L 11 KR 622/23 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 36 KR 585/23 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KR 622/23 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 7. Juni 2023 geändert.

Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 9. Dezember 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2023 und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 21. Dezember 2022 werden angeordnet, soweit die Antragsgegnerin vom Antragsteller die Zahlung höherer Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung verlangt, als sie in der studentischen Krankenversicherung anfielen.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers im Beschwerdeverfahren. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

G r ü n d e :

I.

Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs bzw. seiner Klage gegen Bescheide, mit denen die Antragsgegnerin – ausgehend von der Annahme der Beendigung seiner Versicherungspflicht in der studentischen Krankenversicherung (KVdS) mit Ablauf des 31. August 2022 – von ihm Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung fordert, die höher sind, als sie bei Mitgliedschaft in der KVdS zu zahlen wären.

Der am 00.00.0000 in Venezuela geborene Antragsteller schloss dort 2009 die Schule ab. Ein im Wintersemester 2011/2012 aufgenommenes Studium des Fachingenieurswesens brach er 2013 ab. Nach seiner Einreise in Deutschland im Jahr 2015 besuchte er vom 20. Juni 2015 bis zum 8. April 2016 den Sprachkurs „bis Deutsch B2“ der N. in V. und vom 5. September 2017 bis zum 15. Dezember 2017 den Konversationskurs „Sprechen Sie mit! B2“ in der Internationalen Begegnungsstadt der Stadt V.. Vom 1. September 2016 bis zum 31. August 2018 war er an der Technischen Hochschule (TH) Ü. im Studiengang I. mit dem Ziel der (externen) Feststellungsprüfung immatrikuliert. Da er auch die Wiederholung der Feststellungsprüfung nicht bestand, wurde er mit Schreiben vom 29. Juni 2018 exmatrikuliert. Mit Bescheid vom 28. März 2018 bescheinigte ihm die Bezirksregierung Ü., dass sein venezolanischer Schulabschluss einen dem mittleren Schulabschluss (Fachoberschulreife) gleichwertigen Bildungsstand entspreche. Vom 29. August 2018 bis zum 20. Dezember 2021 besuchte der Antragsteller das Abendgymnasium des Weiterbildungskollegs V., das er mit dem Erwerb der allgemeinen Hochschulreife abschloss. Seit dem 1. März 2022 studiert er an der Hochschule V.-D. im Studiengang Bachelor of Science Betriebswirtschaft.

Mit Bescheid vom 31. Mai 2022 stellte die Antragsgegnerin fest, dass der Antragsteller seit dem 1. April 2022 bei ihr im Tarif für Studierende versichert sei, und setzte, zugleich im Namen der C.-Pflegeversicherung, einen monatlichen Beitrag von insgesamt 111,44 Euro fest, zusammengesetzt aus 76,85 Euro für die Krankenversicherung, 9,02 Euro Zusatzbeitrag und 25,57 Euro für die Pflegeversicherung. Für die Monat April bis August 2022 seien 557,20 Euro, für die Zeit von September 2022 bis Februar 2023 668,64 Euro zu zahlen.

Mit Bescheid vom 20. Juli 2022, versehen mit einer Rechtsbehelfsbelehrung, teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, seine studentische Krankenversicherung ende wegen Vollendung des 30. Lebensjahres mit dem Ende des Semesters am 31. August 2022. Telefonisch teilte der Antragsteller am 22. Juli 2022 mit, er habe sein Studium erst am 1. April 2022 aufnehmen können, da er zuvor das Weiterbildungskolleg habe besuchen müssen. In der Folgezeit übersandte er entsprechende Unterlagen.

Mit Bescheid vom 18. August 2022 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, sie könne seine studentische Krankenversicherung nicht über das 30. Lebensjahr hinaus verlängern. Hiergegen erhob der Antragsteller mit Schreiben vom 29. August 2022 Widerspruch.

Mit Bescheid vom 9. Dezember 2022 stellte die Antragsgegnerin fest, der Antragsteller sei bei ihr als freiwilliges Mitglied versichert. Die monatliche Beitragshöhe belaufe sich auf 203,98 Euro (Krankenversicherung 153,53 Euro, Zusatzbeitrag 13,16 Euro, Pflegeversicherung 37,29 Euro). Mit Bescheid vom 21. Dezember 2022 setzte die Antragsgegnerin die vom Antragsteller zu zahlenden Beiträge für die Zeit ab Januar 2023 auf 210,49 Euro fest (Krankenversicherung 158,43 Euro, Zusatzbeitrag 13,58 Euro, Pflegeversicherung 38,48 Euro).

Gegen den Bescheid vom 9. Dezember 2022 erhob der Antragsteller mit Schreiben vom 3. Januar 2023 Widerspruch. Seinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte die Antragsgegnerin ab (Schreiben vom 11. Januar 2023). Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Februar 2023 wies die Antragsgegnerin die Widersprüche gegen den Bescheid vom 18. August 2022 und den Bescheid vom 9. Dezember 2022 zurück. Hiergegen hat der Antragsteller Klage erhoben (S 36 KR 343/23 SG Köln).

Seinen Antrag,

die aufschiebende Wirkung der unter dem Aktenzeichen S 36 KR 343/23 anhängigen Klage gegen den Beitragsbescheid der Antragsgegnerin vom 9. Dezember 2022 bzw. gegen den Bescheid vom 21. Dezember 2022 sowie gegen den Bescheid über die Beendigung der Mitgliedschaft in der studentischen Krankenversicherung vom 18. August 2022 anzuordnen, soweit ein höherer Beitrag als 111,44 Euro pro Monat gefordert wird,

hat das Sozialgericht (SG) Köln abgelehnt (Beschluss vom 7. Juni 2023, auf dessen Gründe Bezug genommen wird).

Gegen den am 12. Juni 2023 zugestellten Beschluss richtet sich die am 29. Juni 2023 erhobene Beschwerde.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet, soweit der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung (beschränkt auf die Höhe der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung, im Folgenden: GKV <dazu unter 1.>) seiner Klage gegen den Bescheid vom 9. Dezember 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2023 und die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 21. Dezember 2022 begehrt. Zu Recht hat demgegenüber das SG die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 18. August 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2023 abgelehnt. Die genannten Bescheide sind Gegenstand des vorliegenden Verfahrens (2.). Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist nur hinsichtlich der im Tenor genannten Bescheide zulässig, im Übrigen unzulässig (3.). Er hat Erfolg, soweit die Antragsgegnerin mit ihnen höhere Beiträge zur GKV verlangt, als sie in der KVdS anfielen (4.).

1. Der Senat hat das Passivrubrum berichtigt. Infolge der übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten gegenüber dem SG vom 6. und 7. Juni 2023, sich hinsichtlich Grund und Höhe der Pflegeversicherungsbeiträge dem Ausgang des Verfahrens hinsichtlich der Krankenversicherungsbeiträge zu unterwerfen, betrifft das Verfahren nur Gegenstände der GKV. Die Pflegekasse ist nicht am Verfahren beteiligt.

2. Mit dieser Beschränkung sind Gegenstand des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz die Bescheide der Antragsgegnerin vom 18. August 2022 und 9. Dezember 2022, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2023, außerdem der Bescheid vom 21. Dezember 2022. Im Einzelnen:

a) Mit dem Bescheid vom 18. August 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2023 hat die Antragsgegnerin die Beendigung der studentischen Krankenversicherung des Antragstellers mit Ablauf des 31. August 2022 (Ende des Fachhochschulsommersemesters 2022) festgestellt.

b) Mit dem Bescheid vom 9. Dezember 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2023 hat die Antragsgegnerin zum einen die freiwillige Mitgliedschaft des Antragstellers in der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem 1. September 2022 festgestellt und zugleich die Höhe der von ihm zu zahlenden Beiträge zur GKV einschließlich Zusatzbeitrag auf 166,69 Euro festgesetzt.

c) Gegenstand des Verfahrens ist zudem der Bescheid vom 21. Dezember 2022, auf den sich der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ausdrücklich bezieht. Mit diesem Bescheid hat die Antragsgegnerin die Höhe der vom Antragsteller zu zahlenden Beiträge zur GKV einschließlich Zusatzbeitrag ab Januar 2023 auf 172,01 Euro festgesetzt.

Unabhängig von der Frage, ob dieser Bescheid Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 9. Dezember 2022 geworden ist, hat die Antragsgegnerin über ihn allerdings nicht im Widerspruchsbescheid vom 9. Februar 2023 entschieden. Ausweislich des Tenors des Widerspruchsbescheides ebenso wie seiner Begründung betrifft der Widerspruchsbescheid ausdrücklich nur die Bescheide vom 18. August 2022 und vom 9. Dezember 2022. Allein die Erwähnung der ab Januar 2023 geltenden Beitragsbemessungsgrundlagen in der Begründung des Widerspruchsbescheides reicht nicht aus, die Auslegung zu rechtfertigen, dass die Antragsgegnerin auch über den Bescheid vom 21. Dezember 2022 entscheiden wollte.

d) Nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist demgegenüber der Bescheid vom 20. Juli 2022, mit dem die Antragsgegnerin dem Antragsteller das Ende seiner Mitgliedschaft in der KVdS mit Ablauf des 31. August 2022 mitgeteilt und damit zumindest konkludent ihren – dem Empfängerhorizont nach unbefristeten – Bescheid vom 31. Mai 2022 für die Zeit ab dem 1. September 2022 gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch aufgehoben hat. Im Rahmen des Verfahrens auf einstweiligen Rechtsschutz geht der Senat davon aus, dass dem Antragsteller dieser Bescheid bekanntgegeben worden ist, da er zeitnah darauf telefonisch reagiert hat. Der Bescheid ist indessen nicht vom Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz umfasst. Überdies spricht im Rahmen der summarischen Prüfung Überwiegendes dafür, dass er nicht mit einem formgerecht eingelegten Widerspruch angefochten und daher bestandskräftig (§ 77 SGG) geworden ist.

3. Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 9. Dezember 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2023 ist zulässig <a)>, ebenso der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 21. Dezember 2022 <b)>. Unzulässig ist dagegen der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 18. August 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2023 <c)>.

a) Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Nach § 86a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGG entfällt die aufschiebende Wirkung bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten.

aa) Es kann für das vorliegende Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz dahingestellt bleiben, ob der Bescheid vom 9. Dezember 2022, mit dem die Antragsgegnerin die freiwillige Versicherung des Antragstellers festgestellt hat, ein Bescheid über „Versicherungspflicht“ im Sinne von § 86a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGG. Dagegen spricht, dass die Feststellung einer freiwilligen Versicherung grundsätzlich gerade keine Entscheidung über Versicherungspflicht darstellt (LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 17. Juni 2005 – L 5 ER 37/05 KR – Breith 2005, 893, juris-Rn. 8). Ob sich an dieser Beurteilung dadurch etwas ändert, dass es sich ggf. gemäß § 188 Abs. 4 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) um eine sog. „obligatorische“ freiwillige Anschlussversicherung nach einer beendeten Pflichtmitgliedschaft handelt, der die Versicherten nur unter bestimmten, in § 188 Abs. 4 SGB V näher geregelten Voraussetzungen ausweichen können, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung, weil der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz seiner eindeutigen Formulierung nach (nur) die Beitragshöhe betrifft <dazu unter bb)>.

bb) Rechtsbehelfe gegen den Bescheid vom 9. Dezember 2022 haben jedenfalls insoweit keine aufschiebende Wirkung, als die Antragsgegnerin die Zahlung von Beiträgen zur GKV in Höhe von 166,69 Euro monatlich verlangt. Denn dabei handelt es sich – ungeachtet des Versicherungsstatus – um die Anforderung von Beiträgen im Sinne von § 86a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGG. Der Antragsteller hat nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 9. Dezember 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2023 erhoben (vgl. zum Klagegegenstand § 95 SGG). Infolgedessen richtet sich das statthafte Begehren auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage (Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 86b <Stand: 6. Oktober 2023>, Rn. 143 m.w.N.). Das SG hat den Antrag zutreffend in dem dargestellten Sinne ausgelegt.

cc) Der Antrag ist auch im Übrigen zulässig. Der Antragsteller hat sich zunächst erfolglos mit einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung an die Antragsgegnerin gewandt (Schreiben der Antragsgegnerin vom 11. Januar 2023), weshalb der Senat auch weiterhin offenlassen kann, ob er an seiner bisherigen Rechtsprechung festhält, wonach ein solcher vorheriger Antrag Voraussetzung für das Rechtsschutzbedürfnis auf einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutz ist (vgl. dazu ausführlich Senat, Beschluss vom 19. Mai 2021 – L 11 KA 58/19 B ER – juris-Rn. 48 m.w.N.).

b) Aus den unter a) genannten Gründen statthaft ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung auch hinsichtlich des Bescheides vom 21. Dezember 2022, der höhere Beiträge zur GKV für die Zeit ab Januar 2023 festsetzt. Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt dabei nicht etwa deshalb, weil der Antragsteller gegen diesen Bescheid jedenfalls ausdrücklich keinen Widerspruch erhoben hat. Denn der Bescheid ist jedenfalls nach vorläufiger rechtlicher Prüfung im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes in entsprechender Anwendung von § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 9. Dezember 2022 geworden.

aa) Allerdings greift § 86 SGG seinem Wortlaut nach nicht ein. Danach wird, wenn „während des Vorverfahrens der Verwaltungsakt abgeändert“ wird, auch „der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Vorverfahrens“. Zwar ändert der Bescheid vom 21. Dezember 2022 den Bescheid vom 9. Dezember 2022 insoweit, als er die Höhe der vom Antragsteller zur freiwilligen GKV zu zahlenden Beiträge anhebt. Er ist jedoch nicht „während des Vorverfahrens“ ergangen. Denn dieses beginnt erst mit der Erhebung des Widerspruchs (§ 83 SGG), der vorliegend mit Schriftsatz vom 3. Januar 2023 eingelegt worden ist. Der Bescheid vom 21. Dezember 2022 ist indessen bereits vorher ergangen.

bb) § 86 SGG enthält jedoch für den Fall, dass der den ursprünglichen Bescheid ändernde Bescheid bereits vor Erhebung des Widerspruchs ergeht, eine Regelungslücke, die im Wege entsprechender Anwendung des § 86 SGG auf derartige Bescheide zu schließen ist (wie hier: Becker in: BeckOGK, 2. Aufl., § 86 <Stand: 1. August 2023>, Rn. 9; a.A.: Senger in jurisPK, 2. Aufl., § 86 <Stand: 15. Juni 2022>, Rn. 15; B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 86 Rn. 2a), wofür insbesondere die Regelungszwecke des § 86 SGG sprechen, nämlich die Gewährung rationellen und effektiven Rechtsschutzes, die Wahrung der Verfahrensökonomie und die Vermeidung divergierender Verwaltungsentscheidungen (vgl. hierzu Senger, a.a.O., Rn. 11 m.w.N.). Diese Zwecke kommen bei einem vor Erhebung des Widerspruchs ergangenen weiteren Verwaltungsakt ebenso zum Tragen wie bei einem erst während des Widerspruchsverfahren erlassenen Bescheid. Die gegen eine entsprechende Anwendung von § 86 SGG vorgebrachten Argumente überzeugen demgegenüber nicht (vgl. ausführlich BSG, Urteil vom 28. August 2018 – B 8 SO 31/16 R - SozR 4-1500 § 86 Nr. 4, Rn. 13 ff.; für die Möglichkeit einer entsprechenden Anwendung von § 86 SGG grundsätzlich auch BSG, Urteil vom 4. März 2014 – B 1 KR 64/12 RBSGE 115, 158 ff., Rn. 9).

cc) Lediglich vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass das SG – falls es der hier vertretenen Rechtsauffassung folgt, wonach der Bescheid vom 21. Dezember 2022 einerseits Gegenstand des Widerspruchsverfahrens, andererseits aber durch den Widerspruchsbescheid vom 9. Februar 2023 nicht beschieden worden ist – das Hauptsacheverfahren analog § 114 Abs. 2 SGG auszusetzen hat, um Gelegenheit zum Erlass eines Ergänzungswiderspruchsbescheides zu geben (vgl. Giesbert in jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 78 <Stand: 15. Juni 2022>, Rn. 45 m.w.N.).

c) Nicht statthaft ist demgegenüber der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 18. August 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2023. Anträge nach § 86b Abs. 1 SGG sind nur statthaft, wenn in der Hauptsache das Rechtsschutzziel mit dem isolierten Anfechtungswiderspruch bzw. der isolierten Anfechtungsklage zu erreichen ist. Mit allein der (erfolgreichen) Anfechtung des Bescheides vom 18. August 2022 kann der Antragsteller sein Ziel, weiterhin Beiträge zur GKV in einer Höhe zu zahlen, wie sie in der KVdS anfallen, aber nicht erreichen. Insbesondere da das Ende seiner Mitgliedschaft in der KVdS ja bereits mit dem (voraussichtlich) bestandskräftigen Bescheid vom 20. Juli 2022 festgestellt worden ist, bedarf es dazu neben dem Anfechtungsantrag eines seinen Rechtskreis erweiternden Feststellungsantrags. Für derartige Verfahrensgestaltungen ist der Antrag auf einstweilige Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG der statthafte Rechtsbehelf. Einen solchen Antrag hat der Antragsteller hier aber nicht gestellt. Lediglich ergänzend weist der Senat daher darauf hin, dass ein entsprechender Antrag zur Erreichung des im vorläufigen Rechtsschutz angestrebten Rechtsschutzziels der Zahlung auch nicht erforderlich ist, sodass ihm spätestens mit Blick auf das grundsätzliche Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache voraussichtlich auch kein Erfolg beschieden wäre.

4. Soweit die Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung zulässig sind, sind sie auch überwiegend begründet.

a) Die Entscheidung, ob eine aufschiebende Wirkung ausnahmsweise gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Suspensivinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsakts andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Suspensivinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs zumindest wahrscheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16. Dezember 2019 – L 8 BA 4/18 ER - Die Beiträge Beilage 2020, 140 ff., juris-Rn. 4 f. m.w.N.). Diesem vom 8. Senat des LSG Nordrhein-Westfalen für Beitragsangelegenheiten in ständiger Rechtsprechung praktizierten Prüfungsmaßstab schließt sich der erkennende Senat für einstweiligen Rechtsschutz gegenüber Beitragsbescheiden an.

b) Ausgehend davon bestehen im vorliegenden Fall überwiegende Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide, soweit die Antragsgegnerin die Höhe der vom Antragsteller zu zahlenden Beiträge ausgehend von der Annahme seiner freiwilligen Mitgliedschaft in der GKV berechnet hat.

aa) Als beitragspflichtige Einnahmen gilt bei freiwillig Versicherten gemäß § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V für den Kalendertag mindestens der neunzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße. Auf dieser Grundlage hat die Antragsgegnerin die vom Antragsteller zu zahlenden Beiträge für die Zeit ab dem 1. September 2023 berechnet, was zu Beiträgen von 166,69 Euro monatlich bzw. – ab dem 1. Januar 2022 – 172,01 Euro geführt hat. Demgegenüber gilt nach § 236 Abs. 1 Satz 1 SGB V für die nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V in der KVdS Versicherungspflichtigen als beitragspflichtige Einnahmen ein Dreißigstel des Betrages, der als monatlicher Bedarf nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes für Studierende festgesetzt ist, die nicht bei ihren Eltern wohnen. Dies zugrunde gelegt, hätten sich Beiträge von 85,87 Euro für die GKV für die Zeit ab dem 1. September 2022 bzw. – ausweislich der Übersicht im Bescheid vom 9. Dezember 2022 – 92,73 Euro (82,99 Euro KV, 9,74 Euro Zusatzbeitrag) vom 1. Oktober 2022 bis zum 30. November 2022 und entsprechend niedrigere Beiträge in der Folgezeit ergeben.

bb) Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin sprechen überwiegende Gesichtspunkte dafür, dass der Antragsteller auch über den 31. August 2022 hinaus gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V (i.d.F. von Art. 1 Nr. 1 MDK-Reformgesetz vom 14. Dezember 2019, BGBl. I, 2789) in der KVdS versichert war. Nach dieser Bestimmung sind versicherungspflichtig „Studenten, die an staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschulen eingeschrieben sind, unabhängig davon, ob sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, […] längstens bis zur Vollendung des dreißigsten Lebensjahres; Studenten nach Vollendung des dreißigsten Lebensjahres sind nur versicherungspflichtig, wenn die Art der Ausbildung oder familiäre sowie persönliche Gründe, insbesondere der Erwerb der Zugangsvoraussetzungen in einer Ausbildungsstätte des Zweiten Bildungswegs, die Überschreitung der Altersgrenze rechtfertigen“. Zwar hat der Antragsteller am 8. Mai 2022 das 30. Lebensjahr vollendet. Es ist aber mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass er die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 9 Halbsatz 2 SGB V für eine Versicherungspflicht nach Überschreiten der Altersgrenze erfüllt.

(1) In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist geklärt, dass ein Überschreiten der Altersgrenze des § 5 Abs. 1 Nr. 9 Halbsatz 1 SGB V nur durch solche Hinderungsgründe i.S. von § 5 Abs. 1 Nr. 9 Halbsatz 2 SGB V gerechtfertigt sein kann, die vor Erreichen dieser Grenze vorgelegen haben. Dabei kommen als Hinderungsgründe nur Sachverhalte in Betracht, die sich in der Zeit zwischen dem regelmäßigen Erwerb einer Studienzugangsberechtigung durch den Betroffenen im Alter von etwa 17 bis 19 Jahren einerseits und der Vollendung des 30. Lebensjahres andererseits ereignen (vgl. BSG, Urteil vom 15. Oktober 2014 - B 12 KR 17/12 R - BSGE 117, 117, juris-Rn. 14, 18, BSG, Beschluss vom 30. Juli 2019 – B 12 KR 35/19 B, juris-Rn. 5).

Der Gesetzgeber wollte mit dieser Vorschrift und mehreren anderen Regelungen, die im Zuge des Gesundheits-Reformgesetzes (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2477) geschaffen wurden, die GKV wieder auf ihren Kern als einer Versicherung der abhängig Beschäftigten zurückführen. Damit ist grundsätzlich nicht zu vereinbaren, dass dieser Personenkreis mit Risiken solcher Personen - wie der Studierenden - belastet wird, die typischerweise nicht zum Kernbereich der Versicherten gehören. Der Gesetzgeber hat daher die KVdS auf einen Altersabschnitt begrenzt, in dem der Gesundheitszustand im Allgemeinen gut ist und beitragsfrei versicherte Familienangehörige (§ 10 SGB V) oft noch nicht vorhanden sind. Dieses gesetzgeberische Ziel kann nur bei einer engen Auslegung der Ausnahmevorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 9 Halbsatz 2 SGB V erreicht werden (BSG, Urteil vom 30. Januar 1997 – 12 RK 39/96 – SozR 3-2500 § 5 Nr. 32, juris-Rn. 15).

Die sich aus der Zielsetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 9 Halbsatz 2 SGB V ergebende grundsätzliche Beschränkung des Versicherungsrisikos auf Personen bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres lässt nur Ausnahmen von solcher Art und solchem Gewicht zu, die die Versicherungspflicht nach Überschreitung der Altersgrenze rechtfertigen. Zu den Ausnahmen ist in der Gesetzesbegründung Folgendes ausgeführt worden (BT-Drucks. 11/2237, S. 159 zu § 5): „Die Versicherungspflicht der Studenten (Absatz 1 Nr. 9) wird, um Mißbräuche zu vermeiden, auf […] ein Höchstalter begrenzt. Damit soll auch der Tendenz, das Hochschulstudium zu verlängern, entgegengewirkt werden. Die Ausnahmeregelung in Halbsatz 2 ist eng auszulegen. Persönliche oder familiäre Gründe sind z.B. Erkrankung, Behinderung, Schwangerschaft, Nichtzulassung zur gewählten Ausbildung im Auswahlverfahren, […]“.

Wer die Zugangsvoraussetzungen für ein Studium im Zweiten Bildungsweg erst noch erwerben muss, ist zwar am Studium gehindert. Darin liegt aber allein noch kein Hinderungsgrund i.S. von § 5 Abs. 1 Nr. 9 HS 2 SGB V. Vielmehr besteht bei diesem Personenkreis nach Überschreiten der Altersgrenze Versicherungspflicht in der KVdS nur dann, wenn in der Zeit zwischen etwa der Vollendung des 20. Lebensjahres und dem Beginn des Zweiten Bildungswegs sowie zwischen dem Abitur im Zweiten Bildungsweg und dem Studienbeginn im Wesentlichen durchgehend Hinderungsgründe vorgelegen haben. (BSG, Urteil vom 30. Juni 1993 – 12 RK 6/93SozR 3-2500 § 5 Nr. 13, juris-Rn. 16).

(2) Auch ausgehend von der danach gebotenen engen Auslegung des § 5 Abs. 1 Nr. 9 Halbsatz 2 SGB V lassen sich in ausreichendem Umfang Hinderungszeiten <(a) und (b)> feststellen, die den Antragsteller – ursächlich – davon abgehalten haben, das Studium vor Vollendung seines 30. Lebensjahres aufzunehmen <(c)>.

 (a) Zunächst steht zwischen den Beteiligten außer Streit, dass der Besuch des Studienkollegs vom 29. August 2018 bis zum 20. Dezember 2021 (3 Jahre und 4 Monate) ein derartiger Hinderungsgrund ist, weil der Antragsteller erst durch die dort erworbene allgemeine Hochschulreife die Zugangsberechtigung zum Studium an der Hochschule V.-D. erlangt hat. Der in Venezuela erworbene Schulabschluss entspricht nämlich, wie die Bezirksregierung Ü. mit Bescheid vom 28. März 2018 bestandskräftig festgestellt hat, „nur“ einen dem mittleren Schulabschluss (Fachoberschulreife) gleichwertigen Bildungsstand. Diese Entscheidung ist im Sinne der Tatbestandswirkung auch für die Antragsgegnerin und die zur Beurteilung der Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 9 Halbsatz 2 SGB V berufenen Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit verbindlich. Die anschließende Zeit vom 20. Dezember 2021 bis zur frühestmöglichen Aufnahme des Studiums zum Sommersemester 2022 am 1. März 2022 ist ein unvermeidlicher Übergangstatbestand.

(b) Erstmals im Beschwerdeverfahren hat der Antragsteller aber darüber hinaus auch noch für die Zeit vom 1. September 2016 bis zum 31. August 2018 einen weiteren Hinderungstatbestand in Gestalt des Besuchs des Studiengangs CPC an der TH Ü. mit dem Ziel der Feststellungsprüfung glaubhaft gemacht (vgl. zu diesem Prüfungsmaßstab § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG analog i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung).

(aa) Aus den vom Antragsteller beigebrachten Unterlagen geht hervor, dass der Studiengang dem Ziel der Feststellungsprüfung diente. Maßgebend für seine Beurteilung ist nach summarischer Prüfung daher die „Rahmenordnung für den Hochschulzugang mit ausländischen Bildungsnachweisen, für die Ausbildung an den Studienkollegs und für die Feststellungsprüfung“ gemäß Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 15. April 1994 in der Fassung vom 21. September 2006 (Quelle: https://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/1994/1994_04_15-RO-HS-Zugang-ausl-Bildungsnachweis.pdf).

Nach Ziff. 4.1 (“Zweck der Prüfung“) des die Feststellungsprüfung betreffenden Abschnitts 4 der Rahmenordnung weisen Studienbewerber mit ausländischen Bildungsnachweisen in der Feststellungsprüfung nach, dass sie die sprachlichen, fachlichen und methodischen Voraussetzungen für ein Studium an deutschen Hochschulen in den Studienrichtungen erfüllen, die dem jeweiligen Schwerpunktkurs zugeordnet sind. Die Prüfung wird nach Ziff. 4.12 von den Ländern in der Bundesrepublik Deutschland gegenseitig anerkannt.

Ausdrücklich zählt in diesem Zusammenhang Ziff. 1.1.6.2 der Grundsätzlichen Hinweise „Kranken- und Pflegeversicherung der Studenten, Praktikanten und Auszubildenden ohne Arbeitsentgelt sowie Auszubildenden des Zweiten Bildungswegs“ des GKV-Spitzenverbandes vom 20. März 2020 den „Besuch eines Studienkollegs mit anschließender Feststellungsprüfung“ zu den „Tatbeständen, die zur Verlängerung der Versicherungspflicht der Studenten führen und in der Art der Ausbildung begründet sind“.

(bb) Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei dem Studiengang CPC der TH Ü. um eine Ausbildungsstätte des Zweiten Bildungswegs handelt. Denn der Katalog in Betracht kommender Hinderungsgründe im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 9 Halbsatz 2 SGB V ist, wie sich bereits aus der Verwendung des Begriffs „insbesondere“ ergibt, nicht auf den Besuch derartiger Ausbildungsstätten beschränkt. Vielmehr muss als gleichwertig die Teilnahme an solchen Bildungsmaßnahmen angesehen werden, die – wie der Studiengang CPC – dem Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung dienen. Das gilt namentlich dann, wenn die Feststellungsprüfung – wie in Nordrhein-Westfalen seit dem Wintersemester 2010/2011 – nur noch extern abgelegt werden kann (vgl. hierzu https://www.bezreg-Ü..nrw.de/themen/schule-und-bildung/pruefungen/externe-feststellungspruefung).

(cc) Dem steht nicht entgegen, dass der Antragsteller die Feststellungsprüfung endgültig nicht bestanden hat. Denn dies ändert nichts daran, dass er zum einen während des Besuchs des Studiengangs CPC an der Aufnahme des Fachhochschulstudiums gehindert war und zum anderen der Besuch des Studiengangs dazu diente, dieses Hindernis zu beseitigen. Insofern ist die hiesige Situation derjenigen einer Nichtzulassung zum Studium vergleichbar, die jedenfalls grundsätzlich in der Rechtsprechung als Hinderungsgrund anerkannt ist (vgl. BSG, Urteil vom 30. September 1992 – 12 RK 50/91SozR 3-2500 § 5 Nr. 6, juris-Rn. 16 unter Hinweis auf die unter II. 4. b) bb) zitierte Gesetzesbegründung).

(c) Ist der Antragsteller somit zumindest wertungsmäßig dem Personenkreis der Absolventen des Zweiten Bildungswegs zuzurechnen, so „rechtfertigt“ der Besuch der genannten Bildungsgänge mit dem Ziel des Erwerbs der Hochschulzugangsvoraussetzungen auch die Überschreitung der Altersgrenze des 30. Lebensjahres.

(aa) Im Rahmen der durch das Tatbestandsmerkmal der „Rechtfertigung“ veranlassten Kausalitätsprüfung zwischen Hinderungsgrund und Überschreiten der Altersgrenze können die besonderen Verhältnisse der Studierenden berücksichtigt werden, die das Studium erst nach dem Zweiten Bildungsweg aufgenommen haben. Das BSG akzeptiert insoweit eine Übergangsphase der Orientierung im Laufe einiger Jahre, die zur Entscheidung für den Zweiten Bildungsweg und ein anschließendes Studium führt. Als unschädlich für die Kausalität ist es danach beispielsweise anzusehen, wenn Studierende den Zweiten Bildungsweg im Alter von 23 Jahren begonnen haben (vgl. BSG, Urteil vom 30. September 1992 – 12 RK 3/91SozR 3-2500 § 5 Nr. 8, juris-Rn. 17).

(bb) Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist der erforderliche Ursachenzusammenhang im Fall des Antragstellers nach summarischer Prüfung noch zu bejahen. Er ist im Sommer 2015 im Alter von 23 Jahren in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Unabhängig von der Frage, ob er zuvor durch politische Ereignisse in seinem Heimatland Venezuela an der Fortsetzung des dort begonnenen Studiums gehindert worden ist, ist der Zeitraum zwischen dem Erwerb des venezolanischen Bildungsabschlusses bis zur Einreise nach Deutschland wertungsmäßig nicht anders zu betrachten als die Phase der beruflichen Orientierung bei Versicherten, die zunächst nach dem Besuch der Haupt- oder Realschule eine Berufsausbildung durchlaufen und möglicherweise im Anschluss noch für einen vorübergehenden Zeitraum Berufserfahrung gesammelt haben. Zwar hat der Antragsteller sodann erst ab dem 1. September am Studiengang CPC teilgenommen. Der damit nicht belegte Zeitraum von lediglich etwas mehr als einem Jahr ist indessen zum einen von zeitlich untergeordneter Bedeutung. Zum anderen kann – jedenfalls im Rahmen des Verfahrens auf einstweiligen Rechtsschutz – in Ermangelung anderweitiger Anhaltspunkte unbedenklich angenommen werden, dass die sofort nach Einreise begonnene Sprachausbildung mit dem Ziel des zertifizierten Erwerbs deutscher Sprachkenntnisse auf fortgeschrittenem Niveau (B2) zumindest mit darauf ausgerichtet war, die Erfolgschancen für den anschließenden erfolgreichen Besuch eines zum Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung führenden Bildungsganges zu erhöhen.

cc) Aufgrund dessen ordnet der Senat die aufschiebende Wirkung der Rechtsbehelfe des Antragstellers gegen den Bescheid vom 9. Dezember 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2023 sowie den Bescheid vom 21. Dezember 2022 an, soweit die Antragsgegnerin vom Antragsteller die Zahlung höherer Beiträge zur GKV verlangt, als sie in der KVdS anfielen.

Der Antrag wird damit hinsichtlich der Beitragshöhe nur insoweit abgelehnt, als der Antragsteller seinem erstinstanzlichen, zweitinstanzlich nicht angepassten Antrag zufolge keine höheren Beiträge zur KVdS sowie zur Pflegeversicherung als 111,44 Euro pro Monat zahlen möchte. Wie unter II. 4. b) aa) dargestellt, sind jedoch zwischenzeitlich auch die Beiträge zur KVdS gestiegen.

Die vom Antragsteller glaubhaft gemachten Hinderungsgründe umfassen den Zeitraum vom 1. September 2016 bis zur Studienaufnahme. Der Senat hält es im Rahmen seines Ermessens daher vorläufig nicht für angemessen, die Anordnung der aufschiebenden Wirkung zeitlich zu befristen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG. Da der Antragsteller mit seinem Hauptanliegen, vorläufig niedrigere Beiträge zur GKV zu zahlen, in nahezu vollem Umfang Erfolg hatte, erscheint eine Kostenquotelung nicht angemessen.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).

Rechtskraft
Aus
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