Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 4. März 2020 geändert und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Zügen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 18.505,85 € festgesetzt.
Tatbestand
Streitig sind stationäre Krankenhausbehandlungskosten.
Der bei der Beklagten versicherte F. (im Folgenden: Versicherter) wurde in der Zeit vom 15. Februar 2016 bis 26. Februar 2016 vollstationär im Haus der Klägerin behandelt.
Die Klägerin rechnete die Behandlung des Versicherten mit Rechnung vom 5. März 2016 in Höhe von insgesamt 21.228,92 € unter Zugrundelegung der DRG-Fallpauschale I95Z (Implantation einer Tumorendoprothese oder Knochentotalersatz am Femur) ab.
Die Beklagte beglich die Rechnung am 8. März 2016 und leitete eine Prüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein, indem sie den MDK D. mit der Durchführung der Prüfung beauftragte.
Dieser forderte die Klägerin unter dem 17. März 2016 mit Fristsetzung zum 19. April 2016 zur Übersendung „sämtlicher prüfungsrelevanter Unterlagen, mindestens jedoch um Übersendung der (…) Arztbrief(e)/Entlassungsbericht(e), Dokumente zum OPS/ZE: OPS-5-857.89, 5-822.90, 5.916.a0 s.u., prüfrelevante Prozedurenberichte, Sonstiges: OPS: 5-829c, 5-902.4f, 5-782.5k, Operations-, PTCA-, PTA-Bericht(e)“ auf.
Ebenfalls mit Schreiben vom 17. März 2016 zeigte die Beklagte gegenüber der Klägerin die Krankenhausfallprüfung an, indem sie mitteilte, eine „Teilprüfung der Abrechnung: Prozedur“ unter Benennung folgender Prozeduren durchführen zu wollen:
5-857.89: Plastische Rekonstruktion mit lokalen Lappen an Muskeln und Faszien > Muskellappen: Unterschenkel
5-822.90: Implantation einer Endoprothese am Kniegelenk: Sonderprothese: Nicht zementiert
5-916.A0: Temporäre Weichteildeckung: Anlage oder Wechsel eines Systems zur Vakuumtherapie: An Haut und Unterhaut
5.829.C: Andere gelenkplastische Eingriffe: Implantation oder Wechsel einer Tumor-endoprothese
5-902.4F: Freie Hauttransplantation, Empfängerstelle: Spalthaut, großflächig: Unterschenkel
5-782.5K: Exzision und Resektion von erkranktem Knochengewebe: Partielle Resektion mit Kontinuitätsdurchtrennung, Wiederherstellung der Kontinuität und Weichteilresektion: Tibia proximal
Zu diesem Zweck sei der MDK mit der Durchführung der Prüfung beauftragt worden. Eine konkrete Benennung, welcher regionale MDK beauftragt wurde, erfolgte in dem genannten Schreiben nicht.
Mit Schreiben vom 11. April 2016 informierte die Klägerin die Beklagte über eine Übersendung der Unterlagen an den MDK Z.. Das Schreiben ging der Beklagten am 14. April 2016 zu.
Die Klägerin übersandte die angeforderten Unterlagen an den (ortsansässigen) MDK Z., welcher unter dem 18. April 2016 die Unterlagen auf dem Postweg an die Klägerin mit der Anmerkung zurücksandte, dass bei ihm für den Versicherten kein offener Auftrag vorliege.
Unter dem 28. April 2016 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass nach unterbliebener Übersendung der durch den MDK D. angeforderten Unterlagen innerhalb der Vier-Wochenfrist der strittige Rechnungsbetrag i.H.v. 18.505,85 € entsprechend den von der Beklagten angemerkten Auffälligkeiten gemäß § 7 Abs. 2 der Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) 2014 verrechnet werde. Die Verrechnung erfolgte am 29. April 2016 in Form eines Zahlungsavis, das diverse Guthaben- und Abzugsbeträge aufwies, und mit einer Gesamtsumme i.H.v. 18.554,31 € endete.
Mit der am 13. August 2018 erhobenen Klage hat die Klägerin die Bezahlung der unstreitigen Vergütung anderweitiger Behandlungsfälle in Höhe des Aufrechnungsbetrages geltend gemacht. Zur Begründung ihrer Klage hat sie ausgeführt, die Beklagte habe gegen das in § 15 Abs. 4 des nordrhein-westfälischen Sicherstellungsvertrages normierte allgemeine Aufrechnungsverbot verstoßen, das durch § 9 PrüfvV 2014 nicht verdrängt werde. Die PrüfvV 2014 sei vorliegend nicht anwendbar, da sie nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nur für Auffälligkeitsprüfungen gelte, hier jedoch eine sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung durchgeführt werden sollte. Im Übrigen sei bereits nicht erkennbar, welche Gegenforderung zur Aufrechnung gebracht werde. Selbst im Falle der Geltung der PrüfvV 2014 stelle § 7 Abs. 2 der PrüfvV 2014 keine Ausschlussfrist dar. Im Falle der Annahme einer solchen Ausschlussfrist habe die Klägerin diese gewahrt, indem sie innerhalb der vom MDK D. gesetzten Frist die Unterlagen an den MDK Z. übersandt habe, der sie jedoch mangels Vorliegens eines offenen Auftrages für den Fall des Versicherten unter dem 18. April 2016 zurückgesandt habe. Aufgrund des Wortlautes des § 7 Abs. 2 der PrüfvV 2014 seien die Unterlagen an „den MDK“ und nicht etwa an den „anfordernden MDK“ zu senden. Regelmäßig sei der MDK Z. mit der Prüfung der Behandlungsfälle der Klägerin beauftragt. Die Beauftragung eines anderen MDK als des MDK Z. sei eine derartige Ausnahme, dass es jedenfalls treuwidrig sei, wenn die Beklagte sich auf den Fristablauf berufe und die Prüfung der Unterlagen verweigere, bei unstreitig rechtzeitigem Eingang der Unterlagen bei dem ortsansässigen MDK.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 18.505,85 € nebst 2 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 30. April 2016 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen;
hilfsweise widerklagend,
die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 18.505,85 € zu zahlen,
und die Auffassung vertreten, die durchgeführte Aufrechnung sei zulässig. Aus dem Zahlungsavis sei ersichtlich, gegen welche konkreten Behandlungsfälle aufgerechnet worden sei, indem diese in dem zweiten „Päckchen“ vor dem zweiten Absatz unter „Restzahlung“ zusammengefasst worden seien. Nach § 275 Abs. 1c des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) unterfalle jede Prüfung der PrüfvV 2014, somit auch die tatsächlich durchgeführte sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung. Die PrüfvV 2014 knüpfe nur an „den MDK“ an (§ 7 Abs. 2 der PrüfvV 2014). Dasselbe gelte für den Wortlaut in § 275 Abs. 1c SGB V. Im Umkehrschluss sei es zwingend, dass wenn die Krankenkasse jeden MDK beauftragen dürfe, das Krankenhaus die Unterlagen auch zur Fristwahrung an den MDK übersenden könne. Das Gesetz kenne an keiner Stelle den „örtlichen MDK“ oder den „anfordernden MDK“. Dabei stelle § 7 Abs. 2 PrüfvV 2014 eine Ausschlussfrist dar. Die Übersendung von Unterlagen auch innerhalb der Frist an den falschen MDK könne keine fristgerechte Einreichung der angeforderten Unterlagen begründen, da es insoweit an einer Rechtsgrundlage fehle.
Die Klägerin hat beantragt,
die hilfsweise erhobene Widerklage abzuweisen.
Im Verhandlungstermin haben die Beteiligten übereinstimmend erklärt, dass hier ausschließlich eine sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung durchgeführt worden sei und diese sich auf den streitgegenständlichen Betrag beziehe.
Mit Urteil vom 4. März 2020 hat das SG der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das am 27. Juli 2020 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 27. August 2020 Berufung eingelegt. Die streitgegenständliche Zahlungsmitteilung sei so gestaltet, dass eine klare Zuordnung von Leistungs- und Erstattungsanspruch erfolge. Leistungs- und Erstattungsanspruch seien unmittelbar hintereinander aufgeführt und durch gegenseitige Verrechnung miteinander verknüpft. Die Forderungen seien jeweils durch Rechnungs- und Aufnahmenummer der Klägerin bezeichnet und insoweit auch klar benannt. Das BSG habe in seiner Entscheidung vom 30. Juli 2019, Az. B 1 KR 31/18, entschieden, dass die Aufrechnung via Sammelavis auch unter Geltung der PrüfvV 2014 wirksam sei. Die Zuordnung könne dabei durch den Erklärungsempfänger nach § 366 Bürgerliches Gesetzbuch erfolgen. Die PrüfvV 2014 sei trotz der Differenzierung zwischen sachlich-rechnerischer und Auffälligkeitsprüfung anwendbar. In der Sache stehe dem Vergütungsanspruch der Klägerin § 7 Abs. 2 PrüfvV 2014 entgegen. Entgegen der Ansicht der Klägerin enthalte § 7 Abs. 2 Satz 4 PrüfvV 2014 eine Ausschlussfrist. Die Klägerin habe die angeforderten Behandlungsunterlagen - unstreitig - nicht an den zuständigen MDK gesandt. Die Übersendung von Unterlagen an den falschen MDK stelle keine fristgerechte Einreichung der angeforderten Unterlagen dar. Einerseits fehle es hierfür an einer Rechtsgrundlage und andererseits bestehe die Gefahr des Rechtsmissbrauchs. Die Krankenhäuser könnten die Unterlagen demnach stets an den falschen MDK übersenden und - aufgrund der chronischen Überlastung der Medizinischen Dienste - darauf hoffen, dass der Fehler erst nach Ablauf der Prüffrist auffalle. Ferner sei hier zu berücksichtigen, dass es sich um ein offensichtliches Fehlverhalten der Klägerin handele. Das SG habe das Risiko der nicht durchgeführten Prüfung vollkommen einseitig und ohne vernünftige Begründung einzig ihr, der Beklagten, auferlegt. Der MDK arbeite unabhängig und sei organisatorisch selbständig. In Ermangelung einer entsprechenden Regelung könne es nicht ausreichen, dass die Unterlagen an irgendeinen MDK übersandt würden, da sie, die Beklagte, selbst nur im Nachgang erfahren könne, dass die Unterlagen nicht korrekt bzw. an einen anderen als den anfordernden MDK übersandt worden seien. Auf die Frage, welcher regionale MDK regelhaft mit der Prüfung beauftragt werde, komme es dabei nicht an. Entscheidend sei einzig, welcher MDK die Unterlagen anfordere und ob die Unterlagen fristgerecht an diesen übersandt worden seien. Letzteres sei vorliegend nicht geschehen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 4. März 2020 zu ändern und die Klage abzuweisen;
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Klägerin erwidert, dass die Aufrechnung vom 29. April 2016 bereits unwirksam sei. Sie verstoße gegen § 15 Abs. 4 des nordrhein-westfälischen Sicherstellungsvertrages gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V. Im Übrigen scheitere eine wirksame Aufrechnung jedenfalls daran, dass Hauptforderung und Gegenforderung von Seiten der Beklagten nicht ausreichend konkret bezeichnet worden seien. Die Beklagte habe gegen sie, die Klägerin, im Übrigen auch keinen Erstattungsanspruch in Höhe der Klageforderung. Ihr, der Klägerin, sei kein Fristversäumnis i.S.v. § 7 Abs. 2 PrüfvV 2014 vorzuwerfen. Die vom MDK mit Schreiben vom 17. März 2016 angeforderten Auszüge aus der Behandlungsdokumentation seien dem MDK am 11. April 2016 übersandt worden. Dass die Anforderung vom MDK in G. (D.) gekommen sei, die Auszüge aus der Behandlungsdokumentation allerdings fristgerecht an den MDK in Ü. übersandt worden seien, stehe dem nicht entgegen. Die Klägerin sei ihren Mitwirkungspflichten bereits mit Übersendung der angeforderten Unterlagen an den MDK Z. nachgekommen. Regelungen zur örtlichen Zuständigkeit treffe die PrüfvV 2014 nicht. Auch das Gesetz kenne keine Regelungen zur örtlichen Zuständigkeit des MDK. Die Beauftragung des MDK D. sei für sie, die Klägerin, auch völlig überraschend gekommen. Die Beklagte selbst habe jedenfalls in ihrem Schreiben vom 17. März 2016 mit keinem Wort darauf hingewiesen, dass in diesem speziellen Fall die Beauftragung des MDK eines anderen Bundeslandes beabsichtigt sei. Präklusionswirkung könne zudem nur insoweit eintreten, als der MDK konkrete Auszüge aus der Behandlungsdokumentation angefordert habe. Die Anforderung des MDK vom 17. März 2016 sei nur insoweit hinreichend konkret, als dort Arztbriefe, Entlassungsberichte, Operationstag-, PTCA-, PTA-Berichte angefordert worden seien. Soweit darüber hinaus „Dokumente zum OPS/ZE: OPS: 5 - 857.89, 5-822.90, 5-916.a0 s.u. prüfungsrelevanten Prozedurenberichte, Sonstiges: OPS-829.C, 5-902.4f, 5-782.5k" angefordert worden seien, mangele es insoweit an der notwendigen Konkretisierung, weil für das Krankenhaus nicht ohne weiteres erkennbar sei, welche konkreten Unterlagen übersendet werden sollen (unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 22. Juni 2022 - B1 KR 27/21 R -).
Selbst wenn sie, die Klägerin, verpflichtet gewesen wäre, die konkret angeforderten Auszüge aus der Behandlungsdokumentation allein an den MDK D. zu übersenden, sei eine etwaige Verspätung jedenfalls nicht auf Umstände zurückzuführen, die das Krankenhaus zu vertreten habe (unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 10. November 2021 - B1 KR 43/20 R). Dabei sei zu berücksichtigen, dass die zuständigen Mitarbeiter im Kalenderjahr mehrere tausend Unterlagenanforderungen des MDK zu bearbeiten hätten. Im Rahmen dieser routinemäßigen Abarbeitung der Anforderungen unter fortdauernder Fristenkontrolle dürften sie darauf vertrauen, dass die Krankenkasse jenen MDK beauftragt, der örtlich einen Bezug zum Sitz des Krankenhauses oder der Krankenkasse aufweise. Dieses Vertrauen sei auch deshalb geschützt, weil sich gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 PrüfvV 2014 der MDK und das Krankenhaus darauf verständigen sollten, ob die Prüfung vor Ort oder im schriftlichen Verfahren erfolge. Eine Überprüfung vor Ort sei allerdings bereits schlechterdings ausgeschlossen, wenn die Krankenkasse ohne erkennbaren sachlichen Grund einen MDK beauftrage, der seinen Sitz in einem anderen Bundesland habe. Die Beklagte konterkariere mit einer solchen Beauftragung die dem MDK und dem Krankenhaus vorbehaltene Option einer Überprüfung vor Ort und greife verfahrensrechtlich in die Rechte Dritter ein. Zudem stehe die Beauftragung des MDK D. dem Grundsatz der Verfahrensbeschleunigung entgegen, wenn ein MDK beauftragt werde, dessen Ärzte für eine zeitnahe Überprüfung vor Ort schon wegen der erheblichen räumlichen Entfernung schlechterdings nicht zur Verfügung stehen könnten. Selbst wenn man dieser Auffassung nicht folge, erweise sich die Klage auch deshalb als begründet, weil das Zahlungsavis der Beklagten jedenfalls keine wirksame Aufrechnungserklärung darstelle. Die Beklagte habe zudem ihre abschließende Entscheidung gemäß § 8 PrüfvV 2014 - Schreiben vom 28. April 2016 - allein auf eine etwaige Verfristung gemäß § 7 Abs. 2 PrüfvV 2014 gestützt. Sie stütze ihre Leistungsentscheidung gerade nicht auf die Frage der ordnungsgemäßen Kodierung und Abrechnung.
Der Senat hat die in der Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 2016 gültigen Satzungen des MDK Z. und des MDK D. beigezogen.
Nach vorheriger Anhörung hat der Senat den Beteiligten von Amts wegen gestattet, sich während der mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und dort Verfahrenshandlungen über den von der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen zur Verfügung gestellten Virtuellen Meetingraum (VMR) vorzunehmen (Beschluss vom 28. Februar 2024). Davon haben die Beteiligten Gebrauch gemacht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Patientendokumentation sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
A. Die Anträge im Berufungsverfahren sind wirksam im Rahmen der mündlichen Verhandlung gestellt worden. Soweit die Beteiligten nicht persönlich im Gerichtssaal vertreten gewesen sind, sondern von ihrem Behördensitz aus per Video- und Tonübertragung an der Verhandlung teilgenommen haben, war dies gemäß § 110a Sozialgerichtsgesetz (SGG) aufgrund des gerichtlichen Beschlusses vom 28. Februar 2024 zulässig.
B. Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Sie zulässig (I.) und begründet (II.).
I. Die am 27. August 2020 schriftlich eingelegte Berufung der Beklagten gegen das ihr am 27. Juli 2020 zugestellte Urteil des SG Münster vom 4. März 2020 ist zulässig, insbesondere ohne Zulassung statthaft (§§ 143, 144 SGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs. 1, Abs. 3, § 64 Abs. 1, Abs. 2, § 63 SGG).
II. Die Berufung der Beklagten ist begründet. Die auf die Zahlung von 18.505,85 € nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30. April 2016 gerichtete Klage ist zulässig, aber unbegründet.
1. Die Klage ist zulässig. Als Klage des Krankenhausträgers auf Zahlung von Behandlungskosten ist sie als (echte) Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) statthaft (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 1 KN 1/07 KR R - SozR 4-2500 § 109 Nr. 13). Es handelt sich um einen Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis, weshalb der Zulässigkeit der Klage nicht entgegensteht, dass eine Regelung durch Verwaltungsakt zu ergehen hätte und ein Vorverfahren durchzuführen wäre; überdies ist keine Klagefrist zu beachten (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 23. Juli 2002 - B 3 KR 64/01 R - SozR 3-2500 § 112 Nr. 3). Die Klägerin hat den Zahlungsanspruch auch konkret beziffert (vgl. zur Notwendigkeit der Bezifferung des Klageantrags BSG, Urteil vom 28. Januar 1999 - B 3 KR 4/98 R - SozR 3-2500 § 37 Nr. 1; BSG, Urteil vom 13. Mai 2004 - B 3 KR 18/03 R - SozR 4-2500 § 39 Nr. 2).
2. Die Klage ist unbegründet. Der sich nach der Verrechnung ergebende offene Vergütungsanspruch aus den im Schreiben der Beklagten vom 29. April 2016 aufgeführten und zwischen den Beteiligten nicht umstrittenen Behandlungsfälle (hierzu BSG, Urteil vom 23. Juni 2015 - B 1 KR 13/14 R - SozR 4-5560 § 17b Nr. 6, Rn. 8 m.w.N.) ist durch Aufrechnung der Beklagten mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch erloschen.
a) Die Beklagte hat einen – der Höhe nach nicht zweifelhaften und insbesondere insoweit von der Klägerin nicht bestrittenen – öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch (vgl. zu dessen Voraussetzungen BSG, Urteil vom 8. November 2011 – B 1 KR 8/11 R – BSGE 109, 236 ff.) auf Rückzahlung von 18.505,85 € aus am 8. März 2016 rechtsgrundlos geleisteter Vergütung für die Behandlung des Versicherten Dentgen. Der Nachweis, dass die Klägerin die OPS-Kodes 5-857.89, 5-822.90, 5-916.A0, 5.829.C, 5-902.4F und 5-782.5K, von denen der Vergütungsanspruch der Höhe nach allein abhängt [aa)], verschlüsseln durfte, ist aufgrund der materiellen Präklusion der im vorliegenden Fall erstatteten Arztbriefe, Entlassungsberichte und Operationsberichte [bb)] nicht erbracht [cc)]. Dies geht zu Lasten der Klägerin [dd)].
aa) Zwischen den Beteiligten besteht Einigkeit, dass der Anspruch der ein Krankenhaus im Sinne von § 108 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) betreibenden Klägerin auf Vergütung für die Krankenhausbehandlung des bei der Beklagten zum Zeitpunkt der Behandlung Versicherten allein davon abhängt, ob die OPS-Kodes verschlüsselt werden durften. Im Hinblick hierauf bedarf es keiner weiteren Ermittlungen des Senates zur Höhe des Vergütungsanspruchs (BSG, Urteil vom 19. Juni 2018 – B 1 KR 39/17 R – SozR 4-5562 § 9 Nr. 10, Rn. 9; Urteil vom 21. April 2015 – B 1 KR 9/15 R – BSGE 118, 225 ff., Rn. 29).
bb) Bei der Prüfung, ob die genannten Kodes verschlüsselt werden durften, ist der Senat gehindert, die im vorliegenden Fall erstatteten Arztbriefe, Entlassungsberichte und Operationsberichte zu verwerten. Denn diese Unterlagen sind materiell präkludiert.
(1) Die materielle Präklusion folgt aus § 7 Abs. 2 Satz 4 PrüfvV 2014. § 7 Abs. 2 PrüfvV 2014 lautet:
"Bei einer Prüfung im schriftlichen Verfahren kann der MDK die Übersendung einer Kopie der Unterlagen verlangen, die er zur Beurteilung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung sowie zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung benötigt. Das Krankenhaus hat die Unterlagen innerhalb von 4 Wochen nach Zugang der Unterlagenanforderung an den MDK zu übermitteln. Erfolgt dies nicht, hat das Krankenhaus einen Anspruch nur auf den unstrittigen Rechnungsbetrag."
(2) Die PrüfvV 2014 erfasst Krankenhausaufnahmen ab dem 1. Januar 2015 und ist daher zeitlich anwendbar. Sie ist auch sachlich anwendbar. Gem. § 2 PrüfvV 2014 gilt die Vereinbarung nach § 275 Abs. 1c Satz 4 SGB V für jede Prüfung der Abrechnung eines Krankenhauses nach § 275 Abs. 1c Satz 1 SGB V, mit der die Krankenkasse den MDK beauftragt und die eine Datenerhebung durch den MDK beim Krankenhaus erfordert (vgl. im Einzelnen BSG, Urteil vom 10. November 2021 - B 1 KR 36/20 R – BSGE 133, 126 ff., Rn. 13 ff.; BSG, Urteil vom 22. Juni 2022 – B 1 KR 27/21 R – juris, Rn. 11).
§ 7 Abs. 2 Satz 2 bis 4 PrüfvV 2014 gilt nur für das schriftliche Verfahren. Auf die Prüfung vor Ort findet die Vorschrift keine Anwendung. Hier hat der MDK das schriftliche Verfahren gewählt. Dabei hat der MDK die Vorgaben des § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V (in der Fassung vom 10. Dezember 2015) gewahrt, wonach die Prüfung spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse einzuleiten ist (hier Rechnung vom 5. März 2016, Beauftragung des MDK am 17. März 2016) und durch den MDK dem Krankenhaus anzuzeigen ist (hier Zugang der Anzeige am 17. März 2016) offensichtlich gewahrt.
(3) Der MDK D. hat die Übersendung der im vorliegenden Fall erstatteten Arztbriefe-, Entlassungs- und Operationsberichte hinreichend genau verlangt (§ 7 Abs. 2 Satz 2 PrüfvV 2014).
Dabei handelt es sich um Unterlagen im Sinne von § 7 Abs. 2 Satz 2 PrüfvV, nämlich Beweismittel zur Begründung des Vergütungsanspruchs des Krankenhauses. Sie dienen dem Nachweis der Tatsachen, die den behaupteten Vergütungsanspruch des Krankenhauses in der abgerechneten Höhe begründen (BSG, Urteil vom 18. Mai 2021 – B 1 KR 32/20 R – BSGE 132, 143 ff., Rn. 12 f.).
Der MDK entscheidet selbst, welche konkreten Unterlagen er anfordert, sofern er sich nicht offensichtlich außerhalb des Prüfgegenstands bewegt, den er aber auch in eigener Zuständigkeit erweitern kann (vgl. § 6 Abs. 3 Satz 3 und 4 PrüfvV 2014). Für die nach § 7 Abs. 2 Satz 2 PrüfvV 2014 erforderliche hinreichend konkrete Bezeichnung ist unerheblich, ob die angeforderten Unterlagen tatsächlich existieren. Denn der MDK kann dies ohne Kenntnis der vollständigen Patientenakte regelmäßig nicht sicher abschätzen (BSG, Urteil vom 18. Mai 2021 – B 1 KR 32/20 R – a.a.O., Rn. 13 ff.). Welche Unterlagen durch den MDK ihrer Art nach jeweils konkret bezeichnet wurden, bestimmt sich nach den Grundsätzen über die Auslegung von Willenserklärungen. Zu berücksichtigen ist hierbei insbesondere der medizinische Sprachgebrauch (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2022 – B 1 KR 27/21 R – juris, Rn. 16 f. m.w.N.).
Auch wenn der einleitende Satzteil im Schreiben vom 17. März 2016 („Übersendung sämtlicher prüfungsrelevanter Unterlagen) pauschal gefasst und die Bezugnahme auf „Dokumente zum OPS/ZE …..“, „prüfrelevante Prozedurenberichte“ sowie „Sonstiges: OPS …“ zu unbestimmt ist, sind nach dieser Maßgabe (jedenfalls) die „Arztbriefe“, „Entlassungsberichte“ und die „Operations-, PCTA-, PTA-Berichte“ hinreichend konkret benannt worden.
(4) Binnen vier Wochen nach Zugang (am 18. März 2016) der Prüfmitteilung vom 17. März 2016, d.h. bis zum 18. April 2016 bzw. – nach Fristsetzung in der Prüfmitteilung bis zum 19. April 2016 – gingen keine der angeforderten Unterlagen beim MDK D. i.S.v. § 7 Abs. 2 Satz 2 PrüfvV ein. Auch im Nachgang unterblieb eine (dann ggfs. verspätete) Übersendung an den MDK D..
Soweit die Klägerin behauptet, sämtliche angeforderten Unterlagen fristgemäß an den MDK in Z. übersandt zu haben, genügt dies nicht den gesetzlichen Anforderungen. Der Klägerin ist zuzugeben, dass sowohl § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV 2014 als auch die höchstrichterliche Rspr. (vgl. BSG vom 10. November 2021 - B 1 KR 43/20 R - juris RdNr 20) den Eingang „bei dem MDK“ als maßgeblich bezeichnen. „Den MDK“ als übergeordnete juristische Entität gibt es allerdings nicht. Der MDK war bis zum 30. Juni 2021 der medizinische und pflegefachliche Begutachtungs- und Beratungsdienst für die gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherungen in Deutschland. Organisiert war der MDK auf Landesebene als Arbeitsgemeinschaften der Krankenkassen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 17. Dezember 2013 – B 1 KR 52/12 R – BSGE 115, 87 ff., Rn. 17). So verhielt es sich auch in Bezug auf Z. und D., deren MDK nach den beigezogenen Satzungen (dort jeweils § 1 Abs. 1, 2) als Körperschaften des öffentlichen Rechts konzipiert sind.
Ausgehend von den gesetzlichen Regelungen in § 275 SGB V und der PrüfvV 2014 gibt es keine ausdrückliche Zuständigkeit eines regionalen MDK für die Durchführung der Prüfung. Das SGB V begnügt sich insgesamt damit, Vorgaben für die grundsätzlich landesbezogene Organisationsstruktur des MDK und für seine Finanzierung zu machen. Weder Wortlaut noch Systematik, Entstehungsgeschichte und Zielsetzung der gesetzlichen Regelungen bieten Anhaltspunkte für die Annahme, dass die dem MDK zugewiesenen Aufgaben ausschließlich nach räumlichen Wirkungskreisen wahrzunehmen sind. Das BSG hat daraus abgeleitet, dass es eine Begrenzung der Zuständigkeit, orientiert am satzungsrechtlichen Sitz des MDK und dem Errichtungsgebiet nicht gibt. Das SGB V regelt die örtliche Zuständigkeit des MDK nicht nach dem Leistungsort, sondern schweigt hierzu beredt (so BSG, Nichtannahmebeschluss vom 17. Dezember 2013 – B 1 KR 52/12 R – a.a.O., Rn. 15). Auch verfassungsrechtlich bestehen keine Bedenken gegen eine länderübergreifende Beauftragung (BVerfG, Urteil vom 8. November 2016 - 1 BvR 935/14 - juris). Soweit in Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes Regelungen zur örtlichen Zuständigkeit der regionalen MDK geregelt sein sollten, sind diese – mangels drittschützender Wirkung für die Klägerin – vorliegend unbeachtlich (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2013 – B 1 KR 52/12 R – a.a.O., Rn. 21).
Gegen eine ausschließliche örtliche Zuständigkeit des MDK Z. spricht ferner die weitere Gesetzgebungsgeschichte. Die ab dem 1. Januar 2020 gültige Fassung des § 275c Abs. 1 Satz 4 SGB V sieht eine örtliche Zuständigkeit des MDK für das zu prüfende Krankenhaus nunmehr ausdrücklich vor. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine klarstellende Regelung einer bisher bereits geltenden Gesetzeslage. Den Gesetzgebungsmaterialien ist vielmehr zu entnehmen, dass mit Satz 4 der bisherige Wortlaut um eine Neuregelung ergänzt werden sollte (vgl. BT-Drucks. 19/13397S. 63).
(5) Das Krankenhaus hat den unterbliebenen Eingang der Unterlagen beim MDK D. auch zu vertreten (zu diesem Erfordernis BSG, Urteil vom 10. November 2021 – B 1 KR 43/20 R – SozR 4-2500 § 275 Nr. 38, Rn. 23 f.). Dabei gilt der allgemeine Verschuldensmaßstab, d.h. das Krankenhaus muss mit der Sorgfalt gehandelt haben, die einem gewissenhaft Handelnden nach den Umständen des Einzelfalls vernünftigerweise zuzumuten ist (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 15. August 2000 - B 9 VG 1/99 R - SozR 3-3100 § 60 Nr. 3, Rn. 13; BSG, Urteil vom 24. Februar 2021 - B 1 KR 50/20 B – juris, Rn. 6 m.w.N.). Das Verschulden von Hilfspersonen ist dem Krankenhaus nach § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V i.V.m. § 278 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zuzurechnen. Da es sich auch hier um Umstände handelt, die allein der Sphäre des Krankenhauses zuzurechnen sind, muss dieses die das Nichtverschulden begründenden Umstände darlegen und ggf. auch beweisen. Die Anforderungen an den Nachweis des fehlenden Verschuldens dürfen allerdings nicht überspannt werden (vgl. z.B. BVerfG <Kammer> vom 15. Oktober 2009 - 1 BvR 2333/09 - juris RdNr 14; BVerfG <Kammer> vom 4. September 2020 - 1 BvR 2427/19 - juris RdNr 27, jeweils mwN).
Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang auch der in § 1 Satz 2 PrüfvV 2014 besonders hervorgehobenen Verpflichtung der Krankenhäuser, des MDK und der Krankenkassen zur vertrauensvollen konstruktiven Zusammenarbeit zu (vgl. dazu auch BSG vom 20. Januar 2021 - B 1 KR 31/20 R - SozR 4-2500 § 109 Nr. 84, Rn. 37 m.w.N.). Danach kann der MDK etwa gehalten sein, das Krankenhaus auf eine für ihn im Rahmen des üblichen Geschäftsgangs ohne Weiteres erkennbare Unvollständigkeit der übermittelten Unterlagen hinzuweisen (vgl. rechtsähnlich zu den Fürsorgepflichten der Gerichte bezüglich der Wahrung von Rechtsbehelfsfristen z.B. BSG, Beschluss vom 18. November 2020 - B 1 KR 1/20 B - SozR 4-1500 § 65a Nr. 6, Rn. 19 ff. m.w.N.).
Nach dieser Maßgabe hat die Klägerin die Nichtübersendung der angeforderten Unterlagen an den MDK D. zu vertreten.
Als widerlegt erachtet der Senat die Behauptung der Klägerin, das Krankenhaus sei gleichsam von der Beauftragung des MDK D. überrumpelt worden, weil diese so fern der üblichen Praxis gelegen habe, dass man damit nicht habe rechnen müssen. Dagegen spricht bereits, dass im Hause der Klägerin Vordrucke verwendet werden, auf denen eine Übersendung an den „MDK D., O..“ explizit vorgesehen wird (vgl. Schreiben der Klägerin an die Beklagte vom 11. April 2016).
Unterstellt, eine Übersendung an den MDK Z. bildete den absoluten Regelfall, entlastet dies die Klägerin ebenfalls nicht. Sie wurde mit zwei Schreiben des MDK D. vom 17. März 2016 auf dessen Beauftragung hingewiesen. Zudem ist der Unterlagenanforderung des MDK D. vom 17. März 2016 auf S. 2 ein Adressvordruck für einen Umschlag mit Sichtfenster zu entnehmen, der verwendet werden sollte. Hätte die Klägerin – wie empfohlen - diesen Adressvordruck verwendet, wäre eine korrekte Adressierung sichergestellt gewesen.
Nichts Gegenteiliges folgt aus dem Umstand, dass die Klägerin mit Schreiben vom 11. April 2016 die Beklagte über eine Übersendung an den MDK Z. informiert hat. Aus dem Grundsatz zur vertrauensvollen konstruktiven Zusammenarbeit ist nicht abzuleiten, dass die Beklagte die Klägerin auf ihren Fehler hätte hinweisen müssen. Im Verhältnis zwischen Krankenkasse und Krankenhäusern sind Leistungen im Grundsatz so zu fordern und zu gewähren, wie es der materiellen Rechtslage nach der Auslegung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung des BSG entspricht. Dieser Grundsatz strikter Maßgeblichkeit der materiellen Rechtslage kann ausnahmsweise durch Grundsätze des Vertrauensschutzes modifiziert werden. Die Rechtsordnung sanktioniert widersprüchliches Verhalten eines Beteiligten nicht grundsätzlich mit einem automatischen Rechtsverlust. Widersprüchliches Verhalten ist erst dann rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (vgl. BSG, Urteil vom 19. April 2016 - B 1 KR 33/15 R - BSGE 121, 101 ff., Rn. 20 m.w.N.). Dies kann auch im Verhältnis von Krankenhausträgern und Krankenkassen auftreten, da diese allgemein durch § 4 Abs. 3 SGB V und besonders durch den dauerhaften Vertragsrahmen des Leistungserbringungssystems in der Grundsituation vertrauensvoller Zusammenarbeit und gegenseitiger Rücksichtnahme im Interesse der zu versorgenden GKV-Versicherten zu einer engen professionellen Kooperation verpflichtet sind (vgl. BSG, Urteil vom 8. September 2009 - B 1 KR 11/09 R - SozR 4-2500 § 109 Nr 19, Rn. 20; BSG, Urteil vom 18. Juli 2013 - B 3 KR 22/12 R - SozR 4-2500 § 276 Nr. 2, Rn. 25). In diesem Rahmen sind beide Seiten rechtlich verpflichtet und auch faktisch gezwungen, sich bei der konkretisierenden Umsetzung gesetzlicher und untergesetzlicher Normen einschließlich der Normenverträge miteinander abzustimmen. Der Schutz des Vertrauens von Krankenkassen und Krankenhäusern in von ihnen dabei eingeübte Verfahrensweisen ist dabei umso stärker, je länger und einvernehmlicher die Verfahrensweisen praktiziert werden, je bedeutsamer sie sind, und wenn sie zugleich bereits über längere Zeit eine höchstrichterliche Billigung erfahren haben (vgl. BSG, Urteil vom 16. Juli 2020 - B 1 KR 15/19 R – juris, Rn. 21; BSG, Urteil vom 20. Januar 2021 – B 1 KR 31/20 R – a.a.O., Rn. 37).
Nach dieser Maßgabe hat es der Beklagten nicht oblegen, gegenüber der Klägerin auf eine Übersendung an den MDK in D. hinzuwirken. Es ist bereits zweifelhaft, ob infolge des Schreibens der Klägerin vom 11. April 2016, das am Donnerstag, 14. April 2016 der Beklagten zugegangen ist, gemäß den Arbeitsabläufen in den Häusern der Beteiligten noch eine Information hätte erfolgen können, die es gewährleistet hätte, dass die Klägerin bis zum 19. April 2016 einen Zugang der Unterlagen beim MDK D. sicherstellt. Denn ungeachtet des Umstandes, dass sich die Klägerin auf eine derartige Informationspflicht der Beklagten nicht berufen hat, konnte sich ein Vertrauen des klägerischen Krankenhauses auf eine ordnungsgemäße Übersendung bereits nicht bilden, weil weder – wie vorstehend ausgeführt - eine langjährige gemeinsame Praxis von Krankenhäusern und Krankenkassen zur Übersendung von Unterlagen (nur) an den regional ansässigen MDK nachgewiesen werden konnte, noch eine solche Praxis durch höchstrichterliche Rechtsprechung gebilligt worden war.
(6) Infolgedessen sind die vom MDK D. hinreichend bestimmt angeforderten Unterlagen (Arztbriefe, Entlassungs- und Operationsberichte) nicht verwertbar.
§ 7 Abs. 2 Satz 4 PrüfvV 2014 enthält eine materielle Präklusionsregelung mit der Rechtsfolge, dass konkret bezeichnete Unterlagen, die der MDK im Rahmen eines ordnungsgemäßen Prüfverfahrens angefordert, das Krankenhaus aber nicht (fristgerecht) vorgelegt hat, auch in einem späteren Gerichtsverfahren nicht mehr zur Begründung des Vergütungsanspruchs berücksichtigt werden dürfen. Die präkludierten Unterlagen sind als Beweismittel endgültig ausgeschlossen (BSG, Urteil vom 18. Mai 2021 – B 1 KR 32/20 R – a.a.O., Rn. 10). Ihr Inhalt kann auch nicht auf andere Weise, etwa durch ersetzende Zeugenaussagen, in das Verfahren eingeführt werden (vgl. dazu z.B. BSG, Urteil vom 14. Oktober 2014 – B 1 KR 27/13 R – BSGE 117, 82 ff., Rn. 18; BSG, Urteil vom 18. Mai 2021 – B 1 KR 32/20 R –, a.a.O., Rn. 35).
Im Hinblick darauf, dass Gegenstand des Prüfungsauftrages ausschließlich Prozeduren waren, die bei der operativen Versorgung zur Anwendung gekommen sind, sieht der Senat keine Möglichkeit oder Veranlassung, weitere Ermittlungen von Amts wegen – bspw. durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens – anzustoßen, wenn – wie vorliegend – eine Auswertung der den Behandlungsfall im Wesentlichen abbildenden Arztbriefe, Entlassungsberichte und Operationsberichte ausgeschlossen ist. Hierbei verkennt der Senat nicht, dass der Datensatz nach § 301 SGB V die OPS-Ziffern taggenau ausweist. Denn die Durchführung der operativen Maßnahmen ist erst durch die entsprechende ärztliche Dokumentation als erbracht nachgewiesen. Die Beteiligten sind dieser Einschätzung nicht entgegengetreten und haben namentlich keine auf eine weitere Sachverhaltsaufklärung gerichteten Beweisanträge gestellt.
dd) Dass sich die Berechtigung der Klägerin zur Verschlüsselung der strittigen Prozeduren nicht feststellen lässt, geht zu Lasten der Klägerin, die dafür die objektive Beweislast trägt (vgl. dazu z.B. BSG, Urteil vom 14. Oktober 2014 – B 1 KR 27/13 R – a.a.O., Rn. 18; BSG, Urteil vom 18. Mai 2021 – B 1 KR 32/20 R – a.a.O., Rn. 35).
b) Die Aufrechnung ist zulässig und wirksam erfolgt.
aa) Nach § 9 PrüfvV 2014 kann die Krankenkasse einen nach Beendigung des Vorverfahrens einvernehmlich als bestehend festgestellten oder nach § 8 PrüfvV 2014 mitgeteilten Erstattungsanspruch mit einem unstreitigen Leistungsanspruch des Krankenhauses aufrechnen (Satz 1), wobei der Leistungsanspruch und der Erstattungsanspruch genau zu benennen sind (Satz 2). Gem. § 8 Satz 1 PrüfvV hat die Krankenkasse dem Krankenhaus ihre abschließende Entscheidung zur Wirtschaftlichkeit der Leistung oder zur Korrektur der Abrechnung und den daraus folgenden Erstattungsanspruch mitzuteilen. Wenn die Leistung nicht in vollem Umfange wirtschaftlich oder die Abrechnung nicht korrekt war, sind dem Krankenhaus die wesentlichen Gründe darzulegen (Satz 2). Die Mitteilungen nach Satz 1 und 2 haben innerhalb von 9 Monaten nach Übermittlung der Prüfanzeige nach § 6 Abs. 3 PrüfvV 2014 zu erfolgen, wobei diese Regelung als Ausschlussfrist wirkt (§ 8 Satz 3 und 4 PrüfvV 2014).
Das Prüfverfahren war durch Mitteilung der abschließenden Entscheidung der Beklagten vom 28. April 2016 abgeschlossen. Aus einer Entscheidung iSd § 8 PrüfvV 2014 muss klar zum Ausdruck kommen, dass die Krankenkasse die Prüfung als abgeschlossen ansieht und auf den weiteren Lauf der für die abschließende Entscheidung geltenden 9-Monats-Frist verzichtet (BSG, Urteil vom 10. November 2021 – B 1 KR 36/20 R – a.a.O., Rn. 26). Diese Voraussetzungen erfüllt das Schreiben der Beklagten vom 28. April 2016, das den Erstattungsanspruch mit 18.505,85 € bezifferte, auf die Verhinderung der MDK-Prüfung infolge der unterbliebenen Übersendung der durch den MDK D. angeforderten Unterlagen verwies und die Aufrechnung des Erstattungsanspruchs mit unstreitigen Leistungsansprüchen erklärte. Die 9-Monats-Frist des § 8 Satz 3 PrüfvV 2014, die mit Übermittlung der Prüfanzeige im Schreiben des MDK vom 17. März 2016 (der Klägerin am 18. März 2016 zugegangen) begann, war zum Zeitpunkt der Mitteilung der abschließenden Entscheidung der Beklagten vom 28. April 2016 sowie der darin enthaltenen Aufrechnungserklärung offensichtlich noch nicht abgelaufen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die Zahlungsansprüche, denen gegenüber aufgerechnet wird, hinreichend bestimmt. Die Aufrechnungserklärung der Beklagten vom 28. April 2016, mit der sie diesen Erstattungsanspruch gegen unstreitige Forderungen der Klägerin aus weiteren Behandlungsfällen verrechnet hat, ist wirksam. Ausreichend ist hierfür, dass innerhalb eines Zahlungsavis die Erstattungsforderung dem Leistungsanspruch gegenübergestellt wird, etwa indem die Erstattungsforderung diesem in einer tabellarischen Auflistung nachfolgt (vgl. insofern die Anforderungen für die Aufrechnungserklärung nach § 388 BGB: BSG, Urteil vom 30. Juli 2019 - B 1 KR 31/18 R - BSGE 129, 1 ff., Rn. 17; Senat, Urteil vom 18. Januar 2023 – L 11 KR 281/21 KH – juris, Rn. 45). Diesen Maßgaben genügt das Zahlungsavis vom 29. April 2016. Dort sind die entsprechenden Behandlungsfälle mit den zugehörigen Fallnummern eindeutig bezeichnet, sodass für die Klägerin ohne weiteres erkennbar war, welche Forderungen gegeneinander verrechnet werden sollten.
bb) Der Aufrechnung steht kein Aufrechnungsverbot entgegen. Die in § 9 PrüfvV 2014 geregelten Zahlungsmodalitäten schließen ein landesvertraglich geregeltes Aufrechnungsverbot aus (§ 11 PrüfvV 2014; vgl. hierzu im Einzelnen BSG, Urteil vom 10. November 2021 - B 1 KR 36/20 R – a.a.O., Rn. 22 m.w.N.; BSG, Urteil vom 22. Juni 2022 – B 1 KR 27/21 R –a.a.O., Rn. 10).
Mangels Bestehen einer Hauptforderung der Klägerin besteht auch nicht der auf § 15 Abs. 1 Satz 4 LV NW i.V.m. § 1 Diskontsatzüberleitungsgesetz (vgl. LSG NRW, Urteil vom 1. September 2011 - L 16 KR 212/08; BSG, Urteil vom 10. Marz 2015 - B 1 KR 3/15 R) gestützte Zinsanspruch.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
D. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen – eingedenk der zum 1. Januar 2020 geänderten Rechtslage (§ 275c Abs. 1 Satz 4 SGB V) – nicht vor.
E. Der Streitwert für das Berufungsverfahren folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz.