Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 20.07.2020 geändert und der Bescheid der Beklagten vom 19.09.2018 in der Gestalt des Bescheides vom 27.02.2019 und des Widerspruchsbescheides vom 29.08.2019 aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 4.337,21 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Betriebsprüfungsverfahrens nach § 28p Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) über eine Nachforderung von Beiträgen und Umlagen zur Sozialversicherung in Bezug auf die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) und 2).
Die Klägerin, die im Bereich der Unternehmensberatung tätig ist, beschäftigte die Beigeladenen zu 1) (im Folgenden: E) und zu 2) (im Folgenden: B) zunächst in Vollzeit. Beiden wurde ein Kraftfahrzeug (Kfz) als Firmenfahrzeug mit privater Nutzung zur Verfügung gestellt. Im Jahr 2012 wechselte B (aus persönlichen Gründen) und im Jahr 2014 E (wegen der Aufnahme einer anderen hauptberuflichen Tätigkeit) in eine Teilzeittätigkeit bei der Klägerin.
Der mit E geschlossene Anstellungsvertrag vom 30.10.2014 (im Folgenden: AV-E) sah beginnend am 01.11.2014 für die Tätigkeit als Mitarbeiterin „Research“ (§ 3 AV-E) eine „Arbeitszeit von 28 Stunden im Monat und damit 7 Stunden in der Woche“ (§ 4 AV-E) vor. Das Entgelt wurde wie folgt geregelt:
§ 5
Als Entgelt für die in § 3 dieses Vertrags bezeichnete Tätigkeit zahlt „L.“ E ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von EUR 280,-. Dieses Gehalt wird in Form einer Sachleistung Dacia Sandero Stepway, als Firmenfahrzeug mit privater Nutzung, zur Verfügung gestellt. (…)
Ab 01.04.2015 reduzierte E ihre Tätigkeit für die Klägerin auf eine Arbeitszeit von 12 Stunden monatlich. In dem hierzu geschlossenen neuen Anstellungsvertrag vom 30.03.2015 (im Folgenden: AV-E-2015) wurde in § 5 das zu zahlende monatliche Bruttogehalt bei im Übrigen gleichbleibendem Wortlaut auf 150 Euro festgelegt. Aufgrund eines Versehens berechnete die Klägerin E ab Mai 2015 eine (höhere) monatliche Vergütung von 197,88 Euro.
Der mit B geschlossene Anstellungsvertrag vom 31.01.2012 (im Folgenden: AV-B) sah beginnend am 01.02.2012 für die Tätigkeit als Mitarbeiterin „Organisation und Buchhaltung“ (§ 3 AV-B) eine „Arbeitszeit von 32 Stunden im Monat und damit 8 Stunden in der Woche“ (§ 4 AV-B) vor. Das Entgelt wurde wie folgt geregelt:
§ 5
Als Entgelt für die in § 3 dieses Vertrags bezeichnete Tätigkeit zahlt „L.“ B ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von EUR 480,-. Dieses Gehalt wird in Form einer Sachleistung VW Sharan, als Firmenfahrzeug mit privater Nutzung, zur Verfügung gestellt. (…)
Alle drei Verträge sehen in § 11 S. 3 (gleichlautend) vor, dass die Wirksamkeit des übrigen Vertrags von einer Unwirksamkeit einzelner Bestimmungen des Vertrags nicht berührt wird.
Die Klägerin entrichtete an die Einzugsstelle Sozialversicherungsbeiträge, deren Berechnung sie den jeweilig mit B und E in § 5 des AV vertraglich vereinbarten monatlichen Bruttolohn bzw. die der E ab Mai 2015 berechnete höhere monatliche Vergütung zugrunde legte.
Im Verhältnis zu B und E ermittelte sie für die von ihr zur Verfügung gestellten Kfz den jeweiligen geldwerten Vorteil der privaten Nutzung. Soweit das Bruttogehalt den errechneten „Kfz-Wert“ überstieg, zahlte sie den übersteigenden Differenzbetrag aus. War der „Kfz-Wert“ dagegen höher als das vertraglich vereinbarte Gehalt, erhielt sie von der Beschäftigten eine (den überschießenden Betrag entsprechende) Ausgleichszahlung.
In der Zeit vom 04.06. bis 27.08.2018 führte die Beklagte bei der Klägerin eine Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis 31.12.2017 durch. Nach Anhörung mit Schreiben vom 19.07.2018 setzte sie Nachforderungen in Höhe von insgesamt 5.356,72 Euro einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von 1.019,50 Euro fest (Bescheid vom 19.09.2018). Für E und B sei in der Zeit vom 01.01.2015 bis zum 31.12.2017 der gesetzliche Mindestlohn, der nach dem Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (Mindestlohngesetz – MiLoG vom 11.08.2014) seit dem 01.01.2015 in Höhe von 8,50 Euro brutto je Zeitstunde und seit dem 01.01.2017 in Höhe von 8,87 Euro brutto je Zeitstunde gelte, nicht gezahlt worden. Der Mindestlohn werde als Geldbetrag geschuldet und könne nicht durch das Gewähren von Sachleistungen erfüllt werden. Entsprechend seien die E und B in Form eines Dienstfahrzeugs/PKW gewährten Sachbezüge nicht auf den Mindestlohn anrechenbar.
Dem Widerspruch der Klägerin vom 15.10.2018 half die Beklagte mit Bescheid vom 27.02.2019 insoweit ab, als Säumniszuschläge nicht mehr gefordert wurden und sich der Nachforderungsbetrag (damit) auf 4.337,21 Euro reduzierte. Im Übrigen wies sie den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29.08.2019 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 24.09.2019 Klage vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen (SG) erhoben. Die Beitragsforderung der Beklagten sei durch die von ihr entrichteten Sozialversicherungsbeiträge erloschen, denn sie, die Klägerin, habe Beiträge genau in der Höhe ordnungsgemäß abgeführt, in der sie ausweislich der vereinbarten Bruttolöhne zu entrichten waren. Die Betrachtungsweise der Beklagten würde im Ergebnis dazu führen, dass sie zusätzlich zu den bruttolohnadäquaten Sozialversicherungsbeiträgen erneute Beiträge in der angeforderten Höhe und damit eine rechtsgrundlose Doppelzahlung tätigen müsste. Wäre sie zur erneuten Zahlung verpflichtet, wäre die erste rechtsgrundlose Zahlung rückabzuwickeln. Insoweit erkläre sie die Aufrechnung.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 19.09.2018 in der Gestalt des Bescheides vom 27.02.2019 und des Widerspruchsbescheides vom 29.08.2019 aufzuheben.
Die Beklagte hat unter vertiefender Begründung ihrer Rechtsauffassung, dass nach § 1 Abs. 2 MiLoG ein Geldbetrag geschuldet werde und die Gewährung von Sachbezügen regelmäßig nicht geeignet sei, den Vergütungsanspruch zu erfüllen, beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das SG hat die Klage durch Urteil vom 20.07.2020 – im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung – abgewiesen. Die Beklagte sei zu Recht von einer Lohndifferenz ausgegangen. Insofern sei nicht zu berücksichtigen, dass die Klägerin E und B einen Dienstwagen zur Verfügung gestellt habe. Bei dem Mindestlohn handele es sich um eine Bruttoentgeltschuld des Arbeitgebers. Es sollten mit dem Mindestlohngesetz alle Arbeitnehmer vor den Folgen einer unangemessen niedrigen Vergütung geschützt werden. Dieser in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommende Zweck ziele darauf ab, jedem Arbeitnehmer ein existenzsicherndes Monatseinkommen zu gewährleisten (BT-Drs. 18/1558 S. 28). Diesem Ziel entsprechend forderten §§ 1 und 2 MiLoG mit dem Begriff der „Zahlung“ und der Nennung eines Eurobetrags in „brutto“ eine Entgeltleistung in Form von Geld (vgl. BAG Urt. v. 25.05.2016 – 5 AZR 135/16 – juris Rn. 29). Der Arbeitgeber könne den Mindestlohnanspruch nicht mit Sachleistungen erfüllen, da er damit – selbst wenn diese Entgeltcharakter hätten – nicht die von ihm gemäß § 1 Abs. 2 MiLoG geschuldete Zahlung einer Geldsumme bewirke. Die Überlassung von Dienstfahrzeugen sei eine Sach- statt einer geschuldeten Geldleistung. Anders als die Klägerin meine, habe sie den von ihr geschuldeten Gesamtsozialversicherungsbeitrag nicht etwa bereits dadurch entrichtet, dass sie an der Höhe der Sachleistung orientierte Beträge abführe. Stattdessen erhöhe die Gewährung der Sachleistung lediglich das insgesamt in die Ermittlung des zu entrichtenden Gesamtsozialversicherungsbeitrags einzubeziehende Arbeitsentgelt. Denn in einem zweiten Schritt führe der Umstand, dass die Sachleistung der Klägerin bei der Frage der Erfüllung des Arbeitsentgelts in Form des Mindestlohns keine Berücksichtigung finden könne, dazu, dass es in der Zeit vom 01.01.2015 bis zum 31.12.2017 zu überobligatorischen Zuwendungen über das geschuldete Entgelt von 8,50 Euro bzw. 8,84 Euro je Zeitstunde hinaus durch die Klägerin an E und B gekommen sei. Der Zufluss von Arbeitsentgelt sei für das Beitragsrecht der Sozialversicherung aber ausnahmsweise dann entscheidend, soweit der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mehr leiste, als ihm unter Beachtung der gesetzlichen, tariflichen oder einzelvertraglichen Regelungen zustehe. Inhaltlich fordere die Beklagte mit dem angegriffenen Bescheid dadurch nicht ein zweites Mal den vollen Gesamtsozialversicherungsbeitrag, sondern sie fordere Beiträge nur unter Zugrundelegung eines korrekt berechneten, am Mindestlohn orientierten Entgelts nach. Bei der Berechnung der Beklagten sei die Sachleistung auch nicht zur Ermittlung der nachgeforderten Beträge angesetzt worden.
Gegen das ihr am 23.07.2020 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 27.07.2020 Berufung eingelegt. Der Gesetzgeber habe ein absolutes Verbot, arbeitgeberseitige Sachleistungen auf den Mindestlohn anzurechnen, weder ursprünglich noch später im MiLoG normiert. Dies folge nicht nur aus dem eindeutigen Wortlaut des § 1 MiLoG, der eben gerade keine Ausschlussformel enthalte, sondern auch aus dem Verweis in § 1 Abs. 3 MiLoG auf das Arbeitnehmer-Entsende Gesetz (AEntG). So sehe § 2a Abs. 1 AEntG vor, dass Entlohnung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 AEntG alle Bestandteile der Vergütung seien, die der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber in Geld oder als Sachleistung für geleistete Arbeit erhalte. Die Bestimmung des § 2a AEntG sei zwar erst durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2018/957 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.06.2018 zur Änderung der Richtlinie 96/71 EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen eingefügt worden. Damit aber habe lediglich eine Verdeutlichung und Klarstellung und keine wesentliche inhaltliche Änderung des Begriffs des Mindestlohns vorgenommen werden sollen. Zudem entspreche dies im Wesentlichen auch den Regelungen in § 14 Abs. 1 SGB IV und § 19 Einkommenssteuergesetz (EStG).
Auch der vom SG in Bezug genommenen Entscheidung des BAG sei keine Beschränkung auf eine Vergütung in Geld zu entnehmen. Vielmehr gelte danach ein umfassender, alle synallagmatischen Geldleistungen des Arbeitgebers umfassender Entgeltbegriff. Zu bedenken sei auch, dass für den Fall arbeitsgerichtlicher Entscheidungen, die im Einzelfall bestimmte Sachbezüge als nicht anrechnungsfähig qualifizierten, lediglich ein arbeitsrechtlicher Anspruch des Arbeitnehmers auf bislang nicht in bar vergüteten Lohn ausgeurteilt würde. Dies stelle kein Präjudiz im Hinblick auf die sozialversicherungsrechtliche Bewertung dar. Auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) seien alle im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis erbrachten Leistungen mit Ausnahme derjenigen, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf eine tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbringe oder die auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung beruhten, mindestlohnwirksam.
Im Übrigen weise sie darauf hin, dass das Amtsgericht E. ihr dort geführtes Einspruchsverfahren gegen einen vom Hauptzollamt E. erlassenen Bußgeldbescheid gem. § 47 Abs. 2 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) eingestellt habe.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
das Urteil des SG Gelsenkirchen vom 20.07.2020 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19.09.2018 in der Gestalt des Bescheides vom 27.02.2019 und des Widerspruchsbescheides vom 29.08.2019 aufzuheben.
Die Beklagte, die ihre Auffassung weiter für zutreffend erachtet, beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Aus ihrer Sicht habe die Änderung des AEntG den Mindestlohnbegriff des § 1 MiLoG nicht modifiziert.
In einem Erörterungstermin am 28.02.2024 sind E und B befragt worden. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung mitgeteilt und dieses auch nach Eingang weiterer Unterlagen der Klägerin aufrechterhalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der Beratung des Senats gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte über die Berufung der Klägerin ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten übereinstimmend hiermit einverstanden erklärt haben (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die zulässige Berufung ist begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid vom 19.09.2018 in der Gestalt des Bescheides vom 27.02.2019 und des Widerspruchsbescheides vom 29.08.2019 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin im Sinne des § 54 Abs. 2 S. 1 SGG in ihren Rechten.
Die vorgenannten Bescheide sind formell rechtmäßig (dazu 1.), aber materiell rechtswidrig (dazu 2.).
1. Der Bescheid vom 19.09.2018 ist formell rechtmäßig. Die Beklagte hat die Klägerin insbesondere vor seinem Erlass mit Schreiben vom 19.07.2018 ordnungsgemäß angehört (§ 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – SGB X).
2. Die streitgegenständlichen Bescheide sind jedoch in materieller Hinsicht zu beanstanden.
Rechtsgrundlage der Beitragsfestsetzung ist § 28p Abs. 1 S. 1 und 5 SGB IV. Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28a SGB IV) mindestens alle vier Jahre (S. 1). Im Rahmen dieser Prüfung erlassen sie Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern. § 10 Aufwendungsausgleichsgesetz stellt die Umlagen zum Ausgleichsverfahren insoweit den Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung gleich (vgl. z.B. BSG Urt. v. 27.04.2021 – B 12 R 18/19 R – juris Rn. 12 m.w.N.; Urt. v. 10.12.2019 – B 12 R 9/18 R – juris Rn. 12).
In der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung wird bei versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung das Arbeitsentgelt aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung zugrunde gelegt (§ 226 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB V], § 57 Abs. 1 S. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB XI], § 162 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI], § 342 Drittes Buch Sozialgesetzbuch [SGB III]). Dabei gilt im Beitragsrecht der Sozialversicherung für laufend gezahltes Arbeitsentgelt das sog. Entstehungsprinzip (vgl. § 22 Abs. 1 S. 1 SGB IV). Danach entstehen die Beitragsansprüche der Versicherungsträger, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Maßgebend für die Begründung von Beitragsansprüchen, die an das Arbeitsentgelt Beschäftigter anknüpfen, ist damit allein das Entstehen des arbeitsrechtlich geschuldeten Entgeltanspruchs ohne Rücksicht darauf, ob, von wem und in welcher Höhe dieser Anspruch im Ergebnis durch Entgeltzahlung erfüllt wird. Insoweit folgt das Sozialversicherungsrecht – anders als das Steuerrecht – nicht dem Zuflussprinzip (vgl. BSG Urt. v. 07.02.2002 – B 12 KR 13/01 R – juris Rn. 22). Der Zufluss von Arbeitsentgelt ist nur dann und nur soweit entscheidend, wie der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mehr leistet als unter Beachtung der gesetzlichen, tariflichen oder einzelvertraglichen Regelungen geschuldet ist, also überobligatorische Leistungen erbracht werden (st. Rspr., vgl. z.B. BSG Beschl. v. 16.11.2023 – B 12 BA 21/23 B – juris Rn. 10 m.w.N.; Urt. v. 27.04.2021 – B 12 R 18/19 R – juris Rn. 15 m.w.N.).
Nach diesen Grundsätzen ist die Klägerin ihren sozialversicherungsrechtlichen Beitragspflichten vollumfänglich nachgekommen. Zutreffend hat sie die Beitragsbemessung auf der Basis der E und A vertraglich geschuldeten arbeitsrechtlichen Entgeltansprüche bzw. der von ihr für E versehentlich angenommenen höheren Ansprüche vorgenommen (hierzu unter a.). Entgegen der Auffassung der Beklagten besteht – auch unter Berücksichtigung des MiLoG – keine rechtliche Grundlage dafür, der Berechnung der Beitragsschuld kumulativ den Wert der Sachzuwendung zuzüglich eines hierzu addierten Anspruchs auf Mindestlohn zugrunde zu legen (hierzu unter b.). Auch sonstige Gründe vermögen eine höhere Beitragsfestsetzung und damit die von der Beklagten vorgenommene Nachforderung nicht zu rechtfertigen (hierzu unter c.).
a. Die Beitragsberechnung ist in den streitigen Zeiträumen (allein) am jeweiligen vertraglich begründeten Arbeitsentgelt von E und B bzw. dem irrtümlich angenommenen höheren Arbeitsentgelt von E ab Mai 2018 zu bemessen, so dass die Klägerin die gesetzliche Beitragsschuld mit ihrer – dem entsprechenden – Zahlung erfüllt hat.
Nach dem mit E geschlossenen Anstellungsvertrag vom 30.10.2014 schuldete die Klägerin E im streitigen Zeitraum zunächst für eine Arbeitszeit von 28 Stunden im Monat ein monatliches Bruttogehalt von 280 Euro (§ 5 S. 1 AV-E) bzw. aufgrund des geänderten Anstellungsvertrags vom 30.03.2015 für eine Arbeitszeit von 12 Stunden ein monatliches Bruttogehalt von 150 Euro.
B hatte nach dem mit ihr am 31.01.2012 geschlossenen Anstellungsvertrag für eine Arbeitszeit von 32 Stunden im Monat einen Anspruch auf ein monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von 480 Euro brutto (§ 5 S. 1 AV-B).
Auf die arbeitsvertraglich somit gem. § 5 S. 1 der jeweiligen AV begründeten Entgelte hat die Klägerin – unter Berücksichtigung der Sachbezüge gem. § 3 Abs. 1 S. 3 Sozialversicherungsordnung (SvEV) i.V.m. § 8 Abs. 2 Einkommenssteuergesetz (EStG) – ausgerichtet an dem für die Beitragsbemessung grundsätzlich geltenden Entstehungsprinzip vollumfänglich Sozialversicherungsbeiträge abgeführt.
Soweit die Klägerin ab Mai 2015 (versehentlich) von einem über dem eigentlichen vertraglichen Anspruch liegenden Arbeitsentgelt der E ausgegangen ist, hat sie auch diesen (überobligatorischen) Lohn – nach dem hierfür geltenden Zuflussprinzip – verbeitragt. Dass die Abführung sämtlicher Beiträge – auf dieser Grundlage – ordnungsgemäß erfolgt ist, ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.
b. Entgegen der Auffassung der Beklagten können die von der Klägerin zu entrichtenden Beiträge nicht von einem kumulierten Wert aus den Sachzuwendungen und einem Anspruch auf Mindestlohn bemessen werden (ebenso LSG Baden-Württemberg Urt. v. 19.04.2023 – L 5 BA 1846/22 – juris Rn. 29 – anhängig BSG - B 12 BA 6/23 R). Eine derartige Addition lässt sich weder auf die vertragliche Ausgestaltung der Arbeitsverhältnisse gründen (hierzu unter aa.) noch aus dem MiLoG ableiten (hierzu unter bb.).
aa. Nach den jeweilig geschlossenen AV ist ein vertraglicher Anspruch von E und B lediglich auf das dort in § 5 S. 1 festgelegte Arbeitsentgelt (und nicht höher) entstanden.
Ausweislich der klaren Formulierungen in den AV sollten die Sachleistungen nicht ergänzend zu dem in § 5 S. 1 AV in Euro bezifferten Arbeitsentgelt, sondern allein in der Erfüllung dieses Anspruchs gezahlt werden. Sonstige Anhaltspunkte, die für die Gewährung einer zusätzlichen freiwilligen Arbeitgeberleistung durch das Überlassen der Kfz neben dem im Synallagma stehenden Arbeitsentgelt sprechen, sind nicht ersichtlich und von den Beteiligten auch nicht dargelegt worden. Im Gegenteil wird die vertragliche Regelung durch die praktische Handhabung belegt, da die Klägerin einen Differenzbetrag ausgezahlt hat, soweit das vereinbarte Bruttogehalt den errechneten „Kfz-Wert“ überstieg bzw. im umgekehrten Fall eines höheren Kfz-Werts ein Ausgleich durch die Arbeitnehmerin erfolgt ist. Entsprechend lässt sich zu keinem Zeitpunkt ein vertraglicher Anspruch von E und B auf Zahlung des in § 5 S. 1 der AV vermerkten Lohnanspruchs zuzüglich des nach § 5 S. 2 der jeweiligen AV festgelegten Sachbezugs begründen.
bb. Auch die Vorgaben des MiLoG rechtfertigen es nicht, der Beitragsbemessung eine höhere Entgeltsumme als vertraglich vereinbart bzw. von der Klägerin bei E ab Mai 2015 (versehentlich) angenommen zugrunde zu legen und damit eine höhere Beitragsschuld festzusetzen. Die Höhe des zwischen der Klägerin und E bzw. B vertraglich vereinbarten Arbeitslohns verstößt nicht gegen die vom MiLoG vorgegebenen Mindestgrenzen (dazu unter (1)). Ob die Klägerin den sich hieraus ergebenden Lohnanspruch (durch die Gewährung der Kfz bereits) erfüllt hat oder nicht, ist für die sozialversicherungsrechtliche Beitragsberechnung ohne Relevanz (dazu unter (2)). Eine von den allgemeinen Grundsätzen zur sozialversicherungsrechtlichen Beitragsbemessung abweichende Handhabung erfordern auch Sinn und Zweck des MiLoG nicht (dazu unter (3)).
(1) Die von der Klägerin mit E und B in § 5 S. 1 des jeweiligen AV vereinbarten vertraglichen Arbeitsentgelte verstoßen nicht gegen das MiLoG.
Gemäß § 1 Abs. 1 MiLoG (i.d.F. v. 11.08.2014, BGBl. I, S. 1348) hat jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns durch den Arbeitgeber. Die Höhe des Mindestlohns betrug ab dem 01.01.2015 8,50 Euro brutto je Zeitstunde (§ 1 Abs. 2 S. 1 MiLoG) und ab dem 01.01.2017 8,84 Euro brutto je Zeitstunde (§ 1 Abs. 2 S. 1, § 11 MiLoG i.V.m. der Verordnung zur Anpassung der Höhe des Mindestlohns – Mindestlohnanpassungsverordnung – MiLoV vom 15.11.2016, BGBl. I, S. 2530).
Die im Streitzeitraum vereinbarten bzw. von der Klägerin angenommenen Entgeltansprüche liegen (deutlich) über den genannten Mindestlohnbeträgen.
So ergibt sich aus dem zwischen der Klägerin und E in § 5 S. 1 AV-E vereinbarten monatlichen Arbeitsentgeltanspruch von 280 Euro brutto bei der gem. § 4 S. 1 AV-E festgelegten und von E zu leistenden und auch geleisteten Arbeitszeit von 28 Stunden monatlich ein Anspruch von 10,00 Euro je Zeitstunde und bei dem im AV-E-2015 ab 01.04.2015 vereinbarten Arbeitsentgeltanspruch von 150 Euro bei 12 monatlichen Arbeitsstunden ein Anspruch von 12,50 Euro je Zeitstunde. Der von der Klägerin ab Mai 2015 für E (versehentlich) angenommene Lohnanspruch lag noch höher.
B hatte aufgrund des mit ihr in § 5 S. 1 AV-B vereinbarten monatlichen Arbeitsentgeltanspruchs von 480 Euro bei einer von ihr gem. § 4 S. 1 AV-B zu leistenden und auch geleisteten Arbeitszeit von 32 Stunden monatlich einen Entgeltanspruch von sogar 15,00 Euro je Zeitstunde.
(2) Entgegen der Auffassung der Beklagten kann die Beitragsbemessung nicht mit ihrem (alleinigen) Argument, die von der Klägerin an E und B gewährten Sachleistungen seien nicht geeignet (gewesen), den gesetzlichen Anspruch auf Zahlung des Mindestlohns zu erfüllen, auf den Wert der (Sach-)Leistungen und zusätzlich auf einen Mindestlohnanspruch nach dem MiLoG gestützt werden.
Wie bereits dargelegt knüpft die sozialversicherungsrechtliche Beitragsschuld grundsätzlich an das „Entstehen“ des arbeitsrechtlichen Entgeltanspruchs an. Hingegen ist die Frage, ob der Entgeltanspruch des Arbeitnehmers / der Arbeitnehmerin schon „erfüllt“ wurde bzw. wann, von wem und in welcher Höhe er erfüllt wird, nicht zu berücksichtigen (st. Rspr., vgl. z.B. BSG Urt. v. 27.04.2021 – B 12 R 18/19 R – juris Rn. 15 m.w.N.). Für die sozialversicherungsrechtliche Beitragsberechnung spielt es in einer Fallgestaltung wie der vorliegenden entsprechend keine Rolle, ob die Klägerin den Anspruch von E und B auf den gesetzlichen Mindestlohn nach § 1 Abs. 1 MiLoG (bereits) durch die (in § 5 S. 2 der AV vereinbarte) Überlassung eines Kfz zur privaten Nutzung im Sinne von § 362 Abs. 1 BGB erfüllt hat (vgl. zu den Anforderungen an die Erfüllungswirkung BAG Urt. v. 25.05.2016 – 5 AZR 135/16 – juris Rn. 20 ff.). Ist der Bruttolohnanspruch (wie hier in § 5 S. 1 der jeweiligen AV) ausdrücklich in Geld bemessen, bleibt es ohne Einfluss, ob eine vom Arbeitgeber zur Abgeltung des Anspruchs erbrachte Sachleistung erfüllende Wirkung hat oder ob das MiLoG, wie die Beklagte meint, eine Auszahlung in Geld erfordert und die Klägerin hier den Lohnanspruch von E und B damit (arbeitsrechtlich) noch nicht erfüllt hätte (ebenso LSG Baden-Württemberg Urt. v. 19.04.2023 – L 5 BA 1846/22 – juris Rn. 28 ff. – anhängig BSG - B 12 BA 6/23 R).
Auch aus dem Zuflussprinzip ergibt sich keine andere Beurteilung, da dieses – wie bereits dargelegt – überobligatorische Leistungen des Arbeitgebers voraussetzt, d.h. nur insoweit greift, wie der Arbeitnehmer / die Arbeitnehmerin ein höheres als das geschuldete Arbeitsentgelt tatsächlich erhalten hat (vgl. BSG Urt. v. 07.02.2002 – B 12 KR 13/01 R – juris Rn. 22). Tatsächlich erhalten haben E und B jedoch (auch nach Auffassung der Beklagten, die den Anspruch nach dem MiLoG eben gerade noch nicht als erfüllt ansieht) nur Leistungen in Höhe ihres in § 5 S. 1 AV geregelten Lohnanspruchs.
(3) Die Notwendigkeit einer von den allgemeinen Grundsätzen zur Bemessung der sozialversicherungsrechtlichen Beitragsschuld abweichenden Handhabung ist von der Beklagten nicht konkret vorgetragen worden. Sie ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des MiLoG.
Mit den gesetzlichen Regelungen des MiLoG sollte verhindert werden, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu Arbeitsentgelten beschäftigt werden, die unangemessen sind und den in Art. 2 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz (GG) zum Ausdruck kommenden elementaren Gerechtigkeitsanforderungen nicht genügen. Die Höhe des festgelegten Mindestlohns sollte es einem alleinstehenden Vollzeitbeschäftigten ermöglichen, bei durchschnittlicher Wochenarbeitszeit ein Monatseinkommen oberhalb der Pfändungsfreigrenze zu erzielen (vgl. BT-Drs. 18/1558 v. 28.05.2014, S. 2, 28; BAG Urt. v. 25.05.2016 – 5 AZR 135/16 – juris Rn. 29). Dieser Zweck wird durch die an der Anspruchsentstehung statt der Anspruchserfüllung ausgerichtete sozialversicherungsrechtliche Beitragsbemessung nicht berührt. Die Pflicht des Arbeitgebers zur Zahlung des Arbeitsentgelts (mindestens in Höhe des Mindestlohns) an den Arbeitnehmer / die Arbeitnehmerin sowie seine Pflicht zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen (mindestens auf der Basis eines Mindestlohnanspruchs) stehen insoweit nebeneinander.
c. Auch sonstige Gründe vermögen eine höhere Beitragsfestsetzung und damit die von der Beklagten vorgenommene Nachforderung nicht, auch nicht in Teilen, zu rechtfertigen. Weder lässt sich diese auf eine etwaige Nichtigkeit von § 5 S. 2 der jeweiligen AV (hierzu unter aa.) noch auf anderweitige (beitragsspezifische) Erwägungen stützen (hierzu unter bb.).
aa. Nach den allgemeinen Grundsätzen der sozialversicherungsrechtlichen Beitragsbemessung ist es (sozialversicherungsrechtlich) hier ohne Bedeutung, ob die in § 5 S. 2 des jeweiligen AV gewählte Vereinbarung der Vertragsparteien, wonach der sich aus § 5 S. 1 AV ergebende Lohnanspruch durch die Gewährung eines Kfz erfüllt werden solle, gem. § 3 S. 1 MiLoG nichtig ist. Gleiches gälte für dessen etwaige Nichtigkeit gem. § 134 BGB, § 107 Abs. 2 S. 5 GewO (vgl. hierzu Bayreuther, NZA 2023, 1572 ff.; BAG Urt. v. 31.05.2023 – 5 AZR 273/22 – juris Rn. 11).
(1) Da die Frage, ob, wann und von wem ein (bestehender) Lohnanspruch erfüllt wird, bei der am Entstehungsprinzip ausgerichteten Beitragsbemessung – wie bereits dargelegt – keine Rolle spielt, vermag die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit einer sich allein auf die Erfüllung beziehenden Vertragsklausel (hier § 5 S. 2 AV) bei grundsätzlich mindestlohngerechter Entgeltabrede (hier § 5 S. 1 AV) schon per se keinen Einfluss auf die Beitragsbemessung zu entfalten.
(2) Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass sich eine Beitragsberechnung auf der Grundlage eines (noch nicht erfüllten) Zahlanspruchs von E und B zuzüglich des Werts der (bereits bewirkten) Sachleistung im Übrigen auch dann rechtlich nicht begründen ließe, wenn man von einer Nichtigkeit der Sachleistungsklausel und einer entsprechenden Pflicht der Klägerin gegenüber E und B ausginge, den gem. § 5 S. 1 des jeweiligen AV geschuldeten Lohn in Geld zu bezahlen.
(a) Wäre die in § 5 S. 2 des jeweiligen AV vereinbarte Sachleistungsabrede als unwirksam anzusehen, änderte sich nichts daran, dass die Bemessung der Beitragspflicht auch in diesem Fall an dem in § 5 S. 1 der AV begründeten Lohnanspruch ausgerichtet werden müsste. Ausdrücklich reicht die Nichtigkeit gem. § 3 S. 1 MiLoG nur „insoweit“, wie der Anspruch auf Mindestlohn unterschritten oder seine Geltendmachung beschränkt oder ausgeschlossen wird bzw. berührt auch nach § 11 S. 3 AV eine Unwirksamkeit einzelner Klauseln die Wirksamkeit des Vertrags im Übrigen nicht.
Soweit zur Beitragsbemessung das Entstehungsprinzip herangezogen würde, ist – wie bereits dargelegt – vorliegend (allein) ein Anspruch von E und B auf Zahlung eines (den Mindestlohnanspruch übersteigenden) Arbeitsentgelts gem. § 5 S. 1 des jeweiligen AV entstanden. Das MiLoG würde (hinsichtlich der in der Höhe rechtwirksamen Bruttolohnabrede) gar nicht berührt. Ein Anspruch auf Sachleistungen bestünde bei Unwirksamkeit des § 5 S. 2 der jeweiligen AV nicht.
Das Zuflussprinzip wiederum gelangte (über seine schon bisherige Berücksichtigung bei dem für E irrtümlich angenommenem Arbeitsentgelt) nicht zur Anwendung, da E und B von der Klägerin keine Leistungen erhalten haben, die die Höhe des vertraglichen bzw. von der Klägerin bei E versehentlich höher angenommenen Arbeitsentgelts übersteigen.
(b) Können somit auch im Falle der Nichtigkeit der Erfüllungsklausel in § 5 S. 2 des jeweiligen AV höchstens die von der Klägerin bei der Beitragsberechnung auch tatsächlich angesetzten Entgelte herangezogen werden, bleiben etwaige arbeitsrechtliche Folgen der Unwirksamkeit sozialversicherungsrechtlich ohne Belang. Dies gilt insbesondere für die Frage, ob einem eventuellen (Erfüllungs-)Anspruch auf Zahlung des Arbeitslohns in Geld überhaupt ein wirtschaftlicher Wert zukäme, da die Klägerin diesem grundsätzlich einen bereicherungsrechtlichen Anspruch auf Rückgabe der dann rechtsgrundlos erbrachten Sachleistungen entgegenstellen könnte (verneinend LSG Baden-Württemberg Urt. v. 19.04.2023 – L 5 BA 1846/22 – juris Rn. 29; vgl. jedoch zur Problematik eines eventuellen Entreicherungseinwands im Fall von Sachbezügen Bayreuther, NZA 2023, 1572 ff).
Eine Diskussion eventueller arbeitsrechtlicher Ab- bzw. Rückabwicklungen kommt im hier vorliegenden Fall im Übrigen aber auch deshalb nicht zum Tragen, weil E und B einen solchen (von der Beklagten angenommenen) Zahlanspruch zu keiner Zeit geltend gemacht und im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 28.02.2024 mitnichten bekundet haben, diesen trotz der vereinbarten und erhaltenen Sachleistungen noch geltend machen zu wollen. Ein derartiger Anspruch wäre für die bereits lange zurückliegenden Zeiträume zudem auch gem. §§ 195, 199 BGB verjährt.
bb. Sonstige Gründe, die eine von den allgemeinen Grundsätzen der sozialversicherungsrechtlichen Beitragsbemessung abweichende Regelung rechtfertigen könnten, sind gleichfalls nicht ersichtlich und von der Beklagten auch nicht vorgetragen worden. Die Verknüpfung der sozialversicherungsrechtlichen Beitragsbemessung mit der Entstehung des Arbeitsentgeltanspruchs eines Arbeitnehmers / einer Arbeitnehmerin stellt auch in den Sachverhalten, in denen das MiLoG berührt wird, eine adäquate Grundlage zur Bestimmung der Beitragslast dar. Vielmehr benachteiligt umgekehrt gerade die von der Beklagten vorgenommene Handhabung die Klägerin unangemessen.
Vereinbart ein Arbeitgeber – wie hier – mit seinem Arbeitnehmer / seiner Arbeitnehmerin gesetzestreu einen den Mindestlohn überschreitenden Arbeitslohn, schuldet er den Beitrag eben aus diesem Lohn. Entsprechend kommen dem Arbeitnehmer / der Arbeitnehmerin diese (höheren) Entgelte bei der (späteren) Geltendmachung von sozialversicherungsrechtlichen Ansprüchen zugute.
Unterschreitet der Arbeitgeber mit dem vereinbarten Lohn hingegen die Grenzen des MiLoG, entsteht dem Arbeitnehmer / der Arbeitnehmerin aus § 1 Abs. 1 MiLoG ein (eigenständiger) Anspruch auf den Mindestlohn (vgl. BAG Urt. v. 25.05.2016 – 5 AZR 135/16 – juris Rn. 22) bzw. soweit der Arbeitgeber (einen niedrigeren) Lohn auszahlt, auf die Differenz zum Mindestlohn (vgl. BAG a.a.O. – juris Rn. 24). Entsprechend bemisst sich in diesem Fall auch die sozialversicherungsrechtliche Beitragspflicht auf der Grundlage des (gesetzlich entstandenen) Mindestlohnanspruchs und wirkt sich der Schutz des MiLoG damit auch zugunsten der sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche des Beschäftigten aus.
Die von der Beklagten vorgenommene kumulative Berechnung der Beiträge aus einem Mindestlohnanspruch nach dem MiLoG und zusätzlich aus dem (als Sachleistung gewährten) vertraglichen Entgeltanspruch führt zu einer Doppelbelastung der Klägerin für die keine sachliche Notwendigkeit erkennbar ist. Insbesondere fehlt es an Gründen, die es im Sinn von Art. 3 GG rechtfertigen könnten, einen Arbeitgeber, der dem Arbeitnehmer / der Arbeitnehmerin Leistungen oberhalb der Grenze des MiLoG (wenngleich als Sachleistungen) gewährt gegenüber einem Arbeitgeber, der mit den von ihm gewährten Entgelten absolut unterhalb dieser Grenze bleibt, deutlich schlechter zu stellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2, Abs. 3, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Revision wird gem. § 160 Abs. 2 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 197a SGG i.V.m. §§ 47 Abs. 1 S. 1, 52 Abs.1, Abs. 3, 63 Abs. 2 S. 1 Gerichtskostengesetz.