, Urteil vom 17. März 2021 – B 6 KA 32/19 R – SozR 4-2500 § 87b Nr.  27, Rn. 26).

4. Die Regelungen des Teil B § 5 Nr. 3a HVM stehen mit höherrangigem Recht in Einklang.

a) Bei der Ausformung der satzungsrechtlichen Honorarverteilungsregelungen steht den KVen als Normgebern nach der ständigen Rechtsprechung des BSG eine Gestaltungsfreiheit zu. Diese geht typischerweise mit Rechtssetzungsakten einher und wird erst dann rechtswidrig ausgeübt, wenn die jeweilige Gestaltung in Anbetracht des Zwecks der konkreten Ermächtigung unvertretbar oder unverhältnismäßig ist (BSG, Urteil vom 9. Dezember 2004 – B 6 KA 44/03 RBSGE 94, 50 ff., Rn. 63; Urteil vom 8. Februar 2006 – B 6 KA 25/05 R - BSGE 96, 53 ff., Rn. 25; Urteil vom 29. August 2007 – B 6 KA 43/06 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 40, Rn. 17; Urteil vom 30. November 2016 – B 6 KA 4/16 R – SozR 4-2500 § 87b Nr. 10, Rn. 27; Urteil vom 2. August 2017 – B 6 KA 16/16 R - SozR 4-2500 § 87b Nr. 11, Rn. 38; Urteil vom 15. Juli 2020 – B 6 KA 12/19 RBSGE 130, 290 ff., Rn. 22).  

b) Mit den in § 5 Nr. 3a HVM getroffenen differenzierten Regelungen zur Erhöhung des RLV in den verschiedensten ärztlichen Kooperationsformen ist die Beklagte ihrer aus § 87b Abs. 2 Satz 2 SGB V geregelten Verpflichtung nachgekommen, der kooperativen Behandlung von Patienten in dafür gebildeten Versorgungsformen angemessen Rechnung zu tragen. Zu einer darüber hinausgehenden Förderung insbesondere von Jobsharing-Praxen war sie nicht verpflichtet. Eine dahingehende Verpflichtung folgt auch nicht aus den im Quartal 1/2012 geltenden und für die Beklagte gemäß § 87b Abs. 4 Satz 3 SGB V verbindlichen (BSG, Urteil vom 8. August 2018 – B 6 KA 26/17 R – a.a.O., Rn. 29) Vorgaben der KBV zur Honorarverteilung gemäß § 87b Abs. 4 Satz 2 SGB V, namentlich der in Teil D erfolgten „Vorgaben zur Berücksichtigung kooperativer Behandlung von Patienten in dafür
gebildeten Versorgungsformen“.

Der erkennende Senat hat im Einverständnis der Beteiligten ausdrücklich das Ruhen des Berufungsverfahrens angeordnet, um eine „Klärung der auch im vorliegenden Rechtsstreit streitigen Fragen in der beim BSG anhängigen Revision mit dem Az. B 6 KA 32/19 R“ abzuwarten.

Mit Urteil vom 17. März 2021 hat das BSG (SozR 4-2500 § 87b Nr. 27, Rn. 31 und 32) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass weder aus § 87b Abs. 2 Satz 2 SGB V noch aus Teil D der KBV-Vorgaben eine Verpflichtung der KV abgeleitet werden kann, die Behandlung in einer Jobsharing-BAG oder in einer Praxis mit Jobsharing-Anstellung in die Förderung der kooperativen Behandlung einzubeziehen. Nach beiden Regelungen kommt den KVen ein weiter Spielraum bezogen auf die Ausgestaltung von Regelungen zu. § 87b Abs 2 Satz 2 SGB V verlangt nur allgemein, dass der kooperativen Behandlung von Patienten in dafür gebildeten Versorgungsformen "angemessen Rechnung zu tragen" ist und Teil D Nr. 2 KBV-Vorgaben enthält eine Kann-Regelung, von der nach Nr. 3 ausdrücklich auch bezogen auf die angegebenen Werte abgewichen werden und die nach Nr. 4 ausdrücklich auch nur in einzelnen Punkten zur Anwendung kommen kann. Damit besteht auch keine Verpflichtung der KV, im HVM jede Kooperationsform in die Förderung einzubeziehen. Wörtlich führt das BSG weiter aus:

„Zwar handelt es sich bei der Jobsharing-BAG um eine "besondere Form der Gemeinschaftspraxis" (so in der Gesetzesbegründung zur Einführung des § 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB V mit dem 2. GKV-Neuordnungsgesetz, BT-Drucks 13/7264, 65), die sich von anderen Gemeinschaftspraxen bzw. BAGen insbesondere dadurch unterscheiden, dass sich nicht mehrere Ärzte unter Einbringung ihrer Zulassung und des damit verbundenen Versorgungsauftrags zur gemeinsamen Berufsausübung zusammenschließen, sondern dass sich ein Arzt seinen Versorgungsauftrag mit einem anderen Arzt teilt und letzterem damit die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung auch in einem für die jeweilige Arztgruppe wegen Überversorgung gesperrten Planungsbereich ermöglicht. Die mit einer BAG mit mehr als einem Versorgungsauftrag bestehenden Vorteile bestehen in einer reinen Jobsharing-Konstellation nur in eingeschränktem Maße. Zwar kann unter Umständen auch beim Jobsharing in Urlaubs- und Krankheitsfällen eine Vertretung nach § 32 Abs. 1 Satz 2 Ärzte-ZV vermieden werden, weil der verbleibende Arzt vielfach in der Lage sein wird, wenigstens einen Teil der Behandlungen des ausgefallenen Kollegen zu übernehmen. Soweit sich die Arbeitszeiten überschneiden, ist auch ein gewisser kollegialer Austausch möglich, der in einer Einzelpraxis ausgeschlossen wäre. […] Allerdings bietet die Jobsharing-BAG bezogen auf eine effiziente Nutzung teurer Praxisausstattung wegen der Leistungsbegrenzung keine relevanten Vorteile gegenüber der Einzelpraxis. Für das Jobsharing in der Anstellungsvariante gilt insofern nichts grundsätzlich anderes. Das gesetzlich geregelte Ziel der Förderung kooperativer Versorgungsformen steht zudem in einem Spannungsverhältnis zu dem Ziel, die zusätzliche Zulassung des Jobsharing-Arztes bzw. die Anstellung weitgehend kostenneutral zu gestalten […]. Vor diesem Hintergrund ist es nach Auffassung des Senats grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn die Förderung von Kooperationen in Gestalt von BAGen oder von Praxen mit angestellten Ärzten davon abhängig gemacht wird, dass mehr als ein Versorgungsauftrag erfüllt wird.“

Mit dem Hinweis auf die kostenneutrale Ausgestaltung von Jobsharing-Verhältnissen ist dabei gemeint, dass die betreffenden Regelungen in § 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und 5 SGB V vornehmlich der Flexibilisierung dienen, „ohne […] die Gefahr einer Leistungsausweitung auszulösen" (vgl. Ausschussbericht zum 2. GKV-NOG, BT-Drucks 13/7264, S 65). Die zusätzliche Zulassung eines Jobsharing-Arztes (bzw. die entsprechende Genehmigung der Anstellung) sollte daher gerade nicht kostenerhöhend wirken und auf diese Weise die finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung beeinträchtigen (BSG, Urteil vom 13. Februar 2019 – B 6 KA 58/17 R - SozR 4-2500 § 106a Nr. 22, Rn. 24).

c) Aus den genannten Gründen liegt auch kein Verstoß gegen den im Rahmen der Honorarverteilung zu beachten Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit (Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG) vor, weil die Unterscheidung zwischen BAGen mit und ohne Jobsharing-Ärzten von sachlichen Erwägungen getragen ist.

E. Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen (§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.Vm. §§ 154 Abs. 2 VwGO).

F. Gründe im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG zur Zulassung der Revision sind nicht gegeben.

Rechtskraft
Aus
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