Grundlage der Vollstreckung eines Regresses von Honorarkorrekturen ist der ursprüngliche Regressbescheid und nicht ein nachfolgender Honorarbescheid. Im Honorarbescheid wird der Regress nur buchhalterisch umgesetzt.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 08.02.2024 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird endgültig auf 382,180,54 € festgesetzt.
Gründe
I.
Im Streit ist die Aussetzung der Zwangsvollstreckung gegen die von der Antragsgegnerin betriebene Zwangsvollstreckung aus einem Honorarbescheid.
Der Antragsteller ist seit 1993 als Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten zur vertragsärztlichen Versorgung mit Sitz in H1 zugelassen.
Nachdem bereits mit Bescheid vom 07.05.2020 die Honorarbescheide für die Quartale 1/2016 bis 4/2017 zur Fristwahrung aufgehoben worden waren, hob der Plausibilitätsausschuss der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 30.06.2021 auch die Honorarbescheide für die Quartale 1/2018 bis 3/2020 auf, setzte das vertragsärztliche Honorar des Antragstellers für die Quartale 1/2016 bis 3/2020 neu fest und forderte Honorar i.H.v. 2.030.176,83 € zurück. Auf den vom Antragsteller dagegen erhobenen Widerspruch half die Antragsgegnerin dem Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12.07.2022 die Quartale 1/2016 bis 3/2020 betreffend teilweise ab und verringerte den Rückforderungsbetrag auf 1.895.156,12 €. Im Übrigen wies sie den Widerspruch zurück. Hiergegen erhob der Antragsteller am 11.08.2022 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG; S 12 KA 2565/22); i.H.v. 190.788,79 € (Quartale 1/2016 bis 2/2017 gemeinsame Patientenbehandlung in einer Praxisgemeinschaft) wurde die Rückforderung mit der Klage nicht angegriffen. Eine zuletzt auf den 21.06.2024 angekündigte Klagebegründung steht ausweislich des Schriftsatzes des Antragstellers vom 21.07.2024 weiterhin aus.
Mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenem Honorarbescheid vom 16.10.2023 setzte die Antragsgegnerin nach Abzug der Gutschrift i.H.v. 143.568,77 € für das Quartal 2/2023 eine Überzahlung i.H.v. 1.528.722,17 € fest.
Am 10.11.2023 beantragte die Antragsgegnerin beim Amtsgericht S1 - Gerichtsvollzieherverteilungsstelle – unter Berufung auf § 15a des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für Baden-Württemberg (LVwVG) die Pfändung und Verwertung körperlicher Sachen. Es sei die Forderung aus dem Honorarbescheid des Quartals 2/2023 der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg vom 16.10.2023 i.H.v. 1.528.722,17 € zu vollstrecken. Diese Forderung resultiere aus der Verbuchung von Honorarkorrekturen für die Quartale 4/2013 bis 4/2015 und 1/2016 bis 3/2020, welche in den vergangenen Quartalen nicht mit dem Honorar hätten verrechnet werden können. Die zu vollstreckende Forderung sei unanfechtbar und zuletzt mit Schreiben vom 15.02.2023 erfolglos gemahnt worden. Des Weiteren werde ein Antrag auf Abnahme der Vermögensauskunft nach § 807 Zivilprozessordnung (ZPO) mit vorherigem Pfändungsversuch vor Ort sowie ein Antrag nach § 802c ZPO für den Fall des Nichtantreffens des Schuldners gestellt.
Unter dem 14.12.2023 kündigte die Gerichtsvollzieherin dem Antragsteller für den 23.01.2024 die Durchführung der Zwangsvollstreckung gegen ihn an.
Am 09.01.2024 hat der Antragsteller beim SG die Aussetzung der Zwangsvollstreckung durch den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt. Zur Begründung hat er vorgetragen, der Antrag der Antragsgegnerin sei rechtswidrig. In dem Antrag werde behauptet, die Forderung sei unanfechtbar. Dies sei nicht zutreffend. Die Forderung sei anfechtbar und werde von ihm mit der Klage, die beim SG unter dem Az. S 12 KA 2565/22 geführt werde, angefochten. Dies hätte die Antragsgegnerin in ihrem Antrag korrekt darstellen müssen. Seiner Zahlungsverpflichtung als Schuldner komme er nach. Er habe seit 2021 beträchtliche Beträge an die Antragsgegnerin zurückgeführt. Eine Forderung könne erst dann zwangsvollstreckt werden, wenn sie gerichtlich überprüft und bestätigt sei. Dies stehe noch aus. In den vergangenen drei Jahren habe die Antragsgegnerin die Tilgung durch Ratenzahlung in Form einbehaltener Honorare auch stillschweigend akzeptiert. In weiteren drei Jahren werde die Restforderung ausgeglichen sein. Ersatzweise beantrage er, im Zuge einer Härtefallentscheidung eine einstweilige Verfügung zu erlassen und die Zwangsvollstreckung auszusetzen, da er eine realistische Perspektive zur Begleichung der Restschuld in einem angemessenen Zeitraum biete. Monatlich könnten 30.000 € zurückgeführt werden. Darüber hinaus habe er sich verpflichtet, zusätzliche Ratenzahlungen an die Gerichtsvollzieherin zu leisten (zuletzt für Januar 2.000 €). Eine Zwangsvollstreckung vor einer gerichtlichen Entscheidung stelle einen enormen Eingriff in seine Rechte und sein Vermögen dar. Sie sei mit weiteren Kosten verbunden. Dies sei unzumutbar. Für die Antragsgegnerin sei die Ratenzahlung zumutbar. Immerhin bestehe eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass das SG die Forderung deutlich reduziere.
Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegengetreten. Sie hat vorgetragen, es sei bereits äußerst fraglich, ob ein Antrag auf Aussetzung der Zwangsvollstreckung überhaupt wirksam beim Sozialgericht gestellt werden könne, nachdem dem Rechtsstreit in der Hauptsache eine Anfechtungsklage zu Grunde liege. Das Sozialgerichtsgesetz (SGG) kenne keinen expliziten Antrag auf Aussetzung der Zwangsvollstreckung. In Betracht käme allenfalls eine Sicherungsanordnung bzw. Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 SGG. Dies setze zwingend voraus, dass in der Hauptsache eine andere Klageart als die Anfechtungsklage vorliege. Dies sei hier nicht der Fall. Dem Rechtsstreit liege in der Hauptsache (S 12 KA 2565/22) eine Anfechtungsklage zugrunde, die sich gegen ihre Honorarrückforderungsbescheide 07.05.2020 und 30.06.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2022 richte. Daher sei ein Antrag nach § 86b Abs. 2 SGG bereits unzulässig. Nachdem sich aus der Antragsbegründung ergebe, dass der Antragsteller die Zwangsvollstreckung zunächst bis zur Entscheidung in der Hauptsache abwenden wolle, könne der Antrag aber als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ausgelegt werden. Voraussetzung für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung sei das Vorliegen eines Anordnungsanspruches und eines Anordnungsgrundes. In den Fällen des § 86a Abs. 2 SGG habe der Gesetzgeber die sofortige Vollziehung zunächst angeordnet. Insoweit sei dem Gesetz ein Regel-Ausnahme-Verhältnis zugunsten des Suspensiveffektes zu entnehmen. Es bestehe nur dann Anlass, davon abzuweichen, wenn ein überwiegendes Interesse des durch den Verwaltungsakt Belasteten feststellbar sei. Eine Darlegung des Antragstellers, weshalb ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestünden oder weshalb die Vollziehung des angefochtenen Bescheides für ihn eine unbillige Härte zur Folge hätte, sei nicht erfolgt. Das Honorarabrechnungskonto des Antragstellers schließe derzeit mit einer Überzahlung i.H.v. 1.528.722,17 € ab. Zur Begleichung der Forderung habe der Antragsteller Zahlungen geleistet i.H.v. 83.445,22 € im 3. Quartal 2021 und jeweils 30.000,00 € im 4. Quartal 2021 und im 1. Quartal 2022. Da keine weiteren Zahlungseingänge zu verzeichnen seien, finde eine Verrechnung der erwirtschafteten Honorare mit der ausstehenden Überzahlung statt. Der Antragsteller sei mehrfach zur Zahlung aufgefordert und auf die Möglichkeit der Prüfung einer Ratenzahlung im Härtefall hingewiesen worden. Die zur Prüfung notwendigen Unterlagen seien bei ihr nicht eingegangen. Eine Ratenzahlungsvereinbarung bestehe nicht. Gegen den Antragsteller laufe sowohl ein Disziplinar- als auch ein Zulassungsentziehungsverfahren. Die Zulassung des Antragstellers sei mit Beschluss vom 06.09.2023 nach einer Verurteilung u.a. wegen Verstoßes gegen die Pflicht zur peinlich genauen Leistungsabrechnung entzogen worden, hiergegen habe der Antragsteller Widerspruch eingelegt. Vor diesem Hintergrund sei es ihr nicht zuzumuten, den rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens abzuwarten.
Mit Beschluss vom 08.02.2024 hat das SG die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verurteilt, die Zwangsvollstreckung gegen den Antragsteller aus dem Honorarbescheid für das Quartal 2/2023 vorläufig zu unterlassen. Im Übrigen hat das SG den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, der Antragsteller wolle erreichen, dass die gegen ihn betriebene Zwangsvollstreckung (vorläufig) eingestellt werde, und berufe sich darauf, dass der zu vollstreckende Verwaltungsakt nicht bestandskräftig geworden sei. Da der Antragsteller – indem er Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Verwaltungsakt selbst beziehungsweise eine Vollstreckung hieraus erhebe – eine Unterlassung beziehungsweise Einstellung der Vollstreckung begehre, sei für dieses Rechtsschutzziel der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet (unter Verweis auf Landessozialgericht <LSG> Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.05.2020 - L 3 AS 1168/20 ER-B -, in juris Rn. 10; Littmann, in: Hauck/Noftz, SGB X, § 66 SGB Rn. 76; Roos/Blüggel, in: Schütze, SGB X, 9. Aufl.2020, § 66 Rn. 20; Wolff-Dellen, in: Fichte/Jüttner, SGG, § 51 Rn. 43). Der Antrag sei zulässig und im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes richte sich hier nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG. Nach dieser Vorschrift könne das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliege, zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheine. Ein Fall des Absatzes 1 liege nicht vor, da in der Hauptsache keine Anfechtungsklage zu erheben wäre. Das Vollstreckungsersuchen an den Gerichtsvollzieher nach § 15a LVwVG stelle keinen Verwaltungsakt dar, der mit Widerspruch oder Anfechtungsklage angegriffen werden könne. Richtige Klageart in der Hauptsache sei die auf Unterlassung der (weiteren) Zwangsvollstreckung gerichtete Leistungsklage (unter Verweis auf LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 17.07.2019 - L 11 KR 1393/19 ER-B -, in juris Rn. 26). Auf die Klage gegen den Regressbescheid (S 12 KA 2565/22) sei insoweit nicht abzustellen. Das wäre dann der Fall, wenn der Antragsteller die aufschiebende Wirkung dieser Klage erreichen wolle. Dem sei aber nicht so; indem er sich unmittelbar gegen die Zwangsvollstreckung wende, verfolge er ein anderes Rechtsschutzbegehren, als er mit der Herstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Anfechtungsklage gegen den Regressbescheid nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG erreichen würde. Eine Regelungsanordnung sei zu erlassen, wenn dem Antragsteller bei summarischer Prüfung ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund zustehe. Der für den Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung erforderliche Anordnungsgrund sei bei drohenden Vollstreckungsmaßnahmen stets zu bejahen (unter Verweis auf LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 17.07.2019 - L 11 KR 1393/19 ER-B -, in juris Rn. 28). Auch ein Anordnungsanspruch liege vor. Die Zwangsvollstreckung sei rechtswidrig. Nach § 66 Abs. 3 Satz 1 SGB X gelte für die Vollstreckung zugunsten der Antragsgegnerin das LVwVG. Nach § 15a Abs. 1 LVwVG könnten Vollstreckungsbehörden die Gerichtsvollzieher um Beitreibung ersuchen. Werde die Beitreibung durch Gerichtsvollzieher durchgeführt, fänden die Vorschriften des Achten Buches der Zivilprozessordnung Anwendung (§ 15a Abs. 3 Satz 1 LVwVfG). An die Stelle der vollstreckbaren Ausfertigung des Schuldtitels trete das schriftliche Vollstreckungsersuchen der Vollstreckungsbehörde; einer Zustellung des Vollstreckungsersuchens bedürfe es nicht (§ 15a Abs. 3 Satz 2 LVwVG). Nach § 66 Abs. 4 SGB X könne ferner aus einem Verwaltungsakt auch die Zwangsvollstreckung in entsprechender Anwendung der Zivilprozessordnung stattfinden (Satz 1); der Vollstreckungsschuldner solle vor Beginn der Vollstreckung mit einer Zahlungsfrist von einer Woche gemahnt werden (Satz 2). Im Streitfall habe sich die Antragsgegnerin für das Verfahren nach § 66 Abs. 3 Satz 1 SGB X i.V.m. § 15a Abs. 1 LVwVG entschieden. Hier würden die in § 15a Abs. 3 LVwVG