L 7 AS 645/24 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 25 AS 2400/23 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 645/24 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozigerichts Düsseldorf vom 06.05.2024 geändert. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Den Antragstellern wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt G., U., beigeordnet.

Gründe:

 

Die nach den §§ 172, 173 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht (SG) den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zur Zahlung von Leistungen nach dem SGB II an die Antragsteller verpflichtet.

 

Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen
(§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung >ZPO<). Ob ein Anordnungsanspruch vorliegt, ist in der Regel durch summarische Prüfung zu ermitteln (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. nur Beschluss vom 31.01.2023 – L 7 AS 1052/22 B ER – juris, Rn. 23 m.w.N.). Können ohne Eilrechtsschutz jedoch schwere und unzumutbare Nachteile entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, ist eine abschließende Prüfung erforderlich (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 – juris, Rn. 25; Beschluss vom 26.02.2024 – 1 BvR 392/24 – juris Rn. 4). Bei offenem Ausgang muss das Gericht anhand einer Folgenabwägung entscheiden, die die grundrechtlichen Belange der Antragsteller umfassend zu berücksichtigen hat (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 – juris, Rn. 26; ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. nur Beschluss vom 30.08.2018 – L 7 AS 1268/18 B ER – juris, Rn. 20).

 

Nach diesen Maßgaben ist der Antrag nicht begründet. Die Antragsteller haben jedenfalls keinen Anordnungsgrund im Sinne einer besonderen Eilbedürftigkeit glaubhaft gemacht.

 

Der Senat hat in seinem Beschluss vom 16.07.2024 (L 7 SF 159/24 ER) die Vollstreckung aus dem Beschluss des SG vom 06.05.2024 ausgesetzt und zur Begründung ausgeführt:

 

„Offensichtliche Erfolgsaussichten des Rechtsmittels bestehen insbesondere im Hinblick auf den geltend gemachten Anordnungsgrund einer besonderen Eilbedürftigkeit. Denn es bestehen insofern ganz erhebliche Zweifel. Einen Anordnungsgrund haben die Antragsgegner weder in Bezug auf die nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) beanspruchten Regelbedarfe noch mit Blick auf die Kosten der Unterkunft und Heizung glaubhaft gemacht. Der Umstand, dass Grundsicherungsleistungen betroffen sind, ersetzt nicht die Glaubhaftmachung, dass ein nicht anders als durch Erlass der begehrten Regelungsanordnung abwendbarer Nachteil droht. Ein solcher ist nur gegeben, wenn bei einer Verweisung auf das Hauptsacheverfahren nicht mehr korrigierbare, irreparable Schäden drohen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 01.10.2020 – 1 BvR 1106/20 und vom 19.09.2017 – 1 BvR 1719/17 zu den Voraussetzungen für eine Entscheidung nach § 90 Abs. 2 S. 2 BVerfGG). Eine unmittelbare Gefährdung ihrer Unterkunft wegen Mietrückständen haben die Antragsgegner bislang nicht vorgetragen. Zwar haben sie ein Kündigungsschreiben des Vermieters vom 09.10.2023 vorgelegt, dem sind jedoch offenbar keine weiteren Schritte zur Durchsetzung der Kündigung gefolgt. Auch hinsichtlich der Gewährung von Regelbedarfen ist keine besondere Eilbedürftigkeit glaubhaft gemacht. Zum einen hat der Antragsgegner zu 1.) am 17.06.2024 eine berufliche Tätigkeit mit einem monatlichen Einkommen in Höhe von 1.353,13 Euro brutto aufgenommen. Auch wenn das Einkommen für den Monat Juni lediglich anteilig ab Arbeitsaufnahme gezahlt wurde, stehen den Antragsgegnern unter weiterer Berücksichtigung des für den Antragsgegner zu 2.) gezahlten Kindergeldes in Höhe von monatlich 250,00 Euro jedenfalls zukünftig Mittel aus dem Arbeitseinkommen sowie Kindergeld in Höhe der Regelbedarfe von insgesamt 1.014,00 Euro (563,00 Euro für den Antragsgegner zu 1.) und 451,00 Euro für den Antragsgegner zu 2.) zur Verfügung.  Für die Vergangenheit ergeben sich – ungeachtet der im weiteren Verfahren zu klärenden Fragen, ob einem Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II der Versagungsbescheid der Antragstellerin und eine fehlende Antragstellung betreffend den Antragsgegner zu 2.) sowie eine mangelnde Hilfebedürftigkeit entgegensteht – auch insofern erhebliche Bedenken hinsichtlich des Vorliegens der geltend gemachten Eilbedürftigkeit. Denn entgegen dem Vortrag im Erörterungstermin vor dem Sozialgericht am 19.03.2024, von dem Schwager mit 500,00-700,00 Euro monatlich unterstützt zu werden, haben die Antragsgegner nunmehr angegeben, von dem Schwager Mansour seit dem 01.01.2024 mit Darlehen und Zuwendungen von 8.730,00 Euro unterstützt worden zu sein. Unter weiterer Berücksichtigung des zusätzlich gezahlten Kindergeldes standen den Antragsgegnern durch die angegebenen Darlehen und Zuwendungen seit Januar 2024 deutlich mehr als regelbedarfsdeckende Mittel zur Verfügung. Die überschießenden Mittel sind offensichtlich unter Berücksichtigung der vorgetragenen, weiterhin bestehenden Mietrückstände seit April 2023 bis Juni 2024 in Höhe von 8.775,00 Euro auch nicht etwa zu Rückführung dieser Mietrückstände genutzt worden. Die Antragsgegner konnten mithin nach ihrem eigenen Vortrag ihren Lebensunterhalt durch deutlich über dem Regelbedarf liegende Privatdarlehen sichern, so dass ungeachtet der vorgenannten, den Anordnungsanspruch betreffenden Fragen jedenfalls eine besondere Eilbedürftigkeit nicht glaubhaft gemacht wurde.“

 

Der weitere Verlauf des Beschwerdeverfahrens rechtfertigt es nicht, von dieser Beurteilung abzuweichen. Eine nachteilige Veränderung der Einkommenssituation der Antragsteller ist nicht glaubhaft gemacht, zumal diese die mit Schriftsatz vom 28.06.2024 angekündigten Verdienstbescheinigungen des Antragstellers zu 1) trotz mehrfacher Erinnerung des Senats bis zum Tag der Beschlussfassung nicht zur Verfahrensakte gereicht haben. Mit Schriftsatz vom 22.07.2024 haben die Antragsteller bestätigt, dass ihr Vermieter weiterhin auf einen Ausgleich der rückständigen Mieten vertraut und deshalb keine weiteren Schritte eingeleitet hat. Soweit die Antragsteller nunmehr vortragen, die vom Schwager Abdulla Mansour geleisteten Unterstützungszahlungen seien i.H.v. 6.020 € schon vor dem 01.01.2024 erfolgt, steht dies in offensichtlichem Widerspruch zu ihrem Vortrag im Erörterungstermin des SG vom 19.03.2024 und ihrer eindeutigen Beantwortung der Anfrage des Senats mit Schriftsatz vom 09.07.2024. Ein derart widersprüchlicher Vortrag vermag nicht die Annahme eines Anordnungsgrundes zu begründen, zumal die vorgelegten Kontoauszüge keinen Anhalt dafür bieten, dass die Antragsteller in dem maßgeblichen Zeitraum ab Einleitung des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nicht in der Lage waren, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

 

Der Senat sieht sich nicht veranlasst, den Antragstellern Leistungen im Wege einer Folgenabwägung zuzusprechen. Die Antragsteller haben es selbst in der Hand, widerspruchsfrei und wahrheitsgemäß vorzutragen (vgl. hierzu Beschluss des Senats vom 21.04.2021 – L 7 AS 1626/20 B ER – juris, Rn. 19).

 

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

 

Den Antragstellern war für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Prüfung der Erfolgsaussichten zu bewilligen (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

 

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).

 

 

 

 

Rechtskraft
Aus
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