Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 8. April 2024 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin Ziff. 1 und des Klägers Ziff. 2 zu tragen.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die vom Kläger Ziff. 2 für die Klägerin Ziff. 1 ab dem 1. Juni 2017 ausgeübte Tätigkeit als Anästhesist grundsätzlich der Sozialversicherungspflicht unterliegt.
Die Klägerin Ziff. 1 ist eine Privatklinik, in der (vornehmlich) Operationen im Bereich der Plastischen Chirurgie durchgeführt werden. Die plastischen Operationen werden überwiegend vom Geschäftsführer der Klägerin Ziff. 1 durchgeführt.
Am 3. Juli 2017 schloss die Klägerin Ziff. 1 (im Vertrag „Privatklinik“ genannt) mit dem Kläger Ziff. 2 (im Vertrag „Praxis“ genannt) einen Honorararztvertrag (Bl. 521 eVA) mit folgendem Inhalt:
„Präambel
Die Praxis wird die Privatklinik mit Anästhesieleistungen im ambulanten und stationären Bereich unterstützen, indem in und für die Praxis tätige Fachärzte für Anästhesiologie nach Maßgabe des folgenden Honorararztvertrages Anästhesieleistungen für die Privatklinik durchführen.
§ 1 Vertragsgegenstand
Die Praxis wird auf Anforderung der Privatklinik Anästhesieleistungen bei Patienten erbringen, die in der Privatklinik ambulant und stationär versorgt werden (Ziff. 1). Honorarärztliche Leistungen der Praxis im Sinne dieses Vertrages sind insbesondere: Die anästhesiologische Voruntersuchung des Patienten einschließlich der anästhesiologischen Beratung im Vorfeld der Operationen (Ziff. 2a), die (Mit-)Behandlung des Patienten. Hierzu gehören insbesondere das Aufklärungsgespräch, die Anästhesieleistung, der Anästhesie-Bericht gegebenenfalls mit Nachbehandlungsplan (Ziff. 2b).
§ 2 Durchführung der ärztlichen Leistungen
Die Praxis nimmt bei der Erbringung der ärztlichen Leistungen in der Privatklinik deren Räume, Einrichtungen und Personal in Anspruch. Die Praxis wird die für die Anästhesieleistungen erforderliche Anästhesiepflegekraft stellen. Die Praxis wird sämtliche zur Durchführung der Anästhesieleistung notwendigen medizinischen Geräte zur Verfügung stellen, nach den Vorgaben des MPE und der MPBetreibV verantwortlich warten und instand halten, sowie die sicherheitstechnische Kontrolle nach § 6 Abs.1 MPBetreibV für diese Geräte auf ihre Kosten durchführen lassen. Die Praxis übernimmt des Weiteren alle Kosten für Verbrauchsmaterialien und Medikamente zur Durchführung der Anästhesieleistung. Die Privatklinik und die Praxis werden die Inanspruchnahme der Klinikressourcen, insbesondere die jeweiligen Anästhesieleistungen und OP-Zeiten gemeinsam abstimmen (TZiff.1). Die Praxis ist verpflichtet sicherzustellen, dass die in der Privatklinik erbrachten ärztlichen Leistungen ordnungsgemäß dokumentiert und der Klinikleitung zur Aufnahme in die Patientendokumentation zur Verfügung gestellt werden (Ziff. 2). Die Praxis verpflichtet sich, die allgemein geltenden Hygienevorschriften, die von der Privatklinik erlassenen Hygienerichtlinien und die vom ärztlichen Direktor im Einzelfall getroffenen Regelungen zu beachten (Ziff. 3). Die Praxis ist verpflichtet, mit den Mitarbeitern der Privatklinik und der Klinikleitung vertrauensvoll zusammenzuarbeiten (Ziff. 4). (...).
§ 3 Grundsätze der Kooperation
Die Praxis wird die honorarärztlichen Leistungen durch die bei ihr tätigen Ärzte selbstständig als Auftragnehmerin der Privatklinik erbringen. Es steht der Praxis frei zu bestimmen, welcher in der Praxis tätige Arzt die Anästhesie durchführt. Der Privatklinik obliegt insoweit ausdrücklich kein Weisungsrecht. Der Privatklinik ist im Rahmen der OP-Planung Mitteilung darüber zu machen, welcher Arzt der Praxis für die Durchführung der Anästhesieleistungen bei der jeweiligen Operation vorgesehen ist (Ziff.1). Die Praxis ist ausschließlich verantwortlich für den Bereich der gesamten Anästhesie. Die Zuständigkeit der Praxis beginnt mit den erforderlichen Voruntersuchungen und Aufklärungen und vor Beginn der Operationen mit der Aufnahme und Einschleusung in den OP und endet nach den Richtlinien und Leitlinien der Fachgesellschaft für Anästhesiologie (...) mit dem Ende der Überwachungsfrist im Aufwachraum oder Patientenzimmer bzw. bis zum Eintritt der Wachheit und der Kreislaufstabilität und Entlassfähigkeit des Patienten (ambulante OP) (Ziff. 2). Die in der Praxis tätigen Ärzte stehen weder in einem Arbeitsverhältnis noch in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis zur Privatklinik. Ein Arbeitgeberdirektionsrecht der Privatklinikbesteht daher nicht (Ziff. 3). Es steht der Praxis ausdrücklich frei, neben der Tätigkeit für die Privatklinik auch für andere Auftraggeber tätig zu werden (Ziff. 4). Die Praxis ist bei der Durchführung ihrer Leistungen in der Privatklinik in ihrer ärztlichen Verantwortung in Diagnostik und Therapie unabhängig von etwaigen Weisungen der Klinikleitung. Die Praxis ist insbesondere nicht verpflichtet, auf Weisung der Privatklinik Anästhesieleistungen durchzuführen. Sie kann die Durchführung von Anästhesieleistungen auch ablehnen, soweit sie in der OP-Planung nicht berücksichtigt sind (Ziff. 5). Es steht der Praxis und den in der Praxis tätigen Ärzte frei, bei der Erbringung der ärztlichen Leistungen in der Privatklinik die zur Verfügung gestellten medizinischen Einrichtungen in Anspruch zu nehmen. die Praxis und die in der Praxis tätigen Ärzte können nach vorheriger Abstimmung mit der Privatklinik auch eigene Untersuchungs- oder Behandlungsgeräte verwenden, wobei eine Entschädigung hierfür nicht gezahlt wird (Ziff. 6). (...).
§ 5 Vergütung der honorarärztlichen Leistungen
Die Praxis erhält für die durchzuführenden Anästhesieleistungen eine Pauschalvergütung nach Maßgabe der Anlage zu diesem Honorararztvertrag zuzüglich Umsatzsteuer. (...) (Ziff. 1). Die Praxis stellt mit Ablauf eines Monats die erbrachten Anästhesieleistungen des Vormonats der Privatklinik in Rechnung, die sofort zur Zahlung fällig sind (Ziff. 4).
(...).“
Der Kläger Ziff. 2 ist Facharzt für Anästhesie und verfügt in K1 über eine Kassenarztpraxis.
Der Kläger Ziff. 2 beantragte am 17. Januar 2022 (Bl. 492 eVA) bei der Beklagten im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens die Klärung seines sozialversicherungsrechtlichen Status für seine Tätigkeit bei der Klägerin Ziff.1 und gab dabei an, er versorge pro Jahr etwa 500 Kassenpatienten in anderen Praxen. Die OP-Pläne würden nach Terminabsprache erstellt, ansonsten gelte der wechselseitige „Vertrauensgrundsatz zwischen Operateur und Anästhesist“. Der Preis für die Narkose werde pro Patient festgelegt und orientiere sich an der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ). Naturgemäß werde er in den Räumlichkeiten der Klinik tätig, allerdings richte er seinen Arbeitsplatz mit eigenen Gerätschaften (Narkosegerät, Überwachungsgeräte) ein.
Auf Anfrage äußerte sich die M1 Klinik für Plastische Chirurgie (Geschäftsführer H1) und teilte am 8. März 2022 (Bl. 509 eVA) unter Vorlage der von dem Kläger Ziff. 2 in der Zeit von Juni 2017 bis Dezember 2020 gestellten Rechnungen mit, der Kläger Ziff. 2 werde dort seit dem 1. Juni 2017 als Honorararzt eingesetzt. Der Arbeitseinsatz umfasse pro Woche etwa zwölf Stunden. Im Fachgebiet des Klägers Ziff. 2 seien keine festangestellten Mitarbeiter beschäftigt. Die Patienten würden dem Kläger Ziff. 2 anhand des OP-Plans zugewiesen. Der Kläger Ziff. 2 sei nicht in die kontinuierliche Patientenversorgung eingebunden, es erfolge auch keine Supervision. Allerdings arbeite der Kläger Ziff. 2 während der Operation mit dem Operateur, den medizinischen Fachangestellten und den Krankenschwestern der Klinik zusammen. Gegenüber dem Personal der Klinik sei der Kläger Ziff. 2 nicht weisungsbefugt. Für den Narkose- bzw. Anästhesiebereich habe der Kläger Ziff. 2 das letzte Entscheidungsrecht. Der Kläger Ziff. 2 trete nicht als Mitarbeiter der Klinik auf und habe auch nicht an Teambesprechungen teilzunehmen. Lediglich bei Notfällen nehme der Kläger Ziff. 2 an Ruf- und Bereitschaftsdiensten teil. Feste Arbeitszeiten, Dienstpläne und Urlaubsregelungen habe der Kläger Ziff. 2 nicht einzuhalten. Die Abrechnung erfolge pro erbrachter Anästhesie am Ende des Monats. Bei Privatpatienten erfolge die Abrechnung durch den Kläger Ziff. 2. Bei säumigen Patienten bzw. Kunden erfolge das Forderungsmanagement nicht über die Klinik. Für seine Leistungen hafte der Kläger Ziff. 2. Der Kläger Ziff.2 müsse sich nicht an den Betriebskosten der Klinik beteiligen und habe auch kein Nutzungsentgelt bzw. keine Miete zu entrichten. Bei Verhinderung werde ein Vertreter des Klägers Ziff. 2 tätig. Der Kläger Ziff. 2 sei gegenüber der Klinik nicht verpflichtet, Urlaubs- oder Krankheitsvertretungen durchzuführen. Die OP-Kleidung werde dem Kläger Ziff.2 von der Klinik gestellt. Fachliche Weisungen erhalte er von der Klinik nicht, auch eine Kontrolle der Arbeiten erfolge nicht; es gelte der „Vertrauensgrundsatz“. Alle Verbrauchsmaterialien für die Narkose besorge der Kläger Ziff.2 selbst.
Mit Bescheiden vom 16. August 2022 (Bl. 735 und 741 eVA) teilte die Beklagte sowohl der M1 Klinik für Plastische Chirurgie (GmbH) als auch dem Kläger Ziff. 2 mit, der Kläger Ziff. 2 sei in der genannten Klinik ab dem 1. Juni 2017 als Arzt (Anästhesist) im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung tätig. Nach Auffassung der Beklagten sprächen folgende Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis:
Der Kläger Ziff. 2 übernehme die Behandlung der Patienten und erfülle damit in klassischer Weise den Betriebszweck der Klinik.
Die vertraglichen Vereinbarungen bestünden zwischen der Klinik und den Patienten. Die Tätigkeit werde in einer fremdbestimmten Arbeitsorganisation ausgeübt.
Der Kläger Ziff. 2 habe die organisatorischen Vorgaben der Klinik zu beachten.
Die Terminierung erfolge zwischen dem Klinikpersonal und den Patienten.
Die Arbeitszeit werde mit der Auftragserteilung vorgegeben. Eine individuelle Gestaltung der Arbeitszeit nach eigenem Gutdünken könne nach Auftragsannahme nicht erfolgen.
Es liege eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation der Klinik vor.
Der Kläger Ziff. 2 sei vertraglich zur Übernahme von Rufbereitschaftsdiensten verpflichtet.
Der Kläger Ziff. 2 arbeite mit dem Personal der Klinik zusammen.
Die fachliche Verantwortung trage die Klinik.
Mitarbeiter der Klinik unterstützten den Kläger Ziff.2 bei den Operationen.
Dokumentationspflichten müssten eingehalten werden. Die Dokumentation werde vom Klinikpersonal weitergeführt und gehe in das Eigentum der Klinik über.
Die Abrechnung erfolge ausschließlich über die Klinik.
Für eine selbstständige Tätigkeit spreche lediglich, dass die Verbrauchsmaterialien vom Kläger Ziff. 2 besorgt würden und der Kläger Ziff.2 einzelne Aufträge ablehnen könne.
Die Gesamtabwägung ergebe somit, dass es sich um eine abhängige Beschäftigung handele. Dabei stehe außer Zweifel, dass Ärzte im Kernbereich ihrer Tätigkeit keinen Weisungen unterliegen könnten. Deshalb komme es bei Ärzten entscheidend darauf an, ob und wenn ja, inwieweit der Arzt in eine fremde Arbeitsorganisation eingegliedert sei. Der Umstand, dass der Kläger Ziff. 2 auch als Vertretungsarzt eingesetzt werde, belege eine Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation. Hierfür spräche auch, dass dem Kläger Ziff. 2 die Arbeitszeit faktisch durch die vorher von der Klinik mit den jeweiligen Patienten vereinbarten Termine vorgegeben werde. Somit habe der Kläger Ziff. 2 keinerlei Gestaltungsspielraum bezüglich seiner Arbeitszeit; das gleiche gelte natürlich auch für den Arbeitsort. Schließlich falle ins Gewicht, dass der Kläger Ziff.2 mit dem Personal der Klinik zusammenarbeite und seine Dienstleistung im Namen der Klinik erbringe. Seine Tätigkeit werde von Außenstehenden nicht als selbstständige Tätigkeit wahrgenommen. Vor diesem Hintergrund gehe die Beklagte von einer abhängigen und sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung beginnend am 1. Juni 2017 aus.
Hiergegen erhob die Klägerin Ziff.1 am 25. August 2022 (Bl. 2 eVA) und der Kläger Ziff. 2 am 14. September 2022 (Bl. 8 eVA) Widerspruch.
Der Kläger Ziff. 2 trug vor, er sei seit Oktober 2013 als niedergelassener Anästhesist in Einzelpraxis als Kassenarzt zugelassen. Da er keine eigenen OP-Räumlichkeiten vorhalte, habe er mit etwa zehn verschiedenen Operateuren Vereinbarungen getroffen und in den jeweiligen Praxen auf eigene Kosten einen Anästhesiearbeitsplatz eingerichtet. Dort vergebe er feste OP-Slots, an denen er vor Ort und mit verschiedenen bei ihm angestellten Anästhesieschwestern Narkosen anbiete. Dabei frage der jeweilige Operateur vorher nach, ob bzw. wann er Zeit habe, nicht umgekehrt. Die benötigten Verbrauchsmaterialien sowie die Narkosemedikamente bestelle er auf Rechnung seiner Praxis. Für seine Tätigkeit und für sein Personal unterhalte er eine eigene Berufshaftpflichtversicherung. Seit Januar 2018 habe er zudem einen Facharzt für Anästhesie eingestellt, der ihn in Abwesenheit vertrete. Die Abrechnung erfolge über die Kassenärztliche Vereinigung bzw. bei Privatpatienten direkt mit diesen. In der M1 Klinik für Plastische Chirurgie erfolge die Abrechnung jedoch durch die Klinik, da es sich fast ausschließlich um ästhetische Eingriffe handele. Somit könne dem Patienten in der Regel ein Festpreis für die gesamte Operation garantiert werden. Er habe den Vorteil, dass es nicht zu einem Zahlungsausfall kommen könne.
Der Kläger Ziff. 1 trug vor, die M1 Klinik für Plastische Chirurgie (GmbH) sei rechtlich nicht mehr existent. Diese Gesellschaft sei am 23. Februar 2018 im Handelsregister gelöscht worden. Die zuvor erfolgte Verlegung nach A1 und die Umfirmierung in K2 GmbH sei am 22. Februar 2018 erfolgt. Die Löschung dieser umfirmierten Gesellschaft sei schließlich am 8. Oktober 2021 erfolgt, das Registerblatt sei geschlossen worden. Zwischenzeitlich sei die Liquidation der K2 GmbH beendet und die Gesellschaft endgültig gelöscht worden, sie sei damit nicht mehr existent, was zur Folge habe, dass der Feststellungsbescheid vom 16. August 2022 nichtig sei.
Unabhängig hiervon sei die getroffene Regelung auch materiell rechtswidrig. Die Tätigkeit des Klägers Ziff. 2 erfülle nicht die Kriterien einer abhängigen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Zur Begründung sei darauf zu verweisen, dass der Kläger Ziff. 2 in seiner Tätigkeit für die Privatklinik ein erhebliches wirtschaftliches Risiko trage. Denn er habe nach den Bestimmungen des Honorararztvertrages die erforderliche Anästhesiepflegekraft zu stellen und sämtliche für die Durchführung der Narkosen notwendigen medizinischen Geräte, Verbrauchsmaterialien und Medikamente zur Verfügung zu stellen. Im Übrigen habe der Kläger Ziff. 2 seit Januar 2018 einen ärztlichen Kollegen angestellt, damit er seiner Verpflichtung aus § 4 des Honorararztvertrages nachkommen könne. Der Kläger Ziff. 2 sei nicht wie für eine abhängige Beschäftigung gefordert in die Betriebsorganisation der Privatklinik eingegliedert. Hieran ändere sich nichts dadurch, dass von der Klinik im Wesentlichen stationäre ästhetische Selbstzahler-Leistungen (ohne zwingende medizinische Indikation) angeboten würden, welche gegenüber den Patienten durch die Klinik mit einem Gesamtpreis abgerechnet würden. Der Kläger Ziff. 2 erhalte nach den Bestimmungen des Honorararztvertrages von der Privatklinik für die Narkoseleistung ein Honorar. Eine solche Abrechnung sei insbesondere auf dem Gebiet der ästhetischen Chirurgie üblich. Bei medizinisch indizierten Leistungen gegenüber Privatpatienten rechne der Kläger Ziff. 2 die Narkose direkt mit diesen ab. Im Übrigen habe der Kläger Ziff. 2 den Status eines niedergelassenen Vertragsarztes, was gegen eine Eingliederung in die Betriebsorganisation der Klinik spräche. Die im Honorararztvertrag vereinbarten Bereitschaftsdienste fänden nur sporadisch und nach gemeinsam gestellter medizinischer Indikation statt.
Dem internen Vorschlag, dem Widerspruch abzuhelfen, stimmte die Sachgebietsleitung am 9. März 2023 nicht zu. Nach dem Internetauftritt der Privatklinik sei der Kläger Ziff. 2 dort als leitender Anästhesist tätig und somit in die betriebliche Organisation eingegliedert. Bei der Adressierung des angefochtenen Ausgangsbescheides handele es sich um einen einfachen Formfehler, welcher im Rahmen des Widerspruchsbescheides korrigiert werden könne.
Mit Widerspruchsbescheiden vom 10. Mai 2023 (Bl. 480 und 484 eVA) an die Klägerin Ziff. 1 und den Kläger Ziff. 2 wies die Beklagte die Widersprüche zurück. Zur Begründung führte sie aus, im Rahmen des Widerspruchsverfahrens erfolge im Rahmen der Heilung die Klarstellung, dass Auftraggeber des abhängigen bzw. sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses entsprechend dem Außenauftritt die Klägerin Ziff. 1 sei. Bei der hiervon abweichenden Adressierung des Ausgangsbescheides handele es sich um einen einfachen Formfehler. Der Kläger Ziff. 2 sei in seiner Tätigkeit in die arbeitsteilige Organisation der Klägerin Ziff. 1 eingegliedert. Dazu sei auf die notwendigen Abstimmungen mit den zuständigen Chirurgen, die Übernahme von Bereitschaftsdiensten, die fehlende Behandlung eigener Patienten und die Verpflichtung, seine Tätigkeit zu dokumentieren und diese Unterlagen der Klinikleitung zur Verfügung zu stellen, zu verweisen. Auch wenn nicht übersehen werde, dass der Kläger Ziff. 2 durch den Einsatz eigenen Personals und eigener Betriebsmittel ein unternehmerisches Risiko trage, überwögen somit die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Aspekte.
Am 7. Juni 2023 hat die Klägerin Ziff. 1 hiergegen beim Sozialgericht (SG) Mannheim (S 9 BA 1123/23) Klage erhoben. Der Ausgangsbescheid vom 16. August 2022 sei nichtig; die Adressatin des Bescheides sei nicht (mehr) existent. Vertragspartner des Klägers Ziff. 2 sei die Klägerin Ziff. 1. Der Kläger Ziff. 2 stehe nicht in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis mit der Klägerin Ziff. 1. Der Geschäftsführer der Klägerin Ziff. 1 übernehme als hauptsächlicher Operateur der Klinik die Beratung zu den Operationen, die chirurgische Aufklärung sowie die Durchführung der Operationen mit deren Vorbereitung und Nachsorge. Der Kläger Ziff. 2 übernehme in der Regel die anästhesiologische Betreuung der Patienten. Beide Tätigkeitsbereiche seien miteinander verzahnt, gleichwohl handele der Kläger Ziff. 2 in rechtlicher Hinsicht selbstständig bzw. unabhängig, zumal er einen eigenen Behandlungsvertrag mit den Patienten abschließe. Somit lägen den Behandlungen in der Privatklinik zwei Behandlungsverträge (einerseits ein chirurgisch-ästhetischer Vertrag, andererseits ein anästhesiologischer Vertrag) zugrunde. Lediglich die Abrechnung der Leistungen erfolge in aller Regel einheitlich über die Klägerin Ziff. 1. Im Übrigen bewahre der Kläger Ziff. 2 entgegen der Darstellung der Beklagten seine Unterlagen (Dokumentation der anästhesiologischen Leistungen, Narkoseprotokoll, Behandlungsdokumentation) in seinen eigenen Praxisräumen auf; die Klägerin Ziff. 1 habe hierauf keinen Zugriff. Somit ergäbe sich alleine aus der im Honorarvertrag enthaltenen Verpflichtung, dass der Kläger Ziff. 2 seine Unterlagen in die Dokumentation der Privatklinik zu übertragen habe, keine Eingliederung in eine fremde Betriebsorganisation. Zur Vergabe der Operationstermine müsse beachtet werden, dass sich der behandelnde Chirurg nach Aufklärung und Abschluss des Behandlungsvertrages an den Kläger Ziff. 2 wende und in diesem Termin Vorschläge unterbreite. Der Kläger Ziff. 2 stimme dann einem der Vorschläge zu oder unterbreite gegebenenfalls Gegenvorschläge. Erst wenn bezüglich des Termins Einvernehmen mit dem Kläger Ziff. 2 erzielt worden sei, würde der Operationstermin dem Patienten mitgeteilt. Somit unterläge der Kläger Ziff. 2 keinerlei fremdbestimmten Terminvorgaben der Klägerin Ziff. 1. Im Übrigen sei darauf aufmerksam zu machen, dass der Kläger Ziff. 2 als Kassenarzt im Kalenderjahr 2021 gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung Leistungen von insgesamt 407.950,17 € abgerechnet habe. Dem stehe gegenüber der Klägerin Ziff. 1 ein Honorar- bzw. Auftragsvolumen von 94.091,39 €, sodass der Anteil dieser Honorare am Gesamtumsatz des Klägers Ziff. 2 lediglich 23% betragen habe. Der Kläger Ziff. 2 sei auch noch für andere medizinische Einrichtungen als anästhesiologischer Honorararzt tätig gewesen.
Der Kläger Ziff. 2 hat am 9. Juni 2023 beim SG Klage (S 6 BA 1139/23) erhoben. Er sei für die Privatklinik im Rahmen eines Honorararztvertrages selbstständig tätig. Er sei nicht verpflichtet, höchstpersönlich tätig zu werden. Vielmehr führe er die Narkose entweder persönlich durch oder übertrage diese Aufgabe einem bei ihm beschäftigten Facharzt für Anästhesie. Zudem setze er bei den Narkosen eigene Einrichtungen, eigene Medikamente, eigenes Verbrauchsmaterial und eine eigene Anästhesiepflegekraft ein. Falls bei Durchführung der Narkose Fehler auftreten sollten, hafte er persönlich und habe deshalb auch eine entsprechende Haftpflichtversicherung abgeschlossen. Hieraus ergäbe sich ein erhebliches unternehmerisches Risiko. Er sei in seiner Tätigkeit für die Privatklinik nicht in eine fremde Betriebsorganisation eingebunden. Er sei in der Ausführung seiner Arbeit vollkommen frei; eine fachliche Zusammenarbeit mit dem Chirurgen der Privatklinik finde nicht statt, denn er sei für die Narkose und die Aufrechterhaltung der Vitalfaktoren der Patienten alleine verantwortlich, während sich die Verantwortung des Operateurs auf die chirurgischen Leistungen beschränke. Ein fachlicher Austausch oder gar ein irgendwie geartetes Weisungsrecht fände nicht statt. Es sei unklar, warum die Beklagte davon ausgehe, dass er in der Privatklinik als „Vertretungsarzt“ tätig werde. Dies sei unrichtig. Bezüglich der Dokumentationspflichten sei darauf hinzuweisen, dass dieser Umstand nicht für eine abhängige Beschäftigung spräche; er erfülle damit vielmehr nur eine gesetzliche Verpflichtung, zumal er die entsprechenden Unterlagen wie gesetzlich vorgesehen für die Dauer von zehn Jahren archiviere, ohne diese Dokumente an die Privatklinik herauszugeben.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid bzw. Widerspruchsbescheid Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 14. Juni 2023 hat das SG die beiden Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und das Verfahren unter dem Aktenzeichen S 9 BA 1123/23 geführt.
Am 18. Januar 2024 hat das SG die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert. Dabei hat der Kläger Ziff. 2 angegeben, er meine, dass er schon ab 2015 einen ärztlichen Kollegen auf geringfügiger Basis beschäftigt habe, um seine Urlaubstage abdecken zu können. Er habe auch schon vorher eigene Anästhesiekräfte beschäftigt. Seit 2013 habe er eine Kassenzulassung. Auch im streitigen Zeitraum, also ab Juni 2017, habe er eigene Anästhesiepflegekräfte beschäftigt. Dieses eigene Personal begleite ihn nicht nur bei Einsätzen in der Klinik der Klägerin Ziff. 1, sondern auch bei anderweitigen Einsätzen. So hat der Geschäftsführer der Klägerin Ziff. 1 angegeben, diesbezüglich beschäftige er kein Personal, welches diese Aufgaben wahrnehmen könne. Weiter hat der Kläger Ziff. 2 angegeben, es sei richtig, dass er bei Durchführung der Narkosen in der Privatklinik seine eigenen Gerätschaften benutze. Er habe die Räumlichkeiten der Privatklinik auf eigene Kosten mit einen festen Anästhesiearbeitsplatz eingerichtet. Seine Gerätschaften verblieben in der Klinik, sie würden dort nur von ihm genutzt. Hierzu hat der Geschäftsführer der Klägerin Ziff. 1 angegeben, dass die Geräte nach dem Operationstag abgedeckt würden und nicht von anderen Anästhesisten bzw. anderen Ärzten verwendet würden. Es sei richtig, dass der Kläger Ziff. 2 im Wochenrhythmus in der Klinik sei und dort an den Operationstagen die Narkosen durchführe. Der Kläger Ziff. 2 hat bestätigt, dass er die Verbrauchsmaterialien (Narkosemittel etc.) auf eigene Rechnung beim Händler bestelle; die Lieferung erfolge dann an die jeweiligen Standorte. Die Patienten würden vor der Operation bemerken, dass die Narkose durch ihn als Honorararzt durchgeführt werde, denn die Narkosevoruntersuchung erfolge einen Tag vor der geplanten Operation und werde nicht in den Räumlichkeiten der Klägerin Ziff. 1 durchgeführt. In der Regel führe er dies telefonisch durch und melde sich dann mit seinem eigenen Namen bzw. seiner eigenen Praxisbezeichnung. Auch der Aufklärungsbogen sei auf ihn bzw. seine Praxis ausgestellt. Er stelle sich am Operationstag dem Patienten nicht als Honorararzt, sondern als Anästhesist vor. Ein Namensschild trage er an seiner OP-Kleidung nicht. Der bei ihm beschäftigte Kollege verwende ein Magnetschild, welches nur den Namen dieses Kollegen enthalte. Hierzu hat der Geschäftsführer der Klägerin Ziff. 1 angemerkt, dass die Namensschilder der Klinik auch ein Logo enthielten. Die OP-Kleidung werde dem Kläger Ziff. 2 von der Klinik zur Verfügung gestellt; dies habe hygienische Gründe. Übereinstimmend haben der Geschäftsführer der Klägerin Ziff. 1 sowie der Kläger Ziff. 2 bestätigt, dass Energie und Wasser sowie die Desinfektionsmittel und die OP-Kleidung von der Privatklinik zur Verfügung gestellt würden. Weiteres Inventar bzw. weitere Gegenstände benötige der Kläger Ziff. 2 zur Durchführung der Narkose jedoch nicht. Übereinstimmend ist bestätigt worden, dass die Dokumentationsunterlagen (Narkoseprotokolle, Einwilligungsbögen usw.) vom Kläger Ziff. 2 mitgenommen würden und von diesem in seiner Praxis für die Dauer von zehn Jahren verwahrt würden. Zur Vergütung ist übereinstimmend ausgeführt worden, dass etwa 98% der Operationen in der Klinik reine Selbstzahlerleistungen (ohne medizinische Indikation) seien. Es handele sich um ästhetische Operationen, welche nach den Tarifbestimmungen der PKV nicht erstattungsfähig seien. In diesen Fällen erfolge eine einheitliche Rechnungstellung, das heiße, in den Rechnungen der Klägerin Ziff. 1 seien als Gesamtpaket auch die Kosten der Anästhesie enthalten. Für diese Operationen erhalte der Kläger Ziff. 2 von der Klägerin Ziff. 1 eine Pauschale. Anders sei es bei Operationen mit medizinischer Indikation, welche nach den tariflichen Bestimmungen über die PKV vergütet werden könnten. In diesen Fällen schreibe der Kläger Ziff. 2 an die Patienten eine eigene Anästhesierechnung; für den chirurgischen Teil erfolge die Rechnungstellung über die Klägerin Ziff. 1.
Mit Urteil vom 8. April 2024 hat das SG die Bescheide vom 16. August 2022 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 10. Mai 2023 aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, zur von der Klägerin Ziff. 1 gerügten Falschbezeichnung der Adressierung des angefochtenen Ausgangsbescheides müsse beachtet werden, dass Ausgangs- und Widerspruchsbescheid nach § 95 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eine prozessuale Einheit bildeten, sodass die unzutreffende Adressierung des Ausgangsbescheides im Rahmen des Widerspruchsverfahrens korrigiert werden könne. Im Übrigen ergäbe schon eine Auslegung des Ausgangsbescheides, dass dieser trotz Charakterisierung an die formalrechtlich nicht mehr existente „M1 Klinik für Plastische Chirurgie (GmbH)“ Rechtswirkungen gegenüber der Klägerin Ziff. 1 entfalten sollte; insoweit liege eine offenkundig erkennbare Falschbezeichnung vor. Es sei offenkundig, dass sich die Beklagte bei der Adressierung des Ausgangsbescheides an den gesellschaftsrechtlichen Verhältnissen zum Stichtag 1. Juni 2017 orientiert habe; zu diesem Zeitpunkt sei die adressierte Klinik noch existent und für den Betrieb der Privatklinik verantwortlich gewesen. Der für die Gründung der jetzigen Klägerin Ziff. 1 maßgebliche Gesellschaftsvertrag sei erst am 19. Juni 2017 in das Handelsregister eingetragen worden. Unerheblich sei diesbezüglich, dass es sich bei der Gründung der Klägerin Ziff. 1 bei gesellschaftsrechtlich-formaler Betrachtung um eine Neugründung, nicht aber um eine gesellschaftsrechtliche Gesamtrechtsnachfolge gehandelt habe. Denn die Klägerin Ziff. 1 habe die Wirtschaftsgüter übernommen, sich (weiterhin) der Dienste des Klägers Ziff. 2 bedient und in der Folge mit ihm einen Honorararztvertrag vom 3. Juli 2017 abgeschlossen und im Übrigen auch noch nach dem 1. Juni 2017 im Geschäftsverkehr die Bezeichnung „M1 Klinik für Plastische Chirurgie (GmbH)“ verwendet. Schließlich habe die Klägerin Ziff. 1 im Verwaltungsverfahren mit Schreiben vom 8. März 2022 eine Anfrage der Beklagten beantwortet, ohne die Problematik einer Falschbezeichnung überhaupt anzusprechen. Die angefochtenen Bescheide bzw. Widerspruchsbescheide seien formal rechtmäßig.
Sie seien jedoch materiell rechtswidrig, da die Tätigkeit des Klägers Ziff. 2 für die Klägerin Ziff. 1 keine Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) sei. Dem Honorararztvertrag vom 3. Juli 2017 komme nicht nur die Bedeutung eines Rahmenvertrages zu. Eine Auswertung der aktenkundigen Rechnung des Klägers Ziff. 2 zeige, dass zwischen dem Kläger Ziff. 2 und der Klägerin Ziff. 1 eine auf Regelmäßigkeit und Dauer angelegte Zusammenarbeit ohne wesentliche Lücken erfolgt sei. In der Regel seien die Einsätze einmal wöchentlich erfolgt. Deshalb komme es für die Abgrenzung einer abhängigen Beschäftigung von einer selbstständigen Tätigkeit nicht auf eine Einzelbetrachtung der jeweiligen Arbeitseinsätze an. Es überwögen vorliegend die für eine selbstständige Tätigkeit entsprechenden vertraglich vereinbarten, rechtlich zulässigen und tatsächlich praktizierten Umstände. Die Vereinbarung im Honorararztvertrag, wonach der Kläger Ziff. 2 für seine Tätigkeit die Räume, die Einrichtung und das Personal der Klinik in Anspruch nehmen dürfe, würde durch § 3 Nr. 6 Satz 2 des Vertrages erheblich relativiert. Denn hiernach sei der Kläger Ziff. 2 berechtigt, bei seiner Tätigkeit auch eigene Untersuchungs- und Behandlungsgeräte zu verwenden, ohne dass er hierfür einen finanziellen Ausgleich erhalte. Von dieser Möglichkeit habe der Kläger Ziff. 2 Gebrauch gemacht und seinen Anästhesiearbeitsplatz in der Klinik der Klägerin Ziff. 1 auf eigene Kosten mit den notwendigen Gerätschaften eingerichtet. Zudem stelle der Kläger Ziff. 2 in Übereinstimmung mit § 2 Nr. 1 Satz 2 des Vertrages eine eigene Anästhesiepflegekraft und beschäftige (spätestens seit Januar 2018) zur Unterstützung bzw. Vertretung (§ 4 des Vertrages) auch einen eigenen ärztlichen Kollegen (vgl. § 3 Nr. 1 des Vertrages). Dieses „Personal“ unterstütze den Kläger Ziff. 2 nicht nur bei seinen Einsätzen in der Klinik der Klägerin Ziff. 1, sondern auch bei seinen anderen (selbstständigen) Tätigkeiten. Diese rechtlich zulässige und tatsächlich praktizierte Gestaltung spräche deutlich gegen eine fremdbestimmte, in eine vorgegebene Betriebsorganisation eingebundene Tätigkeit. Denn der Kläger Ziff. 2 sorge selbst für die wesentliche Infrastruktur seiner Tätigkeit und bediene sich - zumindest im Kerngebiet zur Erledigung seiner Aufgaben - eigenen Personals. Der hiermit verbundene wirtschaftliche Aufwand sei erheblich und habe nicht nur einen untergeordneten Charakter. Daher drücke sich hierin ein hohes betriebswirtschaftliches Risiko aus, zu dem auch die Finanzierung und Beschaffung der für die Durchführung einer Narkose notwendigen Medikamente und Verbrauchsmaterialien rechne. Auf der anderen Seite müsse berücksichtigt werden, dass die Klägerin Ziff. 1, welche auf die Durchführung von ästhetischen Operationen spezialisiert sei, kein eigenes Anästhesiepersonal vorhalte, also die hiermit verbundenen wirtschaftlichen Risiken auf den Kläger Ziff. 2 ausgelagert habe. Damit sei sie von dem Kläger Ziff. 2 abhängig und stehe ihm gegenüber also nicht, wie dies in einem Arbeitsverhältnis für die Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer typisch wäre, in einem Überordnungsverhältnis gegenüber. Diesen Umständen (Einrichtung bzw. Gestaltung des Arbeitsplatzes durch den Kläger Ziff. 2 auf eigene Kosten, Zusammenarbeit mit eigenem qualifizierten ärztlichen und Pflegepersonal, Verlagerung des mit der Durchführung der Narkosen verbundenen betriebswirtschaftlichen Risikos von der Klägerin Ziff. 1 auf den Kläger Ziff. 2) sei im Rahmen der angesprochenen Abwägung ein hoher Stellenwert zuzumessen. Denn kein gewöhnlicher Arbeitnehmer werde seinen Arbeitsplatz unter hohem Kapitaleinsatz selbst gestalten und mit eigenem Personal zusammenarbeiten und die damit verbundenen wirtschaftlichen Risiken tragen. Vor diesem Hintergrund hätten die arbeitnehmertypischen Aspekte der Tätigkeit nur eine Minderbedeutung. Die vertragliche Regelung in § 2 Nr. 2, dass der Kläger die ärztliche Dokumentation seiner Tätigkeit der Klägerin Ziff. 1 zu überlassen habe, werde in dieser Form nach den übereinstimmenden Angaben der Vertragsparteien nicht praktiziert. Denn der Kläger Ziff. 2 bewahre diese Unterlagen in seinen eigenen Praxisräumen auf und gebe sie nur nach Anforderung an die Klägerin Ziff. 1 heraus. Die Einhaltung eines von der Klägerin Ziff.1 vorgegebenen Hygienekonzepts bzw. sonstiger allgemeiner Regelungen für den Aufenthalt in den Räumen der Klinik begründe gegenüber dem Kläger Ziff. 2 keine organisatorische bzw. persönliche Abhängigkeit. Denn im medizinischen Bereich seien entsprechende Vorgaben, welche sich beispielsweise auch an Besucher richteten, die sich im Klinikbereich aufhielten oder dort tätig würden, ohne Weiteres nachvollziehbar und vielfach verbreitet. Ähnliches gelte für den Umstand, dass der Kläger Ziff. 2 die von der Klägerin Ziff. 1 zur Verfügung gestellte OP-Kleidung nutzen müsse. Schließlich spräche auch die einvernehmliche Festlegung der Operationstermine nicht für eine Eingliederung des Klägers Ziff. 2 in die Betriebsorganisation der Klägerin Ziff. 1. Denn wenn mehrere Selbstständige gemeinsam „ein Werk“ oder eine Dienstleistung erbrächten, setze dies stets eine vorherige Abstimmung voraus und führe nicht zu einer wesentlichen Fremdbestimmung mit der Tätigkeit. Ähnlich sei der Umstand zu werten, dass es für die Patienten der Privatklinik nicht ohne Weiteres erkennbar gewesen sei, dass der Kläger Ziff. 2 kein angestellter Arzt der Klägerin Ziff. 1 sei. Auch dies berühre lediglich das Außenverhältnis und besage nichts über die hier allein maßgeblichen Beziehungen zwischen den beiden Klägern. Dies gelte auch für den Internetauftritt der Klägerin Ziff. 1, auf dem nach den Angaben der Beklagten unter der Rubrik „Die Klinik und das Personal“ auch der vom Kläger Ziff. 2 angestellte Anästhesist vorgestellt werde. All diese Aspekte hätten eine lediglich geringe qualitative Bedeutung und seien nicht geeignet, die Eingliederung des Klägers Ziff. 2 in die Betriebsorganisation der Klägerin Ziff. 1 zu begründen und von einer fremdbestimmten abhängigen Tätigkeit auszugehen. Dies werde auch nicht durch den Umstand geändert, dass der Kläger Ziff. 2 in der Überzahl der Behandlungsfälle mit den Patienten keinen eigenen Behandlungsvertrag abschließe und für jede Narkose von der Klägerin Ziff. 1 als Vergütung ein pauschales Honorar erhalte. Auch dieser Umstand berühre in erster Linie das Außenverhältnis der Klägerin Ziff. 1 bzw. des Klägers Ziff. 2 gegenüber den Patienten und solle sicherstellen, dass die „Kunden“ die Leistungen der Klägerin Ziff. 1 im Rahmen eines Gesamtpakets in Anspruch nehmen könnten und aufgrund eines nur mit der Klägerin Ziff. 1 abgeschlossenen Behandlungsvertrages einen einheitlichen vertraglichen Haftungsanspruch gegenüber der Klinik durchsetzen könnten. Auch wenn dieser Umstand auf eine abhängige Beschäftigung hindeute, sei ihm in der Gesamtschau aller Umstände keine ausschlaggebende Bedeutung zuzumessen. Die Entscheidung befinde sich nicht im Widerspruch zu der „Honorararzt-Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). Grundsätzlich hätten hiernach die aus den gewerberechtlichen Vorgaben für den Betrieb einer Privatklinik abzuleitenden regulatorischen Vorgaben - nämlich die Gewährleistung einer ausreichenden medizinischen (ärztlichen) Versorgung der Patienten - auch im Falle einer Privatklinik für die Abgrenzung einer selbstständigen von einer abhängigen ärztlichen Tätigkeit eine hohe indizielle Bedeutung und sei im Rahmen der Statusbeurteilung zu berücksichtigen. Allerdings schränke das BSG dies sodann ausdrücklich ein und betone, dass hieraus lediglich im Regelfall die Eingliederung des ärztlichen Personals in die Organisations- und Weisungsstruktur der Klinik abzuleiten sei und dass ausnahmsweise - bei gegenläufigen gewichtigen Indizien - auch eine abweichende sozialversicherungsrechtliche Beurteilung möglich sei. Vorliegend sei aufgrund der gegebenen Besonderheiten des Einzelfalles ein solcher Ausnahmefall anzunehmen. Denn auch unter Berücksichtigung der gewerberechtlichen Vorgaben für den Betrieb einer Privatklinik überwögen vorliegend diejenigen Aspekte, welche für eine selbstständige Tätigkeit des Klägers Ziff. 2 sprächen, zumal die erforderliche ärztliche Präsenz auch durch den Inhaber bzw. Geschäftsführer der Klägerin Ziff. 1 gewährleistet werde. Zudem seien etwaigen gewerberechtlichen Defiziten mit ordnungsrechtlichen Mitteln, nicht aber mit den Mitteln des Sozialversicherungsrechts zu begegnen. Die Kostenentscheidung beruhe - für beide Verfahren einheitlich - auf §§ 183 ff. Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gegen das gegen elektronisches Empfangsbekenntnis der Beklagten am 10. April 2024 zugestellte Urteil hat diese am 12. April 2024 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung erhoben. Sie führt aus, die Berufung sei im Interesse der Rechtsfortbildung geboten. Es sei auf die aktuelle Rechtsprechung des BSG zu Honorarärzten in Krankenhäusern zu verweisen. Wenn ein Arzt wie vorliegend eine vom Krankenhaus geschuldete (Teil-)Leistung innerhalb der vom Krankenhaus vorgegebenen Organisationsabläufe erbringe, die Einrichtung und Betriebsmittel des Krankenhauses nutze und arbeitsteilig mit dem ärztlichen und pflegerischen Krankenhauspersonal in vorgegebenen Strukturen zusammenarbeite, sei er in der Regel in einer seine Tätigkeit prägenden Art und Weise fremdbestimmt in den Betrieb des Krankenhauses eingegliedert. Der Kläger Ziff. 2 habe Patienten der Klinik behandelt, wobei der gesamte organisatorische Rahmen im Verhältnis zum Patienten vom Erstkontakt über die arbeitsteilige Behandlung bis zur Abrechnung der erbrachten Leistungen in der Hand der Klinik gelegen habe. Bei einer Gesamtbetrachtung komme dem vom Kläger Ziff. 2 übernommenen unternehmerischen Risiko keine solche Bedeutung zu, dass deshalb eine selbstständige Tätigkeit angenommen werden müsse.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 8. April 2024 aufzuheben
und die Klagen abzuweisen.
Die Klägerin Ziff. 1 beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Kläger Ziff. 2 beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger Ziff. 2 trägt vor, die Indizien für eine selbstständige Tätigkeit überwögen. Die Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BSG seitens der Beklagten sei nicht nachvollziehbar. Sie unterschiede sich von der vorliegenden Konstellation dadurch, dass die dortigen Ärzte in die Organisation der jeweiligen Klinik - der Regelversorgung, nicht eine Privatklinik wie hier - eingebunden gewesen seien, kein eigenes Personal beschäftigten, keine Betriebsmittel stellten, nicht Verbrauchsmaterial auf eigene Kosten beschafften und darüber hinaus in festen Dienstplänen eingeplant gewesen seien. Die dortigen Ärzte stellten im Fall ihres Ausfalls auch nicht selbst eine Vertretung, wie es der Kläger Ziff. 2 tue. Aufgrund dieser eklatanten Unterschiede in tatsächlicher Hinsicht könnten die Urteile des BSG zu sogenannten „Honorarärzten“ vorliegend nicht herangezogen werden. Auch dem von der Beklagten in Bezug genommenen Urteil des BSG vom 24. Oktober 2023 liege ein vollständig vom vorliegenden abweichender Sachverhalt zugrunde. Der dortige Zahnarzt sei in die Ablauforganisation der den Notdienst stellenden Kassenärztlichen Vereinigung derart eingegliedert gewesen, dass er in einen Dienstplan aufgenommen gewesen sei und seine dort genannten Dienste habe erfüllen müssen. Darüber hinaus habe er an den von der Kassenärztlichen Vereinigung gestellten Geräten mit von dieser beschäftigten zahnmedizinischen Fachangestellten gearbeitet. All dies träfe aber auf den Kläger Ziff. 2 nicht zu. Er arbeite bei den zu erbringenden Anästhesieleistungen mit eigenem Personal, stelle in seinem Verhinderungsfall einen bei ihm angestellten Vertreter (Arzt). Er arbeite zwar in den Räumen der Klägerin Ziff. 1, aber mit eigenen Betriebsmitteln und eigenem, auf eigene Kosten angeschafftem Verbrauchsmaterial. Es sei unzutreffend, wenn die Beklagte im Rahmen der Berufungsbegründung davon ausgehe, dass der Kläger Ziff. 2 innerhalb von der Klinik vorgegebener Organisationsabläufe tätig werde, die Einrichtungen und Betriebsmittel der Klinik nutze und arbeitsteilig mit dem ärztlichen und pflegerischen Krankenhauspersonal in vorgegebenen Strukturen zusammenarbeite. Die Berufungsbegründung lasse jeglichen konkreten Bezug zu den hier gegebenen Tatsachen vermissen. Zwar werde behauptet, dass der Kläger Ziff. 2 keinem unternehmerischen Risiko unterliege. Er müsse jedoch seine Personalkosten für die von ihm beschäftigten Mitarbeiter tragen, gleichgültig, ob er mit Anästhesieleistungen beauftragt werde oder nicht. Er trage die Kosten für die von ihm angeschafften Betriebsmittel und die benötigten Verbrauchsmaterialien ebenso wie die Kosten für die zu unterhaltende Versicherung. Hierbei handele es sich um ein erhebliches Risiko. Dies habe sich auch in der Zusammenarbeit mit der Klägerin Ziff. 1 realisiert, da die Klinik aufgrund eines im Jahre 2024 eingetretenen Wasserschadens über eine längere Zeit keine Operationen habe durchführen können und der Kläger Ziff. 2 somit keine Anästhesieleistungen habe erbringen können. Er habe aber weiterhin die bei ihm entstehenden Kosten getragen und insbesondere bezüglich des bei ihm angestellten Personals andere Verwendungsmöglichkeiten suchen müssen, um Einnahmen zur Finanzierung der dennoch weiterhin bestehenden Lohnkosten zu erzielen.