geregelten Vollstreckungsvoraussetzungen gelten (unter Verweis auf BGH, Beschluss vom 05.10.2017 - I ZB 78/16 -, in juris Rn. 12; BGH, Beschluss vom 27.04.2017 - I ZB 91/16 -, in juris Rn. 19). Das Vollstreckungsersuchen müsse dabei den besonderen Anforderungen des § 15a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 bis 6 LVwVG entsprechen (unter Verweis auf BGH, Beschluss vom 08.10.2015 - VII ZB 11/15 -, in juris Rn. 14). Unter anderem müsse das Vollstreckungsersuchen die Bezeichnung des zu vollstreckenden Verwaltungsaktes (Nr. 2) und die Angabe enthalten, dass der Verwaltungsakt unanfechtbar geworden sei oder die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs entfalle (Nr. 4). Auch wenn die vorgeschriebenen Angaben – wie hier – vollständig seien, könne, wie erwähnt, mit einer auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung gerichteten Leistungsklage und dementsprechend im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes mit einem auf die vorläufige Unterlassung der Zwangsvollstreckung gerichteten Antrag auf einstweilige Anordnung geltend gemacht werden, dass Angaben im Vollstreckungsersuchen nach § 15a LVwVG inhaltlich nicht zuträfen (unter Verweis auf LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 17.07.2019 - L 11 KR 1393/19 ER-B -, in juris Rn. 35, juris; s.a. BGH, Beschluss vom 21.10.2015 - I ZB 6/15 -, in juris Rn. 13). Das sei hier der Fall, denn im Vollstreckungsersuchen der Antragsgegnerin vom 10.11.2023 sei der zu vollstreckende Verwaltungsakt falsch bezeichnet. Nach den Vorschriften des LVwVG könnten Verwaltungsakte vollstreckt werden, die zu einer Geldleistung, einer sonstigen Handlung, einer Duldung oder Unterlassung verpflichten würden. Die Geldleistung, welche die Antragsgegnerin von dem Antragsgegner (s.i.c.) fordere und deren Zwangsvollstreckung sie betreibe, sei mit dem Regressbescheid vom 30.06.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2022 festgesetzt worden. Der Honorarbescheid für das Quartal 3/2022 (s.i.c.) berücksichtige rechnerisch die aus dem Regress herrührenden Überzahlungen. Insoweit handele es sich um eine lediglich buchhalterische Umsetzung ohne eigenständige rechtliche Beschwer (unter Verweis auf Beschlüsse der erkennenden Kammer vom 18.12.2018 - S 12 KA 6503/18 ER -, in juris und vom 27.06.2023 - S 12 KA 1280/23 ER -, n.v.). Schließe der Honorarbescheid mit einer Überzahlung, begründe dies keine eigene, vollstreckungsfähige Zahlungsverpflichtung, sondern schreibe lediglich die bereits bestehende, aus dem Regressbescheid herrührende Zahlungsverpflichtung fort, soweit diese noch nicht durch Rückzahlungen und Verrechnungen getilgt worden sei. Darum müsse ein Arzt, der einem Regressanspruch ausgesetzt sei, weder in der Folge jeden einzelnen Quartalsbescheid anfechten, um zu verhindern, dass eine darin ausgewiesene Überzahlung bestandskräftig werde, noch bestehe hierfür ein Rechtsschutzbedürfnis. Denn wenn der Regressbescheid – der selbständig anfechtbar sei, aber auch bestandskräftig werden könne – aufgehoben werden sollte, entfiele ex tunc der Rückforderungsanspruch und die Kassenärztliche Vereinigung wäre verpflichtet, das verrechnete Honorar nachzuzahlen (unter Verweis auf SG Stuttgart, Urteil vom 22.02.2022 - S 5 KA 4216/18 -). Ebenso wenig verpflichte der Honorarbescheid i.S.d. § 1 Abs. 1 LVwVG zu einer Geldleistung hinsichtlich einer darin ausgewiesenen Überzahlung, also letztlich des nach der im Honorarbescheid ggf. vorgenommenen Verrechnung verbleibenden Regressbetrages. Es treffe zwar zu, dass der Honorarbescheid unanfechtbar geworden sei, der Regressbescheid, der tatsächlich zu vollstrecken wäre, indessen nicht. Um Missverständnissen vorzubeugen, weise das Gericht ausdrücklich darauf hin, dass einer Vollstreckung des Regressbescheides vom 30.06.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2022 keine grundsätzlichen Hindernisse entgegenstünden. Die Auffassung des Antragstellers, der Regress könne erst vollstreckt werden, wenn er gerichtlich überprüft worden sei, sei unzutreffend. Dementsprechend sei auch der Tenor zu fassen gewesen.
