Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Aachen vom 19. Dezember 2023 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahren.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 17.033,74 Euro festgesetzt.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet. Wie das Sozialgericht (SG) Aachen in seinem Beschluss vom 19. Dezember 2023 zu Recht entschieden hat, ist der zulässige Antrag im einstweiligen Rechtsschutz unbegründet. Der Senat nimmt Bezug auf die im Wesentlichen zutreffende Begründung des erstinstanzlichen Beschlusses, der er sich nach eigener Prüfung und Meinungsbildung anschließt (§ 142 Abs. 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).
Bei seiner Bewertung hat das SG zutreffend berücksichtigt, dass in Fällen, in denen, wie hier, bereits kraft Gesetzes die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage entfällt, der Gesetzgeber den abstrakten öffentlichen Interessen den Vorrang eingeräumt hat. Ein Fall, in dem die das Aussetzungsinteresse tragenden Gründe demgegenüber überwiegen (vgl. zu alledem Burkiczak in: jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 86b Rn. 205; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen <LSG NRW>, Beschluss vom 5. Juni 2023 – L 10 KR 119/23 B ER – juris, Rn. 39) liegt unter Berücksichtigung des Vortrags des Antragstellers nicht vor.
Das SG ist zu Recht davon ausgegangen, dass sich der Antragsteller für die Berechtigung seiner mengenmäßigen Erwartung nicht auf die Vermutung des § 136b Abs. 5 Satz 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) berufen kann, weil in dem hier maßgeblichen Vergleichszeitraum 2022 nicht die für 2024 erforderliche Mindestmenge von 15 Eingriffen erreicht worden ist. Vorausgegangenes Kalenderjahr ist dabei entgegen der Ansicht des Antragstellers das Kalenderjahr vor dem Jahr, in dem die Prognose gestellt wird, nicht das Kalenderjahr vor dem Jahr, für das die Prognose gestellt wird (LSG Niedersachsen-Bremen; Urteil vom 16. Juni 2020 – L 16 KR 64/20 – juris, Rn 28; LSG NRW, Beschluss vom 5. Juni 2023 – a.a.O., Rn. 25). Die Prognose wurde hier unstreitig im Jahr 2023 erstellt. Ebenfalls unstreitig wurden am Standort V. Ü. aus dem Leistungsbereich „Eingriffe am Organsystem Pankreas“ gemäß den Regelungen des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) gemäß § 136b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V für nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser (Mindestmengenregelung, Mm-R) im Jahr 2018 24, in 2019 17, in 2020 14, in 2021 12 und im maßgeblichen Jahr 2022 10 solcher Eingriffe erbracht. Die Eingriffsmenge im Zeitraum vom 3. Quartal 2022 bis einschließlich zum 2. Quartal 2023 betrug ebenfalls lediglich 6 (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Mm-R).
Gleichfalls zutreffend ist das SG davon ausgegangen, dass auch unter Berücksichtigung der weiteren Kriterien gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 bis 4 MM-R mehr konkrete, objektive Umstände der Richtigkeit der getroffenen Prognose widersprechen als umgekehrt. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt auch davon keine abweichende Beurteilung.
Soweit der Antragsteller moniert, dass das SG zu Unrecht dem mittelfristigen Trend der Leistungszahlen ab 2018 ein erhöhtes Gewicht zugemessen habe, mag es zwar so sein, dass in den Jahren 2018 und 2019 die Mindestmengen über den maßgeblichen Mindestmengen für das Jahr 2024 gelegen haben. Dies ist indes ohne Belang. Das SG hat vielmehr u.a. zu Recht ausgeführt, dass der durch den Antragsteller für die Leistungssenkung angeführte Umstand der Corona-Pandemie, die zu einer Verschiebung von Operationen bis Herbst 2022 geführt habe, nicht ausreichend substantiiert und glaubhaft gemacht worden ist. Der Annahme einer diesbezüglichen Kausalität widerspricht bereits, dass die Leistungszahlen seit 2018 rückläufig waren.
Soweit auf die Erkrankung des früheren Chefarztes und die Einstellung des Nachfolgers zum 1. Januar 2024 abgestellt wird, kann der Senat in diesem Vortrag gleichfalls keine Veränderung, sondern nur eine Ersetzung ersehen. Für sich genommen erlaubt dies keinen Schluss auf die erforderliche Leistungsmenge im Kalenderjahr 2024. Denn es ist nicht ersichtlich, dass der Vortrag maßgeblich mit der Behauptung flankiert wird, der bisherige Chefarzt habe sein Leistungspotential nicht ausgeschöpft (vgl. LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 25. März 2024 – L 6 KR 2/24 B ER – juris, Rn. 64). Im Hinblick auf die vorgetragene Erkrankung kann dies allenfalls ab Herbst 2022 angenommenen werden, erklärt allerdings nicht die ebenfalls abnehmenden Zahlen davor. Nach eigenen Angaben war die Erkrankung zudem nicht von längerer Dauer („für über einen Monat“). Im Klageverfahren wurde diesbezüglich der Zeitraum vom 15. September 2022 bis zum 21. Oktober 2022 konkretisiert. Gleichzeitig folgt aus dem dortigen Vortrag, dass es neben dem Chefarzt noch einen weiteren Hauptoperateur in diesem Bereich gegeben hat, nämlich Herrn R.. Zwar war auch dieser erkrankt; beide Vakanzen überschnitten sich allerdings nach eigenen Angaben des Antragstellers lediglich im Zeitraum 22. September 2022 bis zum 4. Oktober 2022. Weshalb dieser nicht einmal zweiwöchige Zeitraum maßgebenden Einfluss auf die durchgeführten Eingriffe gehabt haben soll, ist nicht ausreichend dargelegt. Wenn der Antragsteller nun vorträgt, der ehemalige Chefarzt N. habe in der Vergangenheit zunehmend Abstand von Pankreas-Operationen genommen, spricht dies eher für eine entsprechende strukturelle Entscheidung, die sich in den sinkenden Leistungszahlen widerspiegelt.
Soweit nunmehr weitere Oberärzte (G. und C.) in die Abteilung eingegliedert worden sind, ist dem Vortrag bereits nicht zu entnehmen, ob dies zusätzlich oder anderes Personal ersetzend geschehen ist. Es ist auffällig, dass der bereits seit Beginn 2023 im Krankenhaus der Klägerin tätige Oberarzt K. erst im Rahmen der Beschwerdeschrift als eine der maßgeblichen personellen Veränderungen aufgeführt wird. Darüber hinaus bleiben die dargelegten konkreten Auswirkungen beider Personalien im Vortrag weiterhin spekulativ, weil nicht nachvollziehbar dargelegt wird, dass und in welchem Umfang gerade eine unzureichende personelle Ausstattung in der Vergangenheit höheren Fallzahlen entgegengestanden (vgl. LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 25. März 2024 – a.a.O., Rn. 64) bzw. sinkende Fallzahlen verursacht hat. Im Übrigen handelt es sich vor dem Hintergrund des Wahlrechtes der Versicherten, veröffentlichter Transparenzlisten und insgesamt 227 Suchergebnisse bezüglich Kliniken für Bauchspeicheldrüsenoperationen in Nordrhein-Westfalen (https://klinikradar.de/bauchspeicheldruesenoperationen/kliniken/nordrhein-westfalen/?radius=0&search=&sorting=relevance&filters[quality][award]=false&filters[services][interpreting]=false, Abruf: 5. Juni 2024) um eine rein spekulative Erwartung, dass einer – unterstellt – signifikanten personellen Aufstockung auch ein Mehr an zu erbringenden Leistungen am Standort des Antragstellers folgen wird. Selbst wenn der Senat – wie der Antragsteller – auf den Raum Ü. abstellt, finden sich weiterhin sechs Anbieter einschließlich des von dem Antragsteller getragenen Krankenhauses (https://klinikradar.de/bauchspeicheldruesenoperationen/kliniken/Ü./?radius=20&search=&sorting=relevance&filters[quality][award]=false&filters[services][interpreting]=false, Abruf: 5. Juni 2024 – Suchkriterium Ü. + 20 km). Soweit dort für das Jahr 2022 eine Anzahl von 79 Behandlungsfällen der OPS 2022 5-52 für das V. Ü. angegeben wird, steht dies nicht entgegen. Der Antragsteller hat noch in seinem Schriftsatz vom 2. April 2024 ausdrücklich erklärt, dass die von den Antragsgegnern aufgegriffenen und jetzt auch durch den Senat zugrunde gelegten Fallzahlen für die Zeiträume vom 1. Januar 2022 bis zum 31. Dezember 2022 sowie vom 1. Juli 2022 bis 30. Juni 2023 zutreffend sind und als solche nicht bestritten werden.
Soweit auf die Stellungnahme von M., Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie der Universitätsmedizin Ä., vom 26. Januar 2024 Bezug genommen wird, handelt es sich dabei um eine Einschätzung eines Außenstehenden. Es ist bereits nicht erkennbar, in welchem Zusammenhang W. interne Kenntnisse der vermeintlichen, selbst von dem Antragsteller nicht in dieser exponierten Weise vorgetragenen Gründe („alters- und krankheitsbedingt“) für die Reduktion der Pankreaseingriffe durch N. erhalten hat. Allein die Tatsache, dass das Krankenhaus Akademisches Lehrkrankenhaus der Medizinischen Fakultät des Universitätsklinikums Ü. ist, erklärt dies nicht. Die zudem beschriebene Expertise des Nachfolgers und der eingestellten Oberärztin lassen hingegen, worauf bereits verwiesen wurde, allein keinen tragfähigen Schluss auf die künftige Leistungsentwicklung zu. Gerade der dortige Hinweis auf die herausragende Stellung des Universitätsklinikums Ü. im Bereich der Pankreaschirurgie unterstreicht eher die bestehenden Zweifel an einer künftigen Mengenausweitung im Krankenhaus des Antragstellers.
Soweit der Antragsteller vorträgt, dass das SG seine Bewerbung für die Leistungsgruppe Pankreas nicht ausreichend berücksichtigt habe, ist dem nicht zuzustimmen. Bei diesem Punkt handelt es sich weder um eine zu berücksichtigende personelle noch strukturelle Veränderung. Eine Zertifizierung als Zentrum für Chirurgische Erkrankungen des Pankreas bzw. als viszeral-onkologisches Zentrum, was als strukturelle Veränderung gewertet werden könnte (vgl. hierzu LSG NRW, Beschluss vom 9. November 2023 – L 16 KR 357/23 B ER – juris, Rn. 30), liegt nicht vor. Hinreichend konkretisierte Pläne, deren Verwirklichung bei realitätsnaher Betrachtung so zeitnah zu erwarten ist, dass die Veränderungen sich auf die Leistungsmengenentwicklung im Jahr 2024 auswirken, wurden nicht substantiiert dargelegt; es wurde nur vorgetragen, dass dies „mittelfristig“ angestrebt werde (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 29. Februar 2024 – L 5 KR 1/24 ER-B – juris, Rn. 65). Letztlich sind die Zielrichtungen der angesprochenen Leistungsgruppe im Rahmen der Krankenhausplanung NRW und der Mindestmengen unterschiedlich. Während die Krankenhäuser Versorgungsaufträge über die Ausweisung der jeweiligen Leistungsgruppe im Feststellungbescheid erhalten (s. 61f. Krankenhausplan NRW 2022), verfolgt der Gesetzgeber im Rahmen der Mindestmengen das Ziel, besonders schwierige Eingriffe aus Gründen der Qualitätssicherung nur von solchen Kliniken durchführen zu lassen, deren Ärztinnen und Ärzte hiermit ausreichend Erfahrung haben (Klein in: jurisPK-SGB V, 4. Auflage, § 136b Rn. 16) und damit letztlich den Schutz der Versicherten. Ein sog. finales Votum für eine Anzahl von 20 Eingriffen, aus dem sich nicht einmal ein zeitlicher Bezug ergibt, ist insofern für die Prognose erreichbarer Mindestmengen nicht aussagekräftig.
Dafür, dass die sofortige Vollziehung des Widerlegungsbescheides für den Antragsteller eine unbillige Härte bedeuten würde, bestehen gleichfalls keine ausreichenden Anhaltspunkte. Allein die mit mangelnden Abrechenbarkeit des streitigen Leistungskomplexes für ihn verbundenen wirtschaftlichen Konsequenzen führen nicht zu einer solchen Härte, da sie lediglich Ausfluss gesetzlich auferlegter Pflichten sind. Darüber hinausgehende, nicht oder nur schwer wieder gut zu machende Nachteile sind nicht erkennbar und auch nicht vorgetragen.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung von § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 52, 53 Abs. 3 Nr. 4 Gerichtskostengesetz und berücksichtigt, dass in Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes, die Honorarrückforderungsangelegenheiten betreffen, nur ein Viertel des Wertes der Hauptsache als Streitwert anzusetzen ist.