L 6 AS 36/24 NZB

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 16 AS 1477/23
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 6 AS 36/24 NZB
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 10.11.2023 wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Zulassung der Berufung gegen ein Urteil des Sozialgerichts (SG) Düsseldorf.

In der Sache geht es um die Übernahme eines (weiteren) Betrages i. H. v. 120 € durch den Beklagten nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II), den der Kläger aufgrund der Nachforderung seines Vermieters aus der Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2022 begehrt.

Mit Bescheiden vom 05.02.2021 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 27.11.2021 bzw. 12.01.2022 bewilligte der Beklagte dem Kläger u. a. Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.01.2022 bis zum 31.03.2022. Mit Bescheiden vom 03.03.2022, 17.12.2022 und 20.01.2023 bewilligte er ihm Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.04.2022 bis zum 31.12.2022. Dabei berücksichtigte er als Kosten der Unterkunft und Heizung monatlich die Grundmiete i. H. v. 250 €, Heizkosten i. H. v. 50 € und Nebenkosten i. H. v. 80 € und zahlte diese Beträge tatsächlich an den Kläger aus.

Aus der von dem Kläger vorgelegten Nebenkostenabrechnung vom 07.03.2023 ging hervor, dass er lediglich 120 € Nebenkosten inkl. Heizkosten monatlich an den Vermieter gezahlt habe. Daraufhin änderte der Beklagte mit Bescheid vom 24.03.2023 die Bewilligungsbescheide vom 03.03.2022, 17.12.2022 und 20.01.2023 und führte aus, es seien Vorauszahlungen i. H. v. 12 x 130 € (insgesamt 1.560 €) für das Jahr 2022 geleistet worden. Der tatsächliche Verbrauch habe 1.788,21 € betragen. Dem Kläger stünde daher für den Monat März 2023 anstelle der Nachforderungssumme des Vermieters (348,41 €) ein Mehrbetrag von (nur) 228,21 € zu.

Gegen den Bescheid legte der Kläger am 20.04.2023 Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 03.07.2023 als unbegründet zurückwies. Der offene Betrag (120 €) sei im Ergebnis dadurch entstanden, dass der Kläger die gewährten Leistungen nicht in voller Höhe an seinen Vermieter weitergeleitet habe.

Hiergegen hat der Kläger am 02.08.2023 Klage erhoben. Er hat vorgetragen, dass der Beklagte ihm von dem Nachforderungsbetrag seines Vermieters anstelle der geforderten 348,21 € zu Unrecht lediglich 228,21 € überwiesen habe. Auch auf seine Nachfrage, ihm den noch fehlenden Betrag i. H. v. 120 € auszuzahlen, habe der Beklagte lediglich mit Bescheid vom 24.03.2023 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.07.2023 reagiert und mitgeteilt, der Betrag i. H. v. 120 € werde nicht überwiesen. Sofern der Beklagte vortrage, er habe im Zeitraum der Neben- und Betriebskostenabrechnung von dem Beklagten als Vorauszahlung den Betrag i. H. v. 130 € monatlich erhalten, aber ausweislich der Bestätigung und Abrechnung des Vermieters an diesen monatlich nur 120 € weitergeleitet, sei dies nachweislich unzutreffend. Die monatliche Überweisung der vollen Miete i. H. v. 380 € ergebe sich aus seinen Kontoauszügen. Dies könne letztlich aber auch dahinstehen. Entscheidend sei, dass er im Zeitpunkt der Abrechnung durch den Vermieter den Betrag i. H. v. 348,21 € und nicht nur 228,21 € benötigt habe, so dass der Beklagte zur Zahlung des Betrags i. H. v. 120 € verpflichtet sei.

Der Kläger hat in der Fassung seines schriftsätzlichen Begehrens durch das SG beantragt,

den Bescheid vom 24.03.2023 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.07.2023 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm noch den Betrag i. H. v. 120 € auszuzahlen.

Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, seine im Verwaltungsverfahren mitgeteilte Auffassung sei rechtmäßig. Der Beklagte habe dem Kläger den Betrag i. H. v. 348,21 € vollumfänglich zur Verfügung gestellt. Letztendlich gebe es zwei Möglichkeiten: Entweder habe der Kläger lediglich 120 € an seinen Vermieter weitergeleitet oder der Vermieter habe fälschlicherweise nur 120 € in die Abrechnung eingestellt, obwohl er 130 € erhalten habe. In beiden Fällen ergebe sich kein höherer Nachzahlungsanspruch für den Kläger.

Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 10.11.2023 – dem Kläger zugestellt am 21.12.2023 – hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung in der Sache im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe den Betrag i. H. v. 348,21 € aus der Forderung des Vermieters für Neben-, Betriebs- und Heizkosten in vollem Umfang erhalten und räume dies auch selbst ein. Denn er habe zum einen die Zahlung i. H. v. 228,21 € und zuvor monatlich den Betrag i. H. v. 130 € für die sog. Nebenkosten- und Heizkostenvorauszahlung erhalten. Dies ergebe sich auch aus den Anlagen K 1 und K 2 zur Klageschrift. Dort teile der Vermieter mit, dass der Kläger monatlich den Betrag i. H. v. 120 € geleistet habe. Von dem Beklagten erhalten habe der Kläger monatlich 130 €. Die Anlagen zeigten damit, dass er auch die hier geforderten 120 € bereits erhalten habe. Sofern der Kläger vortrage, dies könne dahinstehen, teile die Kammer diese Ansicht nicht. Gemäß § 22 SGB II habe der Kläger Anspruch auf Übernahme der angemessenen und tatsächlich entstandenen Kosten der Unterkunft. Diese habe er erhalten. Aus welchem Grund darüber hinaus ein weiterer Zahlungsanspruch i. H. v. 120 € bestehen sollte, sei nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen worden. In der Rechtsmittelbelehrung der Entscheidung hat das SG den Kläger über die Möglichkeit der Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde informiert.

Am 27.12.2023 hat der Kläger gegen das Urteil „Berufung“ eingelegt und beantragt, die Berufung gegen das Urteil des SG vom 18.12.2023 zuzulassen und es aufzuheben. Die Entscheidung des SG sei nach seinem Dafürhalten unrichtig. Den gestrichenen Betrag i. H. v. 120 € müsse er aus dem Existenzminimum – Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes – bestreiten, wenn die Entscheidung des SG Düsseldorf bestehen bliebe. Grundsätzlich stelle sich hier die Frage, ob ein x-beliebiger Leistungsempfänger, für die Abrechnungsmodalitäten eines x-beliebigen Vermieters, auf die kein Mieter Einfluss habe, von dem Beklagten durch tatsächliche, reale Leistungskürzung „bestraft" werde. Es werde jedes Jahr, für die Monate November, Dezember, Januar, Februar nachgewiesen, dass er die bewilligten Wohnkosten i. H. v. 380 €/Monat in voller Höhe als monatliche Mietzahlungen an seinen Vermieter weiterleite. In den anderen Monaten März bis Oktober überweise er ebenfalls 380 €/Monat als Miete an seinen Vermieter.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung nicht vorliegen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten, der Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen ist, Bezug genommen.

II.

1. Das Begehren des Klägers ist verständigerweise nicht als Berufung, sondern als Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des SG auszulegen (§ 144 Abs. 2 SGG).

2. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Die Berufung gegen das Urteil des SG vom 10.11.2023 – bei dem abweichenden Datum in dem Schriftsatz des Klägers vom 22.12.2023 handelt es sich um einen offenkundigen Schreibfehler – bedarf nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG der Zulassung, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750 € nicht übersteigt und keine Leistungen für mehr als ein Jahr im Streit sind (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Der Kläger macht einen (weiteren) Anspruch nach dem SGB II für den Monat März 2023 i. H. v. 120 € geltend.

Nach § 144 Abs. 2 SGG ist eine Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Abs. 2 Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung eines Landessozialgerichts (LSG), des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Abs. 2 Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Abs. 2 Nr. 3). Keiner dieser Zulassungsgründe liegt vor.

a) Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Eine Rechtssache hat dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sich eine Rechtsfrage stellt, deren Klärung über den konkreten Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich ist (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Berufungsgericht zu erwarten ist (Klärungsfähigkeit) (Beschluss des erkennenden Senats vom 26.03.2010, L 6 B 110/09 AS NZB, juris Rn. 15; Keller in Meyer-Ladewig u. a., SGG, 14. Auflage 2023, § 144 Rn. 28 m. w. N.).

Auszugehen ist dabei von den tatsächlichen Umständen, die das SG seiner Entscheidung zu Grunde gelegt hat (vgl. dazu Leitherer in Meyer-Ladewig u. a., SGG, 14. Auflage 2023, § 160 Rn. 9 f.). Trotz des noch nicht abschließend festgestellten Sachverhaltes ist daher für die vorliegende Entscheidung (möglicherweise unzutreffend) zu Grunde zu legen, dass der Kläger die ihm gewährten Leistungen für Unterkunft und Heizung nicht in voller Höhe an den Vermieter weitergeleitet hat. Ausgehend von dieser Sachverhaltsvariante ist keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache anzunehmen. Denn diese Fallgestaltung ist bereits durch die Entscheidung des BSG vom 16.05.2012, B 4 AS 159/11 R, juris Rn. 17 in rechtlicher Hinsicht als geklärt anzusehen. Es fehlt somit an einer Klärungsbedürftigkeit der Angelegenheit. Allein der Umstand, dass der Kläger die Entscheidung des SG für sachlich falsch hält, vermag eine grundsätzliche Bedeutung der Streitsache nicht zu begründen (Leitherer a. a. O. Rn. 14).

b) Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG) liegt ebenfalls nicht vor. Zwar mag die Entscheidung des SG mit den Grundsätzen, die das BSG in dem Urteil vom 16.05.2012, B 4 AS 159/11 R aufgestellt hat, nicht vereinbar sein, dies reicht jedoch nicht aus. Wer sich auf den Zulassungsgrund der Divergenz beruft, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze – hier – im Urteil des SG einerseits und in einem Urteil – hier – des BSG gegenüberstellen und Ausführungen dazu machen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen und das Urteil des SG auf dieser Divergenz beruht (vgl. dazu ausführlich etwa BSG, Beschluss vom 31.07.2017, B 1 KR 47/16 B, juris Rn. 13 m. w. N.; Leitherer in Meyer-Ladewig, SGG, 14. Auflage 2023, § 160a Rn. 15b). Erforderlich ist, dass das SG bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und nicht etwa lediglich fehlerhaft das Recht angewendet hat. Wenn das SG einen abweichenden entscheidungstragenden abstrakten Rechtssatz nicht ausdrücklich formuliert, sondern nur implizit zugrunde gelegt hat, genügt es, dass der Beschwerdeführer darlegt, dass das SG von einer Entscheidung des BSG abgewichen ist, indem es einen der höchstrichterlichen Rechtsprechung widersprechenden abstrakten Rechtssatz nur sinngemäß und in scheinbar fallbezogene Ausführungen gekleidet entwickelt hat. In einem solchen Fall muss der Beschwerdeführer jedoch darlegen, dass sich aus den Ausführungen des angefochtenen Urteils unzweifelhaft der sinngemäß zugrunde gelegte abstrakte Rechtssatz schlüssig ableiten lässt, den das SG als solchen auch tatsächlich vertreten wollte (vgl. zum Ganzen BSG a. a. O.; Leitherer a. a. O. Rn. 15c). Daran fehlt es hier, weil der Kläger weder die Entscheidung des BSG nennt noch Ausführungen zur Grundsätzlichkeit der Überlegungen des SG macht. Der Zulassungsgrund nach § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG wird von ihm noch nicht einmal ausdrücklich erwähnt.

c) Ein wesentlicher Verfahrensmangel (§ 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG) ist weder geltend gemacht noch ersichtlich.

d) Soweit aus dem Vorbringen des Klägers sinngemäß hervorgeht, dass der Vermieter – evtl. anders als vereinbart – eine höhere Grundmiete und geringere Nebenkostenvorauszahlungen bei der Nebenkostenanrechnung zugrunde gelegt hat, mag der Kläger dies mit dem Vermieter klären und den Beklagten entsprechend unterrichten.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

4. Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde an das BSG angefochten werden (§ 177 SGG).

5. Nach § 145 Abs. 4 Satz 4 SGG wird das Urteil des SG mit der Zurückweisung der Beschwerde rechtskräftig.

Rechtskraft
Aus
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