Gegen den der Antragsgegnerin am 09.02.2024 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 08.03.2024 Beschwerde zum LSG Baden-Württemberg eingelegt. Die Entscheidung sei, soweit dem Antrag stattgegeben worden sei, rechtswidrig und aufzuheben. Nach dem LVwVG sei sie berechtigt, den Gerichtsvollzieher mit der zwangsweisen Beitreibung der noch offenen Forderung in Höhe von 1.528.722,17 € zu beauftragen. Gemäß § 2 LVwVG könnten Verwaltungsakte vollstreckt werden, wenn sie unanfechtbar geworden sind oder wenn die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs entfalle. Der Antragsteller habe gegen den Honorarbescheid für das Quartal 2/2023 keinen Widerspruch eingelegt. Der Bescheid sei somit bestandskräftig und bindend (§ 77 SGG). Die dort ausgewiesene Überzahlung dürfe deshalb zwangsweise beigetrieben werden. Das SG gehe fehl in der Annahme, dass nicht aus dem Honorarbescheid, sondern lediglich aus dem Regressbescheid vollstreckt werden könne. Denn der dem Vollstreckungsersuchen zugrundeliegende Verwaltungsakt, mit dem die Überzahlung aus dem Honorarbescheid 2/2023 beigetrieben werden solle, sei gerade nicht der Regressbescheid, sondern der Honorarbescheid, aus dem vollstreckt werden könne. Bei einem Honorarbescheid handele es sich um eine systemimmanente Spezialität des Vertragsarztrechts. Nach der Rechtsprechung des BSG habe der Vertragsarzt bis zum Erlass des Honorarbescheides lediglich einen Anspruch auf Teilhabe an der Honorarverteilung. Erst mit Erlass des Honorarbescheides konkretisiere sich der bis dahin nur allgemeine Anspruch des Vertragsarztes auf Honorarteilhabe zu einem der Höhe nach individualisierten Honoraranspruch (BSG, Urteil vom 03.02.2010 - B 6 KA 30/08 R -). Der auszukehrende Honoraranspruch des Vertragsarztes werde daher erst durch den Honorarbescheid festgesetzt. Der Honorarbescheid zeichne sich durch ein jeweils schwankendes Quartalshonorar und eine Vielzahl von Abzügen und Verrechnungen aus. Dabei könne es sich um Abzüge und Verrechnungen unterschiedlichster Art handeln, wie beispielsweise Verwaltungskosten und Umlagen sowie Überbezahlungen. Die Verrechnung habe sie, die Antragsgegnerin, in dem streitgegenständlichen Honorarbescheid für das Quartal 2/2023 in der Weise vorgenommen, als sie die Überbezahlung aus dem Quartal 1/2023 auf der Belastungsseite des Honorarbescheides aufgeführt und zusammen mit den übrigen Belastungen (Sicherstellungsumlage, Verwaltungskosten, Kopfpauschale sowie Abschlagszahlungen für die Monate April bis Juni 2023) als Gesamtbelastung i.H.v. 1.672.290,94 € dem Honoraranspruch des Antraggegners auf der Gutschriftseite i.H.v. 143.588,77 € gegenübergestellt habe. Im Ergebnis habe sie daraus eine Honorarüberzahlung i.H.v. noch 1.528.722,17 € errechnet. Zu einer solchen Verrechnung sei sie aufgrund von § 6 Abs. 7 der Abrechnungsrichtlinie der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg berechtigt. Nach dieser Regelung könne sie bei Überzahlungen den überzahlten Betrag sofort mit fälligen Ansprüchen des Vertragsarztes verrechnen oder zum unverzüglichen Ausgleich zurückverlangen. Sie sei zur Verrechnung der ihr aufgrund der Regressierung zustehenden Rückforderungsansprüche gegen den Antragsteller insbesondere deshalb berechtigt gewesen, weil diese sofort vollziehbar seien. Mit der sich aus der Verrechnung der einzelnen Positionen ergebenden Überzahlung im Honorarbescheid für das Quartal 2/2023 i.H.v. 1.528.722,17 € stelle sie verbindlich und damit regelnd mit unmittelbarer Rechtswirkung im Außenverhältnis im Sinne des § 31 Satz 1 SGB V (gemeint wohl: Sozialgesetzbuch Zehntes Buch <SGB X>) fest, dass zu ihren Gunsten noch ein Zahlungsanspruch bestehe. Die Überzahlung im Honorarbescheid habe damit einen eigenen Regelungscharakter, sodass es sich dabei um einen eigenständigen Verwaltungsakt handele. Damit erfülle der Honorarbescheid die Voraussetzungen eines Verwaltungsaktes, der nach § 31 SGB X mit dem Rechtsbehelf des Widerspruchs angefochten werden könne. Da der Antragsteller gegen den Honorarbescheid keinen Widerspruch eingelegt habe, sei dieser bestandskräftig und damit unanfechtbar geworden. Die von ihr geforderte Geldleistung in Form der Überzahlung, deren Zwangsvollstreckung sie betrieben habe, sei somit durch den Honorarbescheid für das Quartal 2/2023 und gerade nicht durch den Regressbescheid vom 30.06.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.06.2022 festgesetzt worden.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 08.02.2024 insoweit aufzuheben und den Antrag abzulehnen, als die Antragsgegnerin verurteilt wurde, die Zwangsvollstreckung gegen den Antragsteller aus dem Honorarbescheid für das Quartal 2/2023 vorläufig zu unterlassen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er trägt vor, es sei für ihn nicht erkennbar gewesen, dass er auch gegen den Honorarbescheid vom 16.10.2023 hätte Widerspruch einlegen müssen. Die gesamte Regressforderung sei Gegenstand des offenen Verfahrens vor dem SG. Er habe nunmehr bei der Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 24.03.2024 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und gleichzeitig Widerspruch gegen die letzten Honorarbescheide der Quartale 2/2023 und 3/2023 eingelegt. Die Entscheidung über die Widersprüche stehe noch aus. Die von der Antragsgegnerin errechnete Überzahlung habe sich inzwischen weiter reduziert. Bezüglich der erfolgten Überweisungen, die Verrechnungen und die Ratenzahlung an die Gerichtsvollzieherin wird auf die Aufstellung des Antragstellers vom 21.07.2024 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, die Verwaltungsakten der Antragsgegnerin und die beigezogene Akte S 12 KA 2565/22 Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht (vgl. § 173 Satz 1 SGG) eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des SG vom 08.02.2024 ist zulässig. Sie ist aber nicht begründet. Das SG hat die Antragsgegnerin zu Recht verurteilt, die Zwangsvollstreckung gegen den Antragsteller aus dem Honorarbescheid für das Quartal 2/2023 vorläufig zu unterlassen.
Wie das SG legt der Senat das grundsätzliche Begehren des Antragstellers als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung i.S.v. § 86b Abs. 2 SGG mit dem Ziel, die Antragsgegnerin zur Unterlassung von Vollstreckungsmaßnahmen in Bezug auf die Honorarrückforderung zu verpflichten, aus. Dem Antragsteller geht es der Sache nach um die Abwendung der Zwangsvollstreckung. Dies kann der Antragsteller vor den Sozialgerichten nur durch einen Antrag auf einstweilige Unterlassung der Zwangsvollstreckung erreichen.
Nachdem das Vollstreckungsersuchen an den Gerichtsvollzieher nach § 15a LVwVG keinen Verwaltungsakt darstellt, der mit Widerspruch oder Anfechtungsklage angegriffen werden könnte, da es an einer Regelungswirkung fehlt (vgl. § 31 Satz 1 SGB X), ist richtige Klageart in der Hauptsache die auf Unterlassung der (weiteren) Zwangsvollstreckung gerichtete Leistungsklage.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheinen (Regelungsanordnung). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung).
Der Antrag des Antragstellers ist zulässig. Er ist auf Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86b SGG gerichtet und statthaft. Zwar hat der Antragsteller im Zusammenhang mit dem Bescheid, aus dem vollstreckt werden soll, dem Honorarbescheid vom 16.10.2023, bisher keine Klage erhoben. Die Geltendmachung der Unterlassung der (weiteren) Zwangsvollstreckung ist aber zulässig, auch wenn eine hierauf gerichtete Klage nicht anhängig ist. Ein Antrag nach § 86b Abs. 2 SGG setzt nicht voraus, dass bereits in der Hauptsache eine Klage erhoben worden ist (Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 86b SGG <Stand: 17.06.2024> Rn. 351). Auch ist im Falle des Antragstellers ein Rechtsschutzbedürfnis zu bejahen. Am Rechtsschutzbedürfnis fehlt es grundsätzlich, wenn der Rechtsschutzsuchende sich nicht zuvor an die Behörde gewandt hat (Burkiczak in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 86b SGG <Stand: 17.06.2024> Rn. 356). Vorliegend hat sich der Antragsteller im Vorfeld mehrfach an die Antragsgegnerin gewandt und – zumindest um Ratenzahlung – nachgesucht.
Der Antrag des Antragstellers ist auch begründet. Die Voraussetzungen für die nach § 86b Abs. 2 SGG zu treffende einstweilige Anordnung liegen vor.
Der für den Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung erforderliche Anordnungsgrund ist bei drohenden Vollstreckungsmaßnahmen stets zu bejahen (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 17.07.2019 - L 11 KR 1393/19 ER-B -, in juris Rn. 28).
Auch ein Anordnungsanspruch liegt – wie das SG in nicht zu beanstandender Weise ausgeführt hat – vor. Eine auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung gerichtete Klage hätte aller Voraussicht nach Erfolg.
Der Kassenärztlichen Vereinigung stehen gemäß § 66 SGB X zwei Vollstreckungsmöglichkeiten zur Verfügung. Sie kann die Vollstreckung gemäß § 66 SGB X nach den jeweils einschlägigen Verwaltungsvollstreckungsgesetzen des Bundes und der Länder oder nach § 66 Abs. 4 Satz 1 SGB X in entsprechender Anwendung der Vorschriften der Zivilprozessordnung vornehmen. Für die Vollstreckung zugunsten der landesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts gelten die jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften über das Verwaltungsvollstreckungsverfahren (§ 66 Abs. 3 Satz 1 SGB X). Die Antragsgegnerin ist eine landesunmittelbare Körperschaft, die nach dem LVwVG vollstreckt, da sie nach ihrer Satzung (nur) das Gebiet des Landes Baden-Württemberg umfasst.
Verwaltungsakte, die zu einer Geldleistung verpflichten, werden durch Beitreibung vollstreckt (§ 13 Abs. 1 LVwVG). Die Beitreibung kann durch die Vollstreckungsbehörde selbst oder durch eigene Vollstreckungsbeamte erfolgen (Vollstreckung nach § 15 LVwVG). Die Vollstreckungsbehörde – dies ist gemäß § 4 Abs. 1 LVwVG die Antragsgegnerin – kann auch die Gerichtsvollzieher um Beitreibung ersuchen (Vollstreckung nach § 15a LVwVG). Diesen Weg hat die Antragsgegnerin beschritten.
Für die Beitreibung von Geldforderungen durch den Gerichtsvollzieher des Amtsgerichts auf Ersuchen der Vollstreckungsbehörde gelten die in § 15a Abs. 3 LVwVG geregelten Vollstreckungsvoraussetzungen. Danach finden die Vorschriften des Achten Buches der Zivilprozessordnung (§§ 704 ff. ZPO) Anwendung (§ 15a Abs. 3 Satz 1 LVwVG). An die Stelle der vollstreckbaren Ausfertigung des Schuldtitels tritt das schriftliche Vollstreckungsersuchen der Vollstreckungsbehörde; einer Zustellung des Vollstreckungsersuchens bedarf es nicht (§ 15a Abs. 3 Satz 2 LVwVG). Als Vollstreckungstitel kommt bei einer Vollstreckung in entsprechender Anwendung der Vorschriften der Zivilprozessordnung nach der Rechtsprechung des BGH nur der Verwaltungsakt (Leistungsbescheid) selbst in Betracht (BGH, Urteil vom 25.02.2016 - V ZB 25/14 -, in juris). Auch für die Verwaltungsvollstreckung bedarf es als Voraussetzung der Vollstreckung eines Leistungsbescheids (§ 3 Abs. 2 Buchst. a VwVG).
Welche Konsequenzen sich hieraus für den Rechtsschutz des Versicherten im Verfahren der Zwangsvollstreckung ergeben, ist nicht eindeutig. Nach Ansicht des BGH findet die rechtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit oder Wirksamkeit des Verwaltungsaktes durch den Gerichtsvollzieher und das Vollstreckungsgericht im Vollstreckungsverfahren gerade nicht statt. Grundlage der Zwangsvollstreckungsmaßnahme gemäß § 15a Abs. 3 Satz 2 LVwVG ist nicht der Gebühren- oder Beitragsbescheid, sondern das schriftliche Vollstreckungsersuchen der Vollstreckungsbehörde. Für den Einwand, die Zwangsvollstreckung von Beitragsbescheiden sei unzulässig, weil die Bescheide rechtswidrig oder unwirksam seien, steht dem Beitragsschuldner nach dieser Auffassung daher allein der Rechtsweg zu den Verwaltungs- oder Sozialgerichten offen (vgl. BGH, Beschluss vom 27.04.2017 - I ZB 91/16 -, in juris Rn. 22; ebenso LG Stuttgart, Beschluss vom 09.08.2018 - 19 T 227/18 -, in juris Rn. 21). Demgegenüber ist nach Auffassung des LG Tübingen auch im Verfahren der Zwangsvollstreckung zu prüfen, ob der Verwaltungsakt, der vollstreckt werden soll, nicht nur bekannt gegeben, sondern wirksam zugestellt worden ist (LG Tübingen, Beschluss vom 07.05.2019 - 5 T 127/18 -, in juris Rn. 6).
Aus dieser unterschiedlichen Sichtweise in Bezug auf den Umfang der von den Zivilgerichten vorzunehmenden Prüfungsdichte erwächst bei der Vollstreckung von Beitragsforderungen der Krankenkassen und der Pflegekassen nach § 15a LVwVG die Gefahr eines Rechtsschutzdefizits. Der Gerichtsvollzieher und das Vollstreckungsgericht prüfen in dem streng formalisierten Vollstreckungsverfahren (vgl. LG Stuttgart, Beschluss vom 27.12.2017 - 19 T 477/17 -, in juris Rn. 25 zur Vollstreckung der Rundfunkgebühr) entweder auf die Erinnerung (§ 766 ZPO) des Schuldners nur die Art und Weise der Vollstreckung (z.B. die formalen Anforderungen an das Vollstreckungsersuchen) oder auf die Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) nur solche (materiell-rechtlichen) Einwendungen, die nach Erlass des zu vollstreckenden Verwaltungsakts entstanden sind. Nicht geprüft wird möglicherweise – je nachdem, welcher Rechtsauffassung das Zivilgericht zuneigt – die inhaltliche Richtigkeit des Vollstreckungsersuchens, also z.B. die Frage, ob der im Vollstreckungsersuchen „bezeichnete“ Verwaltungsakt auch tatsächlich ergangen bzw. wirksam geworden ist.
Aus Art. 19 Abs. 4 GG erwächst deshalb die Verpflichtung (vgl. BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 12.03.2019 - 2 BvR 2255/17 -, in juris Rn. 20 mwN), dem Antragsteller (Schuldner) in eingeschränktem Umfang auch die auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung gerichtete Leistungsklage einzuräumen, mit der allerdings nur geltend gemacht werden kann, dass die (ggf. vollständigen) Angaben im Vollstreckungsersuchen nach § 15a LVwVG inhaltlich nicht zutreffen. Nicht zulässiger Gegenstand der auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung gerichteten Leistungsklage kann die inhaltliche Richtigkeit eines (tatsächlich existierenden) Beitragsbescheids und die Art und Weise der Vollstreckung (§ 766 ZPO) sein. Auch inhaltliche Einwendungen, die auf einem Sachverhalt beruhen, der erst nach Erlass des zu vollstreckenden Bescheids eingetreten ist (§ 767 ZPO), können nicht vorgebracht werden (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 17.07.2019 - L 11 KR 1393/19 ER-B -, in jurisRn. 35 ff.).
Diese Form der hier statthaften Unterlassungsklage ist nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage begründet.
Nach § 15a Abs. 4 LVwVG muss das Vollstreckungsersuchen mindestens enthalten:
die Bezeichnung und das Dienstsiegel der Vollstreckungsbehörde sowie die Unterschrift des Behördenleiters oder seines Beauftragten,
die Bezeichnung des zu vollstreckenden Verwaltungsaktes unter Angabe der erlassenden Behörde, des Datums und des Aktenzeichens,
die Angabe des Grundes und der Höhe der Geldforderung,
die Angabe, dass der Verwaltungsakt unanfechtbar geworden ist oder die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs entfällt,
die Bezeichnung der Person, gegen die sich die Vollstreckung richten soll,
die Angabe, dass der Pflichtige gemahnt worden ist oder aus welchen Grund die Mahnung unterblieben ist.
Bei Prüfung dieser notwendigen Angaben ist festzustellen, dass das Vollstreckungsersuchen entsprechend Nr. 1 des § 15a Abs. 4 LVwVG die Kassenärztliche Vereinigung als Vollstreckungsbehörde nennt, mit dem Dienstsiegel versehen und vom Behördenleiter unterschrieben ist. Es ist auch der Antragsteller als derjenige, gegen den sich die Vollstreckung richten soll (Nr. 5) bezeichnet. Dies ist jeweils korrekt.
Mit dem von der Antragsgegnerin im Vollstreckungsersuchen genannten Honorarbescheid vom 16.10.2023 hat die Antragsgegnerin wie das SG zu Recht ausgeführt hat, weshalb der Senat hierauf verweist und sich die Begründung zu Eigen macht, aber nicht den richtigen Bescheid, auf den sich die Vollstreckung stützt (Nr. 2), genannt. Die Angaben gegenüber der Gerichtsvollzieherin im Hinblick auf den Bescheid, auf den sich die Regressforderung stützt, sind inhaltlich nicht richtig. Vollstreckt wird der Regress, den die Antragsgegnerin hier geltend macht, nicht auf der Grundlage des Honorarbescheids vom 16.10.2023. Maßgeblich für die Vollstreckung des Regresses ist vielmehr der Bescheid vom 30.06.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.07.2022. Im Honorarbescheid vom 16.10.2023 hat die Antragsgegnerin nicht noch einmal über den Regress entschieden, der Regress wurde nur buchhalterisch umgesetzt (Urteil des erkennenden Senats vom 20.11.2019 - L 5 KR 268/19 -, n.v.). Der Senat beanstandet insoweit nicht die von der Antragsgegnerin vorgenommene Verrechnung im Honorarbescheid. Zu dieser Verrechnung war die Antragsgegnerin gemäß § 6 Abs. 7 der Abrechnungsrichtlinie der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg berechtigt. Dies hat aber nicht zur Folge, dass der Bescheid im Hinblick auf den Regress auch Grundlage der Vollstreckung ist. Dies ist und bleibt der „Grundlagenregressbescheid“. Dass dies letztlich auch die Antragsgegnerin so sieht, wird daraus deutlich, dass sie sich im an die Gerichtsvollzieherin gerichteten Vollstreckungsersuchen nicht auf eine Mahnung im Hinblick auf die Forderung aus dem Honorarbescheid vom 16.10.2023, sondern auf die erfolglose Mahnung der Rückforderung zuletzt mit Schreiben vom 15.02.2023 beruft. Dies lässt den Schluss darauf zu, dass auch die Antragsgegnerin meint, dass sie aus dem „Grundlagenregressbescheid“ vollstreckt. Etwas anderes folgt insoweit auch nicht daraus, dass, nachdem der Antragsteller das überzahlte Honorar mittlerweile teilweise zurückgeführt hat, nicht mehr – wie im Bescheid vom 30.06.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.07.2022 ausgewiesen – ein Betrag i.H.v. 1.895.156,12 €, sondern – Stand Quartal 2/2023 – i.H.v. 1.528.722,17 € offen ist. Dem wird dadurch Rechnung getragen, dass die Höhe der Geldforderung nach § 15a Abs. 4 Nr. 3 LVwVG gesondert anzugeben ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbs. 3 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz und berücksichtigt, dass in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes regelmäßig nur ein Viertel des Wertes der Hauptsache (hier: 1.528.722,17 €) als Streitwert anzusetzen ist.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).