Der Berichterstatter hat mit den Beteiligten am 2. Juli 2024 die Sach- und Rechtslage erörtert.
Die Beteiligten sind mit Schreiben vom 8. Juli 2024 darauf hingewiesen worden, dass die Möglichkeit besteht, dass der Senat die Berufung auch ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zurückweist, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz.
II.
Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 3 SGG statthafte, unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und Abs. 3 SGG) eingelegte zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten, die für den Senat keinen Anlass zu einem anderen Verfahren gegeben hat, gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Die Berufung ist unbegründet.
Das SG hat in seinem Urteil vom 8. April 2024 zu Recht die Bescheide vom 16. August 2022 in der Gestalt des jeweiligen Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2023 aufgehoben. Es ist nach § 7 Abs.1 SGB IV und den durch die Rechtsprechung des BSG hierzu aufgestellten Grundsätzen vom richtigen Maßstab zur Beurteilung des Vorliegens von Beschäftigung ausgegangen und bei der Beurteilung der honorarärztlichen Tätigkeit des Klägers Ziff. 2 für die Klägerin Ziff. 1 zu Recht zu dem Schluss gelangt, dass der Kläger Ziff. 2 bei der Klägerin Ziff. 1 im streitgegenständlichen Zeitraum ab 1. Juni 2017 nicht versicherungspflichtig beschäftigt war. Hierzu nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründung des SG Bezug und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück (§ 153 Abs. 2 SGG).
Auch nach Würdigung des Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren überwiegen ausgehend von den dargestellten Abgrenzungsmaßstäben auch nach Auffassung des Senats die Indizien für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit des Klägers Ziff. 2 bei der Klägerin Ziff. 1.
Zur tatsächlichen Durchführung der Vertragsbeziehungen verweist der Senat auf die Feststellungen des SG, die von der Beklagten im Berufungsverfahren nicht angegriffen worden sind. Ausgehend von diesen Feststellungen ist das SG zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Indizien für eine nichtabhängige Beschäftigung des Klägers Ziff. 2 überwiegen.
Ausgangspunkt der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung ist der im Vertrag zum Ausdruck kommende Wille der Parteien. Vertraglich haben die Klägerin Ziff. 1 und der Kläger Ziff.2 eine „selbstständige Honorararzttätigkeit“ vereinbart. Vorliegend bestehen keine Divergenzen zwischen der Vertragsdurchführung und der Vereinbarung.
Bei der Gewichtung der Indizien ist zu berücksichtigen, dass die ärztliche Tätigkeit in einer Klinik Besonderheiten aufweist. Deshalb können einzelne Gesichtspunkte, die sonst eine Tätigkeit als abhängig oder selbständig kennzeichnen, von vornherein nicht als ausschlaggebende Abgrenzungsmerkmale herangezogen werden. Ärzte handeln bei medizinischen Heilbehandlungen und Therapien grundsätzlich frei und eigenverantwortlich. Hieraus kann aber nicht ohne Weiteres auf eine selbstständige Tätigkeit geschlossen werden (vgl. dazu BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 - B 12 R 10/18 R -, in juris). Umgekehrt kann nicht allein wegen der Benutzung von Einrichtung und Betriebsmitteln der Klinik zwingend eine abhängige Beschäftigung angenommen werden (vgl. BSG, a.a.O. Rn 30;31):
„Der Versorgungsauftrag eines Krankenhauses sowie die Regelungen über die Erbringung und Vergütung von Krankenhausleistungen, zur Qualitätssicherung im Krankenhaus und zum Patientenschutz haben zwar keine zwingende, übergeordnete und determinierende Wirkung hinsichtlich des sozialversicherungsrechtlichen Status von im Krankenhaus tätigen sog Honorarärzten. Entsprechendes hat der Senat für ein Zulassungserfordernis in der ambulanten Versorgung bereits entschieden. Regulatorische Vorgaben sind jedoch bei der Gewichtung der Indizien zur Statusbeurteilung zu berücksichtigen (BSG Urteil vom 24.3.2016 - B 12 KR 20/14 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 29 <Physiotherapeutin> und jüngst BSG Urteil vom 4.9.2018 - B 12 KR 11/17 R - SozR 4-2400 § 7a Nr 10, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Der Senat muss insoweit nicht entscheiden, ob und in welchem Umfang eine selbstständige honorarärztliche Tätigkeit im Krankenhaus leistungs- und vergütungsrechtlich zulässig ist (zur Bedeutung des Versorgungsauftrags der GKV: BSG Urteil vom 4.6.2019 - B 12 R 11/18 R - Rn. 26 zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Dass BGH und BVerfG davon in gewissem Umfang ausgehen, ist für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung des konkreten Arbeitseinsatzes unerheblich. Ein Krankenhaus hat nach § 2 Abs 3 KHEntgG sicherzustellen, dass die nicht fest angestellten Ärzte die gleichen Anforderungen wie die fest im Krankenhaus angestellten Ärzte erfüllen. Dies setzt einen maßgeblichen Einfluss des Krankenhauses auf ihre Tätigkeit voraus (Wahl in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl 2016, § 107 Rn. 26). Neben dem Erfordernis und Nachweis entsprechender fachlicher Qualifikationen bestehen umfassende Sicherstellungspflichten des Krankenhauses, die zu einer weitreichenden Einbindung der Ärzte in die Qualitätssicherungs- und Kontrollmechanismen führen (vgl BT-Drucks 17/9992 S 26). Diese regulatorischen Rahmenbedingungen bedingen im Regelfall die Eingliederung ärztlichen Krankenhauspersonals in die Organisations- und Weisungsstruktur des Krankenhauses.
Obwohl die klagende Klinik als Privatklinik keinen Versorgungsauftrag der gesetzlichen Krankenkassen hat, ist sie nicht frei von regulatorischen Vorgaben, die bei der Statusbeurteilung zu berücksichtigen sind. Gemäß § 30 Abs 1 Gewerbeordnung (GewO) bedürfen Unternehmer ua von Privatnervenkliniken einer Konzession der zuständigen Behörde. Die Konzession ist ua zu versagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die ausreichende medizinische und pflegerische Versorgung der Patienten als nicht gewährleistet erscheinen lassen. Entsprechend dem Versorgungsauftrag in der GKV haben auch die regulatorischen Rahmenbedingungen des § 30 Abs 1 GewO in der Regel die Eingliederung ärztlichen Krankenhauspersonals in die Organisations- und Weisungsstruktur des Krankenhauses zur Folge. Für eine nur ausnahmsweise in Betracht kommende selbstständige Tätigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne müssen daher gewichtige Indizien bestehen.“
Solche gewichtigen Indizien sind vorliegend gegeben. Das SG hat für die Selbstständigkeit des Klägers Ziff. 2 sprechende Anhaltspunkte festgestellt, die ein derartiges Gewicht haben, dass sie die Anhaltspunkte, die für eine Eingliederung des Klägers Ziff. 2 in die von der Klägerin Ziff. 1 bereitgestellte Infrastruktur sprechen, deutlich überwiegen. Der Kläger Ziff. 2 ist nämlich einem relevanten Unternehmerrisiko ausgesetzt. Der Kläger Ziff. 2 hat einen dauerhaften Anästhesiearbeitsplatz vollständig auf eigene Kosten bei der Klägerin Ziff. 1 eingerichtet. Er hat alle Geräte, die er für seine der Klägerin Ziff. 1 erbrachten Anästhesieleistungen während der von der Klägerin Ziff. 1 durchgeführten Operationen braucht, auf seine Kosten angeschafft und lässt sie kontinuierlich auf eigene Kosten überprüfen und warten. Dies entspricht auch der vertraglichen Vereinbarung (vgl. § 3 Nr. 6 Satz 2 des Honorararztvertrages vom 3. Juli 2017). Der Kläger Ziff. 2 schafft die für seine Anästhesieleistungen erforderlichen Medikamente und Verbrauchsmaterialien auf eigene Kosten an. Vor allem erbringt der Kläger Ziff. 2 seine Anästhesieleistungen unter Hinzuziehung von ihm selbst beschäftigten und bezahlten Anästhesiefachpersonal. Der Kläger Ziff. 2 hat (spätestens) seit Januar 2018 auch einen Facharzt für Anästhesie beschäftigt, von welchem er in einem eigenen Verhinderungsfall die von ihm geschuldeten Anästhesieleistungen “in Vertretung“ der Klägerin Ziff. 1 gegenüber erbringen lässt. Insbesondere in der Vorhaltung aller erforderlichen Gerätschaften und in der Beschäftigung des von ihm bei der Erbringung der Anästhesieleistungen eingesetzten eigenen Fachpersonals liegt ein erhebliches unternehmerisches Risiko des Klägers Ziff. 2. Dieses hat sich seinem (unwidersprochenen) Vorbringen zu Folge gerade auch im Jahre 2024 realisiert, als in der Klinik der Klägerin Ziff. 1 wegen eines Wasserschadens über einen längeren Zeitraum keine Operationen durchgeführt werden konnten, somit die vom Kläger angeschafften Anästhesiegerätschaften nicht zur Erzielung von Einkommen verwendet werden konnten und das von ihm durchgehend bezahlte Anästhesiefachpersonal ebenfalls nicht zur Erzielung von Einkommen von ihm eingesetzt werden konnte. Gemäß § 5 Nr. 1 des Honorararztvertrages vom 3. Juli 2017 erhält der Kläger Ziff. 2 pro erbrachten Anästhesieleistung bezogen auf eine Operation eine Pauschalvergütung. Sämtliche eigene Aufwendungen des Klägers Ziff. 2 bezüglich der von ihm zu erbringenden Anästhesieleistungen werden ihm von der Klägerin Ziff. 1 nicht gesondert vergütet.
Angesichts dessen fallen bei einer Gesamtwürdigung aller Indizien für und gegen eine abhängige Beschäftigung des Klägers Ziff. 2 die Umstände der tatsächlichen Leistungserbringung des Klägers Ziff. 2, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen können, nicht entscheidend ins Gewicht. Dass der Kläger Ziff. 2 bei der Erbringung seiner Anästhesieleistungen gemäß § 2 Nr. 1 des Honorararztvertrages die Räume der Klägerin Ziff. 1 in Anspruch genommen hat, liegt in der Natur seiner Leistungserbringung. Darüber hinaus hat er noch weitere Einrichtungen und Personal der Klägerin Ziff. 1 nicht in Anspruch genommen. Dass der Kläger Ziff. 2 gemäß § 2 Nr. 2 des Honorararztvertrages verpflichtet ist sicherzustellen, dass die in der Privatklinik erbrachten ärztlichen Leistungen ordnungsgemäß dokumentiert und der Klinikleitung zur Aufnahme in die Patientendokumentation zur Verfügung gestellt werden, ist tatsächlich nicht von den Vertragspartnern praktiziert worden. Übereinstimmend haben der Geschäftsführer der Klägerin Ziff.1 und der Kläger Ziff. 2 mehrmals im Verfahren - gerade auch im Termin zur Erörterung des Sachverhalts vor dem SG am 18. Januar 2024 - angegeben, dass der Kläger Ziff. 2 alle Unterlagen zur ärztlichen Dokumentationspflicht in seinen eigenen Praxisräumen verwahrt. Dass der Kläger Ziff. 2 gemäß § 2 Nr. 3 des Honorararztvertrages verpflichtet ist, die allgemein geltenden Hygienevorschriften und die von der Klägerin Ziff. 1 erlassenen Hygienerichtlinien in ihrer Klinik zu beachten, begründet keine relevante organisatorische bzw. persönliche Abhängigkeit des Klägers Ziff. 2. Denn die Einhaltung dieser Vorschriften ist bedingt durch die Art der ärztlichen Leistungserbringung und betrifft gleichermaßen im Rahmen der ärztlichen Leistungserbringung einbezogene abhängig Beschäftigte wie selbstständig Tätige. Schließlich spricht auch die einvernehmliche Festlegung der Operationstermine nicht für eine Eingliederung des Klägers Ziff. 2 in die Betriebsorganisation der Klägerin Ziff. 1. Die Festlegung der Operationstermine seitens der Klägerin Ziff. 1 erfolgt hier jedenfalls ausschließlich erst nach vorheriger einvernehmlichen Absprache mit dem Kläger Ziff. 2; es ist keinesfalls so gewesen, dass der Kläger Ziff. 2 sich einem vorgegebenen „OP-Plan“ der Klägerin Ziff. 1 fügen musste. Der Kläger Ziff. 2 war gemäß § 3 Nr. 1 des Honorararztvertrages auch nicht dazu verpflichtet, seine Anästhesieleistungen höchstpersönlich zu erbringen; er war dazu berechtigt - und hat dies auch tatsächlich so gehandhabt - durch einen von ihm selbst beschäftigten Arzt für Anästhesie bei der jeweiligen Operation die von ihm geschuldete Anästhesieleistung der Klägerin Ziff. 1 gegenüber zu erbringen. Wenn schließlich aufgrund des „Internetauftritts“ der Klägerin Ziff. 1 potenzielle Patienten der Eindruck gewinnen können, dass es sich bei dem Kläger Ziff. 2 bzw. bei dem von ihm beschäftigten Facharzt für Anästhesie um einen bei der Klägerin Ziff. 1 angestellten Facharzt handelt, ist dies aber in der Gesamtabwägung letztlich ein Umstand, der von geringer Bedeutung im Sinne einer abhängigen Beschäftigung des Klägers Ziff. 2 bei der Klägerin Ziff. 1 ist.
Nach alledem war die Berufung daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergeht - für beide Verfahren einheitlich - nach § 183 ff. SGG. Nach der Verfahrensverbindung handelt es sich im Anschluss an § 113 Abs. 1 SGG um ein prozessrechtlich einheitlich zu beurteilendes Verfahren. Dies erfordert, dass über die Kosten beider Klagen einheitlich entschieden wird, da ein Nebeneinander der Kostenregelung aus §§ 183 ff. und aus § 197a SGG zu widersprüchlichen Ergebnissen bzw. Wertungswidersprüchen führen würde (vgl. BSG, Beschluss vom 29. Mai 2006 - B 2 U 391/05 B -). Deshalb ist § 197a SGG als eng auszulegende Ausnahmevorschrift nicht anzuwenden, wenn an dem einheitlichen Verfahren wegen einer subjektiven Klagehäufung (§ 74 SGG i.V.m. § 59 Zivilprozessordnung) ein anderer Beteiligter beteiligt ist, welcher zu dem kostenprivilegierten Personenkreis der §§ 183 ff. SGG rechnet (vgl. BSG, a.a.O.). Dies gilt auch dann, wenn die hierin liegende subjektive Klagehäufung auf einer Verfahrensverbindung durch das SG beruht.
Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
Abteilung
2.
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 BA 1123/23
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 BA 1152/24
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Rechtskraft
Aus